Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. April 2007
Aktenzeichen: 23 W (pat) 355/04
(BPatG: Beschluss v. 03.04.2007, Az.: 23 W (pat) 355/04)
Tenor
Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Patentansprüche 1 bis 5, Beschreibung, Seiten 1 bis 3, Figuren 1 bis 4, diese Unterlagen überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 3. April 2007.
Gründe
I.
Die Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die am 10. April 2003 eingegangene Patentanmeldung das am 1. Juli 2004 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung "Leistungshalbleitermodul mit flexibler äußerer Anschlussbelegung" (Streitpatent) erteilt.
Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2004, beim Deutschen Patent- und Markenamt vorweg per Fax eingegangen am selben Tag, gegen das Streitpatent Einspruch eingelegt und beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen. Als Widerrufsgrund ist mangelnde Patentfähigkeit geltend gemacht worden, wobei zum Stand der Technik die Druckschriften:
- DE 196 30 173 C2 (Druckschrift D1) - DE 42 37 632 A1 (Druckschrift D2) und - DE 100 33 610 A1 (Druckschrift D3), genannt worden sind, die auch bereits im Prüfungsverfahren zum Stand der Technik in Betracht gezogen worden sind. Im Einzelnen hat die Einsprechende ausgeführt, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents durch die Druckschrift D1 neuheitsschädlich getroffen sei bzw. gegenüber einer Zusammenschau der Druckschriften D1 und D2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Unteransprüche 2 bis 9 des Streitpatents enthielten ebenfalls nichts Patentbegründendes.
Die Patentinhaberin ist dem Einspruchsvorbringen mit Schriftsatz vom 18. März 2005 in allen wesentlichen Punkten entgegengetreten. Sie hat das Streitpatent in der erteilten Fassung verteidigt und die Auffassung vertreten, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gegenüber dem von der Einsprechenden genannten Stand der Technik neu und erfinderisch sei.
Mit Schriftsatz vom 19. März 2007 hat die Patentinhaberin eine fehlerhafte Fundstelle zum Stand der Technik richtiggestellt in:
- DE 101 25 696 A1 und zudem Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag I vorgelegt.
Mit der Terminsladung ist auf den Stand der Technik aus dem Prüfungsverfahren zur europäischen Parallelanmeldung hingewiesen worden.
In der mündlichen Verhandlung am 3. April 2007 hat die Patentinhaberin zuletzt zur beschränkten Verteidigung des Streitpatents Patentansprüche 1 bis 5 mit angepasster Beschreibung und Zeichnung vorgelegt und die Auffassung vertreten, dass der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik patentfähig sei.
Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 gegenüber Stand der Technik nach der Druckschrift D1 und den zur europäischen Parallelanmeldung ermittelten Druckschriften:
- EP 1 032 042 A2 (Druckschrift D4) bzw. - WO 02/058152 A2 (Druckschrift D5)
bei Einbeziehung des fachmännischen Wissens nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 5, Beschreibung, Seiten 1 bis 3, Figuren 1 bis 4, diese Unterlagen überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 3. April 2007.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Leistungshalbleitermodul (10) mit einer Grundplatte (20) oder zur direkten Montage auf einem Kühlkörper bestehend aus einem rahmenartigen Gehäuse (30); einem Deckel (70) und mit mindestens einem innerhalb des Gehäuses (30) angeordneten elektrisch isolierenden Substrat (50), das seinerseits besteht aus einem Isolierstoffkörper (52) mit einer Mehrzahl von darauf befindlichen gegeneinander isolierten metallischen Verbindungsbahnen (54), darauf befindlichen und mit diesen Verbindungsbahnen schaltungsgerecht verbundenen Leistungshalbleiterbauelementen (56) sowie nach außen führenden Anschlusselementen für Last- und Hilfskontakte, wobei zumindest ein Teil der Anschlusselemente im Inneren des Leistungshalbleitermoduls gebildet wird durch Kontaktverbinder (60), die zwischen Verbindungsbahnen (54) und Kontaktpunkten (78) auf einer Leiterplatte (71) angeordnet sind, wobei die Kontaktverbinder (60) als Kontaktfedern ausgebildet sind, wobei diese Leiterplatte Leiterbahnen (72) aufweist, die diese Kontaktpunkte mit nach außen führenden Kontaktelementen (76) mit einer von der inneren Anschlussbelegung auf dem Substrat (50) abweichenden äußeren Anschlussbelegung verbindet, und wobei die Leiterplatte (71) innerhalb eines rahmenartig ausgebildeten Deckels (70) eingebettet ist und somit selbst einen Teil des Deckels bildet."
Wegen der geltenden Unteransprüche 2 bis 5 und weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 gültigen Fassung. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist. Diese befristete Regelung ist nach Ablauf von insgesamt 4 Jahren und 6 Monaten zum 1. Juli 2006 ohne weitere Verlängerung ausgelaufen, so dass ab 1. Juli 2006 die Zuständigkeit für die Entscheidung in den Einspruchsverfahren wieder auf das Patentamt zurückverlagert wurde. Das Bundespatentgericht bleibt gleichwohl für die in dem bezeichneten befristeten Zeitraum durch § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG zugewiesenen Einspruchsverfahren weiterhin zuständig, weil der Gesetzgeber eine anderweitige Zuständigkeit für diese Verfahren nicht ausdrücklich festgelegt hat und deshalb der allgemeine Rechtsgrundsatz der "perpetuatio fori" (analog § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und analog § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG) zum Tragen kommt, wonach eine einmal begründete Zuständigkeit grundsätzlich bestehen bleibt (siehe die zur Veröffentlichung vorgesehene Senatsentscheidung 23 W (pat) 327/04 vom 19. Oktober 2006, "Rundsteckverbinder" zur Frage der fortdauernden Zuständigkeit des Bundespatengerichts für die durch § 147 Abs. 3 PatG zugewiesenen Einspruchsverfahren).
III.
Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Der Einspruch ist jedoch nur insoweit begründet, als er nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zur beschränkten Aufrechterhaltung des Streitpatents entsprechend dem Antrag der Patentinhaberin führt.
1. Zulässigkeit des Einspruchs Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von dem Patentinhaber zwar nicht in Frage gestellt worden. Jedoch haben Patentamt und Gericht auch ohne Antrag des Patentinhabers die Zulässigkeit des Einspruchs in jedem Verfahrensstadium von Amts wegen zu überprüfen (vgl. Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59, Rdn. 145), da ein unzulässiger - einziger - Einspruch zur Beendigung des Einspruchsverfahrens ohne weitere Sachprüfung über die Rechtsbeständigkeit des Streitpatents führt (vgl. hierzu Schulte, PatG, 7. Auflage, § 61, Rdn. 24; BGH GRUR 1987, 513, II.1. - "Streichgarn").
Gegen die Zulässigkeit des Einspruchs bestehen im vorliegenden Fall aber insofern keine Bedenken, als die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht und die Tatsachen im Einzelnen angegeben hat, die den Einspruch rechtfertigen sollen (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG), indem sie den erforderlichen Zusammenhang zwischen sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents und dem Stand der Technik nach der Druckschrift D1 hergestellt hat (vgl. hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, li. Sp., Abs. 1 - "Epoxidation"; Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59 Rdn. 77 bis 82). Ob die dabei vorgetragenen Tatsachen den Widerruf des Patents auch tatsächlich rechtfertigen, ist nicht bei der Zulässigkeit, sondern bei der Begründetheit des Einspruchs zu prüfen (vgl. BGH BlPMZ 1987, 203, 204, li. Sp., vorle. Abs. - "Streichgarn"; BlPMZ 1985, 142, Leitsatz - "Sicherheitsvorrichtung"; Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59 Rdn. 84).
2. Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche Im Einspruchsverfahren ist die Zulässigkeit der Patentansprüche von Amts wegen auch dann zu überprüfen, wenn von der Einsprechenden der Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung - wie vorliegend - nicht geltend gemacht worden ist (vgl. hierzu BGH Mitt. 1995, 243, Leitsatz 2 - "Aluminium-Trihydroxid").
Die geltenden Patentansprüche sind jedoch zulässig.
Der geltende Patentanspruch 1 findet inhaltlich eine ausreichende Stütze in den erteilten Patentansprüchen 1, 4 und 6 sowie in der in der Streitpatentschrift angegebenen Aufgabe (hinsichtlich des Merkmals "mit nach außen führenden Kontaktelementen (76) mit einer von der inneren Anschlussbelegung auf dem Substrat (50) abweichenden äußeren Anschlussbelegung").
Die geltenden Unteransprüche 2 bis 5 entsprechen inhaltlich - in dieser Reihenfolge - den erteilten Unteransprüchen 2, 3, 8 und 9.
Auch sind die erteilten Patentansprüche 1 bis 4, 6, 8 und 9 mit den ursprünglichen Patentansprüchen 1 bis 4, 6, 8 und 9 identisch.
3. Patentgegenstand Nach den Angaben in der geltenden Beschreibung (vgl. Abschnitt [0002]) geht die Erfindung von Leistungshalbleitermodulen aus, wie sie beispielsweise aus den Druckschriften D1 und D2 bekannt sind. Bei diesen bekannten Leistungshalbleitermodulen seien die Verbindungsbahnen des Substrats durch Kontaktfedern mit externen Anschlüssen verbunden, wobei die Kontaktfedern die Anschlusskonfiguration des Substrats auf die externen Anschlüsse übertrügen (vgl. Abschnitt [0003] der geltenden Beschreibung).
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatentgegenstand als technisch Problem die Aufgabe zugrunde, ein Leistungshalbleitermodul vorzustellen, bei dem die interne Anschlussbelegung schaltungsgerecht ausgeführt ist und durch einfache Maßnahmen an eine davon abweichende äußere Anschlussbelegung angepasst werden kann (vgl. Abschnitt [0007] der Streitpatentschrift).
Diese Aufgabe wird mit dem Leistungshalbleitermodul nach dem - einteiligen - geltenden Patentanspruch 1 letztlich dadurch gelöst, dass als Kontaktfedern ausgebildete Kontaktverbinder (60) zwischen Verbindungsbahnen (52) des Substrats (50) und Kontaktpunkten (78) der Leiterplatte (71) angeordnet sind - wodurch die innere Anschlussbelegung auf dem Substrat (50) auf die Leiterplatte (71) übertragen wird - und dass die Leiterplatte Leiterbahnen (72) aufweist, die die Kontaktpunkte (78) mit nach außen führenden Kontaktelementen (76) mit einer von der inneren Anschlussbelegung auf dem Substrat (50) abweichenden äußeren Anschlussbelegung verbinden (vgl. hierzu auch die geltenden Figuren 2 und 3 mit zugehöriger Beschreibung).
Nach den Angaben der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung wird dadurch, dass gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 die Leiterplatte (71) zudem innerhalb eines rahmenartig ausgebildeten Deckels (70) angeordnet ist und somit selbst einen Teil des Deckels bildet, die Flexibilität der äußeren Anschlussbelegung - d. h. deren Anpassung an die jeweiligen Erfordernisse - insofern verbessert, als dadurch ein Wechsel der äußeren Anschlussbelegung durch einfachen Wechsel der Leiterplatte ermöglicht wird, wobei der rahmenartige Deckel (70) unverändert bleibt.
4. Patentfähigkeit Der unbestritten neue Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents beruht gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmanns, der hier als ein mit der Entwicklung und Herstellung von Leistungshalbleitermodulen befasster, berufserfahrener Fachhochschul-Elektroingenieur zu definieren ist.
a) Die Neuheit des beanspruchten Leistungshalbleitermoduls ergibt sich ohne weiteres schon daraus, dass - wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit ergibt - keine der im vorliegenden Verfahren zum Stand der Technik genannten Druckschriften ein Leistungshalbleitermodul offenbart, bei dem die Leiterplatte innerhalb eines rahmenartig ausgebildeten Deckels eingebettet ist und somit selbst einen Teil des Deckels bildet, wie dies der geltende Patentanspruch 1 des Streitpatents lehrt.
b) Der im Verfahren befindliche Stand der Technik vermag dem vorstehend definierten zuständigen Durchschnittsfachmann den Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents weder einzeln noch in einer Zusammenschau nahezulegen.
Die Druckschrift D1 offenbart - in der Terminologie des Streitpatents - ein Leistungshalbleitermodul, das folgende Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents aufweist:
- Leistungshalbleitermodul, das - ohne zusätzliche Grundplatte - zur direkten Montage auf einem Kühlkörper vorgesehen ist (vgl. Spalte 3, Zeilen 41 bis 47 und Spalte 5, vorletzter Absatz),
- mit einem rahmenartigen Gehäuse (20) mit Deckel (vgl. die Figuren 1, 3, 5 und 6 mit zugehöriger Beschreibung) und - einem innerhalb des Gehäuses (20) angeordneten elektrisch isolierenden Substrat (Modulplättchen 1) (vgl. Anspruch 1 i. V. m. den Figuren 1 und 6), das seinerseits aus einem Isolierkörper (Isolierkeramik 2) mit einer Mehrzahl von darauf befindlichen gegeneinander isolierten metallischen Verbindungsbahnen (strukturierte Metallkaschierungen 8) besteht, mit darauf befindlichen und mit den Verbindungsbahnen (8) verbundenen Leistungshalbleiterbauelementen (Leistungstransistoren 10) sowie nach außen führenden Anschlusselementen (Druckkontaktfedern 22, 24) für Last- und Hilfskontakte (vgl. Fig. 1 i V. m. Spalte 2, letzter Absatz bis Spalte 3, Absatz 2, Spalte 4, Zeilen 24 bis 30 und Fig. 3 mit Spalte 4, letzter Absatz),
- wobei zumindest ein Teil der Anschlusselemente (22) im Inneren des Leistungshalbleitermoduls durch Kontaktverbinder gebildet wird, die zwischen Verbindungsbahnen (8) des Substrats (1) und Kontaktpunkten auf einer Leiterplatte angeordnet sind, wobei die Kontaktverbinder als Kontaktfedern (Druckkontaktfedern 22, 24) ausgebildet sind (vgl. Anspruch 1 i. V. m. Fig. 1 nebst Spalte 2, vorletzter Absatz, Spalte 3, Absatz 3, Spalte 4, vorletzter Absatz und Fig. 6 nebst Spalte 5, Zeilen 45 bis 47) und - wobei die Leiterplatte Leiterbahnen aufweist, die diese Kontaktpunkte mit nach außen führenden Kontaktelementen mit einer von der inneren Anschlussbelegung auf dem Substrat (1) abweichenden äußeren Anschlussbelegung verbinden.
Dazu ist zu bemerken, dass die Leiterplatte dort zwar außerhalb des Gehäuses (20) angeordnet ist, dass sie jedoch ausweislich des Patentanspruchs 1 der Druckschrift D1 gleichwohl ein Bestandteil des Leistungshalbleitermoduls ist, zumal auch gemäß dem weiteren im Verfahren befindlichen Stand der Technik zu einem Leistungshalbleitermodul stets eine entsprechende Leiterplatte gehört (vgl. die Leiterplatte (Substrat 50) in Fig. 1 der Druckschrift D2, die Leiterplatte (gedruckte Schaltungsplatine 115) in Fig. 5 der DE 40 36 426 A1 (die zur Patentfamilie der zur europäischen Parallelanmeldung ermittelten US 4 965 710 A gehört), die Leiterplatten (printed circuit boards 21a und 21b) in Fig. 4 der Druckschrift D4 bzw. die Leiterplatte (second circuit board 116) in den Figuren 8 und 9 der Druckschrift D5).
Dass die Leiterplatte Kontaktpunkte (Kontaktflächen) zur Kontaktierung der aus dem Deckel des Gehäuses (20) überstehenden Kontaktfedern (22) aufweist, ist in der Druckschrift D1 explizit offenbart (vgl. Anspruch 1 i. V. m. Fig. 1 nebst zugehöriger Beschreibung in Spalte 2, vorletzter Absatz).
Das Merkmal, wonach die Leiterplatte zudem Leiterbahnen aufweist, die die Kontaktpunkte der Leiterplatte mit nach außen führenden Kontaktelementen mit einer von der inneren Anschlussbelegung auf dem Substrat abweichenden äußeren Anschlussbelegung verbinden, ist in der Druckschrift D1 zwar nicht explizit offenbart, wird jedoch vom Fachmann in Gedanken gleich mitgelesen und ergänzt, weil es für die Ausführung der Lehre dieser Druckschrift unerlässlich ist (vgl. hierzu BGH GRUR 1995, 330, amtlicher Leitsatz 2 - "Elektrische Steckverbindung"). Gemäß dieser Druckschrift ist die Leiterplatte teilweise beidseitig mit elektronischen Bauteilen für eine Schaltung bestückt (vgl. Spalte 4, Zeilen 37 bis 42), wobei der auf dem Deckel des Gehäuses (20) aufliegende Teil der Leiterplatten jedoch keine Bauelemente enthält (vgl. Spalte 4, Zeilen 42 bis 44), weil die Leiterplatte in diesem Bereich zwischen einem Druckstück (30) und dem Gehäuse (20) eingespannt wird (vgl. Spalte 2, vorletzter Absatz). Folglich befinden sich die auf der Unterseite der Leiterplatte angeordneten Bauelemente auf einem freiliegenden Teil der Leiterplatte, der aus dem Zwischenraum zwischen Gehäuse (20) und Druckstück (30) herausragt. Da die Leiterplatte der direkten Druckkontaktverbindung aller Leistungs- und Steueranschlüsse mit der äußeren Verschaltung und Kontaktierung dient (vgl. Spalte 1, Absatz 1 i. V. m. Spalte 2, vorletzter Absatz), weist die Leiterplatte neben den Kontaktpunkten (Kontaktstellen), die - wie dargelegt - durch Kontaktverbinder (Druckkontaktfedern 22, 24) mit Verbindungsbahnen (8) des Substrats (1) verbunden sind (vgl. Spalte 4, vorletzter Absatz), auch mit den Kontaktpunkten verbundene nach außen führende Kontaktelemente auf, die selbstredend am von außen zugänglichen freiliegenden Teil der Leiterplatte angeordnet sind, wohingegen sich die Kontaktpunkte (Kontaktstellen) an dem zwischen Druckstück (30) und Gehäuse (20) eingespannt Teil der Leiterplatte befinden (vgl. Anspruch 1 i. V. m. Fig. 1 und Spalte 2, vorletzter Absatz). Deshalb sind die Kontaktpunkte mit den nach außen führenden Kontaktelementen offensichtlich durch Leiterbahnen der Leiterplatte verbunden. Da die Kontaktpunkte aber in einer Fläche teilweise hintereinander angeordnet sind (vgl. die entsprechend flächige Anordnung der Kontaktfedern (22) in Fig. 1), müssen die Leiterbahnen der jeweils hinteren Kontaktpunkte an den jeweils vorderen Kontaktpunkten und deren Leiterbahnen seitlich vorbeigeführt werden, wodurch sich die äußere Anschlussbelegung gegenüber der inneren Anschlussbelegung - d. h. die Anordnung der nach außen führenden Kontaktelemente gegenüber der Anordnung der Kontaktpunkte - entsprechend ändert.
Nach alledem unterscheidet sich der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents von dem Leistungshalbleitermodul nach der Druckschrift D1 noch dadurch, dass bei ihm die Leiterplatte (71) innerhalb eines rahmenartig ausgebildeten Deckels (70) eingebettet ist und somit selbst einen Teil des Deckels bildet, wohingegen die Leiterplatte beim Leistungshalbleitermodul nach der Druckschrift D1 von außen gegen den Gehäusedeckel angepresst wird.
Da letzteres in der Druckschrift D1 jedoch nicht als nachteilig angesehen wird, findet sich darin auch keinerlei Hinweis darauf, dass es bei dem daraus bekannten Leistungshalbleitermodul von Vorteil sein könnte, die Leiterplatte innerhalb eines rahmenartig ausgebildeten Deckels einzubetten und sie selbst einen Teil des Deckels bilden zu lassen, wie dies der Lehre des geltenden Patentanspruch 1 des Streitpatents entspricht.
Eine Anregung hierzu erhält der Fachmann aber auch nicht bei Einbeziehung des weiteren im Verfahren befindlichen Standes der Technik.
Die von der Einsprechenden diesbezüglich herangezogenen Druckschriften D4 und D5 offenbaren nämlich Leistungshalbleitermodule, bei denen die Leiterplatte nach Art eines Deckels in eine Ausnehmung des Gehäuserahmens eingelassen ist (vgl. die Leiterplatte (21b) in den Figuren 7 und 9 der Druckschrift D4) bzw. bei denen die Leiterplatte den gesamten Deckel des Modul-Gehäuses bildet (vgl. die Leiterplatte (116) in den Figuren 8 und 9 der Druckschrift D5). Infolgedessen hat der Fachmann aufgrund der Druckschriften D4 und D5 keinerlei Veranlassung, die Leiterplatte innerhalb eines rahmenartig ausgebildeten Deckels einzubetten und sie selbst einen Teil des Deckels bilden zu lassen, wie dies der geltende Patentanspruch 1 des Streitpatents lehrt.
Entsprechendes gilt auch für die Druckschriften D2, D3, die von der Patentinhaberin zum Stand der Technik genannte DE 101 25 696 A1 und die DE 40 36 426 A1, die derselben Patentfamilie wie die im europäischen Parallelverfahren als relevant ermittelte US 4 965 710 A angehört.
Das Leistungshalbleitermodul nach Druckschrift D2 weist nämlich eine Leiterplatte (50), aber kein Gehäuse und damit auch keinen Gehäusedeckel auf (vgl. die Figuren 1 und 2).
Die Druckschrift D3 betrifft eine Halbleitervorrichtung ohne Leiterplatte, bei der mehrere Leistungshalbleiterbauelemente (IGBT) zwischen einer oberen und einer unteren gemeinsamen Elektrodenplatte (9 und 10) parallelgeschaltet sind, wobei die Elektrodenplatten (9 und 10) innerhalb eines oberen bzw. unteren rahmenartigen Gehäusedeckels eingebettet sind (vgl. die Figuren 3 und 5 mit zugehöriger Beschreibung).
Bei dem Leistungshalbleitermodul nach der DE 101 25 696 A1 verläuft eine senkrecht zum Substrat (Trägerelemente 1 bis 4) angeordnete Leiterplatte (20) mit einem internen Abschnitt (36) innerhalb und mit einem externen Abschnitt (38) außerhalb des Modul-Gehäuses (50) (vgl. die Zusammenfassung auf der Titelseite mit den Figuren 1 und 2).
Gemäß der DE 40 36 426 A1 ist die Leiterplatte (115) eines Leistungshalbleitermoduls innerhalb des Modul-Gehäuses parallel zwischen dem Substrat und dem Deckel angeordnet (vgl. Fig. 5 mit zugehöriger Beschreibung).
Dementsprechend findet der Fachmann auch in den Druckschriften D2, D3, der DE 101 25 696 A1 und der DE 40 36 426 A1 keinen Hinweis darauf, dass die Leiterplatte eines Leistungshalbleitermoduls innerhalb eines rahmenartig ausgebildeten Deckels eingebettet sein könnte, so dass sie selbst einen Teil des Deckels bildet.
Soweit die Einsprechende geltend macht, das in Rede stehende Merkmal des Patentanspruchs 1 des Streitpatents entspringe nichterfinderischem fachmännischen Tun, ist nicht ersichtlich und auch von der Einsprechenden nicht dargelegt worden, aufgrund welchen Fachwissens der Fachmann bei dem Leistungshalbleitermodul nach Druckschrift D1 ohne unzulässige rückschauende Betrachtungsweise aus der Kenntnis der Erfindung heraus die Leiterplatte innerhalb eines rahmenartig ausgebildeten Deckels einbetten könnte, so dass sie selbst einen Teil des Deckels bildet, zumal die Leiterplatte gemäß der Druckschrift D1 außerhalb des Modul-Gehäuses, gemäß der DE 40 36 426 A1 innerhalb des Modul-Gehäuses und gemäß den Druckschriften D4 und D5 als gesamter Deckel auf dem Modul-Gehäuse angeordnet ist.
Das Leistungshalbleitermodul nach dem geltenden Patentanspruch 1 des Streitpatents ist demnach patentfähig.
5. Unteransprüche An den geltenden Patentanspruch 1 können sich die darauf direkt oder indirekt zurückbezogenen geltenden Unteransprüche 2 bis 5 anschließen, die vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausführungsarten des Gegenstands des Patentanspruchs 1 betreffen.
6. Beschreibung In der geltenden Beschreibung ist der maßgebliche Stand der Technik angegeben, von dem die Erfindung ausgeht, und das beanspruchte Leistungshalbleitermodul anhand der Zeichnung ausreichend erläutert.
Bei dieser Sachlage war das Streitpatent entsprechend dem Antrag der Patentinhaberin beschränkt aufrechtzuerhalten.
BPatG:
Beschluss v. 03.04.2007
Az: 23 W (pat) 355/04
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/8b836d734748/BPatG_Beschluss_vom_3-April-2007_Az_23-W-pat-355-04