Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 11. November 1994
Aktenzeichen: 6 U 171/93
(OLG Köln: Urteil v. 11.11.1994, Az.: 6 U 171/93)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8. Juni 1993 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 269/92 - teilweise abgeändert. Das mit der Klage verfolgte Unterlassungsbegehren des Klägers wird abgewiesen. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger 99 % und die Beklagte 1 %. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beschwer des Klägers: DM 40.000,00. Beschwer der Beklagten: DM 399,00.
Gründe
E n t s c h e i d u n g s g r ü n
d e
Die Berufung der Beklagten ist zulässig
und bis auf das Zahlungsverlangen des Klägers auch begründet.
Der Kläger begehrt von der Beklagten
ohne Erfolg, in der an den Endverbraucher gerichteten Werbung wie
in der am 01.04.1992 im E. W. erschienenen Anzeige Mietangebote
anzukündigen, wenn Mietverträge mit Interessenten, die keine
Verdienstbescheinigung vorlegen können, ungeachtet anderer
Bonitätsnachweise nicht abgeschlossen werden.
Zwar bestehen keine Bedenken gegenüber
der Zulässigkeit dieses Klageverlangens, auch nicht im Hinblick
auf die Klagebefugnis des Klägers gemäß § 13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG.
Daß dem Kläger eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehört,
die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art
auf demselben Markt wie die Beklagte vertreiben und der Kläger nach
seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung
imstande ist, seine satzungsgemäßen Aufgaben der Verfolgung
gewerblicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen, ist unter den
Parteien unstreitig.
Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2
Ziffer 2 UWG sind aber auch im übrigen erfüllt, denn die
Unterlassungsklage betrifft eine Handlung, welche geeignet ist,
den Wettbewerb auf dem streitgegenständlichen Markt wesentlich zu
beeinträchtigen. Der Kläger beanstandet ein Wettbewerbsverhalten,
welches sowohl gemäß § 3 UWG als auch gemäß § 1 UWG unzulässig
wäre, wenn die Beklagte in der ihr zur Last gelegten Weise
verfahren würde. Mit der Werbeanzeige vom 01.04.1992 offeriert die
Beklagte gegenüber sämtlichen Verbrauchern die Möglichkeit, unter
anderem einen Videorekorder G. zu einem monatlichen Betrag von DM
11,00 zu mieten. Angesichts dieses niedrigen Mietpreises handelt
es sich dabei um eine Werbung mit einem erheblichen Anlockeffekt
gerade gegenüber solchen Kunden, die vielleicht nicht in der Lage
sind, den Kaufpreis für ein derartiges Gerät auf einmal zu
entrichten, aber ohne weiteres die geringen monatlichen Mietbeträge
- über die in der Anzeige ausgewiesenen Mietdauer - können, sowie
an solche Interessenten, die wegen des Ankaufs eines derartigen
Geräts nicht auf ihr Erspartes zurückgreifen wollen. Verlangt
jedoch die Beklagte, wie vom Kläger behauptet, von jedem
Interessenten ungeachtet der Möglichkeit, die Bonität in anderer
Weise nachzuweisen, die Vorlage einer Verdienstbescheinigung,
werden potentielle Kunden wie Schüler, Studenten und Hausfrauen,
die häufig über keine regelmäßigen Einkünfte verfügen, aus dem
Kundenkreis ausgeschlossen, ohne daß dies der beanstandeten
Werbeanzeige ausdrücklich oder konkludent zu entnehmen ist. Diese
Interessenten würden danach durch die Anzeige in irreführender
Weise in das Ladenlokal der Beklagten gelockt mit der sich daraus
für die Beklagte ergebenden Chance, diese Kunden, die in das
Geschäft gekommen sind, um ein Videogerät zu mieten und mit nach
Hause zu nehmen, zum Kauf eines derartigen Gerätes, z. B. durch
Wahrnehmung eines Sonderangebots, zu veranlassen.
Das beanstandete Wettbewerbsverhalten
beinhaltet somit nicht nur eine Irreführung des Verkehrs, sondern
ist zugleich auch geeignet, dem Werbenden beachtliche
Wettbewerbsvorteile vor seinen Konkurenten zu verschaffen, die
nicht in dieser irreführenden Weise Kunden in ihr Ladenlokal
locken. Damit werden durch dieses Wettbewerbsverhalten Interessen
der Allgemeinheit in erheblichen Maße betroffen (vgl. dazu die
Begründung zum Regierungsentwurf zur neuen Fassung des § 13 Abs. 2
S. 2 UWG, WRP 1994/977, 378), so daß mit der vom Kläger geltend
gemachten Wettbewerbshandlung eine wesentliche Beeinträchtigung des
streitgegenständlichen Marktes im Sinne von § 13 Abs. 2 Ziffer 2
UWG verbunden ist.
Das Unterlassungsbegehren des Klägers
ist jedoch nicht begründet.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
ist nicht erwiesen, daß die Beklagte in der Vergangenheit in der
mit der Klage beanstandeten Weise gehandelt hat, so daß eine
Wiederholungsgefahr nicht gegeben ist. Es liegen aber auch keine
Umstände vor, die zumindest eine Erstbegehungsgefahr für
derartiges Wettbewerbsverhalten der Beklagten begründen.
Der Zeuge W., der nach Behauptung des
Klägers sowie nach den Angaben des Zeugen in dessen eidestattlichen
Versicherung vom 13.04.1992 im Auftrag des Klägers das Ladenlokal
der Beklagten am 03.04.1992 und 06.04.1992 aufgesucht hatte, konnte
sich bei seiner Vernehmung durch den Senat an den Ablauf und den
Inhalt des bei dieser Gelegenheit mit dem Verkäufer der Beklagten
geführten Gespräche nicht mehr erinnern. Er vermochte vielmehr
zunächst nur zu sagen, daß er das Lokal der Beklagten im Auftrag
des Klägers zweimal aufgesucht hat, um dort ein von der Beklagten
beworbenes Gerät zu mieten, und daß er beide Male mit dem Zeugen A.
gesprochen habe. Darüber hinaus hat der Zeuge W. bekundet, der
Zeuge A. habe nach einer Verdienstbescheinigung gefragt. In
welchem konkreten Zusammenhang dies geschehen ist und ob dabei auch
von anderen Möglichkeiten des Verdienstnachweises gesprochen wurde,
konnte der Zeuge W. bei seiner Vernehmung durch den Senat nicht
sagen, auch nicht nach Vorhalt seiner eidesstattlichen
Versicherung vom 13.04.1992. Ebensowenig vermochte sich der Zeuge
W. daran zu erinnern, warum er die Beklagte ein zweites Mal
aufgesucht hat. Der Zeuge hat sich vielmehr lediglich allgemein auf
den Inhalt der ihm vorgehaltenen eidesstattlichen Versicherung
bezogen, und hierzu erklärt, wenn der fragliche Ablauf seiner
beiden Besuche bei der Beklagten dort so geschildert sei, dann sei
dies richtig. Schließlich hat der Zeuge auf die ihm danach durch
den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten gestellten Frage, warum
der Zeuge A. bei einem Gerät mit einem monatlichem Mietpreis von DM
11,00 eine Verdienstbescheinigung gefordert habe, erklärt, es sei
ihm damals auch "aufgestoßen", daß eine Kaution verlangt worden
sei, und, angesichts der "Minipreise" für die Miete, noch eine
Verdienstbescheingung; der Zeuge A. habe dies jedenfalls
verlangt.
Diese Bekundungen des Zeugen W. bieten
keine ausreichende Grundlage, um danach den Sachvortrag des
Klägers zum Inhalt und Verlauf der beiden Gespräche des Zeugen W.
mit dem Zeugen A. vom 03.04. und 06.04.1992 als bewiesen anzusehen.
Es ist zwar nachvollziehbar, daß sich ein Zeuge allenfalls
bruchstückhaft an einen ca. 2 1/4 Jahre zurückliegenden Vorgang
erinnert, und es begegnet grundsätzlich keinen Bedenken, wenn sich
der Zeuge deshalb im wesentlichen auf seine früheren, dem
fraglichen Geschehen zeitlich näher liegenden - Erklä-rungen
bezieht. Im Streitfall geben aber auch diese früheren Erklärungen
des Zeugen W. Anlaß zu weiterer Aufklärung des Sachverhalts und
damit zu weiteren Fragen an den Zeugen W., die dieser jedoch
mangels Erinnerung an das konkrete Geschehen bei seiner Vernehmung
durch den Senat nicht beantworten konnte. Beide Parteien stimmen
darin überein, daß die Gruppe der Schüler, Studenten und
Hausfrauen, die durch das vom Kläger behauptete
Wettbewerbsverhalten der Beklagten als Kunden weitgehend
ausgeschlossen werden, weil sie häufig mangels regelmäßigen
Einkommens keine Verdienstbescheinigung vorlegen können, einen
wichtigen Abnehmerkreis darstellen. Nach den Angaben des Zeugen W.
in dessen eidesstattlicher Versicherung hat jedoch der Zeuge A.
schon bei dem ersten Besuch des Zeugen W. im Ladenlokal der
Beklagten zu einem Zeitpunkt, als der Zeuge W. noch nichts davon
gesagt hat, daß er Student sei und eine Verdienstbescheinigung
nicht vorlegen könne, neben der Lohnbescheinigung noch eine Kaution
von DM 396,00 als Voraussetzung für die Wahrnehmung des beworbenen
Mietangebots verlangt. Die Forderung einer derartigen Kaution
angesichts des vorher bei dem Gesprächs genannten Kaufpreises von
DM 598,00 für das Gerät ist wirtschaftlich nicht erklärbar. Eine
derartige Praxis würde dazu führen, daß letztlich ein Großteil
aller Interessenten von dem Mietangebot Abstand nehmen wird, wenn
er ungeachtet der monatlichen Raten noch eine Kaution hinterlegen
muß, die mehr als 60 % des Kaufpreises entspricht. Eine derartige
Handlungsweise der Beklagten wäre daher bei wirtschaftlicher
Betrachtungsweise nur nachvollziehbar, wenn die Beklagte letztlich
nicht an der Durchführung des beworbenen Mietgeschäfts
interessiert wäre; an derartigen Anhaltspunkten fehlt es
jedoch.
Wenn aber der Zeuge W. dennoch in
seiner eidesstattlichen Versicherung bei beiden Besuchen erklärt,
daß der Zeuge A. neben der Verdienstbescheinigung noch die
Hinterlegung der Kaution von DM 396,00 als Voraussetzung für die
Wahrnehmung des Mietangebots genannt habe, begründet dies Zweifel,
ob sich die beiden Gespräche der Zeugen tatsächlich in der in der
eidesstattlichen Versicherung beschriebenen Weise abgespielt haben
bzw. ob es nicht vielleicht aufgrund sonstiger, sich nicht aus der
eidesstattlichen Versicherung ergebender Umstände für den Zeugen A.
besondere - möglicherweise zu billigende - Gründe gegeben hat, im
konkreten Fall gegenüber dem Zeugen W. die Hürden für den Abschluß
eines Mietvertrags so hoch zu setzen, wie vom Zeugen W. in dessen
eidesstattlicher Versicherung angeführt. Es hätte deshalb näherer
Angaben des Zeugen W. zum konkreten Ablauf und zum Gesprächsinhalt
seiner beiden Besuche im Ladenlokal der Beklagten vom 03.04. und
06.04.1992 bedurft, um diese Zweifel zu beseitigen und das
Verhalten des Zeugen A. ausreichend beurteilen zu können.
Näheren Aufschluß über den genauen
Inhalt und den Ablauf der beiden Gespräche der Zeugen W. und A.
geben aber auch nicht die erstinstanzlichen Bekundungen des Zeugen
W.. Die Protokollierung der Aussage des Zeugen durch das
Landgericht zu diesen Punkten beschränkt sich auf die Angabe, daß
der Zeuge W. die Verkaufsgespräche mit dem Zeugen A. im
Zusammenhang geschildert und nach Verlesung der eidesstattlichen
Versicherung des Zeugen vom 13.04.1992 erklärt habe, der Inhalt
dieser eidesstattlichen Versicherung entspreche seiner soeben
wiedergegebenen mündlichen Schilderung und dem tatsächlichen
Verlauf der Verkaufsgespräche. Schließlich enthalten auch die
Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil keine
weiteren Details zu der erstinstanzlichen Darstellung des Zeugen
W..
Danach mag es zwar durchaus so gewesen
sein, daß sich der Zeuge A. am 03.04. und 06.04.1992 gegenüber dem
Zeugen W. in der in der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen W.
geschilderten Weise verhalten und die Beklagte deshalb gegen § 1
UWG und § 3 UWG verstoßen hat. Dafür könnte auch die Bekundung des
Zeugen W. vor dem Landgericht sprechen, wonach der Zeuge A. bei
keinem der beiden Gespräche ein Formular zur Selbstauskunft
vorgelegt und auch eine Selbstauskunft nicht von sich aus zur
Sprache gebracht hat. Es bleiben aber die aufgezeigten Zweifel
gegenüber der Richtigkeit bzw. Vollständigkeit der Angaben des
Zeugen W. in dessen eidesstattlichen Versicherung, so daß ein
Verstoß der Beklagten, wie ihr vom Kläger mit dem
Unterlassungsbegehren zur Last gelegt, nicht bewiesen ist.
Die Werbeanzeigen der Beklagten in dem
K. W. vom 22.07.1992, 05.08.1992 und 16.09.1992 führen zu keiner
anderen Beurteilung. Zwar enthalten diese Anzeigen den Hinweis
"Bitte Verdienstbescheinigung mitbringen!". Diese Hinweise lassen
sich aber ohne weiteres daraus erklären, daß die fraglichen
Anzeigen nach der Verkündung des Urteils des Landgerichts im
einstweiligen Verfügungsverfahren geschaltet worden sind und die
Beklagte ersichtlich darum bemüht war, durch die genannten
Hinweise, den Anforderungen des Landgerichts in dem erwähnten
Urteil nachzukommen und Ordnungsmittelverfahren zu vermeiden.
Schließlich läßt sich ebenfalls dem
Vorbringen der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der
Beklagten nicht hinreichend entnehmen, daß sich die Beklagte
tatsächlich so verhält oder jedenfalls so in der Vergangenheit
verhalten hat, wie von dem Zeugen W. in dessen eidesstattlichen
Versicherung vom 13.04.1992 geschildert. Zwar ist der Vortrag der
erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten insoweit
nicht immer ausreichend deutlich bzw. könnte bei Hinzutreten
weiterer Umstände durchaus Anlaß für die Schlußfolgerung geben,
daß die Beklagte in der ihr vom Kläger zur Last gelegten Weise beim
Abschluß der Mietverträge verfährt. Für sich genommen reichen diese
Angaben in der ersten Instanz, noch dazu angesichts der
Klarstellung durch den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigte der
Beklagten aber nicht aus, um danach davon auszugehen, daß die
Beklagte in der vom Kläger geltend gemachten Weise am 03.04.1992
und 06.04.1992 gegen §§ 1, 3 UWG versto-ßen hat.
Da es aber auch an entsprechenden
Anhaltspunkten für die Annahme einer Erstbegehungsgefahr fehlt, war
somit das Unterlassungsbegehren als unbegründet abzuweisen.
Die Berufung der Beklagten bleibt
jedoch erfolglos, soweit sie sich gegen die Zahlungsklage des
Klägers in Höhe von insgesamt DM 399,00 wendet. Wie bereits
zutreffend vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung
ausgeführt, ergeben sich die Zahlungsansprüche des Klägers in
diesem Umfang schon aus den Erklärungen der Beklagten vom
09.04.1992 und vom 15.04.1992 (Eingang beim Kläger), in denen sich
die Beklagte gegenüber dem Kläger jeweils zur Zahlung von DM 199,50
verpflichtet hat. Umstände, die zu einer abweichenden Beurteilung
dieser Erklärungen der Beklagten führen könnten, sind dem
Berufungsvorbringen der Beklagten nicht zu entnehmen.
Der Anspruch des Klägers auf Verzinsung
der DM 399,00 ist, wie ebenfalls bereits vom Landgericht zutreffend
ausgeführt, aus den §§ 284, 288, 299 BGB gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92
Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Die übrigen Nebenentscheidungen ergehen
gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Wert der Beschwer der Parteien war
gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen und entspricht dem Wert des
jeweiligen Unterliegens der Parteien im Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 11.11.1994
Az: 6 U 171/93
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