Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. April 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 255/03
(BPatG: Beschluss v. 26.04.2005, Az.: 27 W (pat) 255/03)
Tenor
Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 09. Oktober 2002 und vom 01. Juli 2003 aufgehoben.
Gründe
I Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit zwei Beschlüssen vom 9. Oktober 2002 und 1. Juli 2003, von denen einer im Erinnerungsverfahren erging, die für
"Computersoftware, insbesondere Computersoftware mit einer Infrastruktur, auf der Anwendungen beruhen, und Computersoftware für Anwendungs-Entwicklung, Datenmanagement und Datenzugriff für allgemeine Geschäftszwecke; Computerhardware, soweit in Klasse 9 enthalten; Herausgabe von Texten (ausgenommen Werbetexten), Veröffentlichung von Büchern, auch in elektronischer Form; Organisation und Veranstaltung von Symposien, Kongressen und Seminaren; Computer Based Training; Entwicklung von Computerprogrammen; Computersoftware-Beratungsdienstleistungen"
zur Eintragung in das Register angemeldete Bezeichnung ADVANTAGE als nicht unterscheidungskräftige Angabe nach den §§ 37, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, das Markenwort "ADVANTAGE" sei den inländischen Verkehrskreisen nicht nur als Wort des englischen Grundwortschatzes, sondern auch als ein bereits in die deutsche Sprache eingegangener Begriff im Sinne von "Vorteil, Gewinn" allgemein geläufig; mit dieser Bedeutung habe es nicht nur Eingang in die Alltags- und Geschäftswelt gefunden habe, sondern sei auch ein Basisbegriff des Geschäfts- und Wirtschaftslebens sowie der Werbung. In dieser üblichen Bedeutung werde das Wort "ADVANTAGE" daher von den angesprochenen Verkehrskreisen stets nur als solches, nicht aber als Herkunftshinweis aufgefasst. Hierfür spreche auch, dass die hardware- und softwaretechnischen Möglichkeiten der modernen Datenverarbeitung einen Vorteil und Nutzen für die Optimierung von Geschäftsabläufen, Verwaltungsaufgaben und auch für private Zwecke ermöglichen sollten. Die Anmeldemarke sei daher mangels Unterscheidungskraft nicht schutzfähig.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse, hilfsweise die Zulassung der Rechtsbeschwerde begehrt. Sie hält die angemeldete Bezeichnung für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ebenso wie "Bonus", "Logo", "Absolut" und "Bravo", die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schutzfähig seien, für unterscheidungskräftig. Auch könne die Schutzfähigkeit eines Wortes nicht schon daran scheitern, dass sich dieses in einem Lexikon oder Wörterbuch finde. Es treffe auch nicht zu, dass das Wort "ADVANTAGE" ein Basisbegriff des Geschäfts- und Wirtschaftslebens sei. Soweit die Markenstelle ausgeführt habe, bei der Anmeldemarke handele es sich um ein "Wort als solches", stelle dies nur eine Worthülse dar. Auch an der früheren Ansicht, derzufolge das Wort "ADVANTAGE" generell nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nicht schutzfähig sei, könne nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht festgehalten werden. Schließlich spreche für die Schutzfähigkeit auch die Eintragung der Anmeldemarke in zahlreichen Ländern.
II Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Senat vermag der Ansicht der Markenstelle, dass der Eintragung der Anmeldemarke das absolute Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegenstehe, nicht beizutreten.
Allerdings geht die Markenstelle im rechtlichen Ansatz entgegen der Auffassung der Anmelderin zutreffend davon aus, dass ein Markenwort auch dann nicht schutzfähig ist, wenn es zwar die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibt, aber von den angesprochenen Verkehrskreisen nur als "Wort als solches" und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst wird. Dies hat der Bundesgerichtshof in zahlreichen Entscheidungen stets betont (vgl. BGH, WRP 1998, 495, 496 - Today; GRUR 1999, 1089, 1091 - YES; GRUR 1999, 1093, 1094 - FOR YOU; GRUR 2001, 162, 163 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; WRP 2002, 1073, 1075 - BONUS II). Diese Rechtsgrundsätze stimmen auch mit neueren Entscheidungen des EuGH (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 608 [Rz. 62] m.w.N. - Libertel) überein, dessen Auslegung des Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG für § 8 MarkenG, der diese europarechtliche Norm ins deutsche Recht umsetzt, maßgeblich ist. Danach ist für die Frage, ob einer Kennzeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft zukommt, entscheidend, welche Bedeutung die angesprochenen Verkehrskreise - bei denen es sich vorliegend wegen der Art der beanspruchten Waren und Dienstleistungen um zumindest fachlich stark interessierte und orientierte Laien handelt - ihr in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen beilegen werden. Sehen sie das Zeichen als allgemeine Information über die beanspruchten Waren und Dienstleistungen an, worunter u.a. nicht nur beschreibende Angaben, sondern auch in bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen gebräuchliche Werbeanpreisungen gehören, ist die Unterscheidungskraft - unabhängig davon, ob die Vorstellungen des Verkehr zutreffen oder zutreffen können - zu verneinen; können sie ihm demgegenüber keinerlei Information über die Waren oder Dienstleistungen entnehmen, werden sie es als betrieblichen Herkunftshinweis und damit als Marke auffassen. Bei werbemäßigen Aussagen hat der Bundesgerichtshof dabei im wesentlichen darauf abgestellt, ob sie sich in beschreibenden Angaben oder Anpreisungen allgemeiner Art erschöpfen (vgl. BGH MarkenR 2000, 262, 263 - Unter uns; WRP 2000, 298, 299 - Radio von hier; WRP 2000, 300, 301 - Partner with the best; GRUR 2001, 1047, 1048 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 - "Test it."; GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft). Auch wenn sich Identifizierungsfunktion und Werbewirkung nicht gegenseitig ausschließen (vgl. BGH, a.a.O. - Unter Uns, unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung), können allein die Werbeeignung oder -wirksamkeit die Fähigkeit einer Kennzeichnung zum betrieblichen Herkunftshinweis nicht begründen.
Nach diesen Grundsätzen kann der vorliegend zu betrachtenden Anmeldemarke die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft allerdings entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht abgesprochen werden. Einen warenbeschreibenden Sinn lässt sich der Anmeldemarke, wie auch die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, in bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht entnehmen. Die Auffassung der Markenstelle, bei der Anmeldemarke handele es sich aber um ein gebräuchliches Werbeschlagwort, das der Verkehr nur als solches und nicht als Herkunftshinweis ansieht, vermag der Senat nicht zu teilen.
Für die allein maßgebliche Frage, ob der Verkehr eine Wortmarke als Herkunftshinweis ansieht, kommt es dabei - wie die Anmelderin zurecht geltend macht - auf den Eintrag in einem Wörterbuch nicht an; denn für das Verständnis des Verkehrs spielt ein solcher Umstand genauso wenig eine Rolle wie umgekehrt wie umgekehrt aus dem Fehlen eines lexikalischen Nachweises eine Schutzfähigkeit nicht herleiten lässt (vgl. BGH WRP 2002, 982, 984 - FRÜHSTÜCKS-DRINK I).
Der Annahme der Markenstelle, der Verkehr verstehe die Anmeldemarke nicht als Herkunftshinweis, steht aber entgegen, dass sich - was allerdings die erforderliche Unterscheidungskraft entfallen ließ - eine Verwendung oder Eignung des angemeldeten Begriffs "ADVANTAGE" in Alleinstellung als Werbeschlagwort allgemeiner Art nicht feststellen lässt (vgl. hierzu auch BPatG 30 W (pat) 130/01, veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM, hinsichtlich Sonnenbrillen und Brillenfassungen). Zwar wird dieser Begriff, wie eine Internet-Recherche des Senats ergab, allein im deutschsprachigen Web in Zusammenhang mit Waren und Tätigkeiten der elektronischen Datenverarbeitung etwa 18.000 Mal verwendet; eine Stichprobe ergab aber, dass es sich hierbei zu einem Großteil um marken- oder firmenmäßige Nennungen dieses Wortes handelt. Ungeachtet vom konkreten Waren- und Dienstleistungsektor wird es zwar auch häufig in Werbesprüchen wie "take advantage of the internet" (vgl. http://www.wblicum.de/de/frames/menuec.php3), "We turn security into a competitive advantage" (vgl. http://www.atsec.com/01/index.php), "The Saab Advantage" (vgl. www.saabaircraftleasing.com) oder - für Baumaschinen - "PRODUCITIVITY THE TEREX ADVANTAGE" (vgl. EMI, Buyer«s Guide 2004) gebraucht; in keinem dieser Verwendungsbeispiele ist aber erkennbar, dass der Begriff in Alleinstellung zur Werbeanpreisung von Waren und Dienstleistungen benutzt würde, vielmehr ist es üblich und wohl auch erforderlich, den Begriff stets in einen Wort- oder Satzzusammenhang zu stellen, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass der Erwerber mit den beworbenen Waren oder Tätigkeiten sich einen Vorteil verschaffen kann oder sie ihm gegenüber anderen Produkten oder angebotenen Tätigkeiten einen Vorteil bieten. Hiergegen spricht im übrigen auch, dass es sich in den Fällen, in denen der Begriff "ADVANTAGE" in Alleinstellung auftaucht, durchweg um marken- oder firmenmäßige Verwendungen handelt. Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass es sich bei "ADVANTAGE" um eine in der deutschen Geschäfts- und Handelssprache gebräuchliche allgemeine Angabe handelt.
Nach diesen Feststellungen ist daher davon auszugehen, dass der Verkehr, soweit er dem Begriff "ADVANTAGE" in Alleinstellung, also nicht als Bestandteil einer Wortkombination oder gar eines Satzes, begegnet, hierin kein Werbeschlagwort allgemeiner Art, sondern einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der mit ihm gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen erblicken wird.
Hierfür spricht schließlich auch als Indiz, dass es sowohl im nationalen als auch im Gemeinschaftsmarkenregister auf dem hier in Rede stehenden, aber auch auf anderen Warensektoren zahlreiche Voreintragungen mit dem Wort "ADVANTAGE" in Alleinstellung gibt.
Da sich somit nicht feststellen lässt, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Anmeldemarke stets nur als Werbeaussage allgemeiner Art ohne jeden Hinweis auf die Herkunft der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen ansehen werden, waren auf die Beschwerde der Anmelderin die ihr die Eintragung versagenden Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.
Dr. van Raden Richterin Prietzel-Funk ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhindert Dr. van Raden Schwarz Na
BPatG:
Beschluss v. 26.04.2005
Az: 27 W (pat) 255/03
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