Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Juli 2005
Aktenzeichen: 30 W (pat) 209/03

(BPatG: Beschluss v. 18.07.2005, Az.: 30 W (pat) 209/03)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Eingetragen seit dem 4. Juni 1997 unter 396 21 444 für folgende Waren:

Mechanische Verschluß- und Sicherungseinrichtungen aus Metall, nämlich Schlösser und Riegel; Wertbehältnisse, Wertschränke und Tresore; elektrische und elektronische Signal-, Sicherungs-, Alarm-, Funk-, Zutrittskontroll-Geräte und sowie daraus zusammengestellte Anlagen, sämtlich für Alarm- und Sicherungszwecke sowie zum Schutz und Abwehr von Einbrüchen, Diebstählen, Überfällen und für Notfälle bestimmt; Videoüberwachungsgeräte, nämlich Video-(Fernseh-)Kameras, -Monitore, -Übertragungsgeräte, -Funkgeräte, -Aufzeichnungsgeräte, -Umschaltgeräte; Erstellung, Montage und Wartung von mechanischen und elektronischen Sicherungsgeräten und -anlagen sowie Videoüberwachungsgeräten und -anlagenist die Wortmarke VKS-Vertrauens-Kreis-Sicherheit.

Widerspruch wurde erhoben aus der seit dem 10. Juni 1922 unter 287 640 für folgende Waren:

"Türschließer, Schlösser, Schlüssel, Türbänder, Türdrücker, Schloßsicherungen, Türsicherungen, Tür- und Fensterfeststeller"

eingetragenen Wort-/Bildmarkesiehe Abb. 1 am Ende Die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch in zwei Beschlüssen, einer davon ist im Erinnerungsverfahren ergangen, wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Bei identischen bzw sehr ähnlichen Waren halte die angegriffene Marke selbst bei unterstellter gesteigerter Kennzeichnungskraft den zu fordernden deutlichen Markenabstand ein. Im Gesamteindruck unterschieden sich die Vergleichsmarken durch die Wortbestandteile "Vertrauens-Kreis-Sicherheit" in der angegriffenen Marke sowie durch die graphische Gestaltung der Widerspruchsmarke ausreichend voneinander. Unabhängig davon, ob dem Bestandteil "VKS" der angegriffenen Marke überhaupt prägende Bedeutung zukomme, bestehe zwischen "VKS" und "BKS" keine Verwechslungsgefahr. Da beide Abkürzungen in Einzelbuchstaben benannt würden, werde die Abweichung im Anfangsbuchstaben ausreichend beachtet. Der Begriff "Initiativkreis Sicherheit" sei kein Bestandteil der Widerspruchsmarke und daher außer acht zu lassen.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Sie führt zur Begründung im Wesentlichen aus, die Vergleichsmarken unterschieden sich nur im ersten Buchstaben der Abkürzung, der weitere Zusatz sei beschreibend. Die Widerspruchsmarke sei eine notorisch bekannte Marke, der ein erhöhter Schutzumfang zukomme. Die Widersprechende sei führendes Mitglied des bestehenden Initiativkreises "Sicherheitstechnik", der Verkehr werde die Vergleichsmarken daher in Verbindung bringen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt im wesentlichen vor, dass die angegriffene Marke als Gesamtbegriff zu verstehen sei, die Wortelemente seien phantasievolle Bestandteile mit dem Hinweis auf eine besondere technische Ausgestaltung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug gennommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die angegriffene Marke ist nicht gemäß § 9 Absatz 1 Nr 2, § 42 Absatz 2 Nr 1 MarkenG zu löschen, weil sie der Widerspruchsmarke nicht so ähnlich ist, dass die Gefahr von Verwechslungen besteht.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in st Rspr, vgl WRP 2004, 1281 - Mustang; WRP 2004, 907 - Kleiner Feigling; GRUR 2002, 1067 DKV-OKV).

Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer über dem Durchschnitt liegenden Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus, da es sich um eine gut benutzte und bekannte Marke handelt. Soweit sich die Widersprechende darauf beruft, dass es sich dabei um eine notorisch bekannte Marke handele und zum Nachweis hierfür Unterlagen aus dem Jahre 1976 vorlegt, kann dies nicht als ausreichender Beleg angesehen werden. Während eines Zeitraumes von nahezu 30 Jahren können sich die Marktverhältnisse nicht zuletzt aufgrund der europäischen Entwicklung grundlegend verändert haben, so dass die Feststellungen zu früheren Verhältnissen insoweit keine Fortgeltung haben können.

Ausgehend von der Registerlage können sich die Marken auf identischen Waren begegnen.

Den bei leicht überdurchschnittlicher Kenzeichnungskraft und identischen Waren zu fordernden deutlichen Markenabstand hält die angegriffene Marke jedoch ein.

So ist bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit maßgeblich auf den jeweiligen Gesamteindruck der Zeichen abzustellen, der bei mehrgliedrigen Marken auch durch einzelne Bestandteile geprägt werden kann. Dabei nimmt der Verkehr eine Marke so auf, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG 7. Aufl § 9 Rdn 152). Dabei können auch kennzeichnungsschwache oder schutzunfähige Elemente den Gesamteindruck einer Marke mitbestimmen oder sogar wesentliches Gewicht für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erlangen (vgl Ströbele/Hacker aaO § 9 Rdn 345, 409). Diese dürfen deshalb nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben, auch wenn sie für sich gesehen keine selbständig kollisionsbegründende Wirkung zu entfalten vermögen.

In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die Vergleichsmarken indessen klar und unverwechselbar in allen für die Beurteilung des Gesamteindrucks wesentlichen Kriterien.

So hat die angegriffene Marke zum einen keine entsprechende graphische Gestaltung wie die Widerspruchsmarke, die über eine etikettenhafte Umrahmung verfügt. Zum anderen verfügt die angegriffene Marke neben dem Abkürzungselement zusätzlich über mehrere aneinandergereihte Wortelemente.

Verwechslungsgefahr käme dann in Betracht, wenn der in der angegriffenen Marke enthaltene Abkürzungsbestandteil "VKS" allein kollisionsbegründend prägen würde.

Bei mehrteiligen Marken kommt eine Verwechslungsgefahr dann in Betracht, wenn Ähnlichkeiten in Einzelbestandteilen vorliegen, die die jeweilige Marke kollisionsbegründend prägen können. Selbständig kollisionsbegründend ist einer von mehreren Markenbestandteilen nach der Rechtsprechung des BGH dann, wenn er den Gesamteindruck der mehrgliedrigen Marke prägt und wenn die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl Ströbele/Hacker, aaO § 9 Rdn 374). Dabei stellt sich bei der Beurteilung der prägenden Bedeutung eines Markenteils zunächst die Frage, ob für den Verkehr überhaupt Veranlassung besteht, sich nur an einem einzelnen Markenbestandteil zu orientieren.

Dabei kommen Angaben erkennbar beschreibenden Inhalts in einer Kombinationsmarke im allgemeinen keine für den Gesamteindruck beachtliche Bedeutung zu. Dies liegt jedoch anders, wenn die beschreibenden Angaben mit einer ohne weiteres erkennbar aus deren Anfangsbuchstaben gebildeten Buchstabenfolge kombiniert sind. Der Verkehr prägt sich eine solche Marke jedenfalls dann, wenn sie ersichtlich die Geschäftsbezeichnung eines Unternehmens bildet, im allgemeinen vollständig ein, weil ihm erst die Zusätze Auskunft über Art und Gegenstand der Geschäftstätigkeit geben (vgl BGH aaO DKV OKV).

Da es sich im vorliegenden Fall bei den der Abkürzung nachgestellten Wortelementen - die für die Abkürzung erläuternd wirken - nicht um beschreibende Sachangaben handelt, sondern um eine phantasievolle Kombination mit einem allenfalls beschreibenden Anklang an Sicherheitssysteme, besteht für den Verkehr an sich keine Veranlassung, auf die Buchstabenkombination "VKS" zu verkürzen, da diese die nachfolgende Kombination nicht erschöpfend zu ersetzen bzw zu beschreiben vermag.

Allerdings ist bei der Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen, dass der Verkehr bei der Wiedergabe im mündlichen Geschäftsleben aus Vereinfachungsgründen uU zu einer Verkürzung auf "VKS" neigen wird.

Aber selbst dann besteht zwischen der Buchstabenfolge "VKS" und der Widerspruchsmarke "BKS" nicht die Gefahr zu klanglichen Verwechslungen, weil in der relativ kurzen Buchstabenfolge der am betonten Anfang liegende Unterschied der Laute "V" und "B" akustisch deutlich hervortritt.

Bei der Beurteilung der schriftbildlichen Markenähnlichkeit ist davon auszugehen, dass der bildliche Eindruck, der sich dem Verkehr bei der visuellen Wahrnehmung im schriftlichen Geschäftsverkehr einprägt, neben den Buchstaben "VKS" auch die sich unmittelbar anschließenden die Buchstabenfolge erläuternden Wortbestandteile "Vertrauens-Kreis-Sicherheit" umfaßt. Da die angegriffene Marke einzeilig und in einheitlicher Schrift gestaltet ist, besteht für den Verkehr kein erkennbarer Anlaß, beim Lesen seine Aufmerksamkeit nur auf die Buchstaben "VKS" zu richten. Prägt er sich die angegriffene Marke aber vollständig ein, verbindet er mit der Buchstabenfolge "VKS" die begriffliche Vorstellung vom "Vertrauens-Kreis-Sicherheit".

Damit ergibt sich auch nicht die Gefahr einer gedanklichen Verbindung in dem Sinne, dass der Verkehr irrtümlich annehme, bei der angegriffenen Marke handele es sich um die Widerspruchsmarke "BKS" lediglich mit einem beschreibenden Zusatz, da einer Gleichstellung von "VKS" und "BKS" im Schriftbild der mit der Bezeichnung "VKS" verknüpfte Sinngehalt entgegensteht. Aber auch bei handschriftlichen Wiedergaben der Marken unterscheiden sich diese auch dann noch ausreichend, wenn der Zusatz beim angegriffenen Zeichen und der Bildteil bei der Widerspruchsmarke weggelassen wird.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Absatz 1 MarkenG.

Dr. Buchetmann Richterin Winter ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhindert.

Dr. Buchetmann Hartlieb Husiehe Abb. 1






BPatG:
Beschluss v. 18.07.2005
Az: 30 W (pat) 209/03


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