Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. April 2009
Aktenzeichen: 9 W (pat) 410/04

(BPatG: Beschluss v. 20.04.2009, Az.: 9 W (pat) 410/04)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

-Patentansprüche 1 bis 4 vom 28. Juni 2005,

-Beschreibungsseite 1 vom 28. Juni 2005, einzufügen zwischen Abs. [0006] und Abs. [0007] der Beschreibung gemäß Patentschrift,

-im Übrigen Beschreibung Seiten 2/8 bis 4/8 sowie Zeichnungen Fig. bis 3 gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Gegen das am 5. Oktober 2001 angemeldete und am 1. Juli 2004 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung

"Verriegelungseinrichtung für ein Fahrzeugverdeck"

ist Einspruch eingelegt worden.

Die Patentinhaberin verteidigt das Patent in beschränktem Umfang mit Hauptund Hilfsantrag. Sie macht geltend, dass die beanspruchte Verriegelungseinrichtung für ein Fahrzeugverdeck nach dem jeweiligen Patentanspruch 1 patentfähig sei.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

Verriegelungseinrichtung für ein Fahrzeugverdeck, das zwischen einer Schließposition und einer Stauposition verstellbar ist, wobei in Stauposition das Fahrzeugverdeck (1) in einem heckseitigen Verdeckkasten (6), der von einem Verdeckkastendeckel (20) abdeckbar ist, versenkt und von der Verriegelungseinrichtung (8) beaufschlagt ist, wobei die Verriegelungseinrichtung (8) ein zwischen einer Verriegelungsstellung und einer Entriegelungsstellung bewegbares Verschlussteil (9) sowie eine das Verschlussteil (9) beaufschlagende Verschlusskinematik umfasst und das Verschlussteil (9) und die Verschlusskinematik in den Verdeckkasten (6) integriert sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Verschlusskinematik von einem Aktuator (15) betätigbar ist und dass das Verschlussteil als Verschlussschieber (9) ausgeführt ist, der zwischen Verriegelungsstellung und Entriegelungsstellung verschiebbar und in Verriegelungsstellung in einer Fixierungsaufnahme (10) an einem Bauteil (2) des Fahrzeugverdecks (1) aufgenommen ist.

Rückbezogen schließen sich hieran die Patentansprüche 2 bis 4 an.

Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 1 und 2 nach dem Hilfsantrag wird auf die Akte verwiesen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:

-Patentansprüche 1 bis 4 vom 28. Juni 2005,

-Beschreibungsseite 1 vom 28. Juni 2005, einzufügen zwischen Abs. [0006] und Abs. [0007] der Beschreibung gemäß Patentschrift,

-im Übrigen Beschreibung Seiten 2/8 bis 4/8 sowie Zeichnungen Fig. 1 bis 3 gemäß Patentschrift, hilfsweise -Patentansprüche 1 und 2 vom 16. April 2009, -Beschreibung und Zeichnungen wie Hauptantrag.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Einsprechende vertritt die Auffassung, dass die mit den Patentansprüchen 1 nach Hauptund Hilfsantrag beanspruchten Verriegelungseinrichtungen für Fahrzeugverdecke nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, da sie sich für einen Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben.

Zur Stütze ihres Vorbringens verweist sie auf folgende Druckschriften:

(E1) DE 196 35 869 C1

(E2) DE 195 33 802 C1

(E3) DE 195 07 431 C1

(E4) WO 96/27509 A1

(E5) EP 0 884 208 A1.

II.

Die Zuständigkeit des Beschwerdesenats des Bundespatentgerichts ist durch § 147 Abs. 3 Satz 1 PatG a. F. begründet.

Der Einspruch ist zulässig. Gegenteiliges hat auch die Patentinhaberin nicht vorgetragen.

In der Sache hat der Einspruch teilweise Erfolg; er führt zur Beschränkung des Patents.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist unbestritten zulässig. Er stellt eine Zusammenfassung der erteilten Patentansprüche 1, 6 und 3 dar, die inhaltlich aus den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 1, 7 und 4 hervorgehen. Die neuen Ansprüche 2 bis 4 entsprechen den erteilten Ansprüchen 4, 5 und 9 bzw. den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 5, 6 und 10. Die Beschreibung entspricht der ursprünglich eingereichten Beschreibung ergänzt mit Angaben zum Stand der Technik. Die Figuren sind unverändert.

Der mit Patentanspruch 1 nach Hauptantrag beanspruchte und zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand ist unwidersprochen neu. Keine der aus dem Stand der Technik bekannten Verriegelungseinrichtungen für Fahrzeugverdecke weist ein als Verschlussschieber ausgeführtes, in einen Verdeckkasten integriertes Verschlussteil auf, das in Verriegelungsstellung in einer Fixierungsaufnahme an einem Bauteil des Fahrzeugverdecks aufgenommen ist. Dies gilt auch für die noch im Prüfungsverfahren berücksichtigte nachveröffentlichte Druckschrift DE 100 39 683 A1 älteren Zeitrangs.

Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Hauptantrags beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da er sich für einen Fachmann -hier ein Dipl.-Ing. der Fachrichtung Maschinenbau, der über mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von ablegbaren Fahrzeugdächern verfügt -nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

Aus der DE 196 35 869 C1 (E1) ist ein Klappverdeck 2 eines Fahrzeugs bekannt, das zwischen einer Schließposition und einer Stauposition verstellbar ist (vgl. Fig. 1 und 4). In Stauposition ist das Klappverdeck 2 in einem Heckstauraum 20 versenkt, der von einem Heckdeckel 14 und den Abdeckplatten 23, 26 (Plattenabdeckung 25) abdeckbar ist (vgl. Fig. 4). In der abgelegten Position ist das Klappverdeck an der Abdeckplatte 23 durch eine Zapfenaufnahme 18 mit einem Gabelschenkel 21 sowie einen mit der Zapfenaufnahme 18 zusammenwirkenden Zentrierzapfen 16 des Klappverdecks 2 festlegbar (vgl. Anspruch 1 und Fig. 4). Zapfenaufnahme 18 und Zentrierzapfen 16 stellen eine Verriegelungseinrichtung dar, die sich bei abgelegtem Klappverdeck 2 in Verriegelungsstellung und bei geschlossenem Klappverdeck in Entriegelungsstellung befindet. Zapfenaufnahme 18 mit Gabelschenkel 21 stellen ein Verschlussteil dar, das durch ein Stangengetriebe 27 beaufschlagt wird. Das Stangengetriebe 27 und die Zapfenaufnahme 18 mit dem Gabelschenkel 21 sind in den Heckstauraum 20 integriert (vgl. Fig. 3). Der Bewegungsablauf der Plattenabdeckung 25 erfolgt in Abhängigkeit von der Klappbewegung des Klappverdecks 2. Die Bewegungsabläufe werden durch das Stangengetriebe 27 koordiniert (vgl. Sp. 4, Z. 11 bis 18). Platt selbstverständlich ist ein Aktuator vorhanden, der Klappverdeck und Stangengetriebe 27 in Bewegung versetzt. In der letzten Bewegungsphase wird die Abdeckplatte 23 nach hinten geschoben. Dabei wird der Zentrierzapfen in die gabelförmige Nut zwischen Zapfenaufnahme 18 und Gabelschenkel 21 eingeschoben (vgl. Sp. 4, Z. 19 bis 31).

Diese Art der Festlegung des geöffneten Klappverdecks erfordert die Synchronisation der Bewegungsabläufe der Komponenten der Verriegelungseinrichtung, Zentrierzapfen 16 und Zapfenaufnahme 18 bzw. der sie tragenden Bauteile Klappverdeck 2 und Abdeckplatte 23.

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Verriegelungseinrichtung zum Festlegen eines in einem Verdeckkasten abgelegten Fahrzeugverdecks zu schaffen, die sich durch eine einfache Konstruktion und eine hohe Zuverlässigkeit auszeichnet (vgl. Abs. 0007).

Diese Aufgabe wird durch eine Verriegelungseinrichtung mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs gelöst.

Nach Meinung der Einsprechenden wird die Ausgestaltung der Verriegelungseinrichtung nach geltendem Patentanspruch 1 durch eine Zusammenschau der Druckschrift E1 mit der Druckschrift E5 nahegelegt. Der Fachmann würde in Kenntnis der bei der Verriegelung nach E1 vorhandenen Nachteile die aus E5 bekannte Verriegelungseinrichtung übernehmen, in den Verdeckkasten bei dem Fahrzeug nach der E1 durch Anordnung an der dort vorgesehenen Lagerkonsole 8 integrieren und eine entsprechende Aufnahme für die Schieber am Dachteil vorsehen.

Dieser Auffassung folgt der Senat nicht.

In der Druckschrift EP 0 884 208 A1 (E5) ist eine Verriegelungseinrichtung 6 beschrieben (vgl. Fig. 3, 4), die unabhängig von der Bewegung eines Klappverdecks durch einen Elektromotor 17 als Aktuator betätigt werden kann. Die Verriegelungseinrichtung 6 ist an einem ersten Dachteil 1 eines Fahrzeugverdecks angeordnet. Der Elektromotor 17 bewegt über ein Stabgetriebe zwei Schieber 16, die einerseits zur Verriegelung und Fixierung des ersten Dachteils 1 gegenüber einem zweiten Dachteil 2 (vgl. Fig. 1) und andererseits zur Verriegelung des abgelegten Verdecks an der Karosserie dienen (vgl. Fig. 2). In Verriegelungsstellung greifen die Schieber 16 in entsprechende Aufnahmen 18 an Gegenstücken 8 bzw. 9 ein.

Nach der Lehre der E5 hat die bekannte Verriegelungseinrichtung also eine Doppelfunktion und ist aus diesem Grund zwingend an einem Dachteil angeordnet.

Eine Zusammenschau der E1 mit der E5 führt folglich nicht zu einem Gegenstand mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1. Der Fachmann hat keine Veranlassung, diese Doppelfunktion der an einem Dachteil angeordneten Verriegelungseinrichtung aufzugeben und statt dessen zur Festlegung im Verdeckkasten eine weitere gleichgeartete Verriegelungseinrichtung mit Verschlussschieber und zugehöriger Verschlusskinematik sowie zusätzlichem Aktuator in den Verdeckkasten nach E1 zu integrieren. Er müsste trotzdem das dort vorgesehene Stangengetriebe 27 zur synchronen Bewegung der Plattenabdeckung 25 beibehalten. Zudem müsste auch der Zentrierzapfen 16 erhalten bleiben, da dieser zur Fixierung des Verdecks am Windschutzscheibenrahmen erforderlich ist. Eine Entkopplung der Bewegungsabläufe für die Verriegelung im Verdeckkasten kann daher nur mit erheblichem Mehraufwand erreicht werden, nämlich mit zwei unterschiedlichen Kinematiken, bzw. einer zusätzlichen. Aus der E5 ergibt sich auch keine Veranlassung für den Fachmann, die eine Doppelfunktion erfüllende Verriegelungseinrichtung 6 von dem Dachteil 1 zu entfernen und in den Verdeckkasten zu integrieren. Schon aus Sicherheitsgründen -etwa im Falle eines Überschlags wird der Fachmann davon absehen, auf ein Verbinden der beiden Dachteile 1 und 2 zu verzichten.

Aus der Druckschrift DE 195 33 802 C1 (E2) ist eine weitere Verriegelungseinrichtung für ein Fahrzeugverdeck bekannt, das zwischen einer Schließposition und einer Stauposition verstellbar ist, wobei in Stauposition das Fahrzeugverdeck 3 in einem heckseitigen Verdeckkasten 7, der von einem Verdeckkastendeckel 8 abdeckbar ist, versenkt und von der Verriegelungseinrichtung 12 beaufschlagt ist (vgl. Fig. 1 und 3). In den Verdeckkasten integriert ist ein schwenkbarer Sperrriegel 40, der mittels eines Federelements 41 mit der Nase 43 eines am Verdeck 3 getragenen Verriegelungsorgans 15 zusammenwirkt. Das Verriegelungsorgan kann nach Betätigung durch den Fahrer über einen angetriebenen Nocken 20 in eine Verriegelungsstellung D oder eine Entriegelungsstellung E verschoben werden (vgl. Fig. 3).

Auch hier ist der Senat der Überzeugung, dass der Fachmann von der ihm bekannten Lösung nicht ohne weiteres abweicht und nicht anstatt des schwenkbaren Sperrriegels eine weitere Verriegelungseinrichtung nach Art der aus E5 bekannten Verriegelung im Verdeckkasten integrieren wird. Auch hier bedeutete dies das Vorsehen einer zusätzlichen, zudem anders gestalteten Verriegelungseinrichtung, da das am Verdeckabschnitt 14 angebrachte Verriegelungsorgan eine Doppelfunktion erfüllt: Verriegeln am Rahmen 4, 13 der Windschutzscheibe 6 (vgl. Fig. 1) und Verriegeln des Verdecks im Verdeckkasten. Der Nachteil des zusätzlichen Gewichts der Verriegelungseinrichtung im bewegten Fahrzeugverdeck kann nicht behoben werden.

Analog dazu können die in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffenen Druckschriften DE 195 07 431 C1 (E3) und WO 96/27509 A1 (E4) auch nicht zum beanspruchten Gegenstand führen, da die dort vorgesehenen Verschlussteile mit zugehörigen Kinematiken und Aktuator ebenfalls am Verdeck gehalten sind und zur Verriegelung des Verdecks sowohl am Windschutzscheibenrahmen (vgl. jeweils Figur 1) als auch im Verdeckkasten vorgesehen sind. Deren Anordnung im Verdeckkasten ist daher für den Fachmann keine sinnvolle Option.

Mit der Verriegelungsvorrichtung nach dem Patentanspruch 1 des Hauptantrags sind auch die Gegenstände der rückbezogenen Unteransprüche patentfähig, die vorteilhafte Weiterbildungen der Verriegelungseinrichtung nach dem Patentanspruch 1 betreffen und zumindest keine Selbstverständlichkeiten darstellen.

Einer Erörterung des Hilfsantrags bedarf es bei dieser Sachlage nicht.

Pontzen Friehe Reinhardt Dr. Höchst Ko






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Beschluss v. 20.04.2009
Az: 9 W (pat) 410/04


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