Bayerischer Verwaltungsgerichtshof:
Urteil vom 31. Januar 2008
Aktenzeichen: 20 B 07.2947

(Bayerischer VGH: Urteil v. 31.01.2008, Az.: 20 B 07.2947)

Tenor

I. Die Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in Nr. II des angefochtenen Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 18. Juli 2007 der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen und in Nr. III des Urteils die Abwendungsbefugnis hat.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer verschiedener Grundstücke im Gemeindebereich der Beklagten, die seit 2005 als Anstalt des öffentlichen Rechts eine Entwässerungs- sowie eine Wasserversorgungsanlage als öffentliche Einrichtung betreibt.

Mit Bescheiden vom 18. November 1998 erhob die Stadt als Rechtsvorgängerin der Beklagten unter anderem vom Kläger Vorauszahlungen auf Beiträge für die Verbesserung ihrer Entwässerungs- und ihrer Wasserversorgungsanlage. Nach hiergegen von Rechtsanwälten eingelegten sowie begründeten Widersprüchen und Ergebnissen diesbezüglicher verwaltungsgerichtlicher (Muster-)Verfahren hob sie ihre angefochtenen Bescheide auf und erklärte die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für notwendig.

Mit sechs Schreiben jeweils vom 17. Dezember 2003 beantragten die anwaltlichen Vertreter des Klägers Kostenfestsetzung und Erstattung der Aufwendungen für sechs für den Kläger seinerzeit erhobene Widersprüche.

Mit Bescheid vom 26. August 2004 setzte die Stadt (Stadtwerke) die erstattungsfähigen Kosten auf 2.760,22 € fest und lehnte im Übrigen die Anträge ab. Bei den von den Vertretern des Klägers erhobenen Widersprüchen gegen ihre Bescheide handle es sich um €dieselbe Angelegenheit€ im Sinn des § 7 Abs. 2 BRAGO. Deshalb sei von einem Gegenstandswert von 500.961,56 € in all diesen Verfahren auszugehen. Im Hinblick auf den Umfang und die zu überwindenden Schwierigkeiten der anwaltlichen Tätigkeit, die sich im Wesentlichen auf die Ausformulierung eines allgemein gehaltenen Serienbriefes beschränkt hätte, sei der Ansatz von 7,5/10tel gerechtfertigt.

Hiergegen erhoben die anwaltlichen Vertreter des Klägers (und weiterer 262 Widerspruchsführer) Widerspruch. Die Festsetzung der Gebühren aus dem Gesamtwert von 500.961,56 € sei nicht korrekt, weil die Verfahrensbevollmächtigten für alle von ihnen vertretenen Widerspruchsführer die Vertretung nicht einheitlich angezeigt hätten und auch nicht einheitlich tätig geworden seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2007 setzte das Landratsamt die erstattungsfähigen Kosten auf 2.792,75 € fest und wies im Übrigen die Widersprüche, auch die des Klägers, zurück. Die Berechnung der Rechtsanwaltskosten sei richtigerweise nach § 6 Abs. 1 und § 7 BRAGO erfolgt. Lediglich die Höhe der mit Bescheid vom 26. August 2004 zu erstattenden Kosten sei zu korrigieren.

Am 27. Februar 2007 erhob Rechtsanwältin ... für den Kläger Klage mit dem Antrag,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. August 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2007 zu verurteilen, die dem Kläger entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung im Vorverfahren nach den Anträgen vom 17. Dezember 2003 festzusetzen.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklärte die Vertreterin des Klägers unter anderem, von ihr sei nur eine Widerspruchsbegründung gefertigt worden. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass sie mehr als 261 Widerspruchsführer vertreten habe, wobei darunter auch welche seien, die nicht in der €Initiative€ gewesen seien. Sie habe diesbezüglich auch gesonderten Schriftverkehr mit der Stadt geführt. Eine Vollmacht des Klägers könne sie trotz gerichtlicher Aufforderung derzeit nicht vorlegen. Sie sei jedoch von diesem bevollmächtigt.

Der Beklagtenvertreter bestritt dies.

Mit Urteil vom 18. Juli 2007 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und überbürdete Rechtsanwältin ... die Kosten des Verfahrens. Die Klage sei bereits mangels einer Vollmacht unzulässig. Die Klage wäre sachlich auch nicht begründet gewesen. Zu Recht seien die zu erstattenden Aufwendungen auf insgesamt 2.792,75 € festgesetzt worden (vgl. Widerspruchsbescheid vom 10.1.2007). Die Gebühren der Bevollmächtigten, deren Zuziehung für das Vorverfahren die Beklagte in den das Abhilfeverfahren abschließenden Bescheiden für notwendig erklärt habe, seien nach dem Gegenstandswert anzusetzen, der sich aus der Zusammenfassung der Werte für die einzelnen Widersprüche ergebe. Die Bevollmächtigten seien im Vorverfahren aus gebührenrechtlicher Sicht nicht in 637 Angelegenheiten, für die jeweils ein eigener Gegenstandswert zu berechnen gewesen wäre, sondern in derselben Angelegenheit tätig geworden mit der Folge, dass die Werte der mehreren Gegenstände gemäß § 7 Abs. 2 BRAGO addiert würden und sich danach die Gebühren der Bevollmächtigten bemäßen. Die Bevollmächtigten des Klägers seien von mehreren betroffenen Grundstückseigentümern zu einem im Wesentlichen gleichgerichteten Vorgehen für alle Mandanten beauftragt worden, so dass von einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne auszugehen sei. In gleichlautenden Widerspruchsschreiben sei im Wesentlichen geltend gemacht worden, die gemeindliche Satzung sei wegen verschiedener Mängel nichtig. Vereinzelte individuelle Einwendungen seien lediglich ergänzend erfolgt und rechtfertigten keine andere Betrachtung.

Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung trägt Rechtsanwältin ... unter Vorlage einer schriftlichen Vollmacht des Klägers vom 19. Juli 2007 mit dem Hinweis, dass die erste Vollmacht bereits vor dem 18. Juli 2007 erfolgt sei, vor, der Kläger habe sie bereits vor dem 27. Februar 2007 bevollmächtigt gehabt, eine entsprechende Klage einzureichen. Das Verwaltungsgericht habe ihr keine Frist mehr zur Vorlage einer Vollmacht gewährt. Neben den Widerspruchsführern, die sie vertreten habe, hätten auch 400 weitere Widerspruchsführer Rechtsbehelfe gegen die an sie ergangenen Bescheide eingelegt. Ausweislich ihrer Widerspruchsbegründung vom 15. Januar 1999, die hier wörtlich wiedergegeben werde, sei von einer Nichtigkeit der Satzung nicht die Rede gewesen. Aus der Widerspruchsbegründung sei nicht ersichtlich, dass es sich um recht allgemein gehaltene Ausführungen handle. Die Einwendungen seien nicht allgemein, sondern konkret erhoben worden. Die Geschoss- und Gesamtflächenberechnung jedes einzelnen Grundstücks sei angefochten, wie sich aus Punkten 4 und 5 der Widerspruchsbegründung ergebe. Im Fall des Klägers folge aus dem Akteninhalt, dass ein weiterer Bescheid außergerichtlich aufgehoben worden sei. Weiter habe der Kläger im Gegensatz zu anderen Beteiligten einen Aussetzungsantrag gestellt. Es fehle außerdem an einem einheitlichen Auftrag der 262 Kläger oder Bescheidsadressaten.

Die Bevollmächtigte des Klägers beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung ihres Bescheids vom 26. August 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2007 die dem Kläger entstandenen Kosten im Vorverfahren nach seinen Anträgen vom 17. Dezember 2003 festzusetzen,

hilfsweise,

unter Änderung des angefochtenen Urteils die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten, die beigezogenen Akten der Verfahren Az. 23 ZB 07.2340 und 23 C 07.2339, die von den Beteiligten übergebenen Unterlagen sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf Festsetzung der ihm entstandenen Kosten des Vorverfahrens nach seinen Anträgen vom 17. Dezember 2003 hat. Vielmehr bleibt es bei der Kostenfestsetzung durch Bescheid vom 26. August 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2007.

Die Bevollmächtigte des Klägers € die mittlerweile ihre Bevollmächtigung für diesen Rechtsstreit nachgewiesen hat (§ 67 Abs. 3 Satz 2 1.Halbs. VwGO) € ist aus gebührenrechtlicher Sicht nicht in 262 (oder gar 637) selbstständigen Angelegenheiten, sondern nur in einer, €derselben€ Angelegenheit im Sinn des § 7 Abs. 2 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) tätig geworden. Das hat zur Folge, dass die Beträge aus den einzelnen Bescheiden nach dieser Vorschrift zusammenzuzählen und daraus die Gebühren der Bevollmächtigten zu bemessen sind. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 18. Dezember 2006 Az. 23 ZB 06.2956 ausgeführt hat, werden nach § 7 Abs. 2 BRAGO in derselben Angelegenheit die Werte mehrerer Gegenstände zusammengerechnet. Gegenstand der Angelegenheit ist das Recht oder Rechtsverhältnis, auf das sich die Tätigkeit des Rechtsanwaltes aufgrund des Auftrages bezieht (BVerwG vom 9.5.2000 NJW 2000, 2289 m.w.N.). Eine Angelegenheit kann auch mehrere Gegenstände umfassen; ob mehrere Gegenstände dieselbe oder mehrere Angelegenheiten darstellen, hängt davon ab, ob sie von einem einheitlichen Auftrag umfasst werden, zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und der Rechtsanwalt einen einheitlichen Tätigkeitsrahmen wahrt (BVerwG vom 9.5.2000 a.a.O.).

Gemessen an diesen Kriterien ist die Bevollmächtigte des Klägers als Adressaten von Vorauszahlungsbescheiden, in dessen und in anderen Widerspruchsverfahren in ein und derselben Angelegenheit tätig geworden (vgl. BayVGH vom 5.11.2007 Az. 23 ZB 07.2340). Sie wurde vom Kläger und den anderen betroffenen Grundstückseigentümern zu einem im Wesentlichen gleichartigen Vorgehen beauftragt, nämlich unter Geltendmachung der Rechtswidrigkeit der Abgabenbescheide infolge nichtiger Rechtsgrundlage die Aufhebung dieser ergangenen Bescheide zu erreichen, was mit Widerspruch und gleichlautenden Widerspruchsbegründungen umgesetzt wurde. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklärte die Prozessbevollmächtigte des Klägers unter anderem, von ihr sei nur eine Widerspruchsbegründung gefertigt worden. Diese Tatsache stellt sie auch in ihrer Berufungsbegründung nicht in Frage, und gibt den Wortlaut der Widerspruchsbegründung wieder. Danach stellt sie, maßgebend für alle Bescheide, die Richtigkeit der Globalkalkulation und der dieser zugrunde liegenden Beizugsflächen allgemein und pauschal in Frage, was weit überhöhte Beitragssätze zur Folge habe, weshalb die Abgabesatzung nichtig sei. Darüber hinausgehende konkrete Einwendungen bezogen auf die einzelnen Bescheide fehlen, vielmehr werden pauschal alle Grundstücks- und Geschossflächen in Frage gestellt, ohne hierzu einzelfallbezogen irgendwelche Ausführungen zu machen. Gerade diese pauschale Begründung lässt nicht auf eine Einzelbeauftragung schließen. Eine formale oder inhaltliche Differenzierung zwischen den Verfahren erfolgte nicht. Der innere Zusammenhang der Angelegenheit ergibt sich auch daraus, dass die Stadt in Vollzug ihrer Abgabesatzung Verbesserungsbeitragsbescheide erließ und insoweit der Kläger und die weiteren Widerspruchsführer gleichermaßen als Grundstückseigentümer betroffen waren. Der einheitliche Tätigkeitsrahmen bestätigt sich, wenn die Vertreterin des Klägers und der anderen Widerspruchsführer ausschließlich mit der Nichtigkeit der Satzung, und der damit fehlenden Rechtsgrundlage für alle angefochtenen Bescheide, deren Rechtmäßigkeit in Frage stellt.

Deshalb muss das Urteil des Verwaltungsgerichts, das die Klage als unzulässig, nicht als unbegründet abwies, im Ergebnis bestehen bleiben (§§ 128, 129 VwGO; vgl. BVerwG vom 15.1.1991 NVwZ-RR 1991, 443/445; BVerwG vom 2.7.1965, BVerwGE 21, 289/291). Da die Klägerbevollmächtigte im Rechtsmittelverfahren zulässigerweise eine Vollmacht nachgereicht hatte (§ 67 Abs. 3 Satz 2 1. Halbs. VwGO; vgl. Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 17.4.1984 NJW 1984, 2149), war der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung in Nrn. II und III bezüglich Kostenschuldner und Abwendungsbefugnis zu korrigieren. Ein Obsiegen des Klägers im Sinne seines Hilfsantrages liegt darin nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 352,56 € festgesetzt, § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 2 GKG. Er ergibt sich aus der Differenz der im Berufungsverfahren noch geltend gemachten Kosten (7,5 Zehntel Geschäftsgebühr ohne Addition der Gegenstandswerte zuzügl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer) in Höhe von 378,84 € und den anteilig festgesetzten Kosten von 6 x 4,38 € = 26,28 €.






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Az: 20 B 07.2947


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