Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. April 2001
Aktenzeichen: 30 W (pat) 172/00

(BPatG: Beschluss v. 02.04.2001, Az.: 30 W (pat) 172/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Nervoplantist am 31. August 1998 für "Arzneimittel, chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheitspflege, pharmazeutische Drogen" in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung ist erfolgt am 1. Oktober 1998.

Widerspruch erhoben hat ua die Inhaberin der älteren, seit dem 24. April 1961 für "Arzneimittel" eingetragenen Marke 747 918 Nervinfant.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in dem angefochtenen Beschluß die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und diesen Widerspruch zurückgewiesen. Auch bei einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der Begegnung der Marken auf identischen bzw in hohem Maße ähnlichen Waren bestehe keine Verwechslungsgefahr. Die Übereinstimmungen am Wortanfang der beiden Marken fielen wegen des beschreibenden Charakters nicht ins Gewicht. Der Verkehr werde daher den übrigen Bestandteilen größere Aufmerksamkeit zuwenden. Diese seien in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher (plant = Pflanze; infant = Kind) Hinsicht deutlich verschieden, so daß Verwechslungsgefahr ausgeschlossen werden könne.

Die Widersprechende hat Beschwerde erhoben. Sie hält wegen zu starker Angleichung der Marken im Gesamteindruck die Gefahr von Verwechslungen für gegeben.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die angegriffene Marke im Register zu löschen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluß der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht gem § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Die Eintragung der angegriffenen Marke ist auch nach Auffassung des Senats wegen fehlender Gefahr von Verwechslungen (§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG) nicht zu löschen.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinander stehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (stRspr, zB EuGH MarkenR 1999, 22 - CANON; BGH MarkenR 1999, 297 - HONKA).

Der Senat geht bei seiner Entscheidung zugunsten der Widersprechenden von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke "Nervinfant" aus. Auch wenn vor allem Fachleute mit entsprechenden Fach- und Sprachkenntnissen aufgrund der Sinnanklänge in "Nerv-" und "-infant" (lat. infans; Gen: infantis = kleines Kind, vgl Duden, Das Wörterbuch medizinischer Fachausdrücke, 6. Aufl S 374) einen Hinweis darauf erhalten, daß die derart gekennzeichneten Arzneimittel zur Behandlung nervlich bedingter Erkrankungen von Kindern dienen, ergibt sich daraus nicht zwingend noch keine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung. Im Hinblick auf die im Bereich pharmazeutischer Erzeugnisse bestehende Übung, Marken in der Weise zu bilden, daß einzelne Bestandteile Verwendungszweck, Art der Zusammensetzung, Wirkung und dergleichen zumindest für Fachleute und interessierte Laien eindeutig erkennen lassen (vgl BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin), mag die Zusammenstellung der beschreibenden Wortelemente in der Widerspruchsmarke insgesamt noch hinreichend phantasievoll erscheinen.

Die Marken können nach der Registerlage zur Kennzeichnung identischer bzw hochgradig ähnlicher Waren verwendet werden. Verwechslungsfördernd kommt hinzu, daß es sich im Bereich der identischen Waren "Arzneimittel" mangels Rezeptpflicht um Waren handeln kann, die von den allgemeinen Verkehrskreisen im Wege der Selbstmedikation erworben werden. Andererseits ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen (vgl EuGH WRP 1999, 806, 809 Tz 26-Lloyd/Loint's; BGH MarkenR 2000, 140, 144 - ATTACHÉ/TISSERAND), der zudem erfahrungsgemäß gerade bei Waren, die den Gesundheitssektor betreffen, eine gesteigerte Aufmerksamkeit aufzubringen pflegt (vgl dazu BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Unter Berücksichtigung der genannten Umstände sind an den Markenabstand daher noch eher strenge Anforderungen zu stellen. Der danach erforderliche Abstand zur älteren Widerspruchsmarke reicht nach Auffassung des Senats aber aus. Die Ähnlichkeit der Marken ist nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß die Gefahr von Verwechslungen iS des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre.

In klanglicher Hinsicht stimmen die Bezeichnungen "Nervoplant" und "Nervinfant" zwar in den Anfangsbestandteilen "Nerv-" überein. Von Bedeutung ist jedoch, daß diese Übereinstimmung bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks und der Markenähnlichkeit nicht so stark ins Gewicht fällt, wie dies bei einem reinen Phantasiebestandteil der Fall wäre. Der Wortteil "Nerv-" weist ohne weiteres verständlich auf das Indikationsgebiet hin. Das hat zur Folge, daß der Übereinstimmung in dem warenbeschreibenden Anfangsbestandteil weniger Bedeutung für die Verwechslungsgefahr zukommt und die Abweichungen in den Endsilben "-oplant" bzw "-infant", wenngleich auch insoweit bei beiden Marken Bedeutungsanklänge vorhanden sind (lat. planta = die Pflanze, vgl Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 258. Aufl S 1250), ein vergleichsweise stärkeres Gewicht erlangen.

Die Endbestandteile "-oplant" und "-infant" weichen in der Vokalfolge sowie im Konsonantengerüst markant voneinander ab. Diese Abweichungen führen auch unter angemessener Berücksichtigung des gemeinsamen Wortelements "Nerv-" im Gesamteindruck zu einem zur Verneinung der Verwechslungsgefahr ausreichend verschiedenen Klangbild der Marken. Dabei fällt auch ins Gewicht, daß der Vokal "o" zu einer gleichmäßig fließenden Aussprache der angegriffenen Marke führt (Nervoplant), während die Widerspruchsmarke demgegenüber in der Aussprache eine deutliche Zäsur aufweist (Nervinfant).

Im schriftbildlichen Vergleich ist unter den genannten Umständen ein Auseinanderhalten der Marken in allen üblichen Wiedergabeformen aufgrund der figürli chen Abweichungen der Buchstaben der Bestandteile "-oplant" bzw "infant" ebenfalls gewährleistet. Bei einer - im übrigen der Eintragung im Markenregister jeweils entsprechenden - Schreibweise der Markenwörter mit großen Anfangsbuchstaben und nachfolgender Kleinschreibung kommt durch die in der Endsilbe der angegriffenen Marke "Nervoplant" enthaltene Unterlänge des "p", die an vergleichbarer Wortstelle der Widerspruchsmarke "Nervinfant" eine Oberlänge mit dem Buchstaben "f" aufweist, ein weiteres Unterscheidungsmittel hinzu. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, daß das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige und auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort, wodurch Markenabweichungen im Schriftbild eher auffallen.

Schließlich wirken sich in gewissem Umfang auch die bereits erwähnten unterschiedlichen Bedeutungsanklänge in der Endsilben der Marken verwechslungsmindernd aus. Diese Endbestandteile stellen nicht nur für Fachleute, sondern auch für interessierte Endverbraucher einen verständlichen Hinweis dar, bei "plant" schon wegen seiner Ähnlichkeit zur deutschen Bedeutung, bei "infant" wegen des im Deutschen gebräuchlichen Fremdwortes "infantil".

Nach alledem ist die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Buchetmann Winter Schramm Hu






BPatG:
Beschluss v. 02.04.2001
Az: 30 W (pat) 172/00


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