Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. August 2005
Aktenzeichen: 26 W (pat) 356/03
(BPatG: Beschluss v. 17.08.2005, Az.: 26 W (pat) 356/03)
Tenor
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I.
Gegen die für die Waren und Dienstleistungen
"Versandhandel, nämlich Bestellannahme und Zustellung von Waren; Armbanduhren; Reisetaschen und -koffer, Lederwaren, soweit in Klasse 18 enthalten"
eingetragene Marke 397 01 946 Sky Shopist - beschränkt - auf die Waren "Reisetaschen und -koffer, Lederwaren, soweit in Klasse 18 enthalten" Widerspruch erhoben aus der Marke 758 976 skai.
Der Widerspruch ist auf die folgenden Waren der Widerspruchsmarke gestützt:
"Kunstleder; Folien aus Kunststoff in Verbindung mit Trägerstoffen oder Gewebe, Filz, Schaumstoffen, in geschichteter Beschaffenheit, kaschiert, bedruckt und/oder geprägt, als Halbfabrikate zur Herstellung von Aktentaschen, Einkaufstaschen, Handtaschen, Kollegmappen, Schreibmappen, Geldbeuteln, Gürtelbörsen, Schlüssel- und Kartentaschen, Brieftaschen, von Reise- und Industriekoffern, Gerätekoffern, Gürteln für Damen und Herren, Gepäck- und Werkzeugtaschen."
Nachdem der Senat den ersten, den Widerspruch zurückweisenden Beschluss der Markenstelle wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen hatte, hat die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts den Widerspruch - erneut - wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Auch diese Zurückweisung ist damit begründet, dass es sich bei der Bezeichnung "skai" auf dem hier einschlägigen Warensektor offenkundig und nachweisbar um einen gebräuchlichen Sachbegriff für eine Lederimitation (Kunstleder) handele. Hieraus ergebe sich ein aus Rechtsgründen entsprechend eng zu bemessener Schutzumfang der Widerspruchsmarke, der sich nicht auf die Verwendung des englischen Begriffs "Sky" erstrecke. Bereits aus diesem Grund bestehe keine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Ihrer Ansicht nach sind die beiden Vergleichszeichen verwechselbar. Die Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren ergebe sich hier aus dem Verhältnis "Material/Endprodukt". Aufgrund intensiver Benutzung verfüge die Widerspruchsmarke über eine erhöhte Kennzeichnungskraft. Die danach an den Zeichenabstand zu stellenden hohen Anforderungen erfülle die angegriffene Marke nicht. Es bestehe vielmehr eine klangliche Verwechslungsgefahr, denn die jüngere Marke werde von dem klanggleichen Bestandteil "Sky" geprägt. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass der weitere Bestandteil "Shop" als Synonym für "Laden, Geschäft" verbraucht sei, weil er nur auf den Verkauf von "skai"-Produkten hinweise.
Im Übrigen habe die Markenstelle im angegriffenen Beschluss erneut den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt, indem sie sich zum Beleg der ausgeprägten Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke auf ein Textil-Fachwörterbuch bezogen habe, auf das die Beteiligten vor Beschlussfassung nicht hingewiesen worden seien. Aus diesem Grund sei die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angezeigt.
Demgemäß beantragt die Widersprechende, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, die angegriffene Marke im Umfang der Waren "Reisetaschen und -koffer, Lederwaren, soweit in Klasse 18 enthalten" zu löschen und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke stellt den Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.
Für sie stellt ihre Marke "Sky Shop" eine verständliche Zusammensetzung zweier englischer Begriffe dar, die eine Assoziation zu einem mit der Luftfahrt in Verbindung zu bringenden Geschäft wachrufe. Die verständigen Verbraucher würden nicht auf die Idee kommen, hinter der Bezeichnung "Sky Shop" ein Geschäftslokal zu vermuten, das ausschließlich aus Kunstleder hergestellte Produkte anbiete.
II.
Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als unbegründet, denn auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen den sich gegenüberstehenden Marken keine Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Die Gefahr markenrechtlich erheblicher Verwechslungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, die zueinander in einer Wechselbeziehung stehen, umfassend zu beurteilen. Zu den maßgeblichen Umständen gehören insbesondere die Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren sowie die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 1995, 216 - Oxygenol II).
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren geht der Senat im vorliegenden Fall von einer mittelbaren Ähnlichkeit der von der jüngeren Marke zu kennzeichnenden "Lederwaren" (Flugtaschen u -koffer) und dem von der Widerspruchsmarke geschützten "Kunstleder" aus. Vorprodukte und daraus hergestellt Fertigerzeugnisse können ähnlich sein, wenn die Vorprodukte nach der Verkehrsauffassung maßgebliche Eigenschaften und die Wertschätzung der Fertigerzeugnisse bestimmen sowie die Marke der Vorprodukte auch den Abnehmern der Fertigerzeugnisse gegenübertritt (vgl dazu Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdnr 130 mwN). Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kunstlederprodukt "skai" und den Ledererzeugnissen, für die die jüngere Marke bestimmt ist, vor, denn dem Durchschnittsverbraucher ist bekannt, dass für die Herstellung von fertigen "Leder"-Waren häufig das unter der fraglichen Marke bekannte Vorprodukt "skai" verwendet wurde und wird.
Selbst wenn zugunsten der Widersprechenden davon ausgegangen wird, dass die seit 1961 eingetragene Widerspruchsmarke seitdem umfangreich benutzt wurde und ihre Kennzeichnungskraft deshalb als erhöht angenommen wird, auch wenn die Bezeichnung "skai" inzwischen vielfach als Sachbegriff für "Kunstleder" aufgefasst werden sollte, hält die jüngere Marke den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke ein.
Entgegen der von der Widersprechenden vertretenen Auffassung besteht zwischen den Vergleichsmarken "Sky Shop" und "skai" keine markenrechtlich erhebliche Verwechslungsgefahr: Eine klangliche Verwechslungsgefahr käme im vorliegenden Fall nur in Betracht, wenn der klanggleiche Markenbestandteil "Sky" den Gesamteindruck der angegriffenen Marke prägen würde. Dies setzt voraus, dass die übrigen Markenteile (hier "Shop") für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurückträten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden könnten bzw. dem Bestandteil "Sky" eine so eigenständig kennzeichnende und insgesamt dominierende Bedeutung zukäme, dass er als markenmäßiger Schwerpunkt des Gesamtzeichens gesehen würde. Für diesen Ausnahmetatbestand müssen besondere Gründe vorliegen. Im Einzelfall kann auch eine für sich gesehen beschreibende Angabe iVm einem weiteren Bestandteil wesentlich zur besonderen Identifizierung der Gesamtmarke beitragen (vgl dazu Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl § 9 Rdnr 374, 378, 381, 409).
Gemessen an diesen Grundsätzen kann im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass ein markenrechtlich erheblicher Teil der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher das Wort "Sky" als markenmäßigen Schwerpunkt der angegriffenen Marke "Sky Shop" ansieht. Gegen eine derartige Annahme spricht vielmehr, dass das aus den beiden geläufigen englischen Begriffen "Sky" und "Shop" gebildete, nur zweiteilige Gesamtzeichen "Sky Shop" vom Verkehr ohne weiteres mit "Himmels-Laden" übersetzt und damit als Gesamtbegriff verstanden wird. Als Kennzeichnung für Lederwaren wie zB Koffer oder Taschen weist dieser Sinngehalt mehr oder weniger auf eine Verkaufsstätte mit vagem Bezug zu Flugreisen bzw Fluggepäck ("Himmel") hin. Auch bei einer akustischen Wiedergabe hat der angesprochene Verkehr deshalb keine Veranlassung, die jüngere Marke als "SkaiShop" zu verstehen und damit "Skai" als für den Gesamteindruck dominantes Zeichenelement aufzufassen, mit dem auf die Widersprechende hingewiesen wird. Dagegen spricht zudem, dass keine Anhaltspunkte für eine Branchenübung vorgetragen oder feststellbar sind, dass auf dem betreffenden Warengebiet die Marke des Vorprodukts nicht nur als sog begleitende Marke, sondern (auch) zur - alleinigen - Kennzeichnung des Enderzeugnisses verwendet wird. Auch auf anderen Warengebieten ist keine derartige Übung feststellbar. So werden nach Kenntnis des Senats beispielsweise auch Oberbekleidung oder Schuhe, bei deren Herstellung "Goretex" verwendet wurde, nicht in "Goretex-Läden" verkauft.
Der Beschwerde musste deshalb der Erfolg versagt werden.
Dem Antrag der Widersprechenden auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr war gemäß § 71 Abs 3 MarkenG zu entsprechen. Der angefochtene Beschluss ist entscheidend darauf gestützt, dass es sich bei der Bezeichnung "skai" um einen auf dem einschlägigen Warensektor gebräuchlichen Sachbegriff für eine Lederimitation handele. Zum Beleg wurde auf "Kießling/Matthes, Textil-Fachwörterbuch, Neuauflage 1993, S 347" verwiesen. Diese Fundstelle wurde der Widersprechenden von der Markenstelle vor der abschließenden Sachentscheidung nicht zur Kenntnis gebracht. Dies stellt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Da eine Kausalität zwischen der unterbliebenen Bekanntgabe der Fundstelle und der Einlegung der Beschwerde zumindest nicht auszuschließen ist, erscheint die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angemessen, zumal bereits der (Erst-)Beschluss der Markenstelle vom 20. Oktober 1999 an einem derartigen wesentlichen Mangel litt.
Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen (§ 71 Abs 1 S 2 MarkenG) bestand kein Anlass. Es liegen keine besonderen Umstände vor, die ein Abweichen von dem Grundsatz rechtfertigen, dass jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst trägt (vgl dazu Ströbele/Hacker aaO § 71 Rdnr 25).
Kraft Reker Kätker Ju
BPatG:
Beschluss v. 17.08.2005
Az: 26 W (pat) 356/03
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