Landgericht Köln:
Urteil vom 30. Juni 2011
Aktenzeichen: 31 O 478/10

(LG Köln: Urteil v. 30.06.2011, Az.: 31 O 478/10)

Tenor

Die Beklagte zu 2) wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft jeweils zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Tafelschokolade wie nachstehend wiedergegeben anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben:

-Es folgt eine Bildeinrückung.-

und/oder

-Es folgt eine Bildeinrückung.-

und/oder

-Es folgt eine Bildeinrückung.-

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer, über die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Tafelschokolade gemäß Ziffer 1., über die Umsätze, die mit Tafelschokolade gemäß Ziffer 1. erzielt wurden, sowie über den Umfang und die Art der getätigten Werbung, jeweils aufgegliedert nach Kalendervierteljahren und Bundesländern, zu erteilen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus Handlungen gemäß Ziffer 1. entstanden ist oder künftig entstehen wird.

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, die in ihrem Besitz befindliche Tafelschokolade gemäß Ziffer 1. zu vernichten.

Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:

Die gerichtlichen Kosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin und die Beklagte zu 2) je zur Hälfte.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt die Klägerin.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt diese selbst.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Höhe der Sicherheit beträgt für die Vollstreckung aus dem Tenor zu 1) 1.000.000 €, aus dem Tenor zu 2) 50.000 €, aus dem Tenor zu 4) 500.000 €, im Übrigen 110% des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin ist Lizenzgeberin der S GmbH & Co. KG, die Schokolade der Marke „S4“ produziert und vertreibt, die Beklagte zu 2) gehört zum Kraft-Konzern und vertreibt in Deutschland Schokolade der Marke „N4“. „N4“ und „S4“ sind die beiden bedeutendsten Tafelschokoladen auf dem deutschen Markt, wobei „N4“ auf dem Gesamtmarkt für Tafelschokolade deutlich vor „S4“ liegt. Auf dem Segment 100-g-Tafeln liegen beide Marken dagegen in etwa gleichauf. „S4“ wird seit 1932 in Verpackungen mit quadratischer Grundform vertrieben, die seit 1969 ausschließlich verwendet werden. Aus dem Jahr 1969 stammt auch der bis heute verwendete Slogan „Quadratisch. Praktisch. Gut“. Die typische Schlauchverpackung verwendet „S4“ seit den 1970er Jahren. „N4“ wurde dagegen in der Vergangenheit in länglichen Verpackungen vertrieben, die durch die lila Grundfarbe und die Abbildung einer lila eingefärbten Kuh gekennzeichnet waren. Die genaue Marktbedeutung von „S4“ und „N4“ sowie die Bekanntheit ihrer Marken sind zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin ist Inhaberin der deutschen dreidimensionalen Marken Nr. 2913183, angemeldet am 01.01.1995,

und 39869970, angemeldet am 04.12.1998,

die Schutz für Tafelschokolade beanspruchen. Gegen beide Marken sind Löschungsanträge der I GmbH anhängig.

Die Beklagte brachte erstmals im Frühjahr 2010 Tafelschokolade der Marke „N4“ in den Ausstattungen, wie sie in den Tenor zu 1. eingeblendet sind, auf den deutschen Markt. Dabei handelt es sich jeweils um zwei Schokoladentafeln à 40 g, deren Schlauchverpackungen aufgrund einer perforierten Naht voneinander getrennt werden können. Wegen der Einzelheiten der streitgegenständlichen Produkte wird auf die zur Akte gereichten Originalprodukte der Beklagten zu 2) (Anlage K 18-20) Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die streitgegenständlichen Ausstattungen, welche die Quadratform kennzeichenmäßig verwendeten, verletze ihre Rechte an den Marken Nr. 2913183 und 39869970 sowie der zu ihren Gunsten bestehenden Benutzungsmarke an Schokoladenverpackungen in quadratischer Form jeder Größe. Die streitgegenständlichen Ausstattungen begründeten eine Verwechslungsgefahr mit den Klagemarken und beeinträchtigten zudem deren Unterscheidungskraft, die sie auch in unlauterer Weise ausnutzten. Darüber hinaus bestünden Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes.

Die Klägerin behauptet, die quadratische Grundform von Tafelschokoladen der Marke „S4“ sei im Verkehr überragend bekannt. Sie sei geradezu der Inbegriff des Unternehmens der Klägerin und stehe im Zentrum der Werbung für welche die S GmbH & Co. KG über 15 Mio. € jährlich aufwende. Aktuell produziere die S GmbH & Co. KG ca. zwei Millionen Tafeln Schokolade pro Tag. Zur Bekanntheit der quadratischen Form und zur Marktbedeutung der Parteien trägt die Klägerin unter Vorlage zahlreicher Unterlagen und Verkehrsbefragungen im Einzelnen vor.

Ihre Klage hat sie zunächst gegen die Beklagte zu 1) gerichtet, mit Schriftsatz vom 12.01.2011 hat sie einen Parteiwechsel auf die Beklagte zu 2) erklärt.

Die Klägerin beantragt,

- (sinngemäß) wie erkannt -.

Die Beklagte zu 1) stellt Kostenantrag.

Die Beklagte zu 2) (im Folgenden: Beklagte) beantragt,

das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Löschung der deutschen Marken Nr. 2913183 und 39869970 auszusetzen.

Hilfsweise beantragt sie,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Klagemarken seien löschungsreif, weil sie ausschließlich aus einer Form bestünden, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich seien. Die Form der Klagemarken sei Gegenstand der Patente DE 2458562 und DE 2658631, wegen denen auf Anlagen B 3 und 4 Bezug genommen wird, aus denen sich ergebe, dass sie technisch bedingt sei. Zudem seien die eingetragenen Gestaltungen nicht hinreichend eindeutig dargestellt, weil sie weder einen Hinweis auf Dimensionen der Marke enthielten noch erkennen ließen, worum es sich bei den Marken handele. Schließlich handele es sich bei dem Quadrat um eine schutzunfähige Grundform für Tafelschokolade.

Die Beklagte ist ferner der Auffassung, eine Verletzung der Klagemarken und eine Herkunftstäuschung komme mangels hinreichender Ähnlichkeit der streitgegenständlichen Ausstattungen mit den Klagemarken und Tafelschokoladen der Marke „S4“ nicht in Betracht. Sie behauptet hierzu, neben „S4“ verwendeten eine Vielzahl anderer Hersteller quadratische Verpackungen für Tafelschokolade in erheblichem Umfang, was die Kennzeichnungskraft der Klagemarken entscheidend schwäche. Sie trägt zu diesen Wettbewerbsprodukten unter Vorlage von Originalprodukten, wegen denen auf Anlagenkonvolut B 65 Bezug genommen wird, im Einzelnen vor. Die angegriffenen Ausstattungen seien - auch wenn man auf die einzelnen Hälften abstelle - nicht quadratisch, sondern länglich und werde geprägt durch die Farbe lila und die lila Kuh. Schokolade der Marke „N4“ werde schon seit 1901 in lilafarbenen Verpackungen vertrieben, der Farbton sei seit Jahrzehnten unverändert und, ebenso wie die lila Kuh, überragend bekannt.

Den Vortrag der Klägerin zu ihrer Marktstellung, zur Bekanntheit der Marke „S4“ und zu ihren Werbeaufwendungen, bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen.

Zu den quadratischen Wettbewerbsprodukten behauptet die Klägerin, diese seien ihr bis auf die Produkte der Marken „S5“, „N5“ und „Mr. U unbekannt gewesen. Letztere würden von der I3 GmbH & Co. KG aufgrund einer Vereinbarung der Klägerin mit deren Rechtsvorgängerin aus dem Jahr 1978 vertrieben. Sämtliche Wettbewerbsprodukte hätten allenfalls geringe Bedeutung auf dem Markt für Tafelschokolade.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

A. Der von der Klägerin vorgenommene Parteiwechsel auf Beklagtenseite ist zulässig und bedarf insbesondere nicht der Zustimmung der Beklagten. Die Beklagte zu 1) ist aufgrund des Parteiwechsels mit der Kostenfolge des § 269 Abs. 3 ZPO aus dem Rechtsstreit ausgeschieden (vgl. Zöller-Greger, ZPO, § 264, Rn. 23 ff.).

B. Eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf die Löschungsanträge gegen die Klagemarken ist nicht veranlasst. Die Löschungsanträge haben keine Aussicht auf Erfolg.

1. Die Auffassung der Beklagten, die beiden als Marken angemeldeten Formen seien zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich, § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, kann nicht überzeugen. In den Markenregistrierungen ist eine quadratische Schokoladentafel in einer Schlauchverpackung abgebildet, wobei entscheidend die quadratische Form ist. Dass gerade diese für die Erreichung einer technischen Wirkung nicht erforderlich ist, räumt die Beklagte selbst ein.

Dass die beiden von der Beklagten angeführten Patente quadratische Schokoladentafeln betrafen, ist ohne Belang, weil Gegenstand der Patente gerade nicht die Quadratform der Tafel oder der Verpackung war. Dass andererseits die Abbildung der Marke auch die Verschlusslasche, um die es bei den Patenten geht, erfasst, führt nicht dazu, dass die von der Marke geschützte Form insgesamt technisch bedingt ist. Ob schließlich eine Verletzung der Marke auch eine Verletzung der Patente bedeuten würde, ist ohne Bedeutung. Eine Verletzung der Klagemarken setzt die Verwendung einer quadratischen oder annähernd quadratischen Verpackungsform voraus, was für die Patentverletzung gerade nicht entscheidend ist.

2. Auch die Auffassung der Beklagten, die Marke sei schutzunfähig, weil die Quadratform eine der Grundformen für Tafelschokoladen sei, geht fehl. Anders als ein Quader bei Bauklötzen (vgl. hierzu BGH GRUR 2010, 231 „Legostein“, Tz. 28) ist ein Quadrat gerade nicht wesensnotwendige Form von Schokoladentafeln, was sich bereits daraus ergibt, dass außer der Klägerin alle größeren Schokoladenhersteller, insbesondere bis zur Einführung der streitgegenständlichen Ausstattung auch die Beklagte, eine längliche Grundform verwenden. Schokoladentafeln kann man letztlich in jeder vieleckigen oder auch runden, flachen Form, gestalten. Der Fantasie sind dabei kaum Grenzen gesetzt.

3. Die Marken sind schließlich auch nicht löschungsreif, weil ihre Gestaltung nicht hinreichend eindeutig dargestellt ist. Der von der Beklagten herangezogene Vergleich mit der Abbildung eines Schokoladenstäbchens in der IR-Marke Nr. 869586, die Gegenstand des Verfahrens BPatG 25 W (pat) 8/09 ist, ist untauglich: Während man auf der von der Beklagten vorgelegten Abbildung (Bl. 228 d. A.) eher einen Tausendfüßler als eine Süßware erkennt, ist die klassische Quadratform der S9-Verpackung selbst auf den gegenüber den Abbildungen im Markenregister qualitativ deutlich verschlechterten und verkleinerten Abbildung, welche die Beklagte zu Vergleich heranzieht (Bl. 229 d. A.) gut zu erkennen. Dass die Marken die tatsächlichen Dimensionen des Produkts nicht wiedergeben, ist einer Formmarke immanent.

C. Die Klage ist begründet. Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche der Klägerin ergeben sich aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 5 MarkenG, die Annexansprüche aus §§ 14 Abs. 6, 18, 19 MarkenG, 242 BGB.

I. Die streitgegenständlichen Ausstattungen verletzen die Rechte der Klägerin aus der Marke Nr. 2913183. Sie beeinträchtigen die Unterscheidungskraft der bekannten Klagemarke in unlauterer Weise, § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG.

1. Die Beklagte verwendet die angegriffenen Ausstattungen markenmäßig. Bei Form und Farbe eines Produkts stehen zwar grundsätzlich die funktionelle und ästhetische Gestaltung im Vordergrund, so dass eine herkunftshinweisende Funktion für den Verkehr eher fern liegt (BGH, Urteil vom 15.07.2010 - I ZR 57/08 - „Goldhase“, Juris-Tz. 32 m.w.Nw.). Für eine herkunftshinweisende Funktion spricht es aber, wenn die Form einer Ware erheblich vom Branchenüblichen abweicht (BGH, Urteil vom 22.04.2010 - I ZR 17/05 - „Pralinenform II“ - Juris-Tz. 31 m.w.Nw.). So liegt der Fall hier:

Die Beklagte hebt sich mit ihrer neuen Verpackungsgestaltung bewusst von den üblichen Verpackungen von Tafelschokoladen ab. Abgesehen von Produkten der Marke „S4“ und Anbietern mit geringer Marktpräsenz - auf die im Einzelnen noch einzugehen sein wird - sind Schokoladentafeln und ihre Verpackungen üblicherweise länglichrechteckig in einem Verhältnis von Länge zu Höhe von ca. 2:1 gestaltet. Tafeln werden als Ganzes in einer einheitlichen Verpackung angeboten. Die angegriffene Verpackungsgestaltung behält zwar insgesamt die länglichrechteckige Grundform bei, teilt die um 20% verkleinerte Tafel selbst aber in zwei vom optischen Eindruck her annähernd quadratische Hälften, die im Rahmen der Gesamtverpackung einzeln und voneinander trennbar verpackt sind. Auf die genauen Maße und Größenverhältnisse, zu denen die Beklagte umfangreich vorgetragen hat, kommt es nicht an, weil der Eindruck maßgebend ist, den der Durchschnittsverbraucher von den Produkten gewinnt. Dieser misst aber nicht millimetergenau nach.

Die Trennbarkeit und annähernd quadratische Grundform der beiden Hälften betont die Beklagte in der Verpackungsgestaltung durch die Hervorhebung der Perforation durch eine weiße, starke gestrichelte Linie und die Wiederholung von Gestaltungselementen auf beiden Hälften, namentlich der Wort-/Bildmarke „N4“, der Abbildung der Schokoladenstücke sowie der jeweils gleich gestalteten Texte „Für Mich“ / „Für Dich“, „1. Halbzeit“ / „2. Halbzeit“ und „Für jetzt“ / „Für später“. Damit grenzt sie sich nicht nur durch ihre bekannten Marken „N4“, lila Kuh und lila Farbe, sondern gerade auch durch die Gestaltung der Verpackung von Wettbewerbsprodukten ab, was in der Werbung für die streitgegenständliche Ausstattung gegenüber dem Handel auch hervorgehoben wird (z.B. Anlage B9).

Markenmäßig verwendet die Beklagte nicht nur die Verpackungsgestaltung in ihrer Gesamtheit, sondern gerade auch die quadratische Grundform der beiden Hälften des Produkts. Auch die einzelnen Hälften werden zwar durch die bekannten Erkennungsmerkmale von Milkaprodukten geprägt, nämlich durch das Wort-/Bildzeichen „N4“, die lila Kuh, die Farbe Lila und die Abbildung der Schokoladenstücke mit der Aufschrift „N4“. Durch die Betonung der Trennbarkeit der beiden Hälften der streitgegenständlichen Ausstattungen werden diese und damit auch ihre annähernd quadratische Grundform derart hervorgehoben, dass sie eine selbständig prägende Stellung im Rahmen der Ausstattungen erlangt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Verkehr die Ausstattungen nicht nur als Doppelpack, wie er im Laden angeboten wird, gegenübertreten, sondern nach dem Kauf und der Trennung der beiden Hälften diese - wie von der Beklagten intendiert - von Käufern und deren Umfeld auch einzeln wahrgenommen werden.

2. Die Klagemarken sind bekannt im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG.

Bei der Beurteilung der Bekanntheit einer Marke sind alle relevanten Umstände zu berücksichtigen. Vorliegend steht „S4“ unstreitig hinter „N4“ an zweiter Stelle auf dem Markt für Tafelschokolade, bei 100-Gramm-Tafeln liefern sich die Parteien ein Kopfan-Kopf-Rennen, wobei die zwischen den Parteien im Einzelnen streitigen exakten Marktverhältnisse vorliegend ohne Belang sind. Die Klägerin nutzt die Quadratform seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, die Schlauchverpackung in der Form, wie sie Gegenstand der Klagemarken ist, seit den 1970er-Jahren. Sie bewirbt ihre Produkte massiv unter Hinweis auf die Quadratform u.a. mit dem bekannten Slogan „quadratisch, praktisch, gut“ und stellt diese auch in anderer Weise werblich heraus, wie z.B. durch die Verwendung von farbigen Quadraten als grafische Gestaltungs- und Navigationselemente auf der Webseite (Anlage K 7).

Soweit die Beklagte den entsprechenden Vortrag der Klägerin teilweise mit Nichtwissen bestreitet, ist das unzulässig, weil die Beklagte als Marktführerin den Markt für Tafelschokolade kennt und schon von daher Marktbedeutung, Produktgestaltung und Werbung ihres Hauptkonkurrenten aus eigener Kenntnis beurteilen kann. Auf die genaue Höhe der Werbeaufwendungen der Klägerin kommt es dabei nicht an, weil das Gericht aus eigener Wahrnehmung beurteilen kann, dass die Klägerin jedenfalls massiv in verschiedenen Medien und für praktisch jeden Verbraucher unübersehbar wirbt.

Aufgrund des als unstreitig zu behandelnden Vortrags der Klägerin und der gerichtsbekannten Umstände, ist die Klagemarke, welche die Quadratform in der Schlauchverpackung wiedergibt, als überragend bekannt anzusehen, ohne dass es auf die von der Klägerin vorgelegten Verkehrsbefragungen im Einzelnen ankommt. Deren Ergebnisse stehen der Annahme einer überragenden Bekanntheit der Klagemarke jedenfalls nicht entgegen.

3. Die Klagemarke und die streitgegenständlichen Ausstattungen sind sich hinreichend ähnlich. An die Zeichenähnlichkeit sind im Rahmen von § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG geringere Anforderungen zu stellen als bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr, es reicht, wenn die Zeichenähnlichkeit bei den angesprochenen Verkehrskreisen zu einer gedanklichen Verknüpfung führt (Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 14, Rn. 1347 m.w.Nw.). Dies ist vorliegend der Fall.

Die streitgegenständlichen Ausstattungen weisen zwar neben der Quadratform der Hälften eine Vielzahl von Merkmalen auf, die sie in einem Maße prägen, dass eine Verwechslungsgefahr nach Auffassung der Kammer nicht in Betracht zu ziehen ist. Die Quadratform hat innerhalb der Ausstattungen aus den oben unter A.I.1. erörterten Gründen indes eine selbständig prägende Stellung, die eine den Anforderungen des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG genügende Ähnlichkeit begründet. Betrachtet man die einzelnen Hälften der angegriffenen Ausstattungen, verbleiben zwar immer noch Unterschiede zwischen diesen und der Klagemarke. Insbesondere sind die Flügel breiter und haben Längsrillen statt Querrillen. Die N4tafeln sind auch erkennbar dünner als die in der Klagemarke wiedergegebene Verpackung. Diese Unterschiede reichen indes nicht aus, um eine Zeichenähnlichkeit zu verneinen.

Die vorhandene Zeichenähnlichkeit führt auch zu einer gedanklichen Verknüpfung zwischen den angegriffenen Ausstattungen und der Klagemarke. Hierfür reicht es nach der Rechtsprechung des EuGH aus, wenn die angegriffene Kennzeichnung dem Verkehr die Klagemarken in Erinnerung ruft (EuGH GRUR 2009, 56 „Intel“, Tz. 60). Das ist hier angesichts der überragenden Bekanntheit der Klagemarke und der bestehenden Warenidentität der Fall. Für die Annahme einer gedanklichen Verknüpfung spricht auch, dass nach der von der Beklagten selbst vorgelegten ersten Ipsos-Studie (Anlage B 36/1) eine teilneutralisierte Version der streitgegenständlichen Ausstattungen ohne Aufdruck, aber immer noch im typischen Milka-Lila, 7,5% der Befragten an S4 erinnerte. Eine nicht neutralisierte Hälfte der streitgegenständlichen Ausstattungen erinnerte immerhin noch 5,4% der Befragten an S4 (Anlage B 36/2).

4. Die Benutzung der angegriffenen Ausstattung durch die Beklagte beeinträchtigt die Unterscheidungskraft der Klagemarke.

Eine Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft (Markenverwässerung) einer bekannten Marke setzt voraus, dass die Eignung der Marke, die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und benutzt wird, als vom Inhaber dieser Marke stammend zu identifizieren, geschwächt wird, weil die Benutzung der jüngeren Marke zur Auflösung der Identität der älteren Marke und ihrer Bekanntheit beim Publikum führt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die ältere Marke, die eine unmittelbare gedankliche Verbindung mit den von ihr erfassten Waren und Dienstleistungen hervorrief, dies nicht mehr zu bewirken vermag. Bei der Beurteilung sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wobei insbesondere eine hoher Grad an Zeichen- und Warenähnlichkeit, eine hohe Bekanntheit und Unterscheidungskraft der älteren Marke sowie eine etwaige Verwechslungsgefahr für eine Markenverwässerung in diesem Sinne sprechen können (EuGH GRUR 2009, 56 „Intel“, Tz. 29, 41 f., 68). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Zwischen den sich gegenüber stehenden Zeichen besteht zwar keine Verwechslungsgefahr (s.o. A.I.3.), angesichts der bestehenden Zeichenähnlichkeit führen aber die hohe Bekanntheit und Unterscheidungskraft der Klagemarke zu einer Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft:

a) Die Zeichenähnlichkeit zwischen der Klagemarke und der angegriffenen Ausstattungen als Gesamtzeichen ist gering. Zu berücksichtigen ist aber die selbständig kennzeichnende Stellung der Quadratform im Rahmen des Gesamtzeichens, was den Grad der Zeichenähnlichkeit erhöht.

b) Die Waren, für welche die sich gegenüberstehenden Zeichen verwendet werden, sind identisch.

c) Die Klagemarke ist überragend bekannt (s.o. A.I.2.)

d) Die Unterscheidungskraft der Klagemarke ist angesichts der langjährigen Verwendung der Quadratform durch die Klägerin, wobei es nicht darauf ankommt, ob auf das Jahr 1932 oder den Beginn der Verwendung der Schlauchverpackung in den 1970er Jahren abzustellen ist, und die überragende Bekanntheit hoch.

Die von der Beklagten angeführten Wettbewerbsprodukte schwächen die Unterscheidungskraft der Klagemarke nicht maßgeblich.

aa) Eine Schwächung der Unterscheidungskraft einer Marke durch die Benutzung von Drittzeichen kommt nur im Ausnahmefall in Betracht. Sie setzt voraus, dass die Drittzeichen in erheblichem Umfang benutzt werden, was zu einer Gewöhnung des Verkehrs daran, dass ein Zeichen von verschiedenen Anbietern benutzt wird führt, wobei nur Zeichen, die einen zumindest gleichen Grad an Zeichenähnlichkeit wie das angegriffene Zeichen aufweisen und für gleiche oder eng benachbarte Waren oder Dienstleistungen benutzt werden, in Betracht kommen. Zeichen, gegen die der Markeninhaber aktuell vorgeht, dürfen nicht berücksichtigt werden (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 14, Rn. 652 ff. m.w.Nw.). Die Darlegungs- und Beweislast für Umstände, die zu einer Schwächung der Unterscheidungskraft der Klagemarke führen, trägt dabei derjenige, der sich auf sie beruft, vorliegend also die Beklagte (aaO., Rn. 531), an deren Sachvortrag hohe Anforderungen zu stellen sind. Sie hat insbesondere substanziiert zum Benutzungsumfang der einzelnen Drittzeichen vorzutragen (aaO., Rn. 656).

bb) An diesen Voraussetzungen gemessen kommt jedenfalls eine maßgebliche Schwächung der Unterscheidungskraft der Klagemarke durch die Wettbewerbsprodukte nicht in Betracht:

(1) Ansatzweise ausreichend zum Benutzungsumfang der Drittzeichen hat die Beklagte nur hinsichtlich der Produkte „S4“, „N5“ und „Mr. U vorgetragen. Hinsichtlich sämtlicher weiterer Produkte mit Ausnahme derjenigen der Firma I2 GmbH beschränkt sich der Vortrag auf die Angabe, wo sie vertrieben werden, wobei fast ausschließlich Internetseiten angegeben werden. Daraus lässt sich indes nur entnehmen, dass die Produkte in Deutschland erhältlich sind, was den unter aa) genannten Anforderungen erkennbar nicht genügt. Bei den I2-Produkten lässt sich dem Vortrag zwar ein deutschlandweit mehr oder weniger flächendeckendes Angebot über die I2-Confiserien entnehmen, was aber mangels Angaben zu Umsätzen, Absatzmenge, Werbung etc. nicht ausreicht, um beurteilen zu können, ob die Benutzung des Drittzeichens in der Vergangenheit in einem Umfang erfolgt ist, der zu einer Gewöhnung des Verkehrs führen konnte.

Dass die Beklagte sich außerstande sieht, die für einen substanziierten Vortrag erforderlichen Informationen zu beschaffen, führt nicht zu einer Herabsetzung an der Anforderungen an ihren Vortrag. Schwierigkeiten, die Anforderungen an die Substanziierungslast zu erfüllen, sind dem Einwand der Schwächung des Klagezeichens durch die Benutzung von Drittzeichen immanent.

(2) Bei den Produkten „S4“, „N5“ und „Mr. U reicht der von den Beklagten vorgetragene Umfang der Benutzung nicht aus, um eine Gewöhnung des Verkehrs an die Benutzung der Quadratform für Tafelschokolade durch andere Unternehmen als die Klägerin anzunehmen.

Die Klägerin produziert nach eigenem Vortrag zwei Millionen Tafeln Schokolade pro Werktag, mithin etwa 480 Millionen Tafeln pro Jahr, „S4“, „N5“ und „Mr. U weisen nach dem Vortrag der Beklagten eine Jahresproduktion von insgesamt 17,2 Millionen Tafeln auf. Soweit die Beklagte den Vortrag der Klägerin zu ihrer Produktion mit Nichtwissen bestreitet, ist das unzulässig. Die Beklagte trägt selbst dezidiert zu den Marktanteilen der Parteien vor, anhand derer sie ohne Weiteres den Vortrag der Klägerin überprüfen kann, so dass es ihr verwehrt ist, ihn mit Nichtwissen zu bestreiten, auch wenn ihnen die exakten Produktionsmengen unbekannt sein mögen. Das gilt auch für das Bestreiten der Tatsache, dass es sich um die Produktion für den deutschen Markt handele. Im Übrigen führt der Vortrag der Beklagten zu den Marktanteilen der Parteien nicht zu wesentlich anderen Verhältnissen. So hat „S4“ ausweislich Anlage B 17 allein im September 2010 auf dem Markt für Tafelschokolade einen Marktanteil von 12,5% des Gesamtvolumens von fast 17.000 t gehabt, was über 2.100 t Ritter-Sport-Tafelschokolade in nur einem Monat gegenüber den gerade einmal 3,3 t Jahresabsatz von „S4“, „N5“ und „Mr. U entspricht.

Bedenkt man darüber hinaus, dass S4 nach dem nur im Detail voneinander abweichenden Vortrag beider Parteien bei Tafelschokolade einen Marktanteil von 15-18% hat, wird deutlich, dass die Auffassung, „S4“, „N5“ und „Mr. U, die noch dazu in der eher ungewöhnlichen Verpackungsgröße und 200 g vertrieben werden und nur die eher speziellen Sorten Kokos und Erdnuss abdecken, seien geeignet, die Kennzeichnungskraft der Klagemarke zu schwächen, abwegig ist.

e) In der Zusammenschau führen die unter a)-d) erörterten Umstände dazu, dass der Vertrieb der streitgegenständlichen Ausstattung die Unterscheidungskraft der Klagemarke beeinträchtigt. Er hat jedenfalls auf lange Sicht zur Konsequenz, dass der Zuordnungsgrad des Quadrats als Kennzeichen der Klägerin im Verkehr abnehmen wird, weil sich der Verkehr daran gewöhnen wird, dass auch andere namhafte Hersteller von Tafelschokoladen quadratische Verpackungen verwenden. Dies birgt letztlich auch die vom EuGH für erforderlich gehaltene ernsthafte Gefahr einer Änderung des wirtschaftlichen Verhaltens des Durchschnittsverbrauchers in sich (EuGH GRUR 2009, 56 „Intel“, Tz. 77).

5. Die Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft erfolgt in unlauterer Weise und ohne rechtfertigenden Grund. Das Vorliegen der Voraussetzungen eines der Eingriffstatbestände des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG impliziert die Unlauterkeit (Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 14, Rn. 1280). Rechtfertigungsgründe, die zugunsten der Beklagten zu 2) eingreifen könnten, sind nicht erkennbar.

II. Die Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz folgen aus §§ 14 Abs. 6, 19 MarkenG, 242 BGB. Der Vernichtungsanspruch ergibt sich aus § 18 Abs. 1 MarkenG. Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit der Vernichtung sind nicht erkennbar, zumal die Beklagte selbst vorträgt, dass es sich bei der angegriffenen Ausstattung um ein Aktionsprodukt handele, von dem nahezu keine Lagerbestände vorhanden seien.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 2.800.000 €






LG Köln:
Urteil v. 30.06.2011
Az: 31 O 478/10


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