Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 16. Mai 2012
Aktenzeichen: I-11 U 228/10

(OLG Hamm: Urteil v. 16.05.2012, Az.: I-11 U 228/10)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.09.2010 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.

Das Versäumnisurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 18.03.2010 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und des Beru­fungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der erstinstanzlichen Säumnis, die die Beklagten zu tragen haben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

(abgekürzt gemäß § 540 Abs. 2 ZPO)

I.

Der Kläger verlangt wegen behaupteter notarieller Amtspflichtverletzungen Schadensersatz von den Beklagten.

Auf den Inhalt der tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Erwägungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Im Berufungsverfahren haben sich folgende Ergänzungen ergeben:

Mit ihrer Berufung wenden sich die Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil, in dem das Landgericht das im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.03.2010 erlassene und den Beklagten am 26.03.2010 zugestellte antragsgemäße Versäumnisurteil, gegen das die Beklagten unter dem 06.04.2010 Einspruch eingelegt haben, vollumfänglich aufrechterhalten hat.

Sie rügen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, dass es kein amtspflichtwidriges Verhalten gegeben habe. Zwischen den Parteien sei gerade nicht unstreitig, dass der Notar Dr. T2 amtspflichtwidrig gehandelt habe.

Die Beurkundung vom 30.12.2002 sei nicht fehlerhaft gewesen. Notar Dr. T2 habe diesen Vertrag entsprechend dem von Rechtsanwalt Dr. F übersandten Entwurf erstellt. Die von der IHK geltend gemachten Beanstandungen seien unbegründet gewesen. Der „K I Beteiligungs-GmbH“ sei ausweislich § 2 des Gesellschaftsvertrages vom 30.12.2002 gestattet gewesen, anderen Unternehmen gleicher oder ähnlicher Art zu übernehmen oder sich an ihnen zu beteiligen, was sich auch an der Firmierung als „Beteiligungs“-GmbH gezeigt habe.

Auch der Beklagte zu 2) habe nicht amtspflichtwidrig gehandelt. Er sei gehalten gewesen, den sichersten Weg zu wählen. Denn soweit der Vertrag vom 30.12.2002 an Mängeln hinsichtlich der Angabe zum Vertragsgegenstand gelitten habe, sei dieser nichtig gewesen. Die Möglichkeiten einer „Korrektur“ nichtiger Verträge würden in der Literatur unterschiedlich bewertet; mithin habe der Beklagte zu 2) den sichersten Weg in Form der jedenfalls zulässigen Neugründung wählen müssen. Dass der Kläger oder Herr y diesem Zeitpunkt bereits ein Darlehen aufgenommen hätten, sei dem Beklagten zu 2) nicht bekannt gewesen. Damit habe der Beklagte zu 2) auch nicht rechnen müssen, da der Kläger seinerzeit anwaltlich beraten gewesen sei, und der Beklagte zu 2) davon habe ausgehen dürfen, dass der Kläger über entsprechende Risiken hinreichend aufgeklärt worden sei.

Aber selbst wenn man eine Pflichtverletzung des Notars T2 annehmen wolle, sei diese für den geltend gemachten Schaden nicht ursächlich gewesen. Der Notar Dr. T2 habe Rechtsanwalt Dr. F am 21.01.2003 auf die Beanstandungen der IHK hingewiesen. Soweit hierauf erst drei Monate später reagiert worden sei, falle dies nicht in den Verantwortungsbereich des Notars Dr. T2, da es sich insoweit um einen ungewöhnlichen Kausalverlauf handele.

Auch eine etwaige Pflichtverletzung des Beklagten zu 2) sei ebenfalls nicht kausal geworden. Die Darlehensgewährung sei zuvor erfolgt. Auch habe der Beklagte zu 2) nicht den Auftrag zur „Korrektur“ des ersten Vertrages erhalten. Vielmehr habe er den Auftrag vom Kläger und Herrn yr Neubeurkundung erhalten. Im Übrigen hätten sich der Kläger und Herr I mit einer bloßen Korrektur gerade nicht einverstanden erklärt.

Zudem habe der Kläger in vorwerfbarer Weise eine anderweitige Ersatzmöglichkeit versäumt, da ihm gegen Rechtsanwalt Dr. F entsprechende Ansprüche zugestanden hätten. Dieser habe den Kläger und Herr I unzureichend beraten. So habe Rechtsanwalt Dr. F die Pflicht gehabt habe, entsprechend vom Notar Dr. T2 entworfene Verträge zu überprüfen. Schließlich habe der Kläger in dem gegen Herrn Dr. F gerichteten Klageverfahren selbst behauptet, dass er und Herr I Dr. F in den Jahren 2002 bis 2004 beraten worden seien. Auf die Kenntnis, dass der Gesellschaftsvertrag von Herrn Dr. F gestammt habe, komme es deshalb nicht an. Dazu behaupten die Beklagten, es habe eine Besprechung zwischen dem Kläger und Herrn Dr. F gegeben, in der der Entwurf des vom Notar Dr. T2 beurkundeten Vertrages erörtert worden sei.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass außerdem eine Ersatzmöglichkeit gegenüber Herrn I in Form einer hälftigen Mithaftung bestehe. Der anderweitige Vortrag des Klägers sei substanzlos.

Hilfsweise bestreiten die Beklagten die Höhe des geltend gemachten Schadens. Der Kläger habe den mit Frau I2 geschlossenen (Prozess-)Vergleich bereits vorprozessual schließen müssen bzw. den Anspruch anerkennen müssen, da eine Rechtsverteidigung gegen die von Frau I2 geltend gemachten Ansprüche von vorneherein aussichtslos gewesen sei. Die Beklagten hätten für die Kosten einer aussichtslosen Rechtsverteidigung nicht einzustehen. Soweit dem Kläger ein anwaltlicher Rat zu einer erfolglosen Rechtsverteidigung gegeben worden sei, stünden ihm allenfalls Ersatzansprüche gegen seinen Prozessbevollmächtigten zu. Im Übrigen habe der Kläger für den Darlehensbetrag ohnehin persönlich gehaftet, da er das Darlehen - ausweislich der Klagebegründung der Frau I2 in dem gegen den Kläger gerichteten Klageverfahren - persönlich erhalten habe und er unabhängig von seiner Gesellschafterstellung habe haften sollen. Dazu behaupten die Beklagten, dass Frau I2 das Darlehen anderenfalls nicht hingegeben hätte. Die Kosten des gegen Rechtsanwalt Dr. F geführten Rechtsstreits stellten keinen ersatzfähigen Schaden dar, da die Forderung gegen diesen verjährt, mithin die Rechtsverfolgung ebenfalls aussichtslos gewesen sei.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils das Versäumnisurteil vom 18.03.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter weitgehender Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

Nachdem der Senat im Nachgang des ersten Senatstermins darauf hingewiesen hat, dass das Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit als negative Anspruchsvoraussetzung grundsätzlich vom Kläger darzulegen und zu beweisen sei und der Kläger demzufolge im Streitfall auch den seitens der Beklagten erhobenen Vorwurf der Versäumung einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit - nämlich der Versäumung der rechtzeitigen Inanspruchnahme des Rechtsanwalts Dr. F - auszuräumen habe, behauptet der Kläger, dass ein Geschäftsbesorgungsvertrag allein zwischen Herrn I und Rechtsanwalt Dr. F zustande gekommen sei. Der Kläger selbst habe Rechtsanwalt Dr. F hingegen kein ausdrückliches Mandat erteilt. Rechtsanwalt Dr. F habe dem Kläger daher persönlich auch zu keinem Zeitpunkt ein Honorar für Beratungstätigkeiten in Rechnung gestellt. Der Kläger habe - in unverjährter Zeit - keine Kenntnis davon gehabt, dass der Vertragsentwurf von Rechtsanwalt Dr. F gestammt habe.

Die schriftliche Zeugenaussage von Rechtsanwalt Dr. F sei unergiebig. Von dem darin erwähnten Schreiben an Herrn I vom 16.12.2002 habe der Kläger keine Kenntnis erlangt. Aus dem dort erwähnten Schreiben des Rechtsanwalts Dr. F vom 27.12.2002 habe der Kläger - abgesehen davon, dass er ohnehin bestritten habe, überhaupt Post von Rechtsanwalt Dr. F bekommen zu haben - auch nicht schlussfolgern müssen, dass der Vertrag von Rechtsanwalt Dr. F entworfen worden sei. Vielmehr habe er davon ausgehen können, dass er von dem Notar stamme, der ihn vor der Beurkundung über Rechtsanwalt Dr. F den Vertragsparteien zugeleitet habe.

Der Kläger vertritt ferner die Auffassung, dass es schon an dem erforderlichen substantiierten Vortrag der Beklagten dazu fehle, woraus sich die Kenntnis des Klägers darüber, dass Rechtsanwalt Dr. F gewesen sei, ergebe.

Die Beklagten vertreten daraufhin die Auffassung, das jetzige Vorbringen des Klägers erfolge allein prozessorientiert und stehe insbesondere im Widerspruch zu seinem bisherigen Vorbringen - auch im Verfahren gegenüber Rechtsanwalt Dr. F, wo der Kläger ebenfalls selbst vorgetragen habe, dass dieser den Kläger und Herrn I in den Jahren 2002 bis 2004 beraten habe. Dies treffe zu und decke sich mit der schriftlichen Aussage von Rechtsanwalt Dr. F vom 12.05.2010, in der dieser angegeben habe, dass er von seinen damaligen Mandanten in seinem Büro aufgesucht worden sei, um die Details des Gesellschaftsvertrages zu besprechen. Im Anschluss daran habe Rechtsanwalt Dr. F mit Schreiben vom 27.12.2002 auch dem Kläger einen Entwurf des Gesellschaftsvertrages übersandt. Die Beauftragung des Notars sei auf Veranlassung von Rechtsanwalt Dr. F erfolgt.

Es könne auch dahinstehen, ob der Kläger Rechtsanwalt Dr. F ein ausdrückliches Mandat erteilt habe, da dem Kläger, selbst wenn das Vertragsverhältnis ausschließlich zwischen Herrn I und Rechtsanwalt Dr. F zustande gekommen sein sollte, jedenfalls unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter T gegen Rechtsanwalt Dr. F zugestanden hätten. Daher komme es auch nicht darauf an, ob Rechtsanwalt Dr. F dem Kläger Gebühren in Rechnung gestellt und der Kläger solche Gebühren gezahlt habe. Letztlich sei sogar unerheblich, ob der Kläger Kenntnis davon gehabt habe, dass die Vertragsentwürfe von Rechtsanwalt Dr. F gestammt hätten. Es reiche aus, dass der Kläger und Herr I Rechtsanwalt Dr. F im Zusammenhang mit der Gesellschaftsgründung beraten worden seien und dies dem Kläger bekannt gewesen sei. Insoweit habe der Kläger bei seiner Anhörung im Senatstermin am 07.10.2011 eingeräumt, dass er gewusst habe, dass der Notar Dr. T2 nur deshalb eingeschaltet wurde, weil Rechtsanwalt Dr. F die notarielle Beurkundung nicht habe vornehmen können. Damit habe der Kläger bei Inanspruchnahme durch die Darlehensgeberin, Frau I2, im Jahr 2005 alle anspruchsbegründenden Tatsachen gekannt und gegen Rechtsanwalt Dr. F vorgehen können.

Der Kläger vertritt daraufhin die Auffassung, die Beklagten hätten seine Angaben vor dem Senat zur späteren gemeinsamen Beauftragung nicht richtig wiedergegeben und durch „Unterschlagung“ des Wortes „später“ seiner Aussage einen völlig anderen Sinn gegeben. Eine Inanspruchnahme von Rechtsanwalt Dr. F sei für ihn in unverjährter Zeit nicht ernsthaft in Betracht gekommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

In den Senatsterminen am 07.10.2011 und am 16.05.2012 hat der Senat den Kläger gemäß § 141 ZPO persönlich angehört. Insoweit wird auf die Berichterstatter­vermerke vom 07.10.2011 und 16.05.2012 Bezug genommen.

Die Akten des Landgerichts Münster Az. 08 O 115/06 und 016 O 564/08 lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Aufhebung des Versäumnisurteils der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 18.03.2010 und zur vollständigen Klageabweisung.

Im Einzelnen:

1.

Dem Kläger steht der mit der Klage geltend gemachte Schadensersatzanspruch weder aus § 19 Abs. 1 BNotO in Verbindung mit § 1967 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte zu 1) als Alleinerbin des Notars Dr. T2, noch aus § 19 Abs. 1 BNotO gegen den Beklagten zu 2) zu.

a)

Zwar geht auch der Senat - wie das Landgericht im angefochtenen Urteil - davon aus, dass sowohl der Notar Dr. T2 anlässlich der Beurkundung am 30.12.2002 als auch der Beklagte zu 2) anlässlich der Beurkundung am 10.04.2003 jeweils schuldhaft gegen ihre Amtspflichten als Notar, die auch gerade zum Schutz des Klägers als Urkundsbeteiligten nach § 6 Abs. 2 BeurkG bestanden, verstoßen haben.

b)

Da jedoch sowohl dem Notar Dr. T2 als auch dem Beklagten zu 2) insoweit jeweils nur Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann, scheidet eine Inanspruchnahme sowohl der Beklagten zu 1) als Alleinerbin des Notars Dr. T2 als auch des Beklagten zu 2) gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO im Streitfall bereits deshalb aus, weil der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht zur Überzeugung des Senats ausräumen konnte, dass er die - zumindest in Höhe eines Teilbetrages in Höhe von 10.286,10 € - ursprünglich bestehende anderweitige Ersatzmöglichkeit, die hier in einer (rechtzeitigen) Inanspruchnahme des Rechtsanwalts Dr. F lag, nicht vorwerfbar versäumt hat.

aa)

Der Wegfall der Haftung durch den Verweis auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO setzt voraus, dass derjenige, der durch die fahrlässige Amtspflichtverletzung eines Notars geschädigt worden ist, Ersatz seines Schadens auf andere Weise erlangen kann. Die anderweitige Ersatzmöglichkeit muss aus demselben Tatsachenkreis stammen, aus dem sich die Schadenshaftung des Notars ergibt, dem Ausgleich desselben Schadens dienen und begründete Aussicht auf Erfolg bieten (vgl. Bresgen in: Haug/Zimmermann, Die Amtshaftung des Notars, 3. Auflage (2011), Rdnr. 890 m.w.Nw.).

Hat der Geschädigte im Zusammenhang mit einer Notariatsangelegenheit einen Rechtsanwalt konsultiert und steht ihm wegen desselben Tatsachenkomplexes, der dem Amtshaftungsanspruch gegen den Notar zugrunde gelegt wird, ein Schadensersatzanspruch gegen diesen Anwalt zu, so haftet dieser vorrangig vor dem Notar (vgl. Sandkühler in: Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 6. Auflage (2008), § 19 Rdnr. 188 unter Hinweis auf BGH, DNotZ 1985, 231 [234]).

Der Geschädigte trägt dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit als negative Anspruchsvoraussetzung (vgl. BGH, Urteil vom 25.04.1984 - V ZR 13/83, DNotZ 1985, 231ff., Tz. 18 m.w.Nw., zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 31.10.1985 - XI ZR 13/85, NJW 1986, 1866f. = VersR 1986, 298f., Tz. 17 m.w.Nw., zitiert nach juris; ebenso Sandkühler, aaO., § 19 Rdnr. 202; Bresgen, aaO., Rdnr. 890 und Rdnr. 894 jeweils mit weiteren Nachweisen).

bb)

Überträgt man die vorstehenden Grundsätze auf den Streitfall, ist zunächst festzustellen, dass zumindest hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 10.286,10 € ursprünglich eine anderweitige Ersatzmöglichkeit für den Kläger bestand. Der im Verfahren Landgericht Münster 016 O 564/08 geltend gemachte Schaden unterscheidet sich von dem mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Schaden nur dahingehend, dass hier über den dort gegenüber Rechtsanwalt Dr. N geltend gemachten Schaden i.H.v. 10.285,14 € - rechnerisch richtig wären dort jedoch (wie nun hier geltend gemacht) 10.286,10 € gewesen, vgl. Seite 4 der Gründe des Urteil des Landgerichts Münster vom 16.06.2009, Bl. 118 der Akten LG Münster 016 O 564/08 - hinaus noch die vom Kläger im Verfahren gegen Rechtsanwalt Dr. F getragenen Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 4.264,96 € geltend gemacht werden.

Für den Senat steht aufgrund des insoweit nicht angegriffenen Tatbestands des angefochtenen Urteils gemäß §§ 314, 529 Abs. 1 ZPO mit Bindungswirkung fest, dass sowohl der Kläger als auch Herr I hinsichtlich der Gründung der GmbH & Co. KG, die den Installationsbetrieb, den Herr y vor als Einzelfirma geführt hatte, fortführen sollte, im Jahr 2002 durch Rechtsanwalt Dr. F anwaltlich beraten worden sind (Seite 2 der Urteilsgründe, Bl. 167R d.A.).

Zur Gründung dieser GmbH & Co. KG gehörte auch die Gründung der „Klaus-Dieter I Beteiligungsgesellschaft“, deren Gründung der Notar Dr. T2 am 30.10.2002 bzw. deren Neugründung der Beklagte zu 2) am 10.04.2003 beurkundet hat. Nach dem eigenen - von den Beklagten unbestrittenen - Vortrag des Klägers in der Klageschrift vom 18.09.2009 dauerte diese Beratung durch Rechtsanwalt Dr. F auch noch bis April 2004 an.

Damit steht fest, dass der Kläger wegen desselben Tatsachenkomplexes, der dem Amtshaftungsanspruch sowohl gegen den Notar Dr. T2 als auch gegen den Beklagten zu 2) zugrunde zu legen ist, durch Rechtsanwalt Dr. F anwaltlich beraten worden ist.

Im Rahmen dieser anwaltlichen Beratung im Zusammenhang mit der Gesellschaftsgründung hatte Rechtsanwalt Dr. F sowohl den notariellen Vertrag vom 30.10.2002 - soweit dieser nicht ohnehin auf seinen eigenen Entwurf zurückging - als auch den notariellen Vertrag vom 10.04.2003 in rechtlicher Hinsicht für den Kläger zu prüfen. Hinsichtlich des Gesellschaftsvertrages vom 10.04.2003 hätte Rechtsanwalt Dr. F den Kläger insbesondere über das aus der Neugründung resultierende Risiko einer persönlichen Haftung für etwaige Verbindlichkeiten der Vor-GmbH belehren müssen.

Folglich stand dem Kläger aus demselben Tatsachenkreis, aus dem sich die Schadenshaftung des Notars Dr. T2 bzw. des Beklagten zu 2) ergibt, ein Schadensersatzanspruch gegen Rechtsanwalt Dr. F aus § 280 Abs. 1 BGB zu.

Dieser Anspruch gegen Rechtsanwalt Dr. F stellt eine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO dar, auf die die Beklagten den Kläger auch weiterhin verweisen können, obwohl der Kläger den Schaden gegenüber Rechtsanwalt Dr. F inzwischen nicht mehr geltend machen kann, weil der Anspruch gegen Rechtsanwalt Dr. F gemäß § 51b BRAO in der bis zum 14.12.2004 geltenden Fassung im April 2007 verjährt ist.

cc)

Das Verweisungsprivileg aus § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO greift auch dann ein, wenn eine früher vorhandene anderweitige Ersatzmöglichkeit versäumt worden ist und der Geschädigte dies zu vertreten hat. Der Geschädigte muss sich so behandeln lassen, als bestünde die Ersatzmöglichkeit noch, denn der Geschädigte soll es nicht in der Hand haben, durch schuldhaftes Zuwarten eine bis dahin (wegen der Subsidiarität) nicht bestehende Notarhaftung zu begründen (vgl. Sandkühler, aaO., § 19 Rdnr. 194).

Die Versäumung einer Ersatzmöglichkeit ist schuldhaft, wenn der Geschädigte die mögliche und ihm nach den Umständen zuzumutende Deckung seines Schadens unterlassen hat. Voraussetzung für den Vorwurf einer schuldhaften Versäumung ist, dass der Geschädigte Kenntnis von dem Schaden hatte. Dem Geschädigten ist es regelmäßig vorzuwerfen, wenn er den anderweitigen Ersatzanspruch verjähren lässt (vgl. Sandkühler, aaO., § 19 Rdnr. 195).

Der Geschädigte hat in diesem Zusammenhang - da die Unmöglichkeit, anderweitig Ersatz zu verlangen, eine zur Klagebegründung gehörende (negative) Anspruchsvoraussetzung bildet - auch darzulegen und zu beweisen, dass eine früher vorhanden gewesene Ersatzmöglichkeit nicht schuldhaft versäumt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 23.05.1960 - III ZR 66/59, WM 1960, 1012ff. [1013]; ebenso Sandkühler, aaO., § 19 Rdnr. 194, Bresgen, aaO., Rdnr. 1001 m.w.Nw.).

dd)

Der nach den vorstehenden Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat - trotz des Senatshinweises vom 07.10.2011 - nicht ausräumen können, dass er die Inanspruchnahme des Rechtsanwalts Dr. F schuldhaft versäumt hat.

Der Kläger hatte in unverjährter Zeit sowohl die erforderliche Kenntnis von dem eingetretenen Schaden als auch von der Person des dafür Verantwortlichen.

Mit dem Schadenseintritt, der in der Inanspruchnahme durch Frau I2 im Jahr 2005 liegt, musste der Kläger erkennen, dass die Beratung durch Rechtsanwalt Dr. F, die ihm ebenfalls bekannt war, da er - wie er im Rahmen seiner erneuten Anhörung im Senatstermin am 16.05.2012 klargestellt hat - bereits vor der Beurkundung bei dem Notar Dr. T2 gemeinsam mit Herrn I bei Rechtsanwalt Dr. N war, fehlerhaft gewesen sein musste. Denn es kann davon ausgegangen werden, dass sich sowohl der Kläger als auch Herr I aufgrund der Beratung von Rechtsanwalt Dr. F gerade deshalb für die Zusammenarbeit in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG entschieden haben, um so ihre persönliche Haftung für die Verbindlichkeiten des Unternehmens ausschließen zu können.

Mit der Inanspruchnahme durch Frau I2 wurde für den Kläger mithin bereits im Jahr 2005 deutlich, dass dieses Ziel, nicht mit seinem persönlichen Vermögen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften zu müssen, nicht erreicht worden war, so dass es für den Kläger auf der Hand lag, dass Rechtsanwalt Dr. F als seinem rechtlichen Berater im Zusammenhang mit der Gründung der GmbH & Co. KG ein massiver Fehler unterlaufen sein musste, für den dieser im Rahmen der Anwaltshaftung auch einzustehen habe würde.

Die - zwischen den Parteien streitige - Kenntnis von dem Umstand, dass der am 30.12.2002 von Notar Dr. T2 beurkundeten Vertrag von Rechtsanwalt Dr. F entworfen worden war, war deshalb nach Auffassung des Senats für eine rechtzeitige Inanspruchnahme von Rechtsanwalt Dr. F gar nicht erforderlich, so dass die vom Kläger zum Beweis der Tatsache, dass er bis zum Schreiben des Notars Dr. T2 vom 31.07.2007, das am 03.09.2007 bei dem Prozessbevollmächtigten des Klägers eingegangen ist, keine Kenntnis davon gehabt habe, dass der Vertragsentwurf von Rechtsanwalt Dr. F stammte, allein angebotene eigene Parteivernehmung des Klägers - deren Voraussetzungen ohnehin nicht vorgelegen hätten, da weder das nach § 447 ZPO erforderliche Einverständnis der Beklagten noch die für eine Parteivernehmung gemäß § 448 ZPO gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptung vorlag - unterbleiben konnte.

Es ist - im Rahmen der Notarhaftung - auch Aufgabe eines Anspruchsstellers (und seines Anwalts), eigenverantwortlich zu prüfen, ob eine anderweitige Ersatzmöglichkeit besteht und deren Wahrnehmung zumutbar ist (vgl. Bresgen, aaO., Rdnr. 894).

Aus dieser Verpflichtung folgt für den Streitfall, dass der Kläger sich letztlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen kann, das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs gegen Rechtsanwalt Dr. F erst zu spät - nämlich erst nachdem sein Prozessbevollmächtigter aufgrund des Schreibens des Notars Dr. T2 vom 31.07.2007 Kenntnis davon erlangt hatte, dass Rechtsanwalt Dr. F den Entwurf des Vertrages vom 30.12.2002 verfasst hatte - erkannt hat.

Dem Kläger waren - wie vorstehend dargelegt - alle maßgeblichen Umstände für eine notfalls gerichtliche Inanspruchnahme von Rechtsanwalt Dr. F bereits im Jahr 2005 bekannt, als ihn Frau I2 ihrerseits persönlich auf Rückzahlung des Darlehens in Anspruch nahm. Soweit der Kläger hieraus die erforderlichen rechtlichen Schlüsse nicht rechtzeitig gezogen hat, hat er dies gleichwohl zu vertreten, da er sich insoweit bereits damals im Zweifel anwaltlicher Hilfe hätte bedienen müssen.

Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger eine Inanspruchnahme von Rechtsanwalt Dr. F nicht zumutbar gewesen wäre, hat der darlegungs- und beweisbelaste Kläger weder vorgetragen, noch sind sie anderweitig ersichtlich.

c)

Auch hinsichtlich der Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 4.264,96 € für die gescheiterte Inanspruchnahme von Rechtsanwalt Dr. N im Verfahren Landgericht Münster 016 O 564/08, hinsichtlich derer keine dem Kläger zumutbare anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO besteht, weil eine Inanspruchnahme von Herrn I nach dem Vortrag des Klägers sowohl wirtschaftlich als auch mangels Kenntnis des Klägers von dessen Aufenthaltsort ansonsten aussichtslos erscheint, haften die Beklagten nicht nach § 19 Abs. 1 BNotO.

Für diese Kosten haben die Beklagten im Streitfall schon deshalb nicht einzustehen, weil der Kläger die Entstehung dieser Kosten selbst zu vertreten hat, da er den Anspruch gegen Rechtsanwalt Dr. F hat verjähren lassen.

2.

Anderweitige Anspruchsgrundlagen, auf die der mit der Klage geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) als Alleinerbin des Notars Dr. T2 bzw. gegen den Beklagten zu 2) gestützt werden könnte, sind nicht ersichtlich, so dass das Versäumnisurteil vom 18.03.2010 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen waren.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 344, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht eine Entscheidung des Revisionsgerichts.






OLG Hamm:
Urteil v. 16.05.2012
Az: I-11 U 228/10


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