Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. November 2006
Aktenzeichen: 21 W (pat) 39/04
(BPatG: Beschluss v. 16.11.2006, Az.: 21 W (pat) 39/04)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Auf die am 16. November 1993 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent 43 39 049 mit der Bezeichnung "Einrichtung zur Konfiguration chirurgischer Systeme" erteilt worden. Gegen das am 28. Juni 2001 veröffentlichte Patent ist Einspruch erhoben worden.
Die Patentabteilung 35 hat das Streitpatent nach Prüfung der für zulässig erklärten Einsprüche mit Beschluss vom 17. März 2004 widerrufen. Zur Begründung ist in der Entscheidung ausgeführt, dass dem Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber der Druckschrift E1: EP 110 200 A1 die erforderliche Neuheit fehle.
Gegen den vorgenannten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie verteidigt das angegriffene Patent auf der Grundlage des mit Eingabe vom 24. August 2004 neu eingereichten Patentanspruchs 1. Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, dass der im Verfahren befindliche Stand der Technik dem Gegenstand des neuen Patentanspruchs 1 nicht patenthindernd entgegenstehe. Sie führt insbesondere aus, dass im Gegensatz zur Offenbarung in der Druckschrift E1 der Gegenstand des Streitpatents verschiedene Einzelgeräte beanspruche, die entsprechend der Kodierung eingestellt oder konfiguriert würden.
Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass der erteilte Patentanspruch 1 durch denjenigen aus dem Schriftsatz vom 24. August 2004 ersetzt wird.
Die Einsprechenden beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie machen geltend, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 durch den Stand der Technik gemäß Druckschrift E1 neuheitsschädlich vorweggenommen werde.
Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 lautet:
M1 Einrichtung zur Steuerung und/oder Überwachung eines chirurgischen Systems M2 mit mindestens einem Hochfrequenzchirurgischen Instrument und M3 mit mindestens einem Gerät, an welches das mindestens eine HF-chirurgische Instrument anschließbar und betreibbar ist, M4 wobei das chirurgische Instrument mit einer elektrischen oder elektronischen Kodiereinrichtung ausgestattet ist und M5 wobei für das mindestens eine Gerät mindestens eine elektrische oder elektronische Dekodiereinrichtung vorgesehen ist, die mit der Kodiereinrichtung des jeweils an das Gerät angeschlossenen HF-chirurgischen Instruments verbindbar ist und durch die die Kodierung der jeweils mit ihr verbundenen Kodiereinrichtung des HF-chirurgischen Instruments automatisch in elektrische Signale umsetzbar ist, die Steuerungs- und/oder Überwachungseinrichtungen des Geräts zugeführt werden, um das HF-chirurgische System automatisch entsprechend der jeweiligen Kodierung entsprechenden Betriebsmodus einzustellen, dadurch gekennzeichnet, dass M6 mit dem mindestens einen Gerät verschiedene weitere Geräte, zur Bereitstellung verschiedener Funktionen verbunden sind, M7 die entsprechend der Kodierung zu einem System, bestehend aus mindestens einer Teilmenge der weiteren Geräte so zusammengeschaltet und eingestellt oder konfiguriert werden, dass M8 das System dem angeschlossenen HF-chirurgischen Instrument und dessen Applikation entspricht.
Hinsichtlich der erteilten Patentansprüche 2 bis 4 wird auf die Streitpatentschrift, hinsichtlich weiterer Einzelheiten auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die zulässige Beschwerde der Patentinhaberin ist nicht begründet, da sich auch der Gegenstand des neu vorgelegten Patentanspruchs 1 nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung als nicht patentfähig erweist.
1.) Die seitens des Senats von Amts wegen vorzunehmende Überprüfung der Einspruchsvorbringen hat ergeben, dass die Einsprüche zulässigerweise erhoben worden sind. Denn die u. a. auf mangelnde Patentfähigkeit des Streitpatentgegenstandes gestützten Einsprüche sind innerhalb der gesetzlichen Einspruchsfrist im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG ausreichend substantiiert worden. Die Zulässigkeit der Einsprüche ist von der Patentinhaberin im Übrigen nicht bestritten worden.
2.) Die Erfindung befasst sich mit einer Einrichtung zur Steuerung oder Überwachung eines chirurgischen Systems, welches mindestens aus einem Hochfrequenzchirurgie-Gerät mit zugehörigem Instrument besteht.
Gemäß der Patentschrift besteht die Aufgabe der Erfindung darin, chirurgische Systeme so zu gestalten, dass Fehleinstellungen bzw. ungeeignete Geräte- bzw. Systemkonfigurationen, welche zu unerwünschten Effekten und/oder Verletzungen des Patienten und/oder Beschädigungen des jeweiligen chirurgischen Instruments führen können und /oder zeitaufwändige Geräte- bzw. Systemeinstellungen vermieden werden (siehe Spalte 3, Zeilen 34 bis 40).
3.) Der hier zuständige Fachmann ist ein mit der Entwicklung von chirurgischen Systemen befasster, berufserfahrener Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Medizintechnik mit besonderen Kenntnissen auf dem Gebiet der Hochfrequenzchirurgie.
4.) Es kann dahinstehen, ob der neue Patentanspruch 1 durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt ist und ob sein Gegenstand den Schutzbereich des Streitpatents erweitert. Denn dem - zweifelsohne gewerblich anwendbaren - Gegenstand des neuen Patentanspruchs 1 fehlt im Hinblick auf die Druckschrift E1 die erforderliche Neuheit (siehe BGH GRUR 1991, 120, 121 Absatz II.1. - Elastische Bandage).
Aus der Druckschrift E1 (siehe insbesondere die Fig. 1, 2, 3 und 4 mit zugehöriger Beschreibung) ist bekannt, eine M1= Einrichtung zur Steuerung und Überwachung eines chirurgischen Systems 1 (siehe Anspruch 1, Auswerteelektronik 20 und Steuerorgane 25, 30, 40, 43), M2= mit einem Hochfrequenzchirurgischen Instrument (siehe Seite 9, Zeilen 9 bis 13, HF-Chirurgiehandstück) und M3= mit einem Gerät 42, an welches das HF-chirurgische Instrument anschließbar und betreibbar ist (siehe Seite 9, Zeile 11, Versorgungsbaustein 42 für das Handstück), M4= wobei das chirurgische Instrument mit einer elektrischen Kodiereinrichtung (siehe Fig. 2, Codierungsstifte A, B, C, D, E) ausgestattet ist und M5= wobei für das Gerät eine elektronische Dekodiereinrichtung (Codierungsbuchsen a, b, c, d, e mit Auswerteelektronik 20) vorgesehen ist, die mit der Kodiereinrichtung des jeweils an das Gerät angeschlossenen HF-chirurgischen Instruments verbindbar ist und durch die die Kodierung der jeweils mit ihr verbundenen Kodiereinrichtung des HF-chirurgischen Instruments automatisch in elektrische Signale umsetzbar ist, die Steuerungs- und Überwachungseinrichtungen des Geräts zugeführt werden, um das HF-chirurgische System automatisch entsprechend der jeweiligen Kodierung entsprechenden Betriebsmodus einzustellen (siehe Anspruch 1, ab Zeile 36: "..., die dann Steuerorgane für die dem betreffenden Instrument zugeordneten Betriebsmittel einschalten"), wobei M6= mit dem Gerät verschiedene weitere Geräte (Instrument 5 mit Ultraschallantrieb und dessen Versorgungsbaustein 41 und Instrument 4 mit Druckluftantrieb und zugeordneten Magnetventilen 37) zur Bereitstellung verschiedener Funktionen verbunden sind, M7= die entsprechend der Kodierung zu einem System, bestehend aus den weiteren Geräten so zusammengeschaltet und eingestellt werden, (siehe Fig. 3, 4 mit zugehöriger Beschreibung) dass M8= das System dem angeschlossenen HF-chirurgischen Instrument und dessen Applikation entspricht (siehe Seite 4, Absatz 1).
Somit gehen alle Merkmale des neuen Patentanspruchs 1 unmittelbar aus der Druckschrift E1 hervor.
Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung demgegenüber die Auffassung vertreten, dass nach der Lehre der Druckschrift E1 lediglich ein Einzelgerät mit verschiedenen Funktionen vorhanden sei. Erfindungsgemäß seien hingegen verschiedene unabhängige Geräte in separaten Gehäusen auch von verschiedenen Herstellern vorgesehen, die je nach gewünschter Konfiguration zu einem System zusammenschaltbar wären.
Dieser Argumentation vermag sich der Senat nicht anzuschließen, da die Ausgestaltung der Geräte in diesem Sinne keinen Niederschlag im Anspruch 1 gefunden hat. Gemäß dem Anspruch 1 wird über die Geräte lediglich ausgesagt, dass ein Gerät, an welches das HF-chirurgische Instrument anschließbar und betreibbar ist, (siehe M3) mit weiteren Geräten verbunden ist, zur Bereitstellung verschiedener Funktionen (siehe M6). Ein Gerät ist somit geeignet, ein HF-chirurgisches Instrument zu betreiben, während die weiteren Geräte geeignet sind, weitere Funktionen bereit zu stellen. Darüber hinaus sind die Geräte untereinander verbunden. Weitere Einzelheiten über die Ausgestaltung der Geräte z. B. als verschiedene unabhängige Geräte, die je nach gewünschter Konfiguration zu einem System zusammenschaltbar sind und die sich in separaten Gehäusen befinden, finden in den Merkmalen des Anspruchs 1 keinen Niederschlag. Auch in der Beschreibung werden über die Ausgestaltung der Geräte keine weiteren Angaben gemacht. In den Figuren sind die Geräte auch lediglich schematisch dargestellt (siehe Fig. 1 bis 6 der Patentschrift). In der Druckschrift E1 sind die Geräte ebenso dargestellt. So zeigt die Fig. 3 neben einem Versorgungsbaustein 42 für ein HF-Chirurgiehandstück damit verbundene Geräte für weitere Funktionen, z. B. einen Versorgungsbaustein 41 für das Ultraschallhandstück. Im Ergebnis kann daher der Anspruch 1 auch unter Heranziehung der Beschreibung nicht in dem von der Patentinhaberin behaupteten Sinn ausgelegt werden.
Selbst wenn man der Argumentation der Patentinhaberin folgen würde und die Ausgestaltung der Geräte bei dem Streitpatent und der Druckschrift E1 entsprechend unterscheiden würde, wäre dies nach Auffassung des Senats für den Fachmann lediglich ein einfacher konstruktiver Unterschied, der eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen könnte.
5.) Nach alledem liegt ein gewährbarer Hauptanspruch nicht vor. Die Beschwerde der Patentinhaberin war deshalb zurückzuweisen.
BPatG:
Beschluss v. 16.11.2006
Az: 21 W (pat) 39/04
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