Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 19. Dezember 2013
Aktenzeichen: 16 E 204/13
(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 19.12.2013, Az.: 16 E 204/13)
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 17. Januar 2013 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1 und 3 VwGO), die der Senat im Hinblick auf die fehlende Befugnis der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers, im Kostenfestsetzungsverfahren im eigenen Namen Erinnerung einzulegen und Beschwerde zu erheben, als Beschwerde des Antragstellers auffasst, ist unbegründet.
Zur fehlenden Beschwer der Prozessbevollmächtigten eines Beteiligten im Kostenfestsetzungsverfahren siehe OVG NRW, Beschluss vom 27. Juli 2009 ‑ 16 E 500/09 ‑ mit weiteren Nachweisen.
Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass der angefochtene Beschluss einen Rechenfehler enthält, trifft dies zwar zu. Das Verwaltungsgericht hat ‑ offenkundig versehentlich ‑ die zunächst festgesetzten Termins- und Erledigungsgebühren lediglich mit ihrem Nettowert in Abzug gebracht. Diese rechnerische Unrichtigkeit wirkt sich jedoch zum Vorteil des Antragstellers aus. Sie kann daher eine Änderung des Beschlusses zu seinen Gunsten nicht begründen. Eine Änderung zu seinen Lasten kommt wegen des auch im Kostenfestsetzungsverfahren geltenden Verböserungsverbots nicht in Betracht (Verbot der reformatio in peius).
Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 23. Dezember 2010 ‑ 3 E 1375/10 ‑; Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 146 Rdnr. 4 und § 165 Rdnr. 8.
In der Sache hat das Verwaltungsgericht den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 5. November 2012 zu Recht geändert. Es ist weder eine Termins- noch eine Erledigungsgebühr entstanden.
1. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (Vergütungsverzeichnis - VV RVG).
Gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG in der vorliegend maßgeblichen (vgl. § 60 RVG), bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung entsteht die Terminsgebühr unter anderem für die Mitwirkung des Rechtsanwalts an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts. Insoweit kann dahinstehen, ob die Terminsgebühr dabei auch dann anfallen kann, wenn für das Verfahren eine mündliche Verhandlung weder vorgeschrieben noch konkret anberaumt ist,
vgl. den Überblick über den Meinungsstand bei BGH, Beschluss vom 2. November 2011 ‑ XII ZB 458/10 ‑, juris, Rdnr. 15 ff. (= NJW 2012, 459), sowie bei Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl. 2013, VV Vorb. 3 Rdnr. 144 ff.,
und bejahendenfalls, ob die Besprechung notwendigerweise in Anwesenheit der Gesprächspartner geführt werden muss oder sie auch telefonisch erfolgen kann.
Für Letzteres die ganz überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, vgl. etwa BGH, Beschluss vom 20. November 2006 ‑ II ZB 9/06 ‑, juris, Rdnr. 7 (= NJW-RR 2007, 286); BAG, Beschluss vom 19. Februar 2013 ‑ 10 AZB 2/13 ‑, juris, Rdnr. 10 (= NZA 2013, 395); Müller-Rabe, a. a. O., VV Vorb. 3 Rdnr. 1677; a. A. OVG NRW, Beschluss vom 28. März 2012 ‑ 14 E 1411/11 ‑, juris, Rdnr. 9.
Die zu einer Terminsgebühr führende Besprechung setzt als mündlicher Austausch von Erklärungen jedenfalls die Bereitschaft der Gegenseite voraus, ein auf die Erledigung gerichtetes Gespräch zu führen.
Vgl. etwa BGH, Beschluss vom 20. November 2006, a. a. O., Rdnr. 8; OVG NRW, Beschluss vom 8. Juli 2009 ‑ 18 E 1013/08 ‑, juris, Rdnr. 4 (= NJW 2009, 2840); Müller-Rabe, a. a. O., VV Vorb. 3 Rdnr. 174.
Daran fehlte es vorliegend erkennbar. Das fragliche Telefonat des fallbearbeitenden Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit der zuständigen Sachbearbeiterin des Antragsgegners erfolgte erst, nachdem das Verwaltungsgericht gegenüber den Beteiligten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehungsverfügung geäußert und deshalb deren Aufhebung angeregt hatte. Bezieht sich der anrufende Rechtsanwalt in dieser Situation auf das entsprechende gerichtliche Hinweisschreiben und teilt die Sachbearbeiterin ihm daraufhin ‑ wie hier nach dem Aktenvermerk des Prozessbevollmächtigten vom 21. Juni 2012 geschehen ‑ ausdrücklich mit, sie beabsichtige, den Sachverhalt am kommenden Tag mit ihren Vorgesetzten zu besprechen, besteht für diesen ersichtlich kein Grund zu der Annahme, die Sachbearbeiterin könne bereit sein, ad hoc in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. Anderes würde möglicherweise etwa dann gelten, wenn der Anrufer gegenüber der Behörde weitere Gesichtspunkte anspricht, die über das bereits vom Verwaltungsgericht Angeführte hinausreichen, oder er ihr einen eigenständigen Vorschlag zur Verfahrensbeendigung unterbreitet. Das war hier jedoch nicht der Fall. Der Prozessbevollmächtigte hat nach dem von ihm gefertigten Gesprächsvermerk keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte vorgebracht, die den Antragsgegner jenseits des Inhalts der gerichtlichen Verfügung dazu hätten bewegen können, den Antragsteller klaglos zu stellen. Seine Erklärung, dass er beim Verwaltungsgericht auf eine schnelle gerichtliche Entscheidung drängen werde, sollte die behördliche Entscheidungsfindung länger dauern, geht bei zutreffendem Verständnis über eine bloße Ankündigung zum weiteren prozessualen Vorgehen nicht hinaus. Selbst wenn man darin aber ‑ wie der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers ‑ die Unterbreitung des Angebots sehen wollte, bei zeitnaher Aufhebung des angegriffenen Verwaltungsakts auf eine gerichtliche Bescheidung des Eilantrags zu verzichten, hätte es für den Antragsgegner keine Veranlassung gegeben, sich spontan auf ein Gespräch hierüber einzulassen. Ein solches "Angebot" ist bei objektiver Betrachtung ungeeignet, die Entscheidung in der Sache zu beeinflussen, sondern zielt lediglich darauf, den Entscheidungsfindungsprozess der Behörde zu beschleunigen. Der Notwendigkeit, ungeachtet dessen, dass das Verwaltungsgericht seinen Hinweis nicht mit einer Fristsetzung verknüpft hatte, schnell eine Entscheidung treffen zu müssen, war sich der Antragsgegner indes offensichtlich bereits bewusst.
2. Der Antragsteller kann auch die Festsetzung einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 Satz 1 VV RVG nicht beanspruchen.
Nach Nr. 1002 Satz 1 VV RVG entsteht eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Die anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung muss in einer besonderen Tätigkeit des Rechtsanwalts liegen, die über die bereits mit der Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausgeht und auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne streitige Entscheidung gerichtet ist.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 1985‑ 8 C 68.83 ‑, juris, Rdnr. 9 (= AnwBl 1986, 41), zur Vorgängervorschrift § 24 BRAGO; zum geltenden Recht siehe OVG NRW, Beschluss vom 27. Juli 2009 ‑ 16 E 500/09 ‑; Müller-Rabe, a. a. O., VV 1002 Rdnr. 40, jeweils mit weiteren Nachweisen.
Für das Vorliegen einer Mitwirkung im vorgenannten Sinne reicht es nicht aus, wenn der Rechtsanwalt lediglich sämtliche für seinen Mandanten sprechenden rechtlichen Argumente in möglichst überzeugender Weise vorträgt.
Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 2. Juli 2013 ‑ 9 C 13.374 ‑, juris, Rdnr. 14; Müller-Rabe,a. a. O., VV 1002 Rdnr. 40 und 47.
Die Mitwirkung des Rechtsanwalts nach Nr. 1002 Satz 1 VV RVG muss darüber hinaus kausal für die Erledigung der Rechtssache gewesen sein. Hierfür genügt ein nicht ganz unerheblicher Beitrag, nicht jedoch eine nur unwesentliche Kausalität.Eine rechtliche Vermutung für die Ursächlichkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist in Nr. 1002 Satz 1 VV RVG ‑ anders als in Nr. 1000 VV RVG ‑ nicht enthalten. Hat der Rechtsanwalt eine auf die Aufhebung des Verwaltungsakts gerichtete Tätigkeit entfaltet und erfolgt anschließend die Aufhebung oder Abänderung des Verwaltungsakts, so spricht allerdings eine tatsächliche Vermutung für die Ursächlichkeit seines Handelns. Gibt aber der Sachverhalt Anhalt dafür, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts für die Aufhebungs- oder Abänderungsentscheidung der Behörde nicht ursächlich war, ist die Kausalität zu verneinen.
Vgl. Müller-Rabe, a. a. O., VV 1002 Rdnr. 58 bis 60.
Davon ausgehend ist vorliegend keine Erledigungsgebühr entstanden, weil das insoweit nur in Betracht kommende Telefonat des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit der Fahrerlaubnisbehörde jedenfalls nicht kausal für die Erledigung der Rechtssache gewesen ist. Der Sachverhalt gibt hinreichenden Anhalt für die Annahme, dass die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten keinen Einfluss auf die Entscheidung des Antragsgegners gehabt hat, die Entziehungsverfügung aufzuheben. Der Antragsgegner hat wiederholt vorgetragen, er habe diesen Entschluss nicht (auch) wegen des fraglichen Anrufs getroffen, sondern allein auf der Grundlage des zuvor erfolgten richterlichen Hinweises. Das erscheint auch ohne Weiteres nachvollziehbar und damit glaubhaft. Denn es ist durchaus üblich und entspricht einer gängigen Handhabung in verwaltungsgerichtlichen Verfahren, dass insbesondere Behörden sich in ihrem prozessualen Verhalten maßgeblich an Hinweisen des Gerichts und nicht schon an dem Vorbringen der Gegenseite orientieren. Der Umstand, dass die Sachbearbeiterin dem Prozessbevollmächtigten noch keine verbindliche Auskunft zum weiteren Vorgehen der Fahrerlaubnisbehörde geben konnte, ist vor diesem Hintergrund unerheblich. Bestimmend hierfür war offenbar die noch ausstehende abschließende Besprechung mit ihren Vorgesetzten. Das Verhalten der Sachbearbeiterin rechtfertigt daher nicht den Schluss, dass auch der Anruf des Prozessbevollmächtigten etwas zur Entscheidungsfindung beigetragen hat, zumal bereits zum Zeitpunkt des Telefonats unstreitig davon die Rede war, die Entziehungsverfügung werde "aller Voraussicht nach" aufgehoben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da lediglich eine Festgebühr nach Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG (Kostenverzeichnis) anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 19.12.2013
Az: 16 E 204/13
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