Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Juli 2003
Aktenzeichen: 30 W (pat) 115/02

(BPatG: Beschluss v. 07.07.2003, Az.: 30 W (pat) 115/02)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Marke Rectinaist am 1. März 1999 unter der Nr 398 62 651 für

"Wasch- und Bleichmittel, Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel, Seifen, Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Zahnputzmittel; pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege, diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost, Pflaster, Verbandmaterial, Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke, Desinfektionsmittel, Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren, Fungizide, Herbizide"

in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 1. April 1999.

Widerspruch erhoben hat am 28. Juni 1999 die Inhaberin der Marke 398 36 471 RETIGAN, die seit dem 4. August 1998 eingetragen ist nach Teillöschung noch für

"Arzneimittel und pharmazeutische Präparate, nämlich Antiepileptika".

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Die angegriffene Marke genüge selbst hohen Anforderungen an den einzuhaltenden Abstand. In klanglicher Hinsicht bestünden Unterschiede in der Betonung und im Sprechrhythmus, in der Silbentrennung und im Konsonantenaufbau. Auch visuell bestehe keine Verwechslungsgefahr.

Hiergegen hat die Anmelderin Erinnerung eingelegt. Die Vergleichsmarken verfügten über identische Buchstabenzahl sowie Silbenzahl, sie hätten die identischen Vokale in identischer Reihenfolge sowie drei von vier Konsonanten identisch.

Die Markenstelle hat die Erinnerung zurückgewiesen, die Markenworte seien ausreichend kurz, um die Unterschiede im Klangbild zu bemerken.

Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt mit der in der Erinnerung genannten Begründung.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr 2 Markengesetz. Der Widerspruch ist deshalb von der Markenstelle gemäß §§ 42 Absatz 2 Nr 1, 43 Absatz 2 Satz 2 Markengesetz zu Recht zurückgewiesen worden.

Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Absatz 1 Nr 2 MarkenG ab von der Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfaßten Waren. Darüber hinaus sind auch alle weiteren Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, wobei die verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden Faktoren in einer Wechselwirkung stehen (st Rspr vgl BGH GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND).

Ausgehend von der Registerlage können die Marken auch zur Kennzeichnung identischer Waren verwendet werden. Zu berücksichtigen ist weiter, daß bei den vorliegenden Arzneimitteln eine Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen nicht festgeschrieben ist, auch in tatsächlicher Hinsicht der Fachverkehr nicht im Vordergrund steht, so daß allgemeine Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen sind. Auch insoweit ist aber davon auszugehen, daß grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal). Hinzu kommt, dass die Widerspruchsmarke nur für Antiepileptika geschützt ist, also einen speziellen Arzneimittelbereich, bei dem die Beteiligung des Fachverkehrs deutlich im Vordergrund steht.

Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer durchschnittlichen Kenzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke RETIGAN aus.

Auch bei Anlegung (noch) strenger Maßstäbe ist ein zur Vermeidung von Verwechslungen ausreichender Markenabstand eingehalten; zwischen den Vergleichsmarken besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr 2 MarkenG. Denn in ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die Vergleichsmarken Rectina und RETIGAN klar und unverwechselbar in allen für die Beurteilung des Gesamteindrucks wesentlichen Kriterien.

Wie von der Markenstelle zutreffend festgestellt, besteht die einzige Übereinstimmung der beiden Marken in der mittleren Silbe "ti". In den Wortanfängen unterscheiden sich die Marken in klanglicher Hinsicht jedoch durch den zusätzlichen gesprochenen Konsonanten "k", der als Sprenglaut am Schluß der Anfangssilbeder angegriffenen Marke steht, der Widerspruchsmarke fehlt eine Entsprechung. Es liegt zwar nicht die Betonung auf dem Wortanfang der angegriffenen Marke, aber durch den Sprenglaut wird das "e" kurz gesprochen und damit der Wortanfang hart und prägnant, das "e" in der Widerspruchsmarke dagegen eher weich und gedehnt. Da Wortanfänge im allgemeinen aber stärker beachtet werden als die übrigen Markenteile, kommt ihnen hier besonderes Gewicht zu (vgl Hacker/Ströbele, MarkenR, 7. Aufl, § 9 Rdn 183).

Weiter ist zu berücksichtigen, daß auch die Abweichungen in den Schlußsilben deutlich hervortreten, zum einen durch die unterschiedliche Anzahl und Stellung der Konsonanten - "na" gegenüber "GAN" - zum anderen durch die Betonung der Widerspruchsmarke auf der Schlußsilbe, die den bestehenden Unterschied hervorhebt.

Diese Abweichungen führen zu einem zur Verneinung der Verwechslungsgefahr ausreichend verschiedenen Klangbild der Marken.

Auch im schriftbildlichen Vergleich ist ein Auseinanderhalten der Marken aufgrund der dargestellten Abweichungen in der Buchstabenzahl und -abfolge sowie der Unterlänge von "G" in der Widerspruchsmarke gewährleistet.

Die Beschwerde ist damit ohne Erfolg.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Absatz 1 Markengesetz.

Dr. Buchetmann Schramm Hartlieb Hu






BPatG:
Beschluss v. 07.07.2003
Az: 30 W (pat) 115/02


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