Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Juli 2000
Aktenzeichen: 29 W (pat) 183/99
(BPatG: Beschluss v. 26.07.2000, Az.: 29 W (pat) 183/99)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Mai 1999 aufgehoben.
Gründe
I.
Angemeldet ist die Markesiehe Abb. 1 am Endezur Kennzeichnung von "Dienstleistungen einer Werbeagentur; Dienstleistungen einer Designerin mit dem Schwerpunkt Kommunikationsberatung für Unternehmen".
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft mit der Begründung zurückgewiesen, die Wortfolge der Marke werde vom Verkehr als "Netzwerk(e)" verstanden. Die Dienstleistungen der Marke seien als Kommunikationsberatung insofern für das Netzwerk im allgemeinen - und offenbar für das Internet im besonderen - geeignet, bestimmt und würden darüber auch erbracht. Diese Anschauung der angesprochenen Fachverkehrskreise werde dadurch bekräftigt, daß Kommunikation und Werbung für "das Netzwerk" schon aus dem Internet her geläufig seien; die Wortfolge der Marke sei eine unmittelbar die Beschaffenheit und Eignung der Dienstleistungen beschreibende Angabe. Der Marke könne auch nicht die weitere Bedeutung "das Netz arbeitet" beigelegt werden, denn "Netzwerk" sei im Deutschen bekannt, die beanspruchten Dienstleistungen seien netzwerkgerichtet und netzwerktauglich und deshalb habe der Singular "Netzwerk" Bedeutungsvorrang. Die schriftbildliche Gestaltung trage nichts bei. Bei dieser Sachlage könne die Frage eines Freihaltebedürfnisses dahingestellt bleiben.
Mit ihrer dagegen gerichteten Beschwerde macht die Anmelderin u.a. geltend, die Marke habe keine besondere beschreibende Bedeutung. Die Interpretation der Markenstelle erfordere erhebliche Gedankengänge, um die Marke mit dem Internet und dann noch mit der Kommunikationsberatung im Internet in Verbindung zu bringen. Mit diesem hätten Werbe-Dienstleistungen und Design im Ansatz ohnehin nichts zu tun, allenfalls untergeordnet mit der Gestaltung von Werbemitteln im Internet, etwa einer Homepage. Die Markenstelle verwechsele die Arbeit eines Computerspezialisten im Internet mit den Dienstleistungen einer Werbeagentur und Designerin, selbst wenn es im Schwerpunkt um Kommunikationsberatung für Unternehmen gehe. Letztlich ergäben sich auch verschiedene Bedeutungen der Marke, sie werde nicht selbsterklärend nur in der Bedeutung von "Netzwerke" erkannt, sondern auch als "das Netz werkt (arbeitet)". Die besondere optische Gestaltung wirke sich ebenfalls unterscheidend aus.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, und sie hat auch in der Sache Erfolg. Denn für die angemeldete Marke läßt sich weder ein Freihaltebedürfnis noch das Fehlen der erforderlichen Unterscheidungskraft feststellen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 und 1 MarkenG).
Der Senat konnte weder lexikalisch noch anhand einer Internet-Recherche feststellen, daß die Marke gegenwärtig für die beanspruchten Dienstleistungen eine sachbeschreibende, freihaltebedürftige Bedeutung hat und für sie beschreibend verwendet wird. Aber auch Anhaltspunkte dafür, daß Dritte künftig ein legitimes Interesse an der hervorgehobenen werblichen Verwendung der angemeldeten Marke für diese Dienstleistungen haben könnten, sind nicht ersichtlich. Die für ein solches potentielles Freihaltebedürfnisses geltenden strengen Anforderungen (BGH GRUR 1990, 517, 518 "SMARTWARE"; 1992, 515, 516 "VAMOS") sind vorliegend nicht erfüllt. Die Marke wendet sich aufgrund ihrer speziellen Dienstleistungen ausschließlich an Marketing-Fachleute von Unternehmen, die sich ohne weiteres auch der englischen Sprache bedienen. Diesen offenbart die Marke sprachspielerisch irritierend zwanglos zwei unterschiedliche Bedeutungen, nämlich "die Netzwerke" und "das Netz arbeitet/funktioniert". Beide Bedeutungen stehen nach Art eines Homonyms gleichwertig nebeneinander, wozu zum einen die typographische Hervorhebung der einzelnen Elemente der Wortfolge durch je eine Versalie beiträgt und zum anderen die Tatsache, daß beide Bedeutungen gleichermaßen von einer naheliegenden sachbeschreibenden Aussage über die Dienstleistungen der Marke entfernt sind.
Die eine Bedeutung ("die Netzwerke") bleibt für die Dienstleistungen einer Werbeagentur unscharf, weil Vernetzungen dort in der Regel kein relevanter Gesichtspunkt sind und im Übrigen offen bleibt, ob eine solche Agentur selbst "Netzwerke" darstellt oder in Netzwerke eingebunden ist, sie nur repräsentiert. Auch ein Bezug zum Internet geht fehl, weil das Internet heute in der Umgangssprache häufig mit "the Net" im Singular abgekürzt wird (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 6, 1999, zum Stichwort "Netiquette"), jedoch nicht wie in der Marke mit "the Networks", dessen Plural eher auf andere Netze wie z.B. Intranets, Funknetze, als gerade das Internet, schließen läßt. Eine konkrete Sachaussage fehlt aber auch bezüglich der weiteren Dienstleistung der Marke, die ersichtlich in der Beratung von Unternehmen bei der Kommunikation mit optisch wahrnehmbaren und in dieser Weise besonders gestalteten Mitteln besteht (wenn "Dienstleistungen einer Designerin" herkömmlich und naheliegend auf diese optische Gestaltung bezogen wird). Um hier zu einer brauchbaren Sachaussage im Zusammenhang mit "Netzwerken" zu gelangen, müßte der Verkehr nicht nur die Wendung "die Netzwerke" ebenfalls sprachunüblich als "das Internet" interpretieren. Er müßte ferner die sehr umfassende Dienstleistungsangabe "Kommunikation von Unternehmen", die im Designbereich vorrangig sämtliche Aspekte der optisch wahrnehmbaren "Corporate Identity" umfassen kann, inhaltlich äußerst verengen auf den Werbeauftritt im Internet. Erst mit Hilfe mehrerer solcher stark interpretierender und daher nicht naheliegender Überlegungen ließe sich ein sachbeschreibender Zusammenhang der Marke z.B. zu "Homepage-Gestaltung" herstellen.
Für die zweite Interpretationsmöglichkeit der Marke, nämlich "das Netz arbeitet/funktioniert" (zu "to work" s. z.B. Langenscheidt, Handwörterbuch Englisch, 1988), liegt es zwar nahe, im hier angesprochenen Dienstleistungsbereich diese Aussage heute gleichzusetzen mit "das Kommunikationsnetz/Internet arbeitet/funktioniert". Dies bleibt jedoch ebenfalls unkonkret. Es handelt sich dabei um eine sachliche Feststellung über ein solches Netz, was durch den in der Marke enthaltenen Endpunkt betont wird, der diese Mitteilung zu einem in sich abgeschlossenen Satz macht. Die beiden Dienstleistungen der Marke lassen sich mit einer nüchternen, nahezu platten Feststellung über den Zustand eines (Kommunikations-)netzes indessen nicht annähernd charakterisieren. Es bedürfte erst erheblichen Nachdenkens und gedanklicher Ergänzungen, um einen konkreten Zusammenhang mit Design-Dienstleistungen aufzufinden. Eine solche Notwendigkeit steht aber der Annahme eines Freihaltebedürfnisses entgegen (BGH GRUR 1997, 627, 628 "à la Carte").
Aus diesen Gründen kann der Marke auch nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Der Senat hat im Rahmen der Beurteilung des Freihaltebedürfnisses keinen für die fraglichen Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt der Marke (vgl. BGH MarkenR 1999, 347, 348f. - Absolut) ermitteln können, sondern einen auf sprachlich originelle Weise hervorgerufenen Doppelsinn festgestellt. Da es sich auch nicht um einen so gebräuchlichen Ausdruck der englischen Fremdsprache handelt, daß er vom Verkehr stets nur als solcher und nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden wird, fehlen im vorliegenden Falle jegliche Anhaltspunkte dafür, daß der Verkehr ungeachtet der dargestellten Unklarheit und Mehrdeutigkeit die Marke als Sachangabe und nicht als betrieblichen Herkunftshinweis deuten könnte. Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob die einfache graphische Gestaltung der Marke einen Beitrag zu ihrer Unterscheidungseignung leisten könnte.
Meinhardt Dr. Vogel von Falckenstein Baumgärtner Cl Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/29W(pat)183-99.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 26.07.2000
Az: 29 W (pat) 183/99
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