Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 7. September 2010
Aktenzeichen: I-20 U 124/09

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 07.09.2010, Az.: I-20 U 124/09)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 19. Juni 2010 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A)

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Der Kläger wendet sich gegen zwei Anzeigenveröffentlichungen in der Zeitschrift "F." Nr. 44 vom 22.10.2008, die von der Beklagten verlegt wird. Er ist der Ansicht, die beiden beanstandeten Anzeigen ließen nicht erkennen, dass es sich um bezahlte Werbung handele, vielmehr erweckten sie den Eindruck redaktioneller Beiträge. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zur Unterlassung verurteilt und dem Kläger ferner seine vorgerichtlichen Kosten zuerkannt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung.

Die Beklagte macht geltend, das Landgericht habe schon den Kreis der Durchschnittsleser der streitgegenständlichen Zeitung nicht offen lassen dürfen. Sie rügt, das Landgericht habe fehlerhaft angenommen, hinsichtlich der Anzeige "Brottrunk" sei keine Bezugsquelle angegeben. Ein großer Textanteil sei ferner kein Hinweis auf einen redaktionellen Beitrag, denn es sei zulässig, Werbung auch redaktionell zu gestalten. Vielmehr spreche der große Textanteil hier für das Gegenteil, weil die Beiträge in der "F." vergleichsweise geringere Textanteile enthielten, woraus der Leser erkenne, dass es sich nicht um einen redaktionellen Beitrag handelt. Der Begriff "Promotion", mit dem die Anzeige überschrieben sei, werde in diesem Zusammenhang nicht missverstanden. Auf der Innenseite des Umschlags einer Illustrierten befinde sich stets Werbung, weshalb allein aus dieser Position der Anzeige zu erkennen sei, dass es sich um bezahlte Werbung handele. Auch die Anzeige "Pharma Nord" sei eindeutig als solche erkennbar. Auf der zweiten Seite der Werbung seien einzelne Produkte abgebildet. Zudem befinde sich die Anzeige nicht in dem "Gesundheitsteil" ihres klar gegliederten Heftes.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 19.06.2009 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Sachvortrages.

Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

B)

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsantrag findet das UWG in seiner seit dem 28.12.2008 geltenden Fassung Anwendung. Eine Wiederholungsgefahr wird jedoch nur durch solche Verletzungshandlungen begründet, die auch nach dem UWG in der zum jeweiligen Begehungszeitpunkt geltenden Fassung unzulässig waren. Diese ist auch für den Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten maßgeblich. Der hier in Rede stehende § 4 Nr. 3 UWG hat durch die Gesetzesnovelle inhaltlich keine Änderung erfahren. Das Verbot aus § 3 Abs. 3 i.V.m. Nr. 11 des Anhangs war infolge des Gebots richtlinienkonformer Auslegung bereits bei der Auslegung von § 4 Nr. 3 UWG a.F. zum hier fraglichen Handlungszeitpunkt zu beachten, so dass eine zeitlich differenzierende Prüfung nicht erforderlich ist.

Der Kläger hat gegen die Beklagte sowohl hinsichtlich der Anzeige "Brottrunk" als auch hinsichtlich der Anzeige "Pharma Nord" einen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, Abs. 2, § 4 Nr. 3 und § 3 Abs. 3 i.V.m. Nr. 11 des Anhangs UWG.

Nach § 3 Abs. 1 UWG sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer spürbar zu beeinträchtigen. Bei geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist dies nach § 3 Abs. 2 UWG jedenfalls dann der Fall, wenn sie nicht der fachlichen Sorgfalt entsprechen und geeignet sind, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich aufgrund von Informationen zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen. Nach § 3 Abs. 3 UWG sind die im Anhang des Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen stets unzulässig, also auch dann, wenn keine spürbare Beeinträchtigung zu besorgen ist. Nach § 4 Nr. 3 UWG handelt in diesem Sinne unlauter, wer den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert. Nach Nr. 11 des Anhangs ist der vom Unternehmer finanzierte Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt, stets eine unzulässige geschäftliche Handlung. Beide streitgegenständliche Anzeigen stellen sich danach als unzulässige geschäftliche Handlungen dar.

Eine relevante Täuschung im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG liegt stets dann vor, wenn dem Leser eine entgeltliche Anzeige als redaktioneller Beitrag präsentiert wird (Köhler in Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 28. Aufl., § 4 Rn. 3.21). In einem solchen Fall ist auch der Tatbestand des Nr. 11 der Anlage zu § 3 Abs. 3 UWG erfüllt, denn wenn dem Leser bezahlte Werbung als redaktioneller Beitrag gegenübertritt, liegt auch stets ein vom Unternehmer finanzierter Einsatz redaktioneller Inhalte zum Zwecke der Verkaufsförderung ohne Offenlegung vor.

Dass es sich bei beiden Beanstandungen um bezahlte Werbung handelt ist zwischen den Parteien nicht streitig. Streitig ist lediglich, ob der Durchschnittsleser der "F." den Werbecharakter verkennt, den Beitrag also als nichtredaktionell wahrnimmt, bzw. ob der Werbecharakter eindeutig erkennbar ist.

Dabei ist auf den Durchschnittsleser der Zeitung "F." abzustellen, was aber entgegen der Ansicht der Beklagten zu keiner Eingrenzung führt, denn die Zeitschrift "F." wendet sich an ein allgemeines Publikum. Zwar handelt es sich um eine "Frauenzeitschrift". Es ist aber schon zweifelhaft, ob zu den Lesern der Zeitung nicht auch Männer gehören. So begegnet man Zeitschriften wie denen der Beklagten an vielen Orten, zum Beispiel in Wartezimmern. Entscheidend ist aber, dass nicht ersichtlich ist, aus welchem Grunde das Geschlecht des Lesers die Erkennbarkeit einer Werbung beeinflussen könnte. Eine besondere Betrachtung ist erst bei solchen Publikationen angebracht, die sich an ein Fachpublikum wenden, denn dieses hat unter Umständen aufgrund seiner Sachkunde eine vom allgemeinen Publikum abweichende Wahrnehmung.

Wie die Kammer zu Recht bereits festgestellt hat, erweckt die Anzeige "Brottrunk" beim allgemeinen Publikum den Anschein eines redaktionellen Beitrages. Sowohl die optische Gestaltung durch mit Fotos aufgelockerten, in Spalten angeordneten Fließtext, als auch der Inhalt des Textes lassen den Werbecharakter nicht erkennen. Vielmehr wird der Anschein erweckt, ein Arzt schildere die Wirkungen und Vorteile des Brottrunks und sodann berichteten "Patienten" von den sensationellen Heilungserfolgen. Der Eindruck eines redaktionellen Beitrags muss insbesondere entstehen, weil der Leser an keiner Stelle erfährt, dass es sich um ein konkretes Produkt eines konkreten Herstellers handelt. Vielmehr wird er unter "Brottrunk" eine Warengattung verstehen.

Zu Recht ist die Kammer auch davon ausgegangen, dass ein großer Textanteil beim Betrachter eher den Eindruck eines redaktionellen Beitrages erweckt. Dies zeigt sich eindrucksvoll aus dem von der Beklagten als Anlage zum Schriftsatz vom 8.6.2009 vorgelegten Vergleichsmaterial (Bl.36 ff. GA): Einzig die hier beanstandete Werbung ist textdominiert, wie dies für redaktionelle Beiträge typisch ist. Die Textdominanz ist aber auch nicht derart groß, dass bei einem Vergleich mit der Restzeitschrift offenkundig wäre, dass es sich um etwas Anderes handelte. Immerhin weist auch die Anzeige nicht zu übersehende Bildelemente auf.

Bei einer so gestalteten Veröffentlichung sind an die Erkennbarkeit als Werbung strenge Anforderungen zu stellen. Dem wird die beanstandete Anzeige nicht gerecht.

Die Überschrift "Promotion" ist nicht sehr auffällig. Sie ist aber vor allem nicht eindeutig im Sinne eines Hinweises auf bezahlte Fremdwerbung, denn selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Durchschnittsleser diesen Hinweis richtig als "Förderung" versteht und zwar als Absatzförderung, lässt dies nicht erkennen, dass für diese "Promotion" Geld bezahlt wurde. Auch die Redaktion einer Zeitschrift kann sich nämlich entschließen, ein bestimmtes Produkt zu fördern bzw. zu "promoten", so dass der entgeltliche Charakter, der Werbecharakter, selbst bei richtigem Verständnis des Begriffs "Promotion" nicht eindeutig klar wird. Das vorliegende Heft der "F." zeigt für derart redaktionelle Promotionen eine Vielzahl von Beispielen. So findet sich z.B. auf Seite 37 ein Beitrag unter der Überschrift "So chic wie... Prinzessin Marie" in dem redaktionell verschiedene Modeartikel vorgestellt werden, wobei sogar - anders als bei der Anzeige "Brottrunk" - eine genaue Bezugsquelle (einschließlich Telefonnummer) und ein Preis neben der hervorgehobenen Produktabbildung mitgeteilt werden. Eine ähnliche Gestaltung (Produktabbildung, Bezugsquelle und Preis) findet sich auf der folgenden Doppelseite oder auch bei dem Artikel über Haarpflege (S. 40 f.). Eine "Promotion" durch die Redaktion ist dem Leser der "F." demnach selbst dann nicht fremd, wenn er den Begriff zutreffend als Verkaufsförderung versteht.

Den Schluss auf bezahlte Werbung begründet schließlich auch nicht ihr Platz, nämlich die Umschlagsinnenseite. Es mag zwar üblich sein, hier Werbung zu präsentieren. Dies schließt aber das Vorhandensein eines redaktionellen Beitrages an dieser Stelle keinesfalls aus. Ebenso, wie dem Verbraucher zum Teil Werbung an Orten begegnet, an denen er sie nicht erwartet (dem Titelblatt zum Beispiel), kann ihm an dieser Stelle auch ein redaktioneller Inhalt begegnen.

Gleiches gilt im Ergebnis für die Anzeige "Pharma Nord". Sie ist gar nicht als Anzeige gekennzeichnet. Die Veröffentlichung erweckt den Eindruck eines redaktionellen Beitrages. Das gilt insbesondere dann, wenn man mit der Beklagten davon ausgeht, dass der Beitrag in der "richtigen" Reihenfolge wahrgenommen wird, also wenn man ihn von links nach rechts liest. Die gesamte linke Seite enthält weder einen Produkthinweis, noch unterscheidet sie sich in irgendeiner Form von den in der Zeitschrift der Beklagten üblichen Beiträgen (großes Bild als Aufmacher, darunter mehrspaltiger Text). Zwar werden dann auf der rechten Seite drei konkrete Produkte präsentiert, dies lässt aber den zuvor entstandenen Eindruck eines redaktionellen Beitrages nicht entfallen. Die Gestaltung unterscheidet sich nämlich nicht wesentlich von den oben bereits zitierten Beiträgen "So chic wie Prinzessin Marie" und "Diese Herbstmode macht so richtig Spaß!" in der gleichen Ausgabe. Auch in diesen Beiträgen finden sich ganz typische Produktabbildungen und Produktbeschreibungen in einen redaktionellen Beitrag eingebettet. Optisch an Produktabbildungen erinnert wird der Leser auch bei den angegebenen Kochrezepten und dem Beitrag "Inhalieren macht den Kopf frei" auf Seite 56 f.

Von vornherein ist die Berufung der Beklagten auf eine angeblich bestehende klare Rubrizierung in allen Ausgaben der Zeitschrift. Denn sie wäre allenfalls Stammlesern vertraut. Es ist aber nicht vorauszusetzten, dass die Zeitschrift der Beklagten sich ausschließlich an langjährige Stammleser wendet, denn sie wird in nicht unerheblichen Umfang über den Zeitschriftenhandel verbreitet.

Der Kläger hat darüber hinaus nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG einen Anspruch auf Erstattung der - der Höhe nach unstreitigen - Abmahnkosten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Es besteht kein begründeter Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Streitwert: 20.000,00 € (entsprechend der von den Parteien nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung)






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 07.09.2010
Az: I-20 U 124/09


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