Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Urteil vom 26. Mai 1992
Aktenzeichen: 1 S 668/90

(VGH Baden-Württemberg: Urteil v. 26.05.1992, Az.: 1 S 668/90)

1. a) § 45 PolG nF (PolG BW) iVm § 17 Abs 1 Nr 1 LDSG nF (DSG BW) gewährt dem Bürger einen Anspruch auf vollständige Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten polizeilichen Daten.

b) Bei der Berufung auf Auskunftsverweigerungsgründe (§ 17 Abs 5 LDSG nF (DSG BW) steht der zur Auskunft verpflichteten Stelle weder Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum zu. Die Anwendung der gesetzlichen Auskunftsverweigerungsgründe erfordert eine Güterabwägung zwischen den gesetzlich genannten Geheimhaltungsinteressen (§ 17 Abs 5 Nrn 1 - 3 LDSG nF (DSG BW) mit dem Auskunftsinteresse des Betroffenen (im Anschluß an BVerwG, Urt v 3.9.1991, NJW 1992, 451).

2. Einen Anspruch auf Auskunft über bereits gelöschte Daten gewährt § 45 PolG nF (PolG BW) iVm § 17 Abs 1 Nr 1 LDSG nF (DSG BW) nicht.

3. § 46 Abs 1 Satz 1 PolG nF (PolG BW) räumt dem Betroffenen unter den dort genannten Voraussetzungen einen Anspruch auf Löschung der in den vom Polizeivollzugsdienst geführten Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten ein.

4. a) Hat der Polizeivollzugsdienst personenbezogene Daten, die ihm im Rahmen von Ermittlungsverfahren bekannt geworden sind, zulässigerweise zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten gespeichert, weil die betroffene Person verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben, und tatsächlich Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie zukünftig eine Straftat begehen wird (§ 38 Abs 1 PolG nF (PolG BW), kann im Regelfall davon ausgegangen werden, daß die weitere Speicherung der Daten bis zum Ablauf der gesetzlichen Regelspeicherfristen (§ 38 Abs 2 Satz 2 PolG nF (PolG BW)) erforderlich ist.

b) Die Löschung der Daten vor Ablauf der Regelspeicherfristen ist anläßlich der Überprüfung im Einzelfall nur ausnahmsweise geboten, etwa wenn die Wiederholungsgefahr entfallen ist oder besondere Umstände die Unverhältnismäßigkeit der weiteren Datenspeicherung für den Betroffenen begründen.

c) Solange der Verordnungsgeber die Fälle geringer Bedeutung und die dann geltenden kürzeren Regelspeicherfristen (§ 38 Abs 2 Satz 3 PolG nF (PolG BW) nicht konkretisiert hat, ist die Erforderlichkeit einer Verkürzung der Speicherfristen in jedem veranlaßten Einzelfall nach Maßgabe des § 38 Abs 1 PolG nF (PolG BW) zu prüfen.

Tatbestand

Gegen den Kläger wurde in den Jahren 1979 bis 1987 wiederholt wegen Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs, Nötigung und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz polizeilich ermittelt. Die Ermittlungen bezogen sich auf Taten, die in Zusammenhang mit dem politischen Engagement des Klägers im Umweltschutz und in der Friedensbewegung standen. Die Strafverfahren wurden zum Teil nach §§ 153 und 153 a StPO eingestellt oder führten - soweit sie rechtskräftig abgeschlossen sind - zu Geldstrafen in geringer Höhe.

Mit Schreiben vom 8. und 21. Januar 1988 beantragte der Kläger beim Innenministerium Baden-Württemberg Auskunft über die zu seiner Person in der Personenauskunftsdatei (PAD), in der Index-Kartei Staatsschutz und in der Arbeitsdatei PIOS Innere Sicherheit (APIS) gespeicherten Daten, außerdem darüber, ob er im Rahmen der "Lagebilder zur Volkszählung" erwähnt sei, und schließlich über Datenübermittlungen und Datenlöschungen.

Mit Schreiben vom 1. Februar 1988 teilte das Innenministerium Baden-Württemberg dem Kläger mit, über Anträge auf Auskünfte über personenbezogene Daten in Kriminalpolizeilichen Sammlungen habe das Landeskriminalamt zu entscheiden. Das Ersuchen des Klägers um Auskünfte aus den Dateien PAD und APIS sei deshalb an diese Behörde weitergeleitet worden. Die vom Innenministerium getroffene Regelung über die Erteilung von Auskünften gelte nicht für die sogenannte Staatsschutzkartei, die lediglich den Charakter einer Index-Kartei zum Wiederauffinden personenbezogener Daten in den Akten habe. Der Kläger habe auch keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Auskunft über die Erwähnung in den Lagebildern zur Volkszählung, die das Landeskriminalamt im Zusammenhang mit der Volkszählung erstellt habe. Aus Gründen der Gleichbehandlung sehe sich das Innenministerium außerstande, diese Auskünfte zu erteilen.

Am 15. Februar 1988 teilte das Landeskriminalamt Baden-Württemberg dem Kläger mit, daß in der Personenauskunftsdatei durch Polizeidienststellen über ihn Personen- und Falldaten zu 10 im einzelnen aufgeführte Strafanzeiger aus den Jahren 1979 bis 1987 gespeichert seien. In der Arbeitsdatei APIS seien zwei der in der Personenauskunftsdatei enthaltenen Strafanzeigen erfaßt.

Mit einem an das Innenministerium Baden-Württemberg gerichteten, undatierten Schreiben, von dem eine Mehrfertigung beim Landeskriminalamt am 29. Februar 1988 einging, beantragte der Kläger erneut Auskunft über die von ihm in der Staatsschutzkartei und in den "Lagebildern zur Volkszählung" enthaltenen Daten sowie über deren Übermittlungen und die Empfänger dieser Daten. Weiter rügte er, daß die Auskunft des Landeskriminalamts in dem Schreiben vom 15. Februar 1988 unvollständig gewesen sei. Die Behörde habe ihm nur die Speicherung von Strafanzeigen, nicht jedoch mitgeteilt, welche Informationen bezüglich dieser Strafanzeigen über ihn gespeichert seien.

Mit Schreiben vom 16. März 1988 wiederholte das Innenministerium seine Ansicht, daß kein Auskunftsanspruch bezüglich der Index-Kartei Staatsschutz und der Lagebilder zur Volkszählung bestehe. Über den Auskunftsantrag hinsichtlich der Personenauskunftsdatei und APIS sei bereits entschieden. Über den Löschungsantrag werde das Landeskriminalamt entscheiden.

Mit Bescheid vom 21. Juni 1988 teilte das Landeskriminalamt dem Kläger mit, daß sämtliche Daten in APIS sowie in der Personenauskunftsdatei die Daten über die Strafanzeigen der Kriminalpolizei Freiburg vom 23. Februar 1987 und der Kriminalpolizei Offenburg vom 2. März 1981 gelöscht worden seien. Im übrigen werde der Antrag auf Löschung abgelehnt. Die Speicherung der Daten hinsichtlich der acht Ermittlungsverfahren in der Personenauskunftsdatei sei weiterhin erforderlich, weil von einer Wiederholungsgefahr auszugehen sei. Nach den Richtlinien für die von Polizeidienststellen des Landes Baden-Württemberg geführten Kriminalpolizeilichen personenbezogenen Sammlungen (KpS-RL) komme eine Löschung erst nach Ablauf einer Frist von 10 Jahren seit der letzten Strafanzeige in Betracht. Über den Auskunftsanspruch habe das Innenministerium abschließend entschieden.

Den gegen diesen Bescheid des Landeskriminalamts erhobenen Widerspruch wies das Landeskriminalamt mit Bescheid vom 22. November 1988 zurück.

Am 20. September 1988 hat der Kläger Klage erhoben und beantragt, das beklagte Land zu verpflichten, über das, was zu seiner Person in der Personenauskunftsdatei, in der Index-Kartei Staatsschutz und in den Lagebildern zur Volkszählung gespeichert und was über ihn an andere Behörden oder Stellen in den letzten zwei Jahren übermittelt worden ist, Auskunft zu geben und die über ihn in der Personenauskunftsdatei gespeicherten Daten über acht Ermittlungsverfahren aus den Jahren 1979 bis 1987 zu löschen. Er hat vorgetragen, sein Auskunftsanspruch bezüglich der Personenauskunftsdatei richte sich auf eine vollständige Auskunft, die ihm noch nicht erteilt worden sei. Sein Anspruch auf Löschung ergebe sich daraus, daß die Aufbewahrung von Kriminalpolizeilichen personenbezogenen Sammlungen derzeit auf keiner verfassungsmäßigen Grundlage stehe. Die Daten seien nicht geeignet, ihn als Straftäter zu überführen, weil er seine Identität bei gezielten strafrechtlich relevanten Aktionen nie verheimliche. Im übrigen sei das Innenministerium für die mit Schreiben vom 16. März 1988 erfolgte verbindliche Entscheidung über sein Auskunftsbegehren nicht zuständig gewesen.

Durch Urteil vom 6. Dezember 1989 hat das Verwaltungsgericht Freiburg das Verfahren eingestellt, soweit sich die Klage auf Auskunft aus der Arbeitsdatei APIS richtete, das beklagte Land zur Neubescheidung über den Antrag des Klägers auf Auskunft aus der Personenauskunftsdatei, der Index-Kartei Staatsschutz und den Lagebildern zur Volkszählung sowie dazu verpflichtet, die über den Kläger in der Personenauskunftsdatei gespeicherten Daten über die acht Strafanzeigen aus den Jahren 1979 bis 1987 zu löschen; im übrigen - hinsichtlich des Antrags auf Auskunft über erfolgte Datenübermittlungen - hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Es könne offen bleiben, ob eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Kriminalpolizeilichen personenbezogenen Sammlungen bestehe. Die Daten bezüglich der acht Strafanzeigen in der Personenauskunftsdatei seien deshalb zu löschen, weil sie für die Feststellung der Identität des Klägers anläßlich möglicher künftiger strafbarer Handlungen nicht erforderlich seien. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß den Kläger das Wissen um die Speicherung der Daten von weiteren Straftaten abhalten werde. Eine Wiederholungsgefahr lasse sich nur in bezug auf weitere im politischen Engagement des Klägers wurzelnde Aktionen begründen, bei denen er um der Wirkung in der Öffentlichkeit willen seine Identität nicht verheimliche, sondern gleichsam stets mit offenem Visier kämpfe. Ein Rechtsanspruch auf Auskunft stehe dem Kläger nicht zu. Er könne aber verlangen, daß über seinen Auskunftsantrag nach pflichtgemäßem Ermessen erneut entschieden werde. Hinsichtlich der Personenauskunftsdatei habe das Landeskriminalamt bisher nicht erschöpfend Auskunft erteilt. Von seinem Ermessen habe es nicht fehlerfrei Gebrauch gemacht, weil es bei seiner Entscheidung die Entbehrlichkeit der gespeicherten Daten für seine Aufgabenerfüllung verkannt habe. Hinsichtlich des Anspruchs auf Auskunftserteilung aus der Index-Kartei Staatsschutz habe das Innenministerium bei seiner ablehnenden Entscheidung kein Ermessen ausgeübt. Schließlich könne der Kläger auch verlangen, daß über seinen Auskunftsantrag betreffend die Lagebilder zur Volkszählung nochmals rechtsfehlerfrei entschieden werde. Ein Anspruch auf Auskunft über die Übermittlungen ihn betreffender personenbezogener Daten scheide nach den einschlägigen Bestimmungen des Landesdatenschutzgesetzes (§ 12 Abs. 3 Nr. 4 LDSG a.F.) aus.

Das beklagte Land hat gegen das Urteil, das ihm am 14. März 1990 zugestellt wurde, am 21. März 1990 Berufung eingelegt. In Ergänzung seines bisherigen Standpunktes führt es aus: Die Notwendigkeit der weiteren Speicherung der Daten über den Kläger in der Personenauskunftsdatei hinsichtlich der acht Strafanzeigen entfalle nicht deshalb, weil der Kläger bei seinen früheren Taten seine Identität meist zu erkennen gegeben habe. Entscheidend sei nicht allein die Möglichkeit der Identifizierung des Klägers bei künftigen strafbaren Handlungen, sondern auch die Kenntnis der bisherigen Vorgehensweise des Klägers. Nur dadurch sei die Polizei in der Lage, bei künftigen spontanen oder angekündigten Aktionen, die der Kläger nach seinem erklärten Willen auch weiterhin vornehmen wolle, lageangepaßt und den taktischen Erfordernissen entsprechend zu reagieren. Im übrigen sei der Kläger mittlerweile erneut kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten. Er sei von der Polizeidirektion Freiburg wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten am 14. Januar 1991 in Freiburg-Herdern zur Anzeige gebracht worden. Die mittlerweile in Kraft getretene Neufassung des Polizeigesetzes verschaffe dem Kläger zwar nun grundsätzlich einen Auskunftsanspruch; die von ihm begehrten weitergehenden Auskünfte seien jedoch auch im Hinblick auf die nun erforderliche Güterabwägung zwischen den Geheimhaltungsinteressen des Staates und dem Auskunftsinteresse des Betroffenen zu Recht verweigert worden. Die Angaben über den Kläger in der Index-Kartei Staatsschutz könnten nunmehr, wie eine zwischenzeitliche Überprüfung ergeben habe, vernichtet werden. Für einen nachträglichen Auskunftsanspruch des Klägers bestehe kein Auskunftsinteresse. Was die vom Kläger begehrte Löschung der Daten in der Personenauskunftsdatei betreffe, komme diese auch nach der neuen Rechtslage frühestens 10 Jahre nach der letzten kriminalpolizeilichen Ermittlung im Jahre 1991, mithin erst zum 1. Februar 2001 in Betracht.

Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 1989 - 1 K 313/88 - teilweise zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Tragfähige Gründe für eine Verweigerung der Auskunft aus den Lagebildern zur Volkszählung und eine vollständige Auskunft aus der Personenauskunftsdatei, auf die ihm nach dem neuen Polizei- und Landesdatenschutzgesetz nun ein Anspruch zustehe, habe der Beklagte nicht dargetan. Auch nach Löschung der über ihn gespeicherten Daten in der Index-Kartei Staatsschutz habe er noch ein berechtigtes Auskunftsinteresse daran. Schließlich seien auch die Voraussetzungen einer Löschung der Daten in der Personenauskunftsdatei nach der Neuregelung des Polizeigesetzes (§ 38 PolG) gegeben. Anhaltspunkte für seine zukünftige Straffälligkeit lägen nicht vor. Soweit der Beklagte auf das Ermittlungsverfahren wegen Aufforderung zur Fahnenflucht aus dem Jahr 1991 hinweise, das im Zusammenhang mit einer Aktion gegen eine deutsche Beteiligung am Golfkrieg entstanden sei, sei es nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Demzufolge datiere die letzte polizeiliche Auffälligkeit aus dem Jahre 1987 und liege damit bereits fünf Jahre zurück.

Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit in der Hauptsache, soweit er das Auskunftsbegehren aus der Personenauskunftsdatei hinsichtlich der Vorfälle vom 14. März 1979 und vom 17. März 1980 betrifft, übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem das Landeskriminalamt die Vollständigkeit der hierüber in den vorliegenden Behördenakten befindlichen Auszüge, in die der Kläger bereits Einsicht nehmen konnte, bestätigt hatte.

Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg hat dem Kläger in der mündlichen Verhandlung weiterhin zugesichert, ihm über die von ihm in der Personenauskunftsdatei gespeicherten Daten zu den noch streitbefangenen Vorgängen umfassend Auskunft zu erteilen durch Übersendung einer Mehrfertigung des Datenausdrucks mit Ausnahme der hierin enthaltenen Hinweise über dritte Personen. Die Beteiligten haben daraufhin auch insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Dem Senat liegen die einschlägigen Verwaltungsakten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts vor.

Gründe

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich des Antrags des Klägers auf vollständige Auskunft aus der Personenauskunftsdatei übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 2 i.V.m. § 125 Abs. 1 VwGO einzustellen. Insoweit war lediglich noch über die Kosten des Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden.

Die Berufung des Beklagten im übrigen ist zulässig und zum überwiegenden Teil begründet. Der Beklagte hat Berufung eingelegt, soweit er mit seinem Klageabweisungsantrag in erster Instanz unterlegen ist. Gegenstand der Berufung sind danach der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Auskunft aus der Index-Kartei Staatsschutz und den Lagebildern zur Volkszählung sowie das Begehren des Klägers auf Löschung der von ihm in der Personenauskunftsdatei gespeicherten personenbezogenen Daten aus den Ermittlungsverfahren der Jahre 1979 bis 1987. Der Senat hat auf die Berufung des Beklagten hingegen nicht über das Begehren des Klägers auf Auskunft zu entscheiden, welche personenbezogenen Daten von ihm an andere Behörden und Stellen in den vergangenen Jahren übermittelt wurden; insoweit wurde der Antrag des Klägers vom Verwaltungsgericht Freiburg abgewiesen. Berufung oder Anschlußberufung hat er nicht eingelegt.

Die Berufung ist begründet, soweit der Beklagte zur Neubescheidung des Auskunftsbegehrens des Klägers aus der Index-Kartei Staatsschutz und zur Löschung der streitbefangenen personenbezogenen Daten in der Personenauskunftsdatei verurteilt wurde. Denn dem Kläger steht auch nach dem nunmehr anzuwendenden neuen Polizei- und Landesdatenschutzrecht (1 a) kein Anspruch auf Auskunft über die in der Index-Kartei Staatsschutz mittlerweile gelöschten Daten zu (1 c); auch darf der Beklagte die in der Personenauskunftsdatei enthaltenen personenbezogenen Daten über den Kläger weiterhin dort speichern (2). Auskunft beanspruchen kann der Kläger lediglich aus den Lagebildern zur Volkszählung (1 b); insoweit war die Berufung zurückzuweisen.

1. a) Die rechtliche Beurteilung der Verpflichtungsanträge des Klägers auf Auskunft richtet sich nach der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat maßgeblichen Sach- und Rechtslage (im Ergebnis ebenso BVerwG, Urt. v. 3.9.1991, NJW 1992, 451). Die danach nunmehr heranzuziehenden Bestimmungen des Polizeigesetzes in der Bekanntmachung der Neufassung vom 13. Januar 1992 (GBl. S. 1), in Kraft seit dem 1. Dezember 1991 (Art. 8 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung des Polizeigesetzes vom 22.10.1991 - GBl. S. 625), und des Landesdatenschutzgesetzes - LDSG - vom 27. Mai 1991 (GBl. S. 277), das sich nach § 42 Abs. 1 LDSG im wesentlichen gleichfalls seit dem 1. Dezember 1991 in Kraft befindet, enthalten keine Regelungen, die gegen ihre Anwendung auf zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits rechtshängige Auskunftsbegehren sprechen.

Im Unterschied zur bisherigen Rechtslage, welche die Auskunft über personenbezogene Daten eines Bürgers in kriminalpolizeilichen Sammlungen in das Ermessen der zuständigen Behörde stellte (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 20.2.1990 - 1 C 42.83 - NJW 1990, 2761 m.w.N.), gewährt § 45 PolG durch den Verweis auf § 17 LDSG dem Bürger nunmehr einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Polizeivollzugsdienst über die von ihm gespeicherten personenbezogenen Daten. Ausgenommen hiervon ist nur die Auskunft über die Herkunft der Daten (§ 45 2. Halbs. PolG).

Nach § 17 Abs. 1 LDSG ist dem Betroffenen von der speichernden Stelle auf Antrag unentgeltliche Auskunft zu erteilen u.a. über die zu seiner Person gespeicherten Daten (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LDSG). Der Gesetzeswortlaut dieser Bestimmung verlangt vollständige Auskunft über alle von einer Person gespeicherten personenbezogenen Daten. Eingeschränkt ist die Auskunftspflicht mit der Folge, daß die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der speichernden Stelle liegenden Aufgaben gefährden würde (§ 17 Abs. 5 Nr. 1 LDSG), die Auskunft die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes und eines Landes Nachteile bereiten würde (Abs. 5 Nr. 2) oder die personenbezogenen Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen überwiegender berechtigter Interessen eines Dritten, geheimgehalten werden müssen (Abs. 5 Nr. 3) und deswegen das Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung zurücktreten muß. Ein Ermessen über die Auskunftserteilung dem Grunde oder dem Umfang nach räumt das Gesetz nicht ein. Zu dem mit § 17 Abs. 5 LDSG wörtlich übereinstimmenden § 19 Abs. 4 BDSG vom 20.12.1990 (BGBl. I S. 2954) hat das Bundesverwaltungsgericht unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Neufassung des Bundesdatenschutzgesetzes (BT-Ds 11/7235 S. 101 f.) mit Urteil vom 3.9.1991 (NJW 1992, 451) entschieden, daß das Gesetz der Behörde bei der Prüfung der Umstände, die einer Auskunftserteilung nach § 19 Abs. 4 BDSG entgegenstehen können, weder Ermessen noch einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Für eine hiervon abweichende Beurteilung der mit dem Bundesrecht insoweit vollständig übereinstimmenden landesgesetzlichen Bestimmung besteht kein Anlaß. Die Voraussetzungen und Grenzen eines Anspruchs auf Auskunft über personenbezogene Daten unterliegen damit in vollem Umfang gerichtlicher Nachprüfung (BVerwG, aaO.).

b) In Anwendung des nunmehr maßgeblichen § 45 PolG i.V.m. § 17 LDSG kann der Kläger vom Beklagten Auskunft über die von ihm in den Lagebildern zur Volkszählung gespeicherten personenbezogenen Daten beanspruchen. Nach Angaben des Beklagten-Vertreters in der mündlichen Verhandlung handelt es sich bei den Lagebildern zur Volkszählung um eine Akte, in der die polizeilich relevanten Vorkommnisse anläßlich der Volkszählung tagebuchartig erfaßt sind. Auch hinsichtlich solcher Sammlungen besteht der gesetzliche Auskunftsanspruch des Klägers; er ist nicht auf die in Dateien (§ 3 Abs. 6 LDSG) gespeicherten personenbezogenen Daten beschränkt, sondern erfaßt auch in Akten gespeicherte Daten (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 2 LDSG).

Der Auskunftserteilung an den Kläger steht kein Auskunftsverweigerungsgrund (§ 17 Abs. 5 LDSG) entgegen. Das Vorliegen eines Auskunftsverweigerungsgrundes nach § 17 Abs. 5 LDSG führt nicht zwangsläufig zur Auskunftsverweigerung. Die Auskunft unterbleibt vielmehr nach dieser Bestimmung nur, "soweit ein solcher Auskunftsverweigerungsgrund vorliegt, und deswegen das Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung zurücktreten muß". Damit ist eine dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragende Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Geheimhaltungsinteresse und dem Auskunftsinteresse des Betroffenen gesetzlich geboten. Es muß in jedem Einzelfall das konkrete Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung ermittelt und gegen das öffentliche Interesse an der Auskunftsversagung abgewogen werden. Diese vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 3.9.1991 (aaO.) zu § 19 Abs. 4 BDSG entwickelten Grundsätze gelten auch für den gleichlautenden § 17 Abs. 4 LDSG.

Im Verwaltungsrechtsstreit um die Auskunftserteilung ist es in erster Linie Aufgabe der sich auf den Auskunftsausschluß berufenden Behörde, das der Auskunftserteilung entgegenstehende öffentliche und die ihr gegebenenfalls entgegenstehenden berechtigten Interessen privater Dritter (§ 17 Abs. 5 Nr. 3 LDSG) darzutun, sofern sie nicht für das Gericht erkennbar zutage liegen.

Der Beklagte hat keine Gründe vorgetragen, die der Auskunftserteilung aus den Lagebildern zur Volkszählung entgegenstehen könnten, noch sind solche Gründe sonst erkennbar. In den die mündliche Verhandlung vorbereitenden Schriftsätzen hat der Beklagte insoweit keine Aussagen zu den Lagebildern zur Volkszählung gemacht. Der in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Einwand, der Auskunft aus den Lagebildern zur Volkszählung stünden die darin auch enthaltenen Angaben zu schwereren Straftaten von überregionaler Bedeutung entgegen, vermag den Anspruch des Klägers auf Auskunftserteilung nicht zu hindern. Insbesondere gibt dieser Einwand keine Hinweise darauf, daß die Auskunft über die vom Kläger in den Lagebildern zur Volkszählung gespeicherten Daten die Aufgabenerfüllung der speichernden Stelle (§ 17 Abs. 5 Nr. 1 LDSG) oder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde (§ 17 Abs. 5 Nr. 2 LDSG) oder nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach geheimgehalten werden müßten (§ 17 Abs. 5 Nr. 3 LDSG). Nach § 17 Abs. 3 LDSG bestimmt die speichernde Stelle das Verfahren, insbesondere die Form der Auskunftserteilung, nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei sie auch den berechtigten Interessen Dritter Rechnung zu tragen hat. Die Beklagte kann daher dem Auskunftsanspruch des Klägers etwa auch unter Schwärzung personenbezogener Daten Dritter oder durch eine sonstige Form der Auskunftserteilung Rechnung tragen, die sicherstellt, daß keine weiteren vom Auskunftsanspruch des Klägers nicht erfaßten Daten mitgeteilt werden. Ein weitergehendes konkretes Geheimhaltungsbedürfnis des Beklagten im Hinblick auf die in den Lagebildern zur Volkszählung über den Kläger enthaltenen Daten, das mit dem Auskunftsinteresse des Klägers abzuwägen wäre, ist nicht ersichtlich. Daß die vom Auskunftsanspruch erfaßten Daten in den Lagebildern zur Volkszählung auch nach der Löschung der vom Kläger in der Index-Kartei Staatsschutz enthaltenen personenbezogenen Daten noch auffindbar sind und die Auskunftserteilung damit möglich ist (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 2 LDSG), hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

Obgleich dem Kläger danach der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung vollständiger Auskunft über die von ihm in den Lagebildern zur Volkszählung gespeicherten personenbezogenen Daten nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 LDSG zusteht, bleibt es insoweit beim Bescheidungsausspruch im Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg; an dessen Änderung zugunsten des Klägers ist der Senat trotz der mittlerweile für den Kläger günstigeren Rechtslage gehindert, da es ihm verwehrt ist, über den Antrag des Beklagten hinauszugehen (§ 129 VwGO), der allein Berufung eingelegt hat. Insoweit war daher lediglich die Berufung des Beklagten zurückzuweisen. Gleichwohl entbindet dies den Beklagten nicht davon, bei der Neubescheidung des Klägers der neuen Rechtslage Rechnung zu tragen.

c) Die Berufung des Beklagten hat Erfolg, soweit er in dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg zur Neubescheidung des Antrags des Klägers auf Auskunftserteilung aus der Index-Kartei Staatsschutz verpflichtet wurde.

Dabei kann offen bleiben, ob und gegebenenfalls inwieweit dem grundsätzlich auch hinsichtlich der in dieser Kartei gespeicherten Daten bestehenden Auskunftsanspruch (§ 45 PolG i.V.m. § 17 Abs. 1 LDSG) Verweigerungsgründe nach § 17 Abs. 5 LDSG entgegengestanden hätten. Denn ein solcher Anspruch auf Auskunftserteilung ist jedenfalls mit Löschung der vom Kläger in dieser Kartei gespeicherten Daten entfallen.

Der von § 17 Abs. 1 Nr. 1 LDSG eingeräumte Auskunftsanspruch ist, wie der Gesetzeswortlaut ("... die zu seiner Person gespeicherten Daten, ...") belegt, von vornherein auf die Auskunft über die tatsächlich noch gespeicherten Daten beschränkt. Die Verurteilung zur Auskunft über nicht mehr existierende Daten wäre im übrigen auf eine unmögliche Leistung gerichtet und dem Senat schon deshalb verwehrt. Der Beklagten-Vertreter hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, daß die über den Kläger in der Index-Kartei Staatsschutz und der dazugehörigen Personenfestakte gespeicherten personenbezogenen Daten mittlerweile - wie im übrigen von dem Beklagten schriftsätzlich auch bereits angekündigt worden war - vollständig gelöscht wurden. Auch in den Handakten zu diesem Verwaltungsstreitverfahren sind nach Auskunft des Vertreters des Beklagten keine Angaben über den den Kläger betreffenden Inhalt der Index-Kartei Staatsschutz enthalten. Damit sind die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 LDSG entfallen. Ein Anspruch auf Auskunft über den Zweck der Speicherung (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 LDSG) oder über etwaige Datenübermittlungen (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 LDSG), der auch nach Löschung der gespeicherten Daten möglich und für den Betroffenen von Interesse sein könnte, ist nicht Gegenstand dieses Berufungsverfahrens. Nicht zu entscheiden ist im Rahmen des Berufungsverfahrens schließlich darüber, ob der Beklagte wegen des rechtshängigen Auskunftsbegehrens möglicherweise, wie vom Kläger geltend gemacht, an der Löschung der Daten hätte gehindert sein können.

2. Die Berufung hat auch Erfolg, soweit sich der Beklagte mit ihr gegen die Verpflichtung zur Löschung der von dem Kläger in der Personenauskunftsdatei gespeicherten personenbezogenen Daten über die gegen ihn in den Jahren 1979 bis 1987 eingeleiteten Ermittlungsverfahren wendet. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Freiburg in dem angefochtenen Urteil steht dem Kläger kein Anspruch auf Löschung dieser Daten zu.

a) Auch das Löschungsbegehren des Klägers ist auf der Grundlage des zum 1. Dezember 1991 geänderten Polizeigesetzes zu entscheiden. Die Anwendbarkeit der neu in das Polizeigesetz aufgenommenen Bestimmungen über die Löschung bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits gespeicherter Daten wird durch die Übergangsvorschrift in § 85 Abs. 2 PolG bestätigt. Diese Bestimmung verweist für die Beurteilung der Zulässigkeit der weiteren Speicherung der am 1. Dezember 1991 rechtmäßig gespeicherten Daten auf die Neufassung des Polizeigesetzes, verlangt deren Löschung, falls sie nach der neuen Rechtslage nicht mehr gespeichert werden dürfen, aber nur dann, wenn dies im Einzelfall oder bei der in regelmäßigen Zeitabständen durchzuführenden Überprüfung nach dem bisher geltenden Recht festgestellt wird. Eine solche Überprüfung im Einzelfall hat beim Kläger im Hinblick auf das anhängige Löschungsbegehren zu erfolgen.

Nach § 46 Abs. 1 PolG hat der Polizeivollzugsdienst in den von ihm geführten Dateien gespeicherte personenbezogene Daten zu löschen und die dazugehörigen Unterlagen zu vernichten, wenn die Speicherung unzulässig ist (Nr. 1) oder bei der Überprüfung der Daten festgestellt wird, daß ihre Erkenntnis für die speichernde Stelle zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben nicht mehr erforderlich ist (Nr. 2). Sind die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt, erwächst dem Betroffenen ein subjektives Recht auf Löschung der über ihn gespeicherten Daten. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift mit dem Auskunftsanspruch in § 45 PolG und insbesondere aus dem Verweis in § 46 Abs. 1 Satz 2 PolG auf § 19 LDSG, der seinerseits vom Gesetzgeber ausdrücklich als subjektives Recht des Betroffenen ausgestaltet wurde (§ 5 Nr. 2 LDSG).

Ob die Speicherung personenbezogener Daten, die - wie die streitbefangenen Daten in der Personenauskunftsdatei - im Rahmen von Ermittlungsverfahren bekannt geworden sind, durch den Polizeivollzugsdienst unzulässig (§ 46 Abs. 1 Nr. 1 PolG) oder ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben nicht mehr erforderlich ist (§ 46 Abs. 1 Nr. 2 PolG), beurteilt sich nach dem neugeschaffenen § 38 PolG. Danach kann der Polizeivollzugsdienst ihm in solcher Weise bekanntgewordene personenbezogene Daten speichern, verändern und nutzen, soweit und solange dies zur Abwehr einer Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist (§ 38 Abs. 1 Satz 1 PolG). Unter welchen Voraussetzungen der genannte Umgang mit personenbezogenen Daten zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, hat der Gesetzgeber in § 38 Abs. 1 Satz 2 PolG verbindlich geregelt. Dies ist danach dann der Fall, wenn die betroffene Person verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben, und tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie zukünftig eine Straftat begehen wird. Die für die weitere Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung - kumulativ zum Tatverdacht - gesetzlich geforderten tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr können sich nach der - nicht abschließenden - Aufzählung in § 38 Abs. 1 Satz 3 PolG insbesondere aus Art, Ausführung und Schwere der Tat ergeben. Die dem Anspruch des Betroffenen aus § 46 Abs. 1 PolG entsprechende objektive Pflicht zur Löschung der Daten, wenn die Voraussetzungen für die Speicherung entfallen sind, ergibt sich aus § 38 Abs. 1 Satz 4 PolG. Bei der Speicherung der im Rahmen von Ermittlungsverfahren bekanntgewordenen personenbezogenen Daten (§ 38 Abs. 1 PolG) fallen die alternativen Voraussetzungen des Löschungsanspruchs in § 46 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 PolG zusammen, da mit dem Wegfall der Erforderlichkeit weiterer Speicherung für die polizeiliche Aufgabenerfüllung zugleich die Unzulässigkeit der Speicherung personenbezogener Daten nach Maßgabe des § 38 Abs. 1 Satz 1 PolG feststeht und im umgekehrten Fall Entsprechendes gilt.

Die genannten gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten aus Ermittlungsverfahren durch den Polizeivollzugsdienst und gegebenenfalls für die Löschung dieser Daten räumen der Behörde kein Ermessen und auch keinen Beurteilungsspielraum ein. Auch die gesetzlich geforderte Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Speicherung der Daten und dem gegenläufigen persönlichen Interesse des Betroffenen, wie sie durch den Erforderlichkeitsvorbehalt in § 38 Abs. 1 Satz 1 PolG ("... soweit und solange ... erforderlich ist.") nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorausgesetzt wird, ist der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterworfen. Bei der Beurteilung der sich aus den tatsächlichen Anhaltspunkten erschließenden Wiederholungsgefahr (§ 38 Abs. 1 Sätze 2 u. 3 PolG) allerdings steht dem Polizeivollzugsdienst ein Prognosespielraum zu, dessen nähere Bestimmung der vorliegende Fall jedoch nicht erfordert.

Entgegen der vom Kläger vorgebrachten Einwände sieht der Senat keinen Anlaß zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der besonderen Regelung für die Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten durch den Polizeivollzugsdienst in § 38 Abs. 1 PolG. Mit dieser Bestimmung hat der Gesetzgeber ausdrücklich die Änderung des Nutzungszwecks der im Rahmen von Ermittlungsverfahren gewonnenen Daten mit dem Ziel der weiteren Speicherung und Verwendung zu präventiv-polizeilichen Zwecken für zulässig erklärt und so die hierfür von Verfassungs wegen gebotene bereichsspezifische Regelung geschaffen (vgl. BVerfGE 65, 1/46). Mit dem Ziel der Gefahrenabwehr wie auch der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten ist der Verwendungszweck für die gespeicherten Daten - nun auch auf gesetzlicher Grundlage - hinreichend präzise bestimmt (so schon zur früheren Rechtslage Beschl. d. Senats v. 18.5.1987, NJW 1987, 3022 und BVerwG, Urteile v. 20.2.1990 - 1 C 29.86 -, NJW 1990, 2765/2767 und - 1 C 30.86 -, NJW 1990, 2768/2769); der Erforderlichkeitsvorbehalt in § 38 Abs. 1 Satz 1 PolG schützt den Betroffenen in Verbindung mit den gesetzlichen Speicherfristen (§ 38 Abs. 2, 3 PolG) vor einer unverhältnismäßigen Belastung durch die weitere Speicherung, Veränderung und Nutzung der über ihn gespeicherten Daten.

b) Der Beklagte geht zu Recht davon aus, daß die Speicherung der in der Personenauskunftsdatei vom Kläger über die Ermittlungsverfahren aus den Jahren 1979 bis 1987 enthaltenen personenbezogenen Daten weiterhin zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich und damit zulässig ist.

Gegenstand der gespeicherten Daten sind - soweit streitbefangen - acht durch Polizeidienststellen des Beklagten durchgeführte Ermittlungsverfahren aus dem genannten Zeitraum, denen durchweg der Verdacht politisch motivierter Straftaten aus den Bereichen Sachbeschädigung, Nötigung und Hausfriedensbruch sowie in einem Fall des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz zugrunde lagen. In der Personenauskunftsdatei sind hierüber Daten über den Tathergang, die Örtlichkeit, etwaige Beteiligte und Hinweisgeber sowie zur Person des Klägers als Beschuldigten einschließlich spezifischer personengebundener Hinweise wie Mundart oder Haarfarbe gespeichert.

Diese acht Taten begangen zu haben, die Gegenstand der gespeicherten Daten sind, ist der Kläger verdächtig (§ 38 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. PolG). Soweit die Ermittlungsverfahren zur Verurteilung des Klägers geführt haben (Taten vom 7. August 1982, 27. Mai 1983, 16. November 1983 und vom 31. Juli 1987), steht dies außer Frage. In den übrigen Fällen, in denen es zur Einstellung des Verfahrens nach § 153 Abs. 1 StPO (Ereignisse vom 14. März 1979, 20. November 1984 und vom 15. Januar 1986) oder nach § 153 a StPO (Ereignis vom 17. März 1980) gekommen ist, besteht gleichfalls ein Tatverdacht gegen den Kläger, denn der hinreichende Tatverdacht ist Voraussetzung für die Zulässigkeit der Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO wie auch nach § 153 a StPO.

Zu Recht geht der Beklagte auch von einer fortbestehenden Wiederholungsgefahr in der Person des Klägers aus (§ 38 Abs. 1 Satz 3 und 4 PolG). Im Hinblick auf die Vielzahl der dem Kläger zur Last gelegten Strafgesetzverstöße, die strukturelle Ähnlichkeit der Taten und die einheitliche Motivation für die Begehung dieser Taten sieht der Senat keinen Anlaß, an der Berechtigung dieser Prognose zu zweifeln. Der Kläger ist immerhin zumindest in acht Fällen während eines längeren Zeitraums von rund acht Jahren strafrechtlich in Erscheinung getreten. Die Gleichartigkeit der Gesetzverstöße ergibt sich in seinem Fall daraus, daß es sich durchweg um Straftatbestände handelt, deren Erfüllung bei dem vom Kläger praktizierten, politisch motivierten "bürgerlichen Ungehorsam" typischerweise in Kauf genommen wird. Es ist nicht erkennbar und wird auch vom Kläger selbst nicht behauptet, daß er mittlerweile von der Bereitschaft Abstand genommen hätte, in Fällen, in denen er es zur Kundgabe seiner Meinung für politisch geboten hält, an Aktionen teilzunehmen, die auch Strafrechtsverstöße beinhalten können. Die dem Kläger anläßlich einer Veranstaltung gegen den Golfkrieg am 14. Januar 1991 zur Last gelegte öffentliche Aufforderung zu Straftaten bestätigt die vom Beklagten schon zu Beginn dieses Verfahrens beim Kläger angenommene Wiederholungsgefahr; die Indizwirkung dieses erneuten Tatvorwurfs kann auch durch die Einstellung des gegen den Kläger eingeleiteten Ermittlungsverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts nicht vollständig ausgeräumt werden (vgl. dazu Urteile d. Senats v. 23.2.1987 - 1 S 2624/86 -, NJW 1987, 2763 und - 1 S 2808/86 -, NJW 1987, 2764). Im übrigen wäre die Annahme der Wiederholungsgefahr in der Person des Täters auch ohne den erneuten Tatvorwurf aus dem Jahre 1991 schon aus den vorgenannten Gründen der Häufigkeit, Begehungsweise und gleichgebliebenen Tatmotivation gerechtfertigt.

Mit dem festgestellten Tatverdacht in den acht Fällen aus den Jahren 1979 bis 1987 und der auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruhenden Wiederholungsgefahr sind die Voraussetzungen erfüllt, unter denen der generalisierenden Wertung des Gesetzgebers in § 38 Abs. 1 Satz 2 und 3 PolG zufolge die Speicherung der personenbezogenen Daten aus diesen Ermittlungsverfahren zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist (§ 38 Abs. 1 Satz 1 PolG). Steht dies fest, kann die Behörde im Regelfall davon ausgehen, daß die weitere Speicherung der personenbezogenen Daten bis zum Ablauf der gesetzlichen Regelspeicherfristen (§ 38 Abs. 2 Satz 2 PolG) geboten und damit zulässig ist. Dies entspricht erkennbar der Wertung des Gesetzgebers, der mit den Fristen in § 38 Abs. 2 Satz 2 PolG nicht nur den Zeitpunkt bestimmt hat, nach dem der Polizeivollzugsdienst spätestens von Amts wegen zu überprüfen hat, ob die weitere Speicherung der personenbezogenen Daten noch erforderlich ist (§ 38 Abs. 2 Satz 1 PolG), sondern damit zugleich den zeitlichen Rahmen abgesteckt hat, nach dessen Ablauf die personenbezogenen Daten im Regelfall zu löschen sind (§ 38 Abs. 3 Satz 2 PolG). Bis zum Ablauf dieser Fristen jedoch geht der Gesetzgeber grundsätzlich von der Erforderlichkeit der nach § 38 Abs. 1 PolG zulässigerweise gespeicherten Daten aus (so § 38 Abs. 1 Satz 2 PolG). Die Löschung der Daten vor Ablauf der Regelspeicherfristen ist danach nur im Ausnahmefall geboten, wenn die Überprüfung im Einzelfall (§ 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, vgl. auch § 85 Abs. 2 PolG) ergibt, daß die weitere Speicherung der personenbezogenen Daten für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr zur Abwehr einer Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist (§ 38 Abs. 1 Satz 1 PolG). Dies kann bei der Speicherung von Daten zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten etwa der Fall sein bei Wegfall der Wiederholungsgefahr (§ 38 Abs. 1 Sätze 2 u. 3 PolG) oder wenn besondere Umstände die Unverhältnismäßigkeit der weiteren Datenspeicherung für den Betroffenen begründen.

Die gesetzliche Regelspeicherfrist, die für die vom Kläger gespeicherten Daten 10 Jahre beträgt (§ 38 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 1. Altern. PolG), ist für die von ihm in der Personenauskunftsdatei gespeicherten Daten noch nicht abgelaufen. Dabei kann dahinstehen, ob die Speicherfrist im Falle des Klägers erst mit Ablauf des Jahres 1991 zu laufen beginnt (§ 38 Abs. 3 Satz 1 PolG), obgleich das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten nach § 170 Abs. 2 StPO mangels eines genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage eingestellt wurde. Die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO schließt einen gegen den Beschuldigten fortbestehenden Tatverdacht nicht notwendig aus (Urteile d. Senats v. 23.2.1987 - 1 S 2624/86 - NJW 1987, 2763 und - 1 S 2808/86 - NJW 1987, 2764), was im Falle des Klägers anhand der Ermittlungsakten und insbesondere des Einstellungsbeschlusses im einzelnen festzustellen wäre. Auch wenn von dem der Strafanzeige der Kriminalpolizei Freiburg wegen Nötigung vom 31. Juli 1987 zugrundeliegenden Vorfall als letztem maßgeblichen Ereignis für die Fristberechnung ausgegangen wird, ist die dann mit Ablauf des Jahres 1987 beginnende 10jährige Regelspeicherfrist zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt noch nicht abgelaufen.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf verkürzte Regelspeicherfristen berufen. Nach § 38 Abs. 2 Satz 3 PolG sind in Fällen von geringer Bedeutung kürzere als die in § 38 Abs. 2 Satz 2 PolG genannten Fristen festzulegen. Die generalisierende Festlegung solcher kürzeren Fristen und gegebenenfalls auch eine weitere Präzisierung der "Fälle von geringer Bedeutung" obliegt dem Verordnungsgeber (vgl. § 84 Abs. 1 Nr. 5 PolG). Eine Rechtsverordnung hierzu ist bisher nicht ergangen. Die einschlägigen Bestimmungen in den Richtlinien des Innenministeriums für die von Polizeidienststellen des Landes geführten Kriminalpolizeilichen personenbezogenen Sammlungen - KpS-RL - vom 13. März 1981 (GABl. S. 337), erneut in Kraft gesetzt durch Erlaß vom 12. November 1991 (GABl. S. 1166) - dort Nr. 5.2.2 KpS-RL -, können die Gerichte nicht binden. Solange keine verbindliche rechtssatzmäßige Bestimmung über verkürzte Regelspeicherfristen in Fällen geringer Bedeutung vorliegt, hat die gerichtliche Kontrolle der Behördenentscheidung über ein Begehren auf verkürzte Speicherfristen jeweils unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls anhand der gesetzlichen Vorgaben über die Zulässigkeit der Datenspeicherung in § 38 Abs. 1 PolG zu erfolgen.

Ein Fall geringer Bedeutung, der eine Verkürzung der 10jährigen Regelspeicherfrist bei den vom Kläger gespeicherten Daten gebieten würde, liegt bei ihm indes nicht vor. Die in den Jahren 1979 bis 1987 erfaßten Ereignisse sind nach dem Gegenstand des zugrundeliegenden Tatvorwurfs, vor allem jedoch im Hinblick auf ihre Häufung und hinsichtlich der Tatmotivation strukturellen Gleichartigkeit nicht von geringer Bedeutung. Der in den Vorkommnissen dokumentierte Wille des Klägers, sich durch strafbewehrte Verbote nicht von politisch motivierten Gesetzesverstößen abhalten zu lassen, steht dem Rückgriff auf eine verkürzte Speicherfrist unter dem Gesichtspunkt der Bedeutung seines Falles entgegen.

Verbleibt es danach für den Kläger bei der gesetzlichen Regelspeicherfrist von 10 Jahren (§ 38 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 PolG), entbindet dies den Beklagten gleichwohl nicht von der Pflicht, im Einzelfall aus gegebenem Anlaß - wie hier auf Antrag des Klägers - auch schon vor Ablauf dieser Frist die Erforderlichkeit der weiteren Speicherung der vom Kläger erfaßten Daten zu prüfen. Dabei kann jedoch, wie dargelegt, davon ausgegangen werden, daß dem Betroffenen die weitere Speicherung der Daten bis zum Ablauf der Regelspeicherfrist zuzumuten ist.

Besondere Umstände, die im Falle des Klägers ausnahmsweise eine Verkürzung der 10jährigen Regelspeicherfrist erforderten, sind nicht gegeben. Insbesondere ist die Speicherung der Daten vom Kläger entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Freiburg nicht etwa deshalb entbehrlich, weil er bei seinen Aktionen und den anschließenden Ermittlungsverfahren schon bisher - mit einer Ausnahme - stets von vornherein seine Identität zu erkennen gegeben, gleichsam "mit offenem Visier" gekämpft habe und so auch weiterhin vorzugehen beabsichtige. Diese Sichtweise verkennt, daß die Datenspeicherung zum Zwecke der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten keineswegs nur die Identifizierung künftiger Tatverdächtiger erleichtern soll. Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten geeignet und erforderlich ist die Speicherung personenbezogener Daten auch dann, wenn diese Daten den sachgerechten Einsatz der Polizei im Vorfeld wie auch bei der Bekämpfung von Straftaten unterstützen und erleichtern können. Es liegt auf der Hand, daß bei angekündigten oder spontanen Aktionen die Kenntnis von den handelnden Personen, insbesondere über das gesamte Spektrum und die Häufigkeit ihres bisherigen einschlägigen Verhaltens, wie es sich für die Person des Klägers aus den über ihn gespeicherten Daten erschließt, der Polizei hilfreiche Aufschlüsse über das drohende oder bereits vorhandene Gefährdungspotential bieten und so zur Entscheidungsgrundlage für ein lageangepaßtes Polizeiverhalten beitragen kann.

Die weitere Speicherung der Daten in der Personenauskunftsdatei belastet den Kläger auch nicht in unverhältnismäßiger Weise. Gegenüber dem dargelegten berechtigten Interesse des Polizeivollzugsdienstes am weiteren Zugriff auf die von dem Kläger in der Personenauskunftsdatei gespeicherten Daten muß dessen Interesse, nicht mehr durch die fortdauernde Datenspeicherung über ihm zur Last gelegte frühere Strafgesetzverstöße belastet zu sein, zurücktreten. Die Abwägung zwischen beiden Interessen nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes fällt vor allem auch deshalb zu Lasten des Klägers aus, weil sein Interesse an der Löschung der von ihm gespeicherten personenbezogenen Daten angesichts seines bewußt oder zumindest bewußt in Kauf genommenen strafgesetzwidrigen Verhaltens nur gering zu bewerten ist. Wenn der Kläger den kalkulierten Gesetzesverstoß zum Mittel seiner politischen Meinungsäußerung macht, kann er nicht zugleich ein besonderes schutzwürdiges Interesse an der alsbaldigen Löschung der hierüber gespeicherten kriminalpolizeilichen Daten in Anspruch nehmen.






VGH Baden-Württemberg:
Urteil v. 26.05.1992
Az: 1 S 668/90


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/8bb4dfa310b6/VGH-Baden-Wuerttemberg_Urteil_vom_26-Mai-1992_Az_1-S-668-90




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