Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. März 2005
Aktenzeichen: 25 W (pat) 66/03

(BPatG: Beschluss v. 03.03.2005, Az.: 25 W (pat) 66/03)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 03. Mai 1999 und vom 26. November 2002 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 2 069 568 für die Waren "Arzneimittel, pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" zurückgewiesen worden ist. Für diese Waren wird die Löschung der Marke 396 55 471 angeordnet.

2. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarkefamovir von ctist am 20. Februar 1997 für die Waren

"Arzneimittel, pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Pflaster, Verbandmaterial; Desinfektionsmittel"

unter der Nummer 396 55 471 in das Markenregister eingetragen worden.

Die Inhaberin der seit 29. Juni 1994 für die Waren

"Rezeptpflichtige pharmazeutische Präparate, nämlich Antiviruspräparate"

eingetragenen Marke 2 069 568 FAMVIR hat dagegen Widerspruch erhoben.

In zwei Beschlüssen der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Mai 1999 und vom 26. November 2002, wobei letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Es sei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen. Die Marken könnten sich bei identischen oder sehr ähnlichen Waren begegnen, so dass hohe Anforderungen an den Markenabstand zu stellen seien. Da die Widersprechende eine Rezeptpflicht in das Warenverzeichnis aufgenommen habe, sei verstärkt auf den Fachverkehr abzustellen. Die Ähnlichkeit der sich gegenüber stehenden Marken sei aber nicht so groß, dass mit Verwechslungen zu rechnen sei. Durch den zusätzlichen Bestandteil "von ct", der nach Ansicht der Erstprüferin nicht weggelassen werden dürfe, da der Bestandteil "famovir" an den INN "Famoditin" angelehnt sei, seien die Zeichen klanglich und (schrift)bildlich hinreichend verschieden. Selbst wenn man zu Gunsten der Widersprechenden davon ausgehe, dass ein Teil des Verkehrs die jüngere Marke lediglich mit "famovir" benenne, seien die Unterschiede noch ausreichend, um Verwechslungen ausschließen zu können. Der Erinnerungsprüfer geht zwar davon aus, dass der Bestandteil "famovir" den Gesamteindruck der angegriffenen Marke präge, da dieser Bestandteil zwar einen Hinweis auf Famoditin und Viren enthalte, insgesamt jedoch als Phantasiewort mit ausreichender Eigenprägung wirke. Selbst bei möglicher Warenidentität und ausgehend von einem durchschnittlichen Schutzumfang der Widerspruchsmarke reichten die Unterschiede jedoch aus, um Verwechslungen zu verhindern. Wegen der einseitigen Rezeptpflicht stünden die Fachleute als Verkehrskreise im Vordergrund. Die zusätzliche Silbe bei dem prägenden Bestandteil der angegriffenen Marke ("famovir") stelle gegenüber der kurzen zweisilbigen Widerspruchsmarke ("famvir") in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht eine auffällige Abweichung dar.

Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt und beantragt, die Beschlüsse vom 3. Mai 1999 und vom 26. November 2002 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke zu beschließen.

Beide Marken könnten identische Waren betreffen. Die angegriffene Marke werde von dem kennzeichnungskräftigen Bestandteil "famovir" geprägt, da die erkennbare Firmenangabe "von ct" zurücktrete. Es bestehe in erheblichem Umfang eine Verwechslungsgefahr. Das unbetonte "o" im Wortinnern falle klanglich und schriftbildlich kaum auf. Die weiteren Silben "fam" und "vir" seien in beiden Zeichen enthalten und würden betont. Auch bei einseitiger Rezeptpflicht dürfe nicht ausschließlich auf Fachkreise abgestellt werden. Außerdem schließe die minimale Abweichung auch in Fachkreisen eine Verwechslungsgefahr nicht aus. Die Widerspruchsmarke besitze eine erhöhte Kennzeichnungskraft. Die Marke sei seit dem Jahr 2000 in Deutschland in Benutzung, mit jährlichen Umsatzzahlen von mehreren ... EURO.

Der Inhaber der angegriffenen Marke, der zu der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, beantragt schriftsätzlich, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Gesamteindruck der angegriffenen Marke werde nicht ausschließlich von dem Bestandteil "famovir" geprägt, sondern die weiteren Markenbestandteile seien mitprägend. Die Widerspruchsmarke "Famvir" sei eine Abwandlung des INN "Famciclovir". In entsprechender Weise sei auch die angegriffene Marke nur durchschnittlich kennzeichnungskräftig. Insbesondere in der Generikabranche sei der Verkehr daran gewöhnt, seine Aufmerksamkeit auf weitere Bestandteile wie die Herstellerangabe zu richten und nicht nur auf die Abwandlung der Wirkstoffbezeichnung. Bei dem verschreibungspflichtigen Präparat der Widerspruchsmarke sei von keiner Laienbeteiligung auszugehen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3. März 2005 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache teilweise Erfolg, da hinsichtlich der Waren "Arzneimittel, pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht. Hinsichtlich der weiteren Waren der angegriffenen Marke ist die Beschwerde dagegen nicht begründet.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr bemisst sich nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr, wobei ein geringerer Grad eines Faktors durch einen höheren Grad eines anderen ausgeglichen werden kann (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 22).

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist mangels anderer Anhaltspunkte durchschnittlich. Eine intensive Benutzung der Widerspruchsmarke ist zwar behauptet, jedoch nicht belegt worden, so dass daraus keine gesteigerte Kennzeichnungskraft hergeleitet werden kann. Es kann auch nicht von einer Kennzeichnungsschwäche ausgegangen werden, da die Anlehnung der Widerspruchsmarke an den INN "Famciclovir" nicht so ausgeprägt ist, dass ihr eine geringe Kennzeichnungskraft zuzumessen wäre. Dies gilt um so mehr, als im Arzneimittelbereich häufig mehr oder weniger deutliche Sachhinweise in den Zeichen enthalten sind, die aber nicht zu einer Kennzeichnungsschwäche der Gesamtmarke führen, wenn diese insgesamt eine ausreichend eigenständige Abwandlung von einer beschreibenden Angabe darstellt (vgl auch BGH GRUR 1998, 815 Nitrangin).

Die sich gegenüberstehenden Waren können teilweise identisch oder sehr ähnlich sein, da die Arzneimittel der angegriffenen Marke die Waren der Widerspruchsmarke mitumfassen und auch "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" den Antiviruspräparaten der Widerspruchsmarke nahe stehen.

Soweit bei Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke von einer Identität oder erheblichen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren auszugehen ist, reichen die vorhandenen Unterschiede jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht aus, eine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr zu verhindern.

Da die Waren der Widerspruchsmarke der Rezeptpflicht unterliegen, ist die Gefahr von Begegnungen der Zeichen bei Laien ohne Einschaltung des Fachverkehrs erheblich eingeschränkt. Auch bei einseitiger Rezeptpflicht ist verstärkt auf den Fachverkehr (insbesondere Ärzte und Apotheker) abzustellen, der erfahrungsgemäß im Umgang mit Arzneimitteln sorgfältiger ist und deshalb seltener Markenverwechslungen unterliegt (Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 7. Aufl § 9 Rdn 168; BGH GRUR 1999, 587 - Cefallone). Allerdings darf die Gefahr mündlicher Benennungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch den Patienten nicht völlig vernachlässigt werden (Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 7. Aufl § 9 Rdn 173). Dabei ist jedoch auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen, der allem, was mit Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt.

Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist der Gesamteindruck der Zeichen maßgeblich. Dies zwingt indessen nicht dazu, stets die Marken in ihrer Gesamtheit zu vergleichen. Vielmehr kann auch ein Markenbestandteil eine selbstständig kollisionsbegründende Bedeutung haben, wenn er den Gesamteindruck der mehrgliedrigen Marke prägt, indem er eine eigenständige kennzeichnende Funktion aufweist (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 370). Welche Bedeutung im Einzelfall einem Firmennamen oder einer Firmenmarke neben einem weiteren Bestandteil zukommt, ist differenziert zu beurteilen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 416). Entscheidend ist, ob innerhalb der Kombinationsmarke der Firmenname als solcher bekannt oder zumindest erkennbar ist und wie die Verkehrsauffassung und Gepflogenheiten in der jeweiligen Branche sind. Bei der angegriffenen Marke ist durch die Verbindung der beiden Bestandteile durch das Wort "von" die Angabe "ct" als Firmenname bzw -schlagwort erkennbar. Zudem ist jedenfalls dem Fachverkehr das Firmenschlagwort "ct" nicht unbekannt. Auch weist der Zeichenbestandteil "famovir" eine eigenständige kennzeichnende Funktion auf. Es handelt sich dabei um eine Angabe, die einer Wirkstoffbezeichnung nicht so stark angenähert ist, dass der Verkehr darin nicht mehr den produktkennzeichnenden Schwerpunkt sehen kann. Es gibt zwar die INN "Famoditin" und "Famciclovir", jedoch fehlen bei dem Markenbestandteil "Famovir" im Zentrum der Marke wesentliche Teile dieser INN, so dass eine die Kennzeichnungskraft schwächende Erinnerung an die beschreibende Angabe nicht vorliegt. Die Beachtlichkeit der Herstellerangabe bei der Entscheidung "paracet von ct"/"PARA-CET Woelm" (vgl BPatG GRUR 1992, 105) gilt nicht gleichermaßen für die vorliegende Fallgestaltung. Während die Verwendung des Anfangsbestandteils einer Wirkstoffbezeichnung wie bei "paracet" gegenüber "Paracetamol" gängiger erscheint und den Verkehr eher veranlasst, sich die Herstellerangabe miteinzuprägen (vgl auch BGH GRUR 2002, 342 - ASTRA/ESTRA-PUREN), werden erhebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise in dem Bestandteil "famovir", der unter Verwendung von Buchstabenfolgen der Sachangabe "Famciclovir" willkürlich zusammengesetzt ist, aber nicht als deren Abkürzung erscheint, die eigentliche Produktkennzeichnung sehen, welcher gegenüber die Herstellerangabe "von ct" in den Hintergrund tritt.

Der den Gesamteindruck der angegriffenen Marke prägende Bestandteil "famovir" kommt der Widerspruchsmarke "FAMVIR" klanglich so nahe, dass bei den identischen oder sehr ähnlichen Waren eine Verwechslungsgefahr besteht. Der Widerspruchsmarke fehlt lediglich in der Zeichenmitte der Vokal "o". Silbenzahl und Vokalfolge sind zwar durch das eingeschobene "o" unterschiedlich, jedoch befindet sich dieser Vokal im unbetonten Wortinnern, so dass er leichter überhört werden kann. Zumindest ist aus der ungenauen Erinnerung heraus bei identischen oder sich nahestehenden Waren mit Verwechslungen zu rechnen.

Hinsichtlich der Waren "diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Pflaster, Verbandmaterial; Desinfektionsmittel" besteht zu den speziellen Arzneimitteln der Widerspruchsmarke dagegen ein erheblicher Abstand, da rezeptpflichtige Antiviruspräparate sich sowohl in der stofflichen Beschaffenheit als auch im konkreten Anwendungsbereich deutlich von diesen Waren unterscheiden. Insoweit reichen geringere Unterschiede aus, um eine Verwechslungsgefahr zu verhindern. Da der zusätzliche Laut "o" in der angegriffenen Marke die Vokalfolge und Silbenzahl verändert, sind die klanglichen Unterschiede noch so deutlich, dass bei den sich ferner stehenden Waren keine Verwechslungsgefahr mehr besteht.

Schriftbildlich sind die Zeichen wegen der unterschiedlichen Zeichenlänge ebenfalls hinreichend unterschiedlich, um bei diesen Waren eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Das Schriftbild gestattet eine genauere und in der Regel wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl § 9 Rdn 207), so dass die Unterschiede eher auffallen. Zudem ist es fraglich, ob bei schriftbildlicher Wiedergabe die Herstellerbezeichnung "von ct" in der angegriffenen Marke ebenfalls zurücktritt. Bei dieser Art der Verwechslungsgefahr stellt die Rechtsprechung des BGH nämlich verstärkt auf die Marke in ihrem visuellen Erscheinungsbild insgesamt ab (BGH GRUR 2002, 1067 - DKV/OKV; BGH GRUR 1999, 241 - Lions). Inwieweit die Anwendung unterschiedlicher Kriterien bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr wegen des Schriftbilds der Zeichen einerseits und des Klangbilds andererseits im Einzelfall zwingend ist, kann letztlich dahingestellt bleiben. Selbst wenn man von einer Prägung des schriftbildlichen Gesamteindrucks der angegriffenen Marke durch den Bestandteil "famovir" ausginge, reichte der Unterschied in der Zeichenlänge durch den zusätzlichen Buchstaben "o" in der Zeichenmitte, welcher durch seine runde Form sich von den ihn umgebenden Buchstaben "m" und "v" zudem deutlich abhebt, aus, eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr zu verneinen.

Die Beschwerde der Widersprechenden hat daher lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Sredl Bayer Na






BPatG:
Beschluss v. 03.03.2005
Az: 25 W (pat) 66/03


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