Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. November 2005
Aktenzeichen: 25 W (pat) 95/04

(BPatG: Beschluss v. 28.11.2005, Az.: 25 W (pat) 95/04)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. April 2004 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der IR Marke 696866 zurückgewiesen worden ist.

2. Die Marke 300 47 771 ist wegen des Widerspruchs aus der IR-Marke 696 866 zu löschen.

3. Kosten werden nicht auferlegt.

Gründe

I.

Die am 27. Juni 2000 angemeldete Wortmarke 4 stoxxist am 1. Februar 2001 für die Dienstleistungen

"Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensberatung; Telekommunikation; computergestützte Ausbildung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; wissenschaftliche und industrielle Forschung; sämtliche Dienstleistungen nicht in Zusammenhang mit den Aktienindizes"

unter der Nummer 300 47 771 in das Markenregister eingetragen worden.

Die Inhaberin der im Jahre 1998 ua für die Dienstleistungen

"Publicite et gestion des affaires commerciales; consultation professionnelle pour l'organisation et l'administration des affaires bancaires et financières ; Telecommunication ; Formation; instruction; programmation pour ordinateurs"

international registrierten Marke 696 866 STOXX hat dagegen Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 27. April 2004 durch einen Prüfer des gehobenen Dienstes den Widerspruch zurückgewiesen.

Hinsichtlich der Dienstleistungen der angegriffenen Marke und den Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke könne eine beachtliche Nähe bis Identität festgestellt werden. Jedoch wiesen die sich gegenüberstehenden Marken keine erheblichen Gemeinsamkeiten auf, so dass Verwechslungen insgesamt nicht zu erwarten seien. Im Gesamteindruck unterschieden sich die beiden Marken durch die Zahl "4" am Anfang der angegriffenen Marke, der deshalb ausreichend verschieden sei. In klanglicher Hinsicht werde die Zahl "4" deutlich und separat vor dem Markenteil "stoXX" gesprochen und stelle daher angesichts der Kürze der Marken auch bei flüchtiger Wiedergabe ein unüberhörbares zusätzliches Element dar. Die Zahl "4" stehe auch am beachteten Markenanfang und leite so die Marke klanglich mit der Aussprache "vier/for" anders ein als die Widerspruchsmarke, die nur aus "STOXX" bestehe. Auch in bildlicher Hinsicht ergäben sich deutliche Abweichungen. Der den Vergleichsmarken gemeinsame Bestandteil "STOXX" führe ebenfalls nicht zu einer Verwechslungsgefahr, da der Bestandteil "stoXX" der angegriffenen Marke den Anforderungen an eine gesteigerte kennzeichnende Wirkung nicht genüge. Ferner bestehe kein Grund, warum "stoXX" im Vergleich zu "4" den Gesamteindruck der angegriffenen Marke präge, so dass es für die Beurteilung der unmittelbaren Verwechslungsgefahr bei einem Vergleich des jeweiligen Gesamteindrucks der beiden Marken bleibe, die deutlich verschieden seien. Eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der gedanklichen Verbindung der beiden Marken komme aus diesen Gründen ebenfalls nicht in Betracht. Für eine Kostenauferlegung bestehe kein Anlass.

Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt und beantragt sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. April 2004 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Es bestehe eine unmittelbare Verwechslungsgefahr. Bei der Bestimmung des Gesamteindrucks sei der Prüfer davon ausgegangen, dass die angegriffene Marke aus der Zahl "4" und dem Wort "stoXX" gleichwertig zusammengesetzt sei. Dabei habe der Prüfer nicht beachtet, dass die Zahl "4" in der modernen Werbesprache als Synonym für das englische Wort "for" bzw. das deutsche Wort "für" benutzt werde. Damit handele es sich nicht mehr um zwei gleichwertige Bestandteile, und das Gewicht der Kennzeichnung verschiebe sich auf "stoXX". Für beide Parteien präge "stoXX" den Gesamteindruck der Marken. Die Dienstleistungen "Werbung, Geschäftsführung; Telekommunikation; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" kämen in beiden Verzeichnissen identisch vor. Der Disclaimer ändere daran nichts. Ferner bestehe eine Ähnlichkeit zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke bezüglich "Unternehmensberatung", "computergestützte Ausbildung" und "wissenschaftliche und industrielle Forschung". Unter Berücksichtigung der gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bestehe auch die Gefahr, dass die beiden Marken gedanklich in Verbindung gebracht würden, da die Zahl "4" mit ihrer Bedeutung "für" auf die Marke und das Unternehmen der Widersprechenden hinweise. Schließlich bestehe auch mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens mit dem Stammbestandteil "STOXX" und einer Zahl (4, 50, 100) als zweitem Bestandteil.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

In der Sache hat er keine Stellungnahme abgegeben.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg, da eine Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht.

Die Zeichen können sich teilweise bei identischen, zumindest aber erheblich ähnlichen Dienstleistungen begegnen. So sind die Dienstleistungen "Werbung, Geschäftsführung" mit "Publicite et gestion des affaires commerciales", "Telekommunikation" mit " Telecommunication " und "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" mit "programmation pour ordinateurs" identisch. Die Dienstleistungen "computergestützte Ausbildung" und "wissenschaftliche und industrielle Forschung" können sich mit den Dienstleistungen "Formation", "instruction" überschneiden oder diesen sehr ähnlich sein, da Forschung und Lehre häufig Hand in Hand gehen. Die Dienstleistung "Unternehmensberatung" hat erhebliche Berührungspunkte mit den Dienstleistungen "consultation professionnelle pour l'organisation et l'administration des affaires bancaires et financières", da diese Dienstleistungen einen Teil der Unternehmensberatung darstellen können. Auch wenn die angegriffene Marke ihre Dienstleistungen dahingehend eingeschränkt hat, als sie einen Disclaimer "(sämtliche Dienstleistungen nicht in Zusammenhang mit den Aktienindizes)" in ihr Dienstleistungsverzeichnis aufgenommen hat, führt dies nicht von der Identität bzw Ähnlichkeit der Dienstleistungen weg. Abgesehen von der Frage, ob es sich dabei um eine hinreichend gegenständliche Einschränkung handelt, ist zu beachten, dass ausgehend von der hier maßgeblichen Registerlage die Dienstleistungen der Widerspruchsmarke nicht auf solche beschränkt sind, die im Zusammenhang mit Aktienindizes stehen.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke mag von Hause aus zumindest für einen Teil der Dienstleistungen geschwächt sein, da sie klanglich der englischsprachigen Bezeichnung für "Aktien" (stocks) sehr nahe kommt und die Dienstleistungen einen engen Bezug zu Aktien aufweisen können. In schriftbildlicher Hinsicht ist die Widerspruchsmarke jedoch durch die Schreibweise stark von dem englischen Wort "stocks" abgesetzt, so dass ihr zumindest eine noch durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukommt und der Schutzbereich nicht auf einen bloßen Identitätsschutz beschränkt ist. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob und für welche Dienstleistungen die Widerspruchsmarke durch Benutzung eine gesteigerte Kennzeichnungskraft erlangt hat, denn auch wenn die Vorlage eines landgerichtlichen Urteils, in dem für die Widersprechende von einer Verkehrgeltung für den Begriff "STOXX" ausgegangen wurde, nicht ausreicht, eine solche zu belegen, ist hier wegen der Identität bzw erheblichen Ähnlichkeit der sich gegenüber stehenden Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr gegeben, auch wenn die ursprüngliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht gesteigert wäre.

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es auf den Gesamteindruck der Zeichen an (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 152). Es kann hier dahingestellt bleiben, ob noch beachtliche Verkehrskreise die Marken in ihrer Gesamtheit, etwa aus der undeutlichen Erinnerung heraus, miteinander verwechseln. Ob insoweit eine Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht wegen des übereinstimmenden Bestandteils "STOXX" angenommen werden darf, erscheint fraglich, da in klanglicher Hinsicht kein Unterschied zu der zumindest für einen Teil der Dienstleistungen beschreibenden Angabe "stocks" besteht. Bei der visuellen Wahrnehmung ist dagegen zu berücksichtigen, dass das Schriftbild von Marken erfahrungsgemäß eine genauere und in der Regel sogar wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 207). Es kann jedoch offen bleiben, ob der Gesamteindruck der angegriffenen Marke in schriftbildlicher Hinsicht von dem Bestandteil "stoXX" geprägt wird und bereits eine unmittelbare Verwechslungsgefahr in schriftbildlicher Hinsicht vorliegt.

Es besteht für beachtliche Verkehrskreise nämlich zumindest eine Verwechslungsgefahr in schriftbildlicher Hinsicht unter dem Gesichtspunkt des gedanklichen in Verbindung Bringens. Auch wenn diese Verkehrkreise die angegriffene Marke als einheitlichen Ausdruck verstehen und insoweit nicht einem ihrer Bestandteile eine den Gesamteindruck prägende Eigenschaft zuerkennen, so ist damit zu rechnen, dass wegen der Übereinstimmung in dem selbstständig kennzeichnenden Bestandteil "STOXX"/"stoXX" der Verkehr in rechtserheblichem Umfang annimmt, dass die angegriffene Marke ein weiteres Zeichen der Widersprechenden darstellt. Maßgebend ist dafür, dass die Widerspruchsmarke in der angegriffenen Marke vollständig enthalten ist und gerade auch die charakteristische Schreibweise mit zwei "XX", welche im wesentlichen die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke begründen, übernommen wurde. Die Kombination von Klein- und Großbuchstaben in der angegriffenen Marke ändert daran nichts, da es sich bei einer solchen Gestaltung um ein werbeübliches Hervorhebungsmittel handelt. Die Voranstellung der Zahl "4" lässt die Vorstellung einer Serienmarke nicht entfallen, denn unabhängig davon, ob man diese Zahl als Mengenangabe oder als Kurzform für das englische Wort "for" versteht, wird der Verkehr in der Gesamtmarke, da der Bestandteil "4" lediglich wie eine Zutat wirkt, den kennzeichnungskräftigeren Bestandteil "stoXX" als den Stammbestandteil einer Zeichenserie ansehen, zumindest aber annehmen, dass die Dienstleistungen aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammten (vgl insoweit auch EuGH Urteil vom 6. Oktober 2005, C 120/04, MarkenR 2005, 438 - Thomson Life). Der EuGH macht eine Feststellung der Verwechslungsgefahr nicht davon abhängig, dass der übereinstimmende Bestandteil den dominierenden Bestandteil bildet, wenn er sich dabei auch konkret auf einen Fall bezogen hat, dass eine ältere Marke, die von einem Dritten in einem zusammengesetzten Zeichen benutzt wird, das die Unternehmensbezeichnung dieses Dritten enthält, eine selbständig kennzeichnende Stellung in dem zusammengesetzten Zeichen behält, ohne aber darin den dominierenden Bestandteil zu bilden. Obwohl im vorliegenden Fall sogar einiges dafür spricht, dass der Bestandteil "stoXX" in der angegriffenen Marke in schriftbildlicher Hinsicht den dominierenden Bestandteil darstellt, kann diese Frage dahingestellt bleiben, denn es gibt hinreichende Gründe dafür, dass die Marken jedenfalls gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die angegriffene Marke enthält nämlich die Widerspruchsmarke mit der die Kennzeichnungskraft begründenden Verdoppelung des Buchstabens "X", wobei der weitere Bestandteil "4" sich auf den kennzeichnenden Bestandteil "stoXX" bezieht, unabhängig davon, ob man darin eine Zahl oder eine gängige Darstellung des Wortes "for" sieht. Auf die Frage, ob die angegriffene Marke sich in eine Zeichenserie der Widersprechenden mit dem Bestandteil "STOXX" und einer Zahl (4, 50, 100) einreiht, kommt es nicht mehr an, da ein gedankliches Miteinander in Verbindung Bringen nicht zwingend zur Voraussetzung hat, dass bereits eine Zeichenserie existiert.

Die Beschwerde der Widersprechenden hat daher Erfolg.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

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BPatG:
Beschluss v. 28.11.2005
Az: 25 W (pat) 95/04


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