Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 7. Juni 1979
Aktenzeichen: 15 W 56/79
(OLG Hamm: Beschluss v. 07.06.1979, Az.: 15 W 56/79)
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der angefochtene Beschluß wie folgt neu gefaßt wird:
Der Beschluß des Amtsgerichts Essen vom 3./30. November 1978 wird aufgehoben.
Der Beschluß der Eigentümerversammlung vom 28. April 1978 zu Punkt 11 der Tagesordnung - Änderung des Verteilungsschlüssels bei der Verwaltervergütung - wird für ungültig erklärt. Die weitergehenden Anträge des Beteiligten zu 1) werden zurückgewiesen. Die weitergehende sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 42) wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten der drei Instanzen - hinsichtlich der beiden ersten Instanzen unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Beschlusses - haben der Beteiligte zu 1) und die Beteiligte zu 42) je zur Hälfte zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der drei Instanzen findet nicht statt.
Der Wert des Gegenstandes der sofortigen ersten und weiteren Beschwerde wird auf je 3.000,- DM festgesetzt.
Gründe
I.
1)
Innerhalb der eingangs bezeichneten Eigentümergemeinschaft beträgt nach §§ 12 Nr. 6,
18 Nr. 5 der Teilungserklärung vom 20. August 1955 die Vergütung des Verwalters 5 % des im Falle
einer Vermietung der Wohnungen zugrunde zu legenden Mietbetrages. § 12 Nr. 7 Abs. 4 der Teilungserklärung
sieht vor, daß die Bestimmungen zu diesem Paragraphen durch einen Beschluß der Miteigentümer mit
2/3 Mehrheit abgeändert werden können. Nach § 17 Nr. 4 der Teilungserklärung erfolgt die
Abstimmung in der Versammlung nach der Höhe der Miteigentumsanteile, wobei jedes Tausendstel eine Stimme
gewährt, und werden bei der Feststellung der Mehrheitsverhältnisse die Stimmen der nicht vertretenen
Wohnungseigentümer nicht gerechnet.
Der Beteiligte zu 1) hat das Ziel verfolgt, den bisherigen Verteilungsschlüssel für die
Verwaltervergütung durch einen Beschluß der Eigentümerversammlung dahin abzuändern,
daß diese Vergütung nach Wohnungseinheiten abgerechnet werde. Darüber ist in der
Eigentümerversammlung vom 28. April 1978 abgestimmt worden. Dieser Tagesordnungspunkt war nicht in der
Einladung der Verwalterin zu dieser Versammlung verzeichnet.
Über diesen Beratungsgegenstand heißt es in dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 28.
April 1978:
"11. Änderung des Verteilungsschlüssels bei der Verwaltervergütung
Der Wohnungseigentümer ... machte den Verwalter darauf aufmerksam, daß er vorerwähnten
Tagesordnungspunkt bei der Verwaltung beantragt hätte. Der Antrag ist jedoch als Tagesordnungspunkt nicht
erschienen. Der Verwalter bestätigte dies und gab der Versammlung zu verstehen, daß dieser Tagesordnungspunkt
von Herrn ... während des Beiseins von Herrn Leidheuser bei der Rechnungsprüfung gestellt wurde.
Daraufhin erklärte der Verwalter, daß er über den Änderungsantrag von Herrn ... mit der
Einschränkung abstimmen lassen könne, wenn kein anderer Wohnungseigentümer innerhalb von 4 Wochen
Einspruch erhebt.
Der Verwalter erklärte ...
Daraufhin stellte der Verwalter folgenden Beschlußantrag:
Die Eigentümergemeinschaft möge beschließen, die Verwaltervergütung nicht nach dem
bisherigen Modus abzuwickeln, sondern die Verwaltervergütung nach Wohnungseinheiten abzurechnen.
Das Abstimmungsergebnis sah wie folgt aus:
dafür stimmten 652/1.000stel Miteigentumsanteile dagegen stimmten 59/1.000stel Miteigentumsanteile
Gemäß der Teilungserklärung vom 20. August 1955 steht unter § 12, Seite 15, letzter
Absatz:
Die Bestimmungen zu diesem Paragraphen können durch einen Beschluß der Miteigentümer mit
2/3-Mehrheit abgeändert werden:
Da die 2/3 Mehrheit nicht erreicht wurde, ist der Antrag von Herrn Nikolai von der Eigentümergemeinschaft
nicht angenommen worden."
2)
Mit Schreiben vom 24. Mai 1978, das am 26. Mai 1978 bei dem Amtsgericht eingegangen ist, hat der Beteiligte zu 1)
diesen Eigentümerbeschluß angegriffen. Er hat die Ansicht vertreten, sein Antrag sei angenommen worden, da
mehr als 2/3 der anwesenden Wohnungseigentümer (vgl. § 17 Nr. 4 der Teilungserklärung) für der
Antrag gestimmt hätten. Im übrigen hätten gegen den Antrag auch lediglich 43/1.000 Anteile gestimmt
und damit 668/1.000 dafür, so daß der Antrag selbst mit 2/3-Mehrheit aller Wohnungseigentümer angenommen
worden sei.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
1)
Punkt 11 des Protokolls vom 12. Mai 1978 dahingehend zu korrigieren, daß
der Antrag zur Abrechnung der Verwaltungskosten zu gleichen Teilen nach Objekten durch die erforderliche
2/3-Mehrheit angenommen worden sei und die Wirtschaftspläne für das Jahr 1978 entsprechend
zu berichtigen seien;
2)
festzustellen und auszusprechen, daß nur 43/1.000 Anteile gegen den Antrag gestimmt
hätten und daß das Protokoll insoweit unrichtig sei.
Die Beteiligte zu 42) (Verwalterin) hat beantragt,
diese Anträge zurückzuweisen.
Sie hat vorgebracht, nach der Teilungsordnung sei für die Änderung des Verteilungsschlüssels eine
2/3-Mehrheit aller Wohnungseigentümer erforderlich, die nicht erreicht worden sei. Im übrigen hätten
in der Eigentümerversammlung zwar nur 3 Personen gegen den Antrag gestimmt, doch habe Herr ... zugleich für
die Eheleute ... die Stimme abgegeben und sei dazu auch auf Grund einer von Herrn ... unterzeichneten Vollmacht vom
10. April 1978 berechtigt gewesen.
Der Beteiligte zu 1) hat erwidert, diese Vollmacht sei nicht ausreichend gewesen, da sie nicht von beiden
Wohnungseigentümern unterzeichnet worden sei.
Das Amtsgericht hat die Verwalterin und sämtliche Wohnungseigentümer am Verfahren beteiligt und am
5. Oktober 1978 mündlich verhandelt. Es hat sodann durch Beschluß vom 3. November 1978 (Tenor berichtigt
durch weiteren Beschluß vom 30. November 1978) festgestellt, daß auf der Eigentümerversammlung vom
28. April 1978 der Antrag zu Punkt 11 der Tagesordnung - Umlage der Verwaltervergütung - angenommen worden
ist, und ferner der Verwalterin aufgegeben, die Niederschrift innerhalb eines Monats ab Rechtskraft des Beschlusses
entsprechend zu berichtigen; die weitergehenden Anträge hat es zurückgewiesen. Das Amtsgericht hat die
Auffassung vertreten, gemäß § 17 Nr. 4 der Teilungsanordnung sei nur eine 2/3-Mehrheit der anwesenden
Eigentümer erforderlich gewesen. Wenn der Beschlußgegenstand auch nicht bei der Einberufung der
Eigentümerversammlung bezeichnet worden sei, so sei das unerheblich, weil dieser Verstoß nicht im Wege
der gerichtlichen Anfechtung geltend gemacht worden sei. Der Wirtschaftsplan für 1978 sei nicht zu berichtigen,
da er von der Eigentümerversammlung bereits unter Punkt 10 des Versammlungsprotokolls einstimmig angenommen
worden sei. Der Antrag zu 2) könne ohnehin nicht zum Erfolg führen, da eine unberechtigte Stimmabgabe
durch Herrn ... für die Eheleute ... nicht zu einer Erhöhung der für den Antrag stimmenden Anteile
führen würde; außerdem erlaube aber § 14 Nr. 2 der Teilungserklärung, daß Ehegatten
sich gegenseitig bevollmächtigen, rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben.
Gegen die amtsgerichtliche Entscheidung hat die Beteiligte zu 42) sofortige Beschwerde vom 1. Dezember 1978
eingelegt und zur Begründung vorgetragen, das Amtsgericht habe § 12 Nr. 7 Abs. 4 der Teilungserklärung
unrichtig angewandt, da die qualifizierte Mehrheit aller Wohnungseigentümer erforderlich gewesen sei.
Der Beteiligte zu 1) ist diesem Rechtsmittel unter Berufung auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe
entgegengetreten. Das Landgericht hat am 26. Januar 1979 mündlich verhandelt. Durch Beschluß vom 30. Januar
1979 hat es die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben und die Anträge des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.
Das Landgericht ist zu der Auffassung gelangt, daß wegen Verletzung des § 23 Abs. 2 WEG kein wirksamer
Beschluß zustande gekommen sei und es dies auf den Antrag des Beteiligten zu 1), der ein Verfahren nach §
43 Abs. 1 Nr. 4 WEG zum Gegenstand habe, zu berücksichtigen habe. Auf die Prüfung der weiteren Frage, wie
§ 17 Nr. 4 der Teilungserklärung aufzufassen sei, komme es daher nicht mehr an, wenn sich die Kammer
insoweit auch der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung anschließe.
Gegen die landgerichtliche Entscheidung wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde
vom 23. Februar 1979. Nach seiner Auffassung sei der zutreffende amtsgerichtliche Beschluß zu bestätigen.
II.
Das Rechtsmittel ist statthaft, in rechter Form und Frist eingelegt und auch sonst zulässig (§§
43 Abs. 1 Nr. 4, 45 Abs. 1 WEG, 29 Abs. 1 und 2 FGG). Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) (vgl. §§
29 Abs. 4, 20 Abs. 1 FGG) ergibt sich schon daraus, daß das Landgericht die für ihn günstige Entscheidung
des Amtsgerichts abgeändert hat (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 11. Aufl., Rz. 10 zu § 27 FGG).
Das Rechtsmittel ist mit seinem eigentlichen Anliegen, die Annahme des Antrages durch die Eigentümerversammlung
festzustellen, unbegründet. Es führt lediglich zu einer Richtigstellung des landgerichtlichen
Beschlußausspruches, weil dieser die Gültigkeit des unter Punkt 11 der Tagesordnung gefaßten
Eigentümerbeschlusses unberührt läßt.
1)
Zutreffend ist das Landgericht von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 42) ausgegangen. Gegen
die vom Gericht in Wohnungseigentumssachen erlassene Entscheidung war die sofortige Beschwerde statthaft (§ 45
Abs. 1 WEG), die form- und fristgerecht erklärt worden ist. Die Verwalterin war als Beteiligte (§ 43 Abs.
4 Nr. 2 WEG), deren Rechte durch die Entscheidung erster Instanz beeinträchtigt worden sind, beschwerdebefugt.
2)
Das Landgericht hat weiter mit Recht die erstinstanzlichen Verfahrensvoraussetzungen als gegeben, insbesondere
die Verfahrensart der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG als zulässig angesehen.
Dabei hat es allerdings den Verfahrensgegenstand, der dem Gericht erster Instanz mit dem Antrag vom 24. Mai 1978
zugefallen ist, nicht eindeutig rechtlich umrissen. Der auf Feststellung gerichtete Hauptantrag des Beteiligten
zu 1), daß durch die Eigentümerversammlung vom 28. April 1978 der Antrag zu Punkt 11 der Tagesordnung
- Umlage der Verwaltervergütung - angenommen worden sei, ist als prozessuale Willenserklärung der
Auslegung bedürftig, die auch vom Rechtsbeschwerdegericht vorgenommen werden kann (vgl. etwa Keidel/Kuntze/Winkler,
Rz 49 zu § 27 FGG). Diese Auslegung sollte möglichst einen prozessualen Weg aufzeigen, auf dem der Beteiligte
zu 1) sein Ziel durchsetzen kann.
Nach der Auslegung des Senats beinhaltet der Antrag zwei prozessuale Schritte: Einmal hat er zum Ziel, daß
der von der Verwalterin bekanntgegebene ablehnende Beschluß gemäß §§ 23 Abs. 4, 43 Abs. 1 Nr.
4 WEG für ungültig erklärt wird. Des weiteren enthält er das im Rahmen dieser Vorschriften verfolgte
positive Begehren auf Feststellung, daß tatsächlich ein Beschluß gefaßt worden ist, der dem Antrag
auf Änderung des Verteilungsschlüssels für die Verwaltervergütung stattgegeben hat. Beide
Antragsziele sind nach der Auffassung des Senats zulässig, wobei das zweite nicht ohne Verfolgung des ersten
erreicht werden kann.
a)
Nach dem Versammlungsprotokoll hat die den Vorsitz führende Verwalterin (§ 24 Abs. 5 WEG) den Antrag
des Beteiligten zu 1) für abgelehnt erklärt. Sie hat damit unmißverständlich in aller Form als
Vorsitzende der Versammlung als Abstimmungsergebnis und Beschluß die Ablehnung des vom Beteiligten zu 1)
gestellten Antrages verkündet. Darüber, ob ein Antrag angenommen oder abgelehn ist, hat zunächst
- vorbehaltlich der gerichtlichen Nachprüfung - der Vorsitzende der Versammlung zu entscheiden. Diese seine
Entscheidung ist auch vorläufig maßgeblich, wenn nicht die Sachlage so eindeutig ist, daß auch ohne
Verkündung durch den Vorsitzenden eine eindeutig protokollarisch festgelegte Willensäußerung der
Eigentümerversammlung vorliegt (RGZ 142, 123, 127 für Aktiengesellschaft). Dieser letzte Fall war hier
aber nicht gegeben. Denn es herrscht Streit darüber, wie die Bestimmungen der Teilungserklärung über
die Verwaltervergütung (§§ 12 Nr. 6, 18 Nr. 5) abänderbar sind, ob sich nämlich die
dafür erforderliche qualifizierte Mehrheit an der Zahl der anwesenden oder aber überhaupt vorhandenen
Wohnungseigentümer ausrichten soll. Die Beantwortung dieser Frage liegt nicht derart klar und offen zutage,
daß sich die Ausrichtung der Mehrheit an der Zahl aller Wohnungseigentümer durch die Vorsitzende als
eine rechtlich unbeachtliche reine Willkürmaßnahme darstellte. Das Amtsgericht ist erst nach einer
eingehenden Auslegung der Teilungserklärung zu dem Ergebnis gelangt, daß die Zahl der anwesenden
Wohnungseigentümer genüge. Unter diesen Umständen ist der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses
und der Antragsablehnung durch die Vorsitzende die rechtliche Bedeutung nicht abzusprechen.
Um diese Rechtswirkungen der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses zu beseitigen, bedurfte es zur Durchsetzung
des Antragsbegehrens des Beteiligten zu 1) daher zunächst der Ungültigerklärung dieses Beschlusses.
Für einen derartigen Antrag war auch das für eine Sachentscheidung des Gerichts erforderliche
Rechtsschutzbedürfnis gegeben. In der Rechtsprechung und im Schrifttum wird allerdings die Auffassung
vertreten, daß ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung eines Beschlusses, durch den es
die Versammlung der Wohnungseigentümer mit Mehrheit ablehnt, über den Antrag eines Wohnungseigentümers
zu beschließen, nur besteht, wenn dem Antragsteller ein klagbarer Anspruch auf Beschlußfassung zusteht
(BayObLGZ 1972, 150, 153; Palandt/Bassenge, BGB, 38. Aufl., Anm. 1 d zu § 43 WEG). Zur Begründung wird
ausgeführt, daß ein solcher Mehrheitsbeschluß sich in der Verweigerung der positiven
Beschlußfassung erschöpfe; seine etwaige Ungültigkeit ändere grundsätzlich nichts am
Fehlen einer positiven Beschlußfassung; auch sei das Gericht nicht befugt, einen ungültigen
Beschluß über die Ablehnung einer positiven Beschlußfassung durch einen positiven Beschluß
mit dem vom Antragsteller gewünschten Inhalt zu ersetzen. Die hier vorliegende Fallgestaltung unterscheidet
sich aber von der, die zu dieser Auffassung geführt hat. Hier ist nicht mit Mehrheit ein Antrag eines
Wohnungseigentümers abgelehnt worden, sondern die. Mehrheit hat für den Antrag gestimmt, wobei lediglich
nach der Bekanntgabe der Versammlungsleiterin die erforderliche qualifizierte Mehrheit nicht, nach der Auffassung
des Antragstellers abe doch erreicht worden ist. In diesem Falle ist das Rechtsschutzbedürfnis für die
Anfechtung des bekanntgegebenen ablehnenden Beschlusses zu bejahen, weil eine solche Ungültigerklärung
zur Feststellung eines tatsächlich positiv gefaßten Beschlusses führen kann.
b)
Die eben geäußerte Ansicht geht davon aus, daß nicht nur der angefochtene Beschluß für
ungültig erklärt, sondern durch gerichtliche Entscheidung auch festgestellt werden kann, daß nicht
der angefochtene, sondern ein anderer Beschluß gefaßt sei. Es wird allgemein die Auffassung vertreten,
daß nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG nicht nur die Ungültigkeit, sondern auch die Gültigkeit von
Beschlüssen festgestellt werden kann (OLG Celle, NJW 1958, 307; Bärmann/Merle, WEG, 3. Aufl., Rz. 31
zu § 43 WEG; Palandt/Bassenge Anm. 1 d zu § 43 WEG). Über eine mögliche Kombination von
Beschlußanfechtung und Feststellungsbegehren, daß nicht der angefochtene, sondern ein anderer
Beschluß gefaßt sei, äußern sich Rechtsprechung und Schrifttum zum Wohnungseigentumsgesetz
- soweit ersichtlich - nicht. Es wird empfohlen, zur näheren Ausgestaltung des Beschlußanfechtungsverfahrens
die Vorschriften des Aktienrechtes (§§ 243 ff. AktG) heranzuziehen (Bärmann/Pick, Rz. 9 zu § 23
WEG). In diesem Rechtsgebiet ist allerdings die Kombination von Beschlußanfechtung und Feststellung umstritten.
Das Reichsgericht (RGZ 142, 123) hat unter Aufgabe einer früheren Auffassung (RGZ 122, 107; vgl. Schilderung
in Großkomm. AktG-Schilling, Anm. 3 zu § 248 AktG) in einem Falle, in dem es um das unzulässige
Mitzählen verbotswidrig abgegebener Stimmen handelte, grundsätzlich ausgesprochen, daß mit der
Anfechtungsklage nur die Vernichtung des angefochtenen, nicht aber die Feststellung der Annahme eines anderen
Beschlusses erreicht werden könne, weil die zeitlich unbeschränkt zulässige Feststellungsklage
größte Rechtsunsicherheit und Verwirrung zur Folge haben würde. Diese Auffassung ist auf Widerspruch
gestoßen (vgl. Großkomm. AktG-Schilling, a.a.O.): Eine solche Beschränkung der Entscheidungsgewalt
des Gerichts werde oft den vollen Erfolg einer Anfechtung vereiteln. Da die nach Vernichtung eines Beschlusses
erfolgende neue Abstimmung oft erst nach langer Zeit, unter geänderten tatsächlichen Verhältnissen
und nach Wechsel im Aktienbesitz erfolgen könne, werde auch bei erheblichen Mängeln des angefochtenen
Beschlusses eine Herstellung der Rechtslage, die den Mehrheitsverhältnissen im Zeitpunkt der Abstimmung
entsprach, nicht möglich sein. Der Feststellung des Ergebnisses der Abstimmung durch den Vorsitzenden werde
dadurch eine weitgehende Bedeutung beigelegt; daraus, daß das Gesetz den Aktionären nur ein Recht auf
"Anfechtung" eines Beschlusses gebe, müsse nicht notwendig abgeleitet werden, daß die Anfechtung
nicht auch zur Feststellung des der wahren Rechtslage entsprechenden Beschlusses führen könne. Der Nachteil
einer zeitlich unbeschränkten Feststellungsklage ließe sich vermeiden, wenn die Feststellung des wirklichen
Abstimmungsergebnisses nur zusammen mit der Entscheidung über eine fristgemäß erhobene Anfechtungsklage
erfolgen könne.
Für das Verfahren in Wohnungseigentumssachen hält der Senat die eben wiedergegebene widersprechende
Meinung für die zutreffende. In diesem Verfahren werden nach einhelliger Auffassung positive Feststellungen
im Rahmen des § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG zugelassen. Das ist auch bei der vorliegenden Verfahrensgestaltung
unbedenklich, bei der der Richter durch eine Feststellung in die Autonomie der Eigentümerversammlung nicht
eingreift, indem er etwa deren Beschlüsse korrigiert oder ersetzt, sondern dieser Autonomie erst Geltung
verschafft. Das Gericht tritt hierbei nur an die Stelle des Versammlungsvorsitzenden und nicht an die der
Eigentümerversammlung. Der Senat befürwortet es daher, wenn mit der Beschlußanfechtung innerhalb
der Frist des § 23 Abs. 4 WEG ein Antrag auf Feststellung des bei Beachtung des Gesetzes und der
Vereinbarungen wirklich gefaßten, aber in der Niederschrift nicht festgestellten Beschlusses verbunden
wird. Voraussetzung ist nur, daß sonst alle Erfordernisse eines wirksamen Beschlusses gegeben sind, aber
das Ergebnis der Abstimmung unrichtig festgestellt worden ist (vgl. auch Großkomm.AktG-Schilling, a.a.O.).
3)
Innerhalb dieser zulässigen Kombination von Beschlußanfechtung und Feststellung ist aber nur der
Anfechtungsantrag des Beteiligten zu 1) begründet. Wie das Landgericht mit Recht ausgeführt hat, ist
dagegen eine Feststellung, daß der Antrag zu Punkt 11 der Tagesordnung angenommen worden sei, nicht möglich,
weil nicht alle Erfordernisse einer wirksamen Beschlußfassung vorliegen.
a)
Voraussetzung für die Gültigkeit des Beschlusses einer Wohnungseigentümerversammlung ist
grundsätzlich, daß der Gegenstand der Beschlußfassung (Tagesordnung) bei der Einberufung der
Versammlung angegeben ist (§ 23 Abs. 2 WEG). Das Landgericht konnte auf Grund des vorliegenden Protokolls
der Versammlung ohne Rechtsirrtum feststellen, daß die Änderung des Verteilungsschlüssels bei
der Verwaltervergütung in dem Einladungsschreiben zur Versammlung nicht bezeichnet worden ist. Zwar ist
die Beachtung der Vorschrift des § 23 Abs. 2 WEG keine absolute Gültigkeitsvoraussetzung für
die Beschlüsse der Wohnungseigentümer; denn es handelt sich hierbei um eine abdingbare Rechtsvorschrift,
auf deren Einhaltung verzichtet werden kann (BayObLG, NJW 1970, 1136; KG, OLGZ 1974, 399, 401; Bärmann/Pick,
Rz. 14 zu § 23 WEG). Im Verfahren der Anfechtung eines Beschlusses der Wohnungseigentümer ist aber §
23 Abs. 2 WEG von Amts wegen zu beachten, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die
Wohnungseigentümer insoweit eine Vereinbarung getroffen haben, die von der gesetzlichen
Gültigkeitsvoraussetzung abweicht, oder daß sie auf deren Einhaltung rechtswirksam verzichtet haben.
Da es sich hierbei um eine Frage der Ausübung der den Wohnungseigentümern zustehenden gemeinsamen
Verwaltung (§ 21 Abs. 1 WEG), also um eine Gemeinschaftsangelegenheit handelt, bedarf eine solche Vereinbarung
und ebenso der Verzicht der Zustimmung aller Wohnungseigentümer (BayObLG und KG, jeweils a.a.O.).
Die Teilungserklärung vom 20. August 1955 enthält keine Regelung, die von § 23 Abs. 2 WEG
abweicht. Für einen Verzicht reichte das Abstimmungsergebnis der Eigentümerversammlung vom 28. April
1978 nicht aus. Ein Verzicht hätte entsprechend § 51 Abs. 3 GmbHG erwogen werden können, wenn
sämtliche Wohnungseigentümer anwesend gewesen wären, also eine sogenannte Universalversammlung
stattgefunden hätte, und keiner der Anwesenden der Beschlußfassung trotz Nichteinhaltung des §
23 Abs. 2 WEG widersprochen hätte (KG, a.a.O.). Von einer derartigen Universalversammlung kann hier aber
nicht die Rede sein.
Dieser Verstoß gegen § 23 Abs. 2 WEG führt zur Ungültigerklärung des gefaßten
Beschlusses und zur Ablehnung einer Feststellung eines wirksam gefaßten anderen Beschlusses. Mit Recht hat
das Landgericht im Gegensatz zum Amtsgericht ausgeführt, daß dieser Einberufungsmangel zum Tragen komme,
weil der Beteiligte zu 1) einen fristgerechten Antrag nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG bei Gericht gestellt hat. Die
Vorinstanz hat es zutreffend auch als unbeachtlich angesehen, daß der an einer Annahme seines Antrages
interessierte Beteiligte zu 1) diesen Mangel nicht gerügt, hat, weil er vom Gericht von Amts wegen zu
berücksichtigen ist.
b)
Das Landgericht hat zusätzlich geprüft, ob nicht doch - wie des Beteiligte zu 1) behauptet hat - die
2/3-Mehrheit aller Eigentümer durch das erzielte Abstimmungsergebnis erreicht worden sei. Es hat die Frage
gestellt, ob nicht ein Verstoß gegen § 23 Abs. 2 WEG letztlich unerheblich bleiben müsse, weil
dieser Verstoß nicht für ein anderes Abstimmungsergebnis ursächlich geworden sein könne. Es
hätte möglicherweise diesen Verstoß dann nicht durchgreifen lassen, wenn die 2/3-Mehrheit aller
Wohnungseigentümer erreicht worden wäre, weil die nicht anwesenden Eigentümer, auch wenn sie in
der Einladung vollständig informiert worden wären und eventuell an der Versammlung teilgenommen
hätten, die Annahme des Antrages nicht hätten verhindern können. Das Landgericht hat aber nicht
abschließend dazu Stellung genommen, weil die 2/3-Hehrheit aller Eigentümer nicht erreicht worden sei:
Es hätten nicht nur 43/1.000 Anteile gegen den Antrag gestimmt, sondern 59/1.000 Anteile; im übrigen
würde eine unzulässige Vertretung bei der Stimmabgabe, wie sie der Beteiligte zu 1) behauptet hat,
nicht zu einer Erhöhung der befürwortenden Stimmen geführt haben.
Diese Ausführungen des Landgerichts können nur im Ergebnis hingenommen werden, daß der
Beschluß auf einer Verletzung des § 23 Abs. 2 WEG beruht. Es bedarf dabei keiner Stellungnahme des
Senats dazu, ob ein Beschluß der Eigentümerversammlung trotz Verstoßes gegen § 23 Abs. 2 WEG
wirksam sein kann, wenn einwandfrei nachgewiesen ist, daß der Beschluß nicht auf dem Mangel beruhen
kann. Der Bundesgerichtshof hat diese Auffassung bezüglich anderer Einladungsmängel für den
Vereinsbeschluß (NJW 1973, 235) und für den Gesellschafterbeschluß einer GmbH (NJW 1972, 1320)
vertreten. Selbst wenn dieser Grundsatz auch auf den vorliegenden Einladungsmangel und auf den Beschluß
der Wohnungseigentümer erstreckt werden könnte, hätte er doch zum Inhalt, daß für das
gleiche Ergebnis des Beschlusses nicht die bloße Wahrscheinlichkeit genügen würde, sondern der
sichere Nachweis geführt werden müßte, daß der beanstandete Beschluß nicht auf dem
Mangel beruhen kann. Die Möglichkeit, daß der durch den Mangel betroffene Abstimmungsberechtigte das
Beschlußergebnis hätte beeinflussen können, müßte also nicht nur unwahrscheinlich sein,
sondern bei vernünftiger Betrachtung unter keinen Umständen in Betracht kommen (BGH, NJW 1972, 1320,
1321). Dieser Nachweis wäre hier nicht zu führen, und zwar - im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichts
- auch dann nicht, wenn in der Versammlung tatsächlich eine 2/3-Mehrheit erreicht worden wäre. Es
dürfte bei dieser Prüfung im Hinblick auf diesen Einberufungsmangel nicht nur verkürzt auf die
mangelnde Unterrichtung der nicht erschienenen Wohnungseigentümer abgestellt werden. Der Beweis würde
schon dann scheitern, wenn auch bei den erschienenen Eigentümern durch eine rechtzeitige Unterrichtung von
diesem Tagesordnungspunkt ein anderes Abstimmungsverhalten nicht ausgeschlossen werden kann, weil sie dann das
Für und Wider abwägen und sich mit anderen Wohnungseigentümern in Verbindung setzen konnten.
Daß Wohnungseigentümer durch die Aufnahme dieses Tagesordnungspunktes überrumpelt worden sind,
zeigt eine Eingabe vom 18. Dezember 1978 (Bl. 131 ff. d.A.), in der nunmehr die Beibehaltung des alten
Verteilungsschlüssels gewünscht wird.
c)
Der Beschlußausspruch des Beschwerdegerichts ist abzuändern. Zutreffend hat das Landgericht nach den
vorstehenden Erwägungen die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben, mit der eine Annahme des Antrages zu
Punkt 11 der Tagesordnung festgestellt worden ist. Die Anträge des Beteiligten zu 1) sind aber nicht insgesamt
zurückzuweisen. Sie erweisen sich in dem Teilbereich als begründet, als der Beschluß der
Eigentümerversammlung zu Punkt 11 der Tagesordnung wegen Verstoßes gegen § 23 Abs. 2 WEG für
ungültig zu erklären ist. Dieser Verstoß führt auch dazu, daß dem Feststellungsbegehren
des Beteiligten zu 1) nicht stattgegeben werden kann.
4)
Die Kostenentscheidung der Vorinstanz hinsichtlich der Gerichts kosten und außergerichtlichen Kosten der
beiden ersten Rechtszüge ist nicht durchweg bedenkenfrei. Bei der unterbliebenen Erstattungsanordnung
hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten gemäß § 47 Satz 2 WEG ist zwar kein Ermessensfehler
zu erkennen. Abzuändern ist aber die aus § 47 Satz 1 WEG folgende Entscheidung über die Gerichtskosten.
Hier kann bei der Ermessensausübung mit dem Landgericht nicht übersehen werden, daß der Beteiligte
zu 1) mit seinem Hauptanliegen, die Annahme seines Antrages durch die Eigentümerversammlung festgestellt zu
wissen, nicht durchgedrungen ist. Das Landgericht hat aber als Ermessensfaktor übersehen, daß dieser
Verfahrensausgang weitgehend auf ein Verhalten der Beteiligten zu 42) zurückzuführen ist. Diese hat es
versäumt, den Tagesordnungspunkt trotz rechtzeitiger Anregung durch den Beteiligten zu 1) In die Einberufung
zur Eigentümerversammlung aufzunehmen. Wäre das geschehen, dann hätte der Beteiligte zu 1) auch mit
seinem Feststellungsbegehren - jedenfalls nach Auffassung der Vorinstanzen, die der Senat zu überprüfen
nicht genötigt war - Erfolg gehabt. Es erscheint deshalb gerechtfertigt, daß die Beteiligten zu 1) und 42)
die Gerichtskosten erster und zweiter Instanz je zur Hälfte zu tragen zu haben.
Die Gerichtskosten der Rechtsbeschwerdeinstanz sind aus den dargelegten Gründen ebenfalls den Beteiligten
zu 1) und 42) je zur Hälfte aufzuerlegen (§ 47 Satz 1 WEG). Für eine Erstattungsanordnung hinsichtlich
der außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens gemäß § 47 Satz 2 WEG hat der Senat
keinen hinreichenden Anlaß gesehen, da es auch in dieser Instanz um die Klärung streitiger Rechtsfragen
gegangen ist, deren Beurteilung zweifelhaft erscheinen konnte.
Die Wertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 2 WEG.
OLG Hamm:
Beschluss v. 07.06.1979
Az: 15 W 56/79
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