Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 18. August 2015
Aktenzeichen: I-24 U 161/14

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 18.08.2015, Az.: I-24 U 161/14)

Tenor

Auf die Berufung der Kläger zu 1. und 2. wird das 16. Juli 2014 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1. einen Betrag von EUR 14.115,78 nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf EUR 1.411,58 seit dem 24. Juni 2013 und auf EUR 12.704,20 seit dem 29. November 2013 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger zu 2. einen Betrag von EUR 6.205,67 nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf EUR 941,05 seit dem 24. Juni 2013 und auf EUR 5.264,62 seit dem 29. November 2013 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen verteilen sich wie folgt: Die Gerichtskosten beider Verfahren tragen zu 14 % der Kläger zu 2. und zu 86 % die Beklagte. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1. trägt die Beklagte in voller Höhe. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2. trägt die Beklagte in Höhe von 66 %, im Übrigen trägt der Kläger zu 2. seine außergerichtlichen Kosten selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt der Kläger zu 2. zu 34 %, im Übrigen trägt die Beklagte ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger zu 1. ist Professor für Staatsphilosophie und Rechtspolitik an der Universität zu K.. Der Kläger zu 2. ist Rechtsanwalt. Die Beklagte ist Mitglied einer von den Klägern in einem Verfahren vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) vertretenen Erbengemeinschaft, die aus insgesamt 9 Personen besteht.

Im Zeitraum von 2005 bis 2012 waren die Kläger für die Erbengemeinschaft im Rahmen einer Individualbeschwerde (Nr. 5631/05) gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem EGMR tätig. Zuvor war die Erbengemeinschaft vor deutschen Gerichten erfolglos gegen die Bundesrepublik auf Auskehr des Erlöses aus der Veräußerung verschiedener Grundstücke in P. vorgegangen, die nach dem Investitionsvorranggesetz am 14. Juli 1992 für einen Betrag von DM 1,3 Millionen veräußert worden waren. Die Erbengemeinschaft forderte eine Auszahlung an sie als Anspruchsberechtigte nach § 3 Abs. 1 VermG. Sie hatte zuvor erfolglos vor den verwaltungsgerichtlichen Vorinstanzen und dem Bundesverfassungsgericht ein Zahlungsbegehren in Höhe von DM 1,3 Millionen (= EUR 664.679,45) zuzüglich Zinsen geltend gemacht.

Außergerichtlich wurde die Erbengemeinschaft durch den Steuerberater P. sowie Rechtsanwalt J. Anfang des Jahres 2005 schlossen die Kläger und die für die Erbengemeinschaft handelnden Vertreter eine Honorarvereinbarung für das Verfahren vor dem EGMR. Der Kläger zu 1. sollte ein Honorar von EUR 10.000,-- und der Kläger zu 2. von EUR 5.000,--, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer sowie die Erstattung ihrer Auslagen erhalten. Im Falle einer mündlichen Verhandlung sollte sich das Honorar um die dann entstehende Gebühr erhöhen. Für den Fall des Erfolgs der Beschwerde vereinbarten die Parteien, über eine entsprechende Erhöhung des Honorars vor dem Hintergrund des erstrittenen Betrages mit dem Ziel einer Abmachung zu verhandeln (Anlage 5, Anlagenhefter I, 47). Das Honorar iHv ingesamt EUR 15.000,-- zuzüglich Mehrwertsteuer wurde an die Kläger gezahlt.

Im Jahr 2010 verhandelten die Kläger mit der zuständigen Referentin des BMJ mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung, die indes nicht erzielt werden konnte. Mit Urteil vom 8. Dezember 2011 entschied der EGMR dem Grunde nach zu Gunsten der Erbengemeinschaft (Anlage 2, Anlagenhefter I, 29-41). Mit Schriftsatz vom 2. März 2012 beantragte das BMJ, die Zahlung eines Entschädigungsbetrages in Höhe von EUR 210.000,-- festzusetzen (Anlagenhefter II, 30ff.). Mit Schriftsatz vom 16. April 2012 machte der Kläger zu 2. für die Erbengemeinschaft die Auskehr des Veräußerungserlöses, den er einschließlich Zinsen auf EUR 1.593.799,13 bezifferte, geltend (Anlagenband I, 48ff.). Der Betrag setzt sich wie folgt zusammen: EUR 664.680,-- als Grundstückswert; EUR 667.891,33 Zinsen iHv 5 % über dem Basiszinssatz mit Stichtag 31. März 2012 und EUR 261.227,80 für Kosten und Auslagen.

Am 16. April 2012 schlossen die Erbengemeinschaft (vertreten durch den Steuerberater P. und Rechtsanwalt J.) und die Kläger eine Honorarvereinbarung, mit der dem Kläger zu 1. ein weiteres Honorar in Höhe von EUR 90.000,-- und dem Kläger zu 2. ein zusätzliches Honorar in Höhe von EUR 60.000,--, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer und Auslagenerstattung, versprochen wurde. Im Falle einer mündlichen Verhandlung vor dem EGMR sollte sich das Honorar um die dann anfallende Gebühr erhöhen. Weiter war vereinbart, dass bei einer Abweichung zwischen dem geltend gemachten und dem zuerkannten Gesamtentschädigungsbetrag die vorstehend genannten Honorare entsprechend prozentual gekürzt werden sollten (Anlage 6, Anlagenhefter I, 52).

Mit Urteil vom 27. September 2012 wurde der Erbengemeinschaft die von BMJ angebotene Entschädigung iHv EUR 210.000,-- zugesprochen (Anlagenhefter II, 37ff.). Gleichwohl erwog sie in der Folgezeit, von der Möglichkeit der Anrufung des Großen Senats des EGMR Gebrauch zu machen, um eine höhere Entschädigung zu erhalten. Dies lehnten die Kläger unter Hinweis auf eine dann vorzunehmende Mandatsniederlegung ab (Anlage BK 12, GA171), die Beklagten sahen sodann von einer Anrufung des Großen Senats ab.

Mit Schreiben vom 8. Mai 2013 erstellte der Kläger zu 2. für jedes Mitglied der Erbengemeinschaft eine Honorarrechnung entsprechend dem jeweiligen Anteil am Nachlass. Das noch zu zahlende Gesamthonorar des Klägers zu 1. wurde mit EUR 11.862,-- und das des Klägers zu 2. mit EUR 7.908,--, jeweils netto, beziffert (Anlagenhefter I, 53ff.). Die Beklagte und die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft verweigerten die Zahlung.

Die Kläger haben behauptet, die Erbengemeinschaft hätte ohne die Vereinbarung eines erfolgsabhängigen Honorars aus Kostengründen von der Einlegung der Beschwerde vor dem EGMR abgesehen. Das bislang mit EUR 15.000,-- netto gezahlte Honorar sei im Hinblick auf den hohen Zeit- und Arbeitsaufwand unangemessen niedrig. Für die Honorarforderung hafte die Beklagte gesamtschuldnerisch. Soweit sie sich auf die Unwirksamkeit der Honorarvereinbarungen berufe, sei dies treuwidrig, da sie bei Abschluss der Honorarvereinbarung anwaltlich vertreten gewesen sei. Eine etwaige Unwirksamkeit nach § 4a RVG könne sich auch nicht auf den Kläger zu 1. beziehen, da dieser nicht Rechtsanwalt sei.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie einem Betrag in Höhe von EUR 19.770,-- zzgl. 19 % Umsatzsteuer in Höhe von EUR 3.756,30 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. Juni 2013 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Honorarvereinbarung vom 16. April 2014 verstoße gegen § 4a RVG und sei unwirksam. An gesetzlichem Honorar hätten die Kläger bereits mehr erhalten, als ihnen zustehe. Die Kosten hätten die Erbengemeinschaft nicht von der Einlegung der Beschwerde vor dem EGMR abgehalten, da sie - dies ist unstreitig - durch den Verkauf anderer Grundstücke bereits mehrere Millionen DM eingenommen habe. Zum Abschluss der Honorarvereinbarung im April 2012 sei es gekommen, da die Kläger angegeben hätten, bei Unterzeichnung der Honorarvereinbarung würde vom EGMR eine entsprechend hohe Vergütung als Kostenentschädigung festgesetzt. Sollte eine Haftung gleichwohl in Betracht kommen, so hafte sie - die Beklagte - nicht als Gesamtschuldnerin, sondern allenfalls in Höhe ihres Erbteils von 10 %.

Mit seinem am 16. Juli 2014 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen (GA 73ff.). Das Urteil wurde den Klägern am gleichen Tag zugestellt (GA 88 a). Hiergegen richtet sich ihre am 18. August 2014 (= Montag) eingegangene Berufung (GA 93). Diese haben sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16. Oktober 2014 (GA 104) mit einem am Tag des Fristablaufs eingegangenen Schriftsatz (GA 105) begründet.

Die Kläger wenden sich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens gegen die Klageabweisung. Sie behaupten, im Hinblick auf die geringen Erfolgsaussichten, auf die die erfolglosen Verfahren in der Bundesrepublik Deutschland hätten schließen lassen, und die mit dem Verfahren vor dem EGMR verbundenen hohen Kosten hätte die Erbengemeinschaft das Verfahren ohne Abschluss der Honorarvereinbarung nicht durchgeführt. Es sei klar gewesen, dass der sehr hohe Arbeitsaufwand durch die Vergütung von EUR 15.000,-- netto nicht habe abgegolten werden können. Der Kläger zu 1. habe ab September 2008 die Arbeitszeit erfasst und sei auf 160 Stunden gekommen. Das ihnen zustehende Honorar auf Grundlage einer Berechnung nach dem RVG läge über dem geltend gemachten Klagebetrag. Hierbei sei zum einen zu berücksichtigen, dass die Erbengemeinschaft aus 9 Mitgliedern bestand und deshalb eine Gebührenerhöhung einträte. Zum anderen seien Vergleichsgespräche mit dem BMJ geführt worden, die eine Terminsgebühr ausgelöst hätten. Bei der Honorarberechnung seien sie - die Kläger - getrennt in Ansatz zu bringen, zumal der Kläger zu 1. nicht Rechtsanwalt sei.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils gemäß ihrem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und meint, sie und die übrigen Erben seien von den Klägern im Zusammenhang mit dem Abschluss der Honorarvereinbarung im April 2012 getäuscht worden. Die Kostenberechnung der Kläger sei unzutreffend, da sie einen zu hohen Streitwert zugrunde gelegt hätten, eine Terminsgebühr nicht angefallen sei und auch eine Erhöhung im Hinblick auf mehrere Beteiligte nicht zum Tragen komme. Das RVG sei auch auf den Anspruch des Klägers zu 1. anzuwenden. Anderenfalls stünde ihm eine deutlich geringere Vergütung zu, da seine "übliche" Vergütung im Hinblick auf nicht vorhandene Betriebskosten um die Hälfte niedriger als die eines Rechtsanwalts sei. Der Kläger zu 1. habe seinen Vergütungsanspruch auch deshalb nicht schlüssig dargelegt, weil er nicht dargetan habe, dass seine Nebentätigkeit genehmigt worden sei.

Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen und den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers zu 1. hat in vollem Umfang und die des Klägers zu 2. iHv EUR 6.205,67 Erfolg.

1.

Dem Kläger zu 1. steht das geltend gemachte Erfolgshonorar zu, denn die mit ihm getroffene dienstvertragliche Honorarvereinbarung ist wirksam.

a.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Vorschriften des RVG überhaupt auf Hochschullehrer anwendbar sind. Denn jedenfalls steht es einem Hochschullehrer im Grundsatz frei, ein Erfolgshonorar zu vereinbaren, was hier wirksam erfolgt ist.

(1)

Die Tätigkeit des Klägers zu 1. unterfällt dem Rechtsdienstleistungsgesetz (vom 12. Dezember 2007; RDG), wobei für einen weiten Tätigkeitsspielraum von Rechtsprofessoren spricht, dass nach § 5 Abs. 1 S. 2 RDG auf die für die Haupttätigkeit erforderlichen Rechtskenntnisse abzustellen ist. Eine wissenschaftliche Begutachtung nach § 2 Abs. 3 S. 1 RDG ist erlaubt. Wer ein wissenschaftliches Gutachten erstellt, darf auch für dessen Umsetzung in die Praxis eine Empfehlung abgeben, weshalb der Rechtsberatungsmarkt für Rechtslehrer offen ist, sofern ihre Rechtsdienstleistung auch eine wesentliche Gutachtenkomponente enthält (vgl. von Lewinski, Rechtslehrer als Berater und Vertreter in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren in Festschrift für Wolfgang Hartung zum 75. Geburtstag, S. 93ff., 101 mwN).

(2)

Fraglich ist jedoch, nach welchen Grundsätzen sich die Vergütung bemisst. Auf einen Hochschullehrer ist das RVG nach seinem Wortlaut im Grundsatz nicht anwendbar, denn in § 1 Abs. 1 RVG, welcher den Geltungsbereich festlegt, wird diese Berufungsgruppe nicht genannt. Manche Verfahrensordnungen sehen zwar eine Prozessvertretung durch einen Hochschullehrer vor (§ 137 StPO, § 67 VwGO, § 32 BVerfGG, § 392 AO), weshalb die Ansicht vertreten wurde, § 1 BRAGO (wortgleich mit § 1 RVG) sei anwendbar (vgl. zum Meinungsstand mit zahlreichen Nachweisen: Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovi/Klüsener/Uhrer, RVG, 6. Auflage, § 1 Rn. 15f., im Folgenden zitiert "Bischof, a.a.O.). Jedenfalls könnte die Geltung des RVG in derartigen Fällen vertraglich vereinbart werden (Bischof, a.a.O., Rn. 15; Gebauer/Schneider, RVG, 2. Auflage, § 1 Rn. 37). Hier ist dies indes weder in der Honorarvereinbarung von 2005 noch in der von 2012 erfolgt. Denn dort findet das RVG keine Erwähnung.

Dies bedarf letztlich keiner Entscheidung, denn jedenfalls steht § 4 a RVG der zwischen dem Kläger zu 1. und der Erbengemeinschaft getroffenen Erfolgshonorarvereinbarung nicht entgegen. Die für die Anwaltstätigkeit geltenden berufsrechtlichen Bestimmungen nach der BRAO, der BRAGO und des RVG sind Vorschriften, die einen Preiswettbewerb um Mandate und die mittelbare Vereinbarung von Erfolgshonoraren in gerichtlichen Verfahren verhindern sollen (vgl. Begr. zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/4993, S. 31; BGH, Urteil vom 1. Juni 68/03 - I ZR 268/03, Rz. 11 zitiert nach Juris; Hartung, BORA/FAO, 5. Auflage 2012, § 49 b BORA Rn. 9). Die Regelung des § 4 a RVG ist Ausfluss des in § 49 b Abs. 2 S. 1 BRAO statuierten Verbots der Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung und regelt als "anderweitige Bestimmung" i.S. § 49 b Abs. 2 S. 1 BRAO einen gesetzlichen Ausnahmetatbestand (Schneider/Wolf, RVG, 7. Auflage, § 4a Rn. 9). Sie greift in die Berufungsausübungsfreiheit des Art. 12 GG ein und kann deshalb nur durch eine gesetzliche Grundlage gerechtfertigt werden (Hartung, a.a.O., § 49 b BORA Rn. 12). Bereits daraus ergibt sich, dass sich eine extensive Auslegung und analoge Anwendung auf andere Berufsgruppen verbietet. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die genannten Regelungen nur für Rechtsanwälte gelten und nicht auch für andere, mögen sie auch mit der - zulässigen - rechtlichen Vertretung von Parteien vor einem Gericht beauftragt sein, zumal ein Preiswettbewerb um Mandate regelmäßig auch nur zwischen Rechtsanwälten zu erwarten ist. Daran ändert auch das bis zum 30. Juni 2008 gültige Rechtsberatungsgesetz (RBerG) bzw. das ab diesem Zeitpunkt geltende Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) nichts, vielmehr war bzw. ist die nach diesen Gesetzen zulässige Rechtsberatung streng reglementiert. Bereits dies schließt es aus, dass eine große Anzahl von Personen, die nicht Rechtsanwälte sind, Rechtsberatung ausüben darf und in einen ruinösen Wettbewerb treten kann.

b.

Das dem Kläger zu 1. zustehende Honorar ermittelt sich -wie er zutreffend darlegt - aus dem Anteil, mit dem die Erbengemeinschaft letztlich obsiegt hat im Verhältnis zu der ursprünglich verfolgten Maximalforderung. Geltend gemacht waren (einschließlich Zinsen und Kosten) EUR 1.593.799,13, vom EGMR zuerkannt wurden EUR 210.000,--. Dies ergibt eine Quote von 13,18 %, woraus sich aus EUR 90.000,-- dann EUR 11.862,-- errechnen, was zuzüglich Umsatzsteuer (EUR 2.253,78) einen Betrag von EUR 14.115,78 ergibt. Diese vom Kläger zu 1. gewählte Abrechnung ist für die Erbengemeinschaft günstig, denn er hat den Anteil am Gesamtstreitwert (Klageforderung einschließlich kapitalisierter Zinsen und Kosten) berechnet und nicht nach dem Streitwert von EUR 664.679,45, der vor den deutschen Gerichten maßgebend war. Dadurch ist die Erfolgsquote geringer (EUR 210.000,-- zu EUR 664.679,45 = 32%), was entsprechend die Klageforderung reduziert.

Soweit die Beklagte meint, hinsichtlich dieses Honoraranspruchs sei relevant, ob der Kläger zu 1. eine Nebentätigkeitsgenehmigung eingeholt habe, beruht dies auf einem Irrtum. Dieser Gesichtspunkt kann allenfalls im Verhältnis des Klägers zu 1. zu seinem Dienstherren eine Rolle spielen und eine Pflicht zur gänzlichen oder teilweisen Abführung des vereinnahmten Honorars begründen. Auf den zugunsten des Klägers und der Erbengemeinschaft begründeten Honoraranspruch hat dies keinen Einfluss. Denn die dahingehenden Bestimmungen stellen keine Verbotsgesetze i.S. § 134 BGB dar, welche die Nichtigkeit des Honoraranspruchs begründen würden (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1999 - X ZR 34/98 -, Rz. 17ff.; OVG NRW, Urteil vom 21. März 2012 - 1 A 2332/09, Rz. 84f. mwN).

2.

Das Landgericht ist hinsichtlich des Klägers zu 2. zutreffend davon ausgegangen, dass die mit ihm geschlossene Erfolgshonorarvereinbarung gegen § 4 a RVG verstößt. Dies führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber nicht zur Nichtigkeit der Erfolgshonorarvereinbarung, sondern zu einer "Deckelung" der vereinbarten auf die gesetzliche Vergütung. Mit seiner kurz vor dem landgerichtlichen Urteil vom 16. Juli 2014 ergangenen Entscheidung vom 5. Juni 2014 (Az. IX ZR 137/12) hat der Bundesgerichtshof in Teilen seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben.

a.

Die zwischen dem Kläger zu 2. und der Erbengemeinschaft im Jahr 2012 getroffene Honorarvereinbarung erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 4 a RVG. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, es sei nicht feststellbar, dass die Erbengemeinschaft ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten worden wäre. Hier darf zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Landgerichts (S. 5f. der Entscheidungsgründe, GA 85f.) Bezug genommen werden. Eine abweichende Beurteilung ist auch unter Berücksichtigung des von den Klägern genannten Gesichtspunkts der "verständigen Betrachtung" (§ 4 a Abs. 1 S. 1 RVG) nicht geboten. Denn danach soll eine erfolgsbasierte Vergütung möglich sein, wenn zwar isoliert betrachtet die wirtschaftlichen Verhältnisse der Rechtsverfolgung nicht entgegenstehen, die Berücksichtigung der mit der Rechtssache jedoch insgesamt verbundenen finanziellen Risiken und der Erfolgswahrscheinlichkeit "bei verständiger Betrachtung" aus Sicht des Mandanten eine erfolgsbasierte Vergütung sinnvoll erscheinen lassen (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 20. Auflage, § 4 a Rn. 8 mwN). Hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, denn die Erbengemeinschaft war finanziell aufgrund der erheblichen Nachlasswerte, die teilweise auch durch Grundstücksverkäufe realisiert wurden, in einer komfortablen Situation und konnte das Verfahren vor dem EGMR unter Vernachlässigung finanzieller Gesichtspunkte in jedem Fall durchführen, weshalb eine Abwägung mit den Erfolgswahrscheinlichkeiten nicht vorgenommen werden musste.

Soweit die Kläger vortragen, das versprochene Zusatzhonorar sollte einerseits dazu dienen, den tatsächlichen Bearbeitungsaufwand abzudecken, andererseits aber auch "gedeckelt" werden, wenn der betragsmäßige Erfolg vor dem EGMR hinter den Erwartungen zurückgeblieben wäre (vgl. Schriftsatz vom 16. Oktober 2014, S. 7, GA 126), ändert diese Motivation nichts an dem hier vereinbarten Erfolgshonorar. Es hätte zudem auch die Möglichkeit bestanden, eine zulässige, die beiderseitigen Interessen wahrende Zeithonorarvereinbarung zu treffen.

Es steht der Beklagten auch frei, sich auf die fehlenden Voraussetzungen des § 4 a RVG zu berufen mit der Folge, dass dem Kläger zu 2. lediglich das Honorar in gesetzlicher Höhe zuerkannt werden kann. Auch hier kann auf die zutreffenden Ausführungen des landgerichtlichen Urteils verwiesen werden, dem die Kläger im Berufungsrechtszug insoweit nicht mehr mit neuen Argumenten entgegen getreten sind.

b.

Infolge des Verstoßes gegen § 4 a RVG hat eine Abrechnung nach den gesetzlichen Gebühren stattzufinden. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Honorarvereinbarung vom 16. April 2012 gab es allerdings noch keine gesetzliche Regelung für die Vergütung eines Anwalts für seine Tätigkeit in Verfahren vor dem EGMR, obwohl diese Verfahren in den letzten Jahren an erheblicher Bedeutung gewonnen haben (Bischof, a.a.O., § 38 a Rn. 3; Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage, § 38 a Rn. 1). Die Regelung des § 38 a RVG ist erst am 1. August 2013 in Kraft getreten und kann deshalb auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt keine Anwendung finden. Nach allgemeiner Meinung umfasste - der auch schon im Jahr 2012 geltende - § 37 RVG, der die Gebühren eines Rechtsanwalts vor den Verfassungsgerichten regelt, ebenfalls nicht die Verfahren vor dem EGMR. Für sie galt auch nicht § 38 RVG, da dieser nur Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH regelt (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage, Rn. 1 mwN; Mayer/Kroiß, RVG, 5. Auflage, § 37 Rn. 22; Burhoff, RVG-Praxis 2013, 421ff. mwN).

Mangels einer gesetzlichen Regelung der Vergütung der Tätigkeit des Klägers zu 2. sind deshalb die allgemeinen vergütungsrechtlichen Tatbestände für die Abrechnung heranzuziehen.

(1)

Auszugehen ist zunächst davon, dass das Verfahren vor dem EGMR und die vor den bundesdeutschen Gerichten erfolgten Ausgangsverfahren verschiedene Angelegenheiten i.S. § 15 RVG sind (vgl. Burhoff, a.a.O., S. 423 unter III. mwN), weshalb keine Anrechnung in Betracht kommt.

(2)

Heranzuziehen ist VV-RVG 3200, weshalb eine 1,6 Verfahrensgebühr abgerechnet werden kann. Hierfür spricht, dass dem Verfahren vor dem EGMR bereits andere gerichtliche Verfahren vorausgegangen waren, weshalb der Ansatz von Gebühren für ein erstinstanzliches Verfahren nicht sachgerecht wäre. Andererseits wäre in dem von den Klägern für die Erbengemeinschaft beschrittenen Rechtszug noch die Anrufung der großen Kammer des EGMR in Betracht gekommen, für das dann die Abrechnung nach revisionsrechtlichen Gebührensätzen hätte erwogen werden können. Der Senat hält deshalb den Ansatz der berufungsrechtlichen Gebühren (VV-RVG 3200, 3202) für angemessen. Dem sind die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2015 auch nicht entgegengetreten. Zudem waren auch schon die Kläger bei ihrer alternativen "Abrechnung nach RVG" (BK 19 = GA 181) von der entsprechenden Anwendbarkeit der Nrn. 3200 und 3202 VV RVG ausgegangen.

(3)

Als Gegenstandswert sind EUR 664.679,45 anzusetzen.

Das Verfahren vor dem EGMR sieht die Festsetzung eines Gegenstandswerts nicht vor. Infolgedessen muss eine Bestimmung gemäß § 23 Abs. 3 RVG erfolgen (vgl. hierzu auch Burhoff, a.a.O., S. 425). Dieser wiederum verweist unter anderem auf die §§ 42 bis 45 GKG, weshalb auch § 43 Abs. 1 GKG Anwendung findet. Danach sind Nebenforderungen, die neben der Hauptforderung geltend gemacht werden, bei der Wertbemessung nicht zu berücksichtigen, weshalb die von der Erbengemeinschaft kapitalisierten Zinsen sowie die weiteren in die Gesamtabrechnung eingestellten Kosten des Verfahrens außer Betracht zu bleiben haben.

Dies entspricht des Weiteren dem gemäß § 2 Abs. 1 RVG festgesetzten Gegenstandswert vor den bundesdeutschen Gerichten, der sich durch die Anrufung des EGMR nicht geändert hat und dem Maximalinteresse der Erbengemeinschaft hinsichtlich der Hauptsache entspricht.

(4)

Ob und in welcher Höhe dem Kläger zu 2. eine Erhöhungsgebühr gemäß VV-RVG 1008 zusteht, bedarf keiner Entscheidung. Hier nimmt der Kläger zu 2. lediglich die Beklagte als ein Mitglied der Erbengemeinschaft in Anspruch. Nach § 7 Abs. 2 RVG schuldet die Beklagte die Gebühren und Auslagen, die sie schulden würde, wären die Kläger nur in ihrem Auftrag tätig geworden. Infolgedessen bedarf es keiner Entscheidung, ob Erhöhungsgebühren und wenn ja in welcher Höhe angefallen wären und ob es sich bei Vertretung der Erbengemeinschaft hinsichtlich aller Mitglieder um eine einheitliche Angelegenheit handelt. Vielmehr haftet die Beklagte für die Gebühren nur in der Höhe wie sie angefallen wären, hätte sie die Kläger alleine beauftragt (vgl. hierzu auch Gerold/Schmidt, RVG, 20. Auflage, 1008 VV Rn. 264ff. mwN).

Ob und in welchem Verhältnis die anderen Mitglieder der Erbengemeinschaft der Beklagten auf Zahlung haften, bedarf ebenfalls keiner Entscheidung, weil dies nur das hier nicht interessierende Innenverhältnis der Erben untereinander gemäß § 426 BGB betrifft (vgl. hierzu Gerold/Schmidt, RVG, 20. Auflage, 1008 VV Rn. 279 mwN).

Die Kläger sind auch nicht gehalten, entgegen § 7 Abs. 2 RVG gegenüber der Beklagten lediglich den auf sie im Innenverhältnis der Erbengemeinschaft entfallenden Honoraranteil geltend zu machen. Aus den vorgerichtlich in dieser Weise erfolgten Abrechnungen kann die Beklagte keinen Anspruch herleiten, denn diese beruhte allein auf dem kulanten Entgegenkommen der Kläger. Sie wollten damit den Mitgliedern der Erbengemeinschaft eine interne Abrechnung gemäß § 426 BGB ersparen. Zudem konnten so die aufgrund der unterschiedlichen Wohnsitze teilweise unterschiedlichen bzw. fehlenden Umsatzsteueransätze berücksichtigt werden. Vertraglich verpflichtet sind die Kläger zu einer derartigen Abrechnung aber nicht.

Für die Vereinbarung einer Teilschuld (§ 420 BGB) ergeben sich aus der Honorarvereinbarung keine Anhaltspunkte. Es bleibt deshalb bei der Regelung nach § 427 BGB, dass Schuldner, die sich gemeinschaftlich zu einer teilbaren Leistung verpflichten, im Zweifel als Gesamtschuldner haften. Denn der mit Schreiben vom 21. Dezember 2011 geäußerte Wunsch, das Honorar nach Erbquoten aufzuteilen (Anlage B11, GA 222), hat in der Honorarvereinbarung keinen Niederschlag gefunden.

(5)

Eine mündliche Verhandlung ist unstreitig vor dem EGMR nicht erfolgt. Dem Kläger zu 2. steht jedoch eine Terminsgebühr zu, da unstreitig im Jahr 2010 unter seiner Beteiligung Gespräche mit dem Ziel einer vergleichsweisen Einigung mit dem Bundesjustizministerium stattgefunden haben (vgl. E-Mail des Klägers zu 2. vom 2. August 2010, GA 230). Dass diese letztlich erfolglos waren, hat auf das Entstehen der Terminsgebühr keinen Einfluss (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 20. Auflage, VV Vorb. 3 Rn. 83ff. mwN).

(6)

Es ergibt sich somit folgende Abrechnung:

Gegenstandswert: EUR 664.679,45

1,6 Verfahrensgebühr nach VV-RVG 3200 5.753,60

1,2 Terminsgebühr nach VV-RVG 3104 4.315,20

Pauschale nach VV-RVG 7002 20,00

Zwischenergebnis 10.088,80

19 % Umsatzsteuer 1.916,87

Ergebnis 12.005,67

./. bereits gezahlter - 5.800,00

zu zahlender Betrag 6.205,67

Dieses Honorar kann der Kläger zu 2. einfordern, die Voraussetzungen des § 10 RVG liegen vor. Es bestehen keine Bedenken, dass der Kläger zu 2. seine - hilfsweise geltend gemachte - Honorarberechnung nicht in einer separaten Rechnung übermittelt hat, denn ein die Berechnung mitteilender Schriftsatz (vgl. auch Anlage BK19, GA 181) im Honorarprozess ist ausreichend (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 4. Juli 2002 - IX ZR 153/01, Rz. 13; Senat, Urteil vom 11. November 2008 - I-24 U 36/08, Rz. 14 mwN).

c.

Die Zinsansprüche folgen aus § 286 Abs. 1 BGB.

Den Klägern schuldet die Beklagte Zinsen seit dem Ablauf der im Schreiben vom 8. Mai 2013 (Anlagenhefter I, Anlage 7, BA 53 und 55R) zum 31. Mai 2013 gesetzten Frist, wobei die Kläger in der Klageschrift einen Fristbeginn erst ab dem 24. Juni 2013 als Verzugsbeginn benennen. Damit ist dieser Fristbeginn maßgeblich (§ 308 Abs. 1 ZPO). Die zugrundeliegende Rechnung der Kläger an die Beklagte vom 8. Mai 2013 verhält sich zudem lediglich über Teilbeträge von EUR 1.411,58 für den Kläger zu 1. und EUR 941,05 für den Kläger zu 2. (Anlagenhefter I, Anlage 7, BA 55R), was zu berücksichtigen ist. Hinsichtlich der restlichen Beträge schuldet die Beklagte Prozesszinsen (§ 291 BGB) seit Rechtshängigkeit (29. November 2013, GA 14).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, besteht nicht.

Der Streitwert im Berufungsverfahren beträgt EUR 23.526,29, wobei EUR 14.115,78 auf die Klage des Klägers zu 1. und EUR 9.411,51 auf die Klage des Klägers zu 2. entfallen.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 18.08.2015
Az: I-24 U 161/14


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/8cbdf2fb9be7/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_18-August-2015_Az_I-24-U-161-14




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share