Landgericht Mannheim:
Urteil vom 20. Mai 2011
Aktenzeichen: 7 O 117/10
(LG Mannheim: Urteil v. 20.05.2011, Az.: 7 O 117/10)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kläger darf die Vollstreckung aus dem Urteil gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte diesem vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche auf Arbeitnehmererfindervergütung für eine unbeschränkt in Anspruch genommene Diensterfindung.
Die Kläger Ziff. 1 und Ziff. 3 waren, die Kläger Ziff. 2 und Ziff. 4 sind noch immer Arbeitnehmer der Beklagten. Die Kläger tätigten während der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses die von den Parteien übereinstimmend mit dem Arbeitstitel Zwillingsscheren/Doppelschermesser benannte Erfindung, welche - auch dies steht zwischen den Parteien außer Streit - der Beklagten ordnungsgemäß gemeldet und von dieser am 20.03.1996 unbeschränkt in Anspruch genommen wurde. Auf die Anmeldung der Erfindung zum Patent wurde am 21.08.1997 das deutsche Patent DE 196 05 885 C1 (im Folgenden: Streitpatent) - betreffend Verfahren zum Strangpressen eines Profils oder dgl. Körpers aus einem Barren, sowie Verwendung des Verfahrens - erteilt.
Die Ansprüche 1 und 4 des Streitpatents lauten:
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Streitpatents wird auf die als Anlage K2 vorliegende Streitpatentschrift Bezug genommen.
Die Beklagte verwertete das erfindungsgemäße Verfahren nach Umbau einer Presse gegen Ende 1998 bis ins Jahr 2005 als ein Regelverfahren bei der eigenen Produktion. Im Jahr 2005 erfolgte eine Umstellung des Produktionsverfahrens. Ob die Beklagte seither im Rahmen des sog. Kränzens bzw. durch Verwendung der bereits vor der technischen Lehre des Streitpatents bekannten sog. Spreadertechnologie von der Lehre des Streitpatents Gebrauch macht, steht zwischen den Parteien im Streit.
Mit Schreiben des Klägers Ziff. 3 vom 08.05.2003 (Anlage K6-A5) verlangten die Kläger von der Beklagten unter Darstellung des nach ihrer Auffassung anzusetzenden Erfindungswerts nach der Lizenzanalogie sowie der nach ihrer Ansicht anzusetzenden Anteilsfaktoren und Anteilswerte für den Zeitraum der Jahre 1999 bis 2002 im Einzelnen bezifferte Vergütungsbeträge und ab 2003 die Zahlung einer entsprechenden jährlichen Erfindervergütung. In der Folgezeit bis ins Jahr 2007 standen die Parteien über die Frage der geschuldeten Erfindervergütung im Austausch ihrer wechselseitigen Positionen. Nachdem eine Einigung auch auf Basis der Schreiben der Beklagten vom 31.01. bzw. 23.03.2007 nicht erreicht werden konnte, erachtete die Beklagte die Einigungsbemühungen als gescheitert und setzte die Erfindervergütung einseitig mit Schreiben vom 04.05.2007 (Anlage B2) fest und zahlte den festgesetzten Betrag in der Folgezeit. Die einseitige Festsetzung wird von den Parteien übereinstimmend nicht als verbindlich angesehen.
Die Kläger riefen mit Antrag vom 16.05.2007 (Anlage K6) die Schiedsstelle an. Gegen den Einigungsvorschlag der Schiedsstelle vom 20.11.2008 (Anlage K7) legten die Parteien am 12.02. bzw. 29.01.2009 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 20.02.2009 teilte der Vorsitzende der Schiedsstelle den Parteien die erfolglose Beendigung des Schiedsstellenverfahrens mit.
Die Klageschrift vom 19.05.2010, eingegangen bei Gericht am 21.05.2010, ist der Beklagten am 28.05.2010 zugestellt worden.
Die Kläger sind der Auffassung, als angemessene Arbeitnehmererfindervergütung werde eine jährliche Vergütung nach dem erfassbaren betrieblichen Nutzen geschuldet. Die Kläger behaupten, insoweit sei zwischen den Parteien Einigkeit dahingehend erzielt worden, pro Nutzungsjahr eine Einsparung von 322.022,00 EUR zugrunde zu legen. Die Kläger sind der Ansicht, auch nach Produktionsumstellung bei der Beklagten im Jahr 2005 sei die Lehre des Streitpatents verwertet worden. Zum einen mache das bei der Beklagten durchgeführte Kränzen vom Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents wortsinngemäß Gebrauch. Zum anderen habe die im Stand der Technik selbst bekannte Spreadertechnologie bei der Beklagten erst dann eingesetzt werden können, als die Erfindung nach dem Streitpatent in die Tat umgesetzt worden sei. Die Kläger sind schließlich der Meinung, Verjährung sei nicht eingetreten, weil eine solche frühestens mit der Festsetzung der Vergütung durch die Beklagte habe beginnen können.
Die Kläger beantragen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft darüber zu erteilen, seit wann und bis wann sie ein Verfahren zum Strangpressen eines Profils oder dergleichen Körpers aus einem Barren, der in der Rezipientenbohrung eines Aufnehmers geführt und mittels eines Pressstempels in Pressrichtung durch einen Formquerschnitt eines Formwerkzeugs gepresst wird, im Bereich der Bundesrepublik Deutschland angewendet oder zur Anwendung angeboten hat, bei dem gemäß der DE 196 05 885 C1 vor Eintritt des Barrens in den Formquerschnitt der Barren in Pressrichtung um ein Kragmaß aus dem Aufnehmer geschoben wird, wonach ein scheibenartiger Frontabschnitt des freien Barrenendes abgeschert und entfernt wird sowie anschließend nach erfolgtem Anstellen des Aufnehmers an das Formwerkzeug der Pressvorgang durchgeführt wird;
insbesondere, wennein an der gegen die Pressrichtung weisenden Fläche des Formwerkzeuges verbleibender Pressrest eines vorausgegangenen Barrens abgeschert wird und der Pressrest und der scheibenartige Frontabschnitt des freien Barrenendes zeitgleich abgeschert werden;
insbesondere, wennvor dem Abschervorgang Aufnehmer und Formwerkzeug relativ axial voneinander wegbewegt werden, wobei ihre benachbarten Stirnflächen in vorgegebenem Abstand zueinander fixiert werden;
und insbesondere, wenndas o.g. Verfahren für die Spreadertechnologie verwendet wird, bei der das Barrenende vor dem Eintreten in den Formquerschnitt in wenigstens einer in Pressrichtung verlaufenden Ebene erweitert sowie in zumindest einer die erste Ebene querenden weiteren in Pressrichtung verlaufenden Ebene verjüngt wird.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die den Klägern zustehende Vergütung zu entrichten, wobei diese gemäß § 38 ArbnErfG vom Gericht zu bestimmen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und trägt weiterhin vor, das streitpatentgemäße Verfahren sei nach Produktionsumstellung bei der Beklagten nicht mehr benutzt worden. Sie vertritt die Auffassung, das Entfernen eines Kranzes als Folge einer Fehlfunktion der Strangpresse, nämlich einer Undichtigkeit zwischen Rezipient und Werkzeug, die zum unkontrollierten Austritt von Aluminium radial zum Rezipienten führt, bei Unterbrechung des Produktionsprozesses und Entfernung des restlichen Barrens aus dem Rezipienten, unterfalle nicht dem Schutzbereich des Streitpatents. Auch die schlichte Nutzung der im Stand der Technik vorbekannten sog. Spreadertechnologie werde vom Streitpatent nicht erfasst.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 08.04.2011 Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Durchsetzbare Ansprüche auf Arbeitnehmererfindervergütung (§§ 9 Abs. 1 a.F., 43 Abs. 3 S. 1 n.F. ArbnErfG) und hierzu akzessorische Auskunftsansprüche (§ 242 BGB) bestehen nicht. Die mit der Klage geltend gemachten jährlichen Vergütungsansprüche nach dem erfassbaren betrieblichen Nutzen hinsichtlich des Zeitraums Ende 1998 bis einschließlich 2005 sind verjährt und nach erhobener Verjährungseinrede nicht mehr durchsetzbar, §§ 214 Abs. 1, 194 Abs. 1 BGB (hierzu I.). Nach Produktionsumstellung bei der Beklagten und damit spätestens seit 2006 wird die mit der Klage geltend gemachte jährliche Arbeitnehmererfindervergütung nach dem erfassbaren betrieblichen Nutzen mangels betrieblicher Verwertung der Diensterfindung bei der Beklagten nicht geschuldet (hierzu II.).
I.
Die klageweise geltend gemachten Vergütungsansprüche für den Zeitraum bis einschließlich 2005 sind verjährt.
1. Die geltend gemachten, auf betrieblicher Verwertung bei der Beklagten beruhenden, jährlichen Vergütungsansprüche nach dem erfassbaren betrieblichen Nutzen unterliegen der dreijährigen Regelverjährung nach § 195 BGB n.F.
a) Hinsichtlich der Nutzungs- und Vergütungszeiträume ab 01.01.2002 findet das Verjährungsrecht in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung (§§ 195 ff. BGB n.F.) unmittelbar Anwendung, Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB.
b) Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 EGBGB unterfallen auch die nicht (i.S.d. § 12 Abs. 1, Abs. 3 ArbnErfG) konkretisierten, am 01.01.2002 unverjährten Vergütungsansprüche für die betriebliche Nutzung der Diensterfindung im Zeitraum Ende 1998 bis einschließlich 31.12.2001, welche nach §§ 195, 198 S. 1 BGB a.F. mit Entstehung des Anspruchs in 30 Jahren verjährten (vgl. Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindergesetz, 4. Aufl. 2002, § 9 Rz. 45), der regelmäßigen dreijährigen Verjährung nach § 195 BGB n.F. beginnend am 01.01.2002 (Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB), frühestens jedoch mit Vorliegen der Voraussetzungen nach § 199 Abs. 1 BGB n.F. (vgl. BGH, NJW 2007, 1584), soweit die Verjährung nach der gesetzlichen Neuregelung im Ergebnis kürzer ist.
2. Die Verjährung begann hinsichtlich der Vergütungsansprüche für den Zeitraum bis einschließlich 31.12.2003 spätestens am 31.12.2003, 24 Uhr, hinsichtlich des Vergütungsanspruchs für das Nutzungsjahr 2004 am 31.12.2004, 24 Uhr und hinsichtlich des Vergütungsanspruchs für das Nutzungsjahr 2005 am 31.12.2005, 24 Uhr.
a) Der Verjährungsbeginn richtet sich vorliegend nach § 199 Abs. 1 BGB n.F. (Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB; ggf. i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB, vgl. vorstehend I.1.b)). Die Verjährungsfrist beginnt hiernach mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
b) Die Vergütungsansprüche sind spätestens zum Ende des jeweiligen Nutzungsjahres entstanden.
aa) Entstanden ist der Anspruch, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann (BGHZ 79, 178 in st. Rspr.); Voraussetzung ist damit grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs. Die Entstehung des gesetzlichen Vergütungsanspruchs ist hiernach grs. gleichbedeutend mit dessen Fälligkeit. Der gesetzliche, nicht gemäß § 12 Abs. 1, Abs. 3 ArbnErfG konkretisierte Vergütungsanspruch ist fällig, sobald der Arbeitnehmer als Gläubiger vom Arbeitgeber die Vergütung verlangen kann (§ 271 Abs. 1 BGB). Nach Patenterteilung wird die Arbeitnehmererfindervergütung mit Beginn der Verwertungshandlung des Arbeitgebers - spätestens nach Ablauf von drei Monaten nach Schutzrechtserteilung (vgl. § 12 Abs. 3 S. 2 ArbnErfG) - fällig (vgl. Bartenbach/Volz, a.a.O., § 9 Rz. 40, 20 u. § 12 Rz. 60, 70 m.w.N.).
bb) Die Vergütungsfeststellung oder -festsetzung nach § 12 ArbnErfG ist keine Voraussetzung der Fälligkeit des gesetzlichen Vergütungsanspruchs oder des Verjährungsbeginns (vgl. Bartenbach/Volz, a.a.O., § 9 Rz. 40). Das gesetzlich nach § 12 Abs. 3 ArbnErfG vorgesehene - den Arbeitgeber berechtigende und verpflichtende - Festsetzungsverfahren verfolgt lediglich den Zweck, die Ermittlung der angemessenen Vergütung zu erleichtern und zu beschleunigen, im Interesse der Rechtssicherheit eine alsbaldige Klärung der Erfindervergütung herbeizuführen und den Arbeitgeber zu verpflichten, jedenfalls die von ihm festgesetzte Vergütung vorab zu bezahlen (Bartenbach/Volz, a.a.O., § 12 Rz. 40).
cc) Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der von den Klägern angeführten Entscheidung BGH X ZR 199/01 (GRUR 2003, 237-240 - Ozon). Die zitierte Entscheidung verhält sich allein zur Frage, inwieweit das Zuwarten des Arbeitnehmers bis zur Erteilung eines Patents auf die Diensterfindung sowie bis zur Ausschöpfung der Endfrist des § 12 Abs. 3 S. 2 ArbnErfG zur Vergütungsfestsetzung unter Verwirkungsgesichtspunkten einen Vertrauens-tatbestand beim Arbeitgeber schaffen kann.
dd) Endlich ist es der Beklagten gem. § 242 BGB auch nicht verwehrt, sich auf Verjährung unter Zugrundelegung der Anspruchsentstehung zu berufen. Zwar begründet § 12 Abs. 3 S. 2 HS. 1 ArbnErfG (a.F.) eine Pflicht des Arbeitgebers, bei unbeschränkter Inanspruchnahme der Diensterfindung die Vergütung spätestens bis zum Ablauf von drei Monaten nach Schutzrechtserteilung festzusetzen. Selbst wenn diese Pflichtverletzung Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers begründen könnte (ablehnend: Bartenbach/Volz, a.a.O., § 12 Rz. 45), unterfällt die Vermeidung einer vor Vergütungsfestsetzung beginnenden Verjährung zum Nachteil des Arbeitnehmers nicht dem Schutzzweck der Vorschrift (s.o. I.2.b)bb)).
c) Die Kläger hatten spätestens seit Mai 2003 auch Kenntnis von den den Vergütungsanspruch begründenden Tatsachen, insbesondere der Patenterteilung und der betrieblichen Verwertung des auf die Diensterfindung erteilten Patents. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit und ergibt sich überdies zur Überzeugung der Kammer insbesondere aus dem Anspruchsschreiben vom 08.05.2003.
3. Die Verjährung war aufgrund von Verhandlungen zwischen den Parteien im Zeitraum 08.05.2003 (Anspruchsschreiben nach Anlage K6-A5) bis 04.05.2007 (einseitige Vergütungsfestsetzung durch die Beklagte) gehemmt, § 203 BGB n.F. i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB. Hiervon gehen die Parteien übereinstimmend aus, was nicht auf fehlerhaften verjährungsrechtlichen Anschauungen beruht. Gemäß § 209 BGB n.F. ist der Hemmungszeitraum nicht in die Verjährungsfrist einzurechnen; der Verjährungslauf ist um die (nach dem Verjährungsbeginn liegende) Hemmungszeit zu verlängern.
4. Das auf einseitigen Antrag der Kläger durchgeführte und erfolglos beendete Schiedsstellenverfahren begründet keinen weiteren Hemmungstatbestand nach §§ 203 ff. BGB n.F. i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB.
a) Das eingeleitete und erfolglos beendete Schiedsstellenverfahren eröffnet (zumindest vorliegend) lediglich den Anwendungsbereich des § 204 Abs. 1 Nr. 12 HS. 1 BGB. Hiernach wird die Verjährung gehemmt durch Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird.
aa) Das durch einseitigen Antrag der Kläger eingeleitete Schiedsstellenverfahren, dem sich die Beklagte nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 , Nr. 2 ArbnErfG entzogen hat, begründet keine Hemmung der Verjährung gemäß § 203 S. 1 BGB n.F. Denn während des einseitig beantragten Schiedsstellenverfahrens schweben - ohne Hinzutreten anderweitiger Umstände - keine Verhandlungen zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger.
Der Verhandlungsbegriff nach § 203 BGB n.F. ist grs. weit auszulegen und erfasst jeden Meinungsaustausch über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, auf Grund dessen der Gläubiger davon ausgehen kann, dass sein Begehren von der Gegenseite noch nicht endgültig abgelehnt wird, sofern nicht jeder Anspruch sofort und eindeutig abgelehnt wird (vgl. Grothe in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2006, § 203 Rz. 5 m.w.N.).
Indes begründet allein die Durchführung des Schiedsstellenverfahrens auch unter Berücksichtigung der gesetzlich zugewiesenen Aufgabe der Schiedsstelle, zu versuchen, eine gütliche Einigung herbeizuführen (§ 28 S. 2 ArbnErfG), sowie angesichts der Möglichkeit des Arbeitgebers, sich dem Verfahren zu widersetzen (vgl. § 35 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 ArbnErfG), keine Verhandlungen im benannten Sinne. Bei einem einseitig - nicht einvernehmlich - angerufenen Schiedsstellenverfahren fehlt es schon an einem Meinungsaustausch, weil mit dem Antrag und der Erwiderung im Rahmen eines förmlichen (behördlichen) Verfahrens lediglich für die Schiedsstelle eine Entscheidungsgrundlage für den zunächst unverbindlichen Einigungsvorschlag nach § 34 ArbnErfG bereitet werden soll und Gesprächsbereitschaft als solche von den Parteien damit zunächst nicht bekundet ist. Dass der Arbeitgeber sich dem Schiedsstellenverfahren nicht von vornherein entzieht, sondern einen Einigungsvorschlag abwartet, bedeutet für den antragstellenden Arbeitnehmer - soweit dieser selbst weiterhin gesprächsbereit ist - nicht, der Arbeitgeber ließe sich auf (weitere) Verhandlungen ein, denn gerade im bestehenden wie beendeten Arbeitsverhältnis ist vielmehr denkbar, dass der Arbeitgeber nach (eindeutiger) Ablehnung eines (weitergehenden) Anspruchs des Arbeitnehmers lediglich aus Kulanz den (zunächst unverbindlichen) Einigungsvorschlag abwartet und diesen zunächst entgegennimmt (vgl. zur Nichtverhandlung bei schlichter Entgegennahme eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags: OLGR Schleswig 2006, 766-768). Sind Rechtsansprüche aber vom Schuldner (eindeutig) abgelehnt und hat der Gläubiger lediglich die Aussicht im Kulanzwege eine anderweitige Kompensation seines Anspruchsbegehrens zu erlangen, liegen Verhandlungen nicht vor (vgl. i.Erg. wohl: BGHZ 122, 317, 325; BGH NJW 1990, 245; BGHRp 2006, 138, 140).
Soweit der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung zur Zulässigkeit des Verjährungseinwands im Arzthaftungsprozess (NJW 1983, 2075) die Verjährungseinrede als treuwidrig angesehen hat, weil sich der Beklagte dem Verfahren vor der ärztlichen Schiedsstelle gestellt hatte, steht diese Entscheidung den vorstehenden Ausführungen nicht entgegen, da sich insoweit zwischenzeitlich vielmehr die Frage stellt, ob der Hemmungstatbestand nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB n.F. eingreift. Auch ist zu berücksichtigen, dass der Bundesgerichtshof in der späteren Entscheidung Mauerrohrdurchführung (GRUR 1993, 469-472) den auf vertraglicher Grundlage angebrachten Antrag an die Handelskammer in Paris, ein Güte- oder Schlichtungsverfahren mit dem Ziel durchzuführen, den Parteien einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten, gerade nicht unter dem Gesichtspunkt von schwebenden Verhandlungen und der sich nach damaligen Recht hieran anknüpfenden Frage des treuwidrigen Verjährungseinwands würdigte.
Vorliegend sind anderweitige Umstände weder ersichtlich noch vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass die Parteien die mit der einseitigen Vergütungsfestsetzung gescheiterten Verhandlungen im Wege des Schiedsstellenverfahrens fortsetzen wollten. Vielmehr ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die einseitige Anrufung der Schiedsstelle durch die Kläger unter weiterhin kategorischer Forderung ihrer Maximalposition durch die Kläger gerade keine eigene Gesprächsbereitschaft nach Abbruch der vorangegangenen Verhandlungen bekundete, sondern ersichtlich - maßgeblich hinsichtlich der Kläger Ziff. 2 und Ziff. 4 - der Vorbereitung der klageweisen Durchsetzung ihrer Rechtsposition diente.
bb) Die Anrufung der Schiedsstelle unterfällt nicht der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB n.F. Die Schiedsstelle gemäß § 28 ArbnErfG als nach Bundesrecht errichtete Behörde ist keine durch eine Landesjustizverwaltung eingerichtete oder anerkannte Gütestelle. Ob die Schiedsstelle überhaupt als sonstige Gütestelle im Sinne der Bestimmung und der Verfahrensantrag als Güteantrag anzusehen ist (überwiegend werden in der Literatur lediglich die Gütestellen auf nichtstaatlicher Grundlage als erfasst angesehen, vgl. Peters/Jacoby in Staudinger, BGB, 2009, § 204 Rz. 59), kann dahinstehen. Denn dann wäre Voraussetzung, dass die Parteien den Einigungsversuch einvernehmlich unternehmen, die sonstige Gütestelle also im Einvernehmen angerufen wird. An einem solch einvernehmlichen Einigungsversuch fehlt es im vorliegend einseitig angerufenen Schiedsstellenverfahren jedoch.
cc) Ebenso ist keine Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB n.F. durch den Beginn eines schiedsgerichtlichen Verfahrens eingetreten. Denn im Rahmen der ihr durch Gesetz übertragenen Befugnis wird die Schiedsstelle nicht als Schiedsgericht tätig. Eine materielle Entscheidungsbefugnis kommt ihr nicht zu. Ergebnis des Schiedsverfahrens ist der zunächst unverbindliche Einigungsvorschlag.
dd) Eine Hemmung in analoger Anwendung der Bestimmung nach § 15 Abs. 9 UWG durch Anrufung der Schiedsstelle kommt nicht in Betracht. Die Regelung zur Verjährungshemmung durch Anrufung der Einigungsstellen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ist eine insbesondere der kurzen sechsmonatigen Verjährung nach § 11 UWG geschuldete, nicht analogiefähige Sonderbestimmung aus dem Recht des unlauteren Wettbewerbs.
ee) Hinsichtlich der Kläger Ziff. 2 und Ziff. 4 ist die (erfolglose) Durchführung des (behördlichen) Schiedsstellenverfahrens jedoch Sachurteilsvoraussetzung nach § 37 Abs. 1 ArbnErfG, womit insoweit unmittelbar der Anwendungsbereich des Hemmungstatbestands nach § 204 Abs. 1 Nr. 12 HS. 1 BGB n.F. eröffnet ist (vgl. Bartenbach/Volz, a.a.O., § 31 Rz. 18) und insoweit mangels planwidriger Regelungslücke daneben eine analoge Anwendung der Tatbestände nach §§ 203, 204 Abs. 1 Nr. 4, 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB n.F. ausscheidet. Soweit die seinerzeit bereits bei der Beklagten ausgeschiedenen Kläger Ziff. 1 und Ziff. 3 gemäß § 37 Abs. 2 Nr. 3 ArbnErfG dem Zwang zur Anrufung der Schiedsstelle vor Durchführung des Klageverfahrens nicht unterliegen, kann dahinstehen, ob eine planwidrige Regelungslücke zu den hier erörterten Hemmungstatbeständen des bürgerlichen Rechts besteht. Jedenfalls besteht Rechtsähnlichkeit - gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der die Schiedsstelle anrufenden Arbeitnehmergruppen - in Abgrenzung der Vorschriften allenfalls zu § 204 Abs. 1 Nr. 12 HS. 1 BGB n.F., zumal den berechtigten Interessen des Arbeitnehmers als Gläubiger, durch Anrufung der Schiedsstelle keinen Rechtsnachteil hinsichtlich des Laufs der Verjährung zu erfahren, hinreichend bei analoger Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 12 HS. 1 BGB n.F. Rechnung getragen ist.
b) Die Klage wurde nicht innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Schiedsstellenverfahrens erhoben, womit die Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 12 HS. 1 BGB n.F. (analog) nicht eingreifen kann. Denn der Gesetzgeber hat die Hemmung nur dann vorgesehen, wenn der Gläubiger die Angelegenheit innerhalb von drei Monaten weiterbetreibt. Die Mitteilung über die erfolglose Beendigung des Schiedsstellenverfahrens vom 20.02.2009 ging den Verfahrensbevollmächtigten ausweislich des Eingangsstempels der Kanzlei spätestens am 02.03.2009 zu. Die Klage ging jedoch erst am 21.05.2010 bei Gericht ein.
5. Unter Berücksichtigung des Vorgenannten sind die Vergütungsansprüche für die Nutzungszeiträume bis einschließlich 2005 bereits vor Klageerhebung im Jahr 2010, nämlich im Mai 2009 verjährt.
a) Vergütungsansprüche für die Nutzungszeiträume bis 31.12.2003:
Die spätestens am 31.12.2003, 24 Uhr begonnene regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist hätte am 31.12.2006, 24 Uhr geendet. Unter Hinzurechnung der im Lauf der Verjährungsfrist liegenden Hemmungszeit gemäß Ziff. 3 (01.01.2004 - 04.05.2007), also 3 Jahre, 4 Monate und 4 Tage, trat Verjährung zum 04.05.2009 ein.
b) Vergütungsansprüche für den Nutzungszeitraum 01.01.2004 bis 31.12.2004:
Die am 31.12.2004, 24 Uhr begonnene regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist hätte am 31.12.2007, 24 Uhr geendet. Unter Hinzurechnung der im Lauf der Verjährungsfrist liegenden Hemmungszeit gemäß Ziff. 3 (01.01.2005 - 04.05.2007), also 2 Jahre, 4 Monate und 4 Tage, trat Verjährung zum 04.05.2009 ein.
c) Vergütungsansprüche für den Nutzungszeitraum 01.01.2005 bis 31.12.2005:
Die am 31.12.2005, 24 Uhr begonnene regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist hätte am 31.12.2008, 24 Uhr geendet. Unter Hinzurechnung der im Lauf der Verjährungsfrist liegenden Hemmungszeit gemäß Ziff. 3 (01.01.2006 - 04.05.2007), also 1 Jahre, 4 Monate und 4 Tage, trat Verjährung zum 04.05.2009 ein.
II.
Betriebliche Verwertungshandlungen der Beklagten ab 2006, welche Vergütungsansprüche der Kläger nach § 9 ArbnErfG zu begründen vermögen, sind nicht schlüssig dargetan. Eine betriebliche Verwertung der Diensterfindung nach dem Streitpatent, also eine nach § 9 S. 2 PatG monopolisierte Benutzung der technischen Lehre des Streitpatents, kann nach dem sich allein zum geschützten Verfahren nach dem Streitpatent verhaltenden klägerischen Vortrag nicht festgestellt werden. Weder beim sog. Kränzen noch bei der - aus dem Stand der Technik vorbekannten - Spreadertechnologie wendet die Beklagte das Verfahren an, das Gegenstand des Streitpatents ist (§ 9 S. 2 Nr. 2 PatG).
1. Das Streitpatent betrifft Verfahren zum Strangpressen eines Profils oder dergleichen Körpers aus einem Barren, Verwendung des Verfahrens sowie eine entsprechende Vorrichtung. Die im Stand der Technik bekannten Strangpressverfahren kennzeichnet das Streitpatent als verbesserungswürdig dahingehend, die beim Strangpressen insbesondere von Aluminiumlegierungen auftretenden Verunreinigungsbereiche am Übergang zweier benachbarter Blöcke oder Barren zu unterbinden (Sp. 2 Z. 1-4). Zur Lösung der so definierten subjektiven Aufgabe schlägt das Streitpatent nach Anspruch 1 ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor:
a) Verfahren zum Strangpressen eines Profils oder dergleichen Körpers aus einem Barren (24).b) Der Barren (24) wird in der Rezipientenbohrung (22) eines Aufnehmers (18) geführt.c) Der Barren (24) wird mittels eines Pressstempels (16) in Pressrichtung (x) durch einen Formquerschnitt (31) eines Formwerkzeugs (32) gepresst.d) Vor Eintritt des Barrens (24) in den Formquerschnitt (31) wird der Barren (24) in Pressrichtung (x) um ein Kragmaß (t) aus dem Aufnehmer (18) geschoben wird,d1) wonach ein scheibenartiger Frontabschnitt (48) des freien Barrenendes abgeschert und entfernt wirdd2) sowie anschließend nach erfolgtem Anstellen des Aufnehmers an das Formwerkzeug der Pressvorgang durchgeführt wird.
2. Beim sog. Kränzen wird insbesondere Merkmalsgruppe d) nicht verwirklicht. Dass die Entfernung des sog. Kranzes - wie von der Beklagten ausgeführt - notwendige Folge einer Fehlfunktion der Strangpresse ist, die Unterbrechung des Produktionsprozesses erfordert, lediglich die Entfernung des radial unkontrolliert ausgetretenen Aluminiums bedeutet und bei der anschließenden Fortsetzung des Produktionsprozesses auch der restliche Barren aus dem Rezipienten entfernt wird, stellen die Kläger nicht in Abrede. Hiernach wird gerade kein sich entsprechend einem eingestellten Kragmaß ergebender scheibenartiger Frontabschnitt des freien Barrenendes abgeschert (d1)) und anschließend nicht der Pressvorgang mit dem so vorbearbeiteten Barren durchgeführt (d2)).
3. Soweit die Kläger schlicht auf die vorbekannte Spreadertechnologie (vgl. auch Sp. 2, Z. 35-42), welche nach dem Verwendungsanspruch 4 des Streitpatents unmittelbar angesprochen wird, zeigen sie nicht schlüssig auf, dass das streitpatentgemäße Verfahren nach Anspruch 1 Verwendung findet. Die bestrittene Behauptung, die Spreadertechnologie habe erst aufgrund des Streitpatents Anwendung finden können, genügt dafür nicht ansatzweise.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen zu Kosten und vorläufiger Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 1; 708 Nr. 11, 711 ZPO.
LG Mannheim:
Urteil v. 20.05.2011
Az: 7 O 117/10
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