Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 10. November 1994
Aktenzeichen: 3 S 1795/94

(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 10.11.1994, Az.: 3 S 1795/94)

1. Der Streitwert einer Anfechtungsklage gegen einen Bauvorbescheid ist dem Streitwert der gleichzeitig (§ 44 VwGO) erhobenen Anfechtungsklage gegen die nachfolgende Baugenehmigung dann nicht hinzuzurechnen (Rechtsgedanke des § 5 ZPO), wenn die Aufhebung des Bauvorbescheids für den Kläger keinen selbständigen wirtschaftlichen Wert hat (vgl auch BVerwG, DÖV 1982, 410 sowie Nr I, 3 des Streitwertkatalogs, DVBl 1991, 1239, 1240).

Gründe

Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren sind die prozeßbevollmächtigten der Klägerin. Darauf deutet bereits der Wortlaut des Beschwerdeschriftsatzes vom 29.6.1994 hin. Darin heißt es, daß "wir ... Streitwertbeschwerde ein(legen)", während etwa die Klage ausdrücklich "namens und im Auftrag der Klägerin" erhoben wurde (vgl. Schriftsatz vom 23.11.1993, Bl. 3 der VG-Akten). Gleichwohl noch bestehende Zweifel an der Zielrichtung der Beschwerde sind auf Grund der telefonischen Erläuterung von Rechtsanwalt Dr. F. am 9.11.1994 ausgeräumt. Er hat erklärt, die Beschwerde sei von Anfang an als im eigenen Namen eingelegt anzusehen.

Diese Beschwerde ist zulässig. Insbesondere sind die Beschwerdeführer durch den angegriffenen Beschluß sachlich beschwert und auch selbständig rechtsmittelbefugt (vgl. § 9 Abs. 1 und 2 BRAGO). Die Beschwerde ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert mit 10 000,-- DM zu niedrig bemessen.

Gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 GKG ist in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Bedeutung der Sache für den Kläger entspricht seinem Interesse an der erstrebten Entscheidung. Maßgebend ist dabei das im Antrag zum Ausdruck kommende objektive Interesse des Klägers. Bei Klagen drittbetroffener Nachbarn gegen baurechtliche Erlaubnisse ist vor allem auf das objektive wirtschaftliche Interesse an der Abwehr der jeweils streitgegenständlichen Bebauung abzustellen.

Vorliegend wandte sich die Klägerin gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 7.11.1989/9.5.1990 über die Errichtung eines Hotels mit 258 Betten, Restaurant, Weinstube und Tiefgarage auf den nördlich an ihr Grundstück anschließenden Grundstücken Flst.Nrn. 2225/5 und 2215/9. Ferner griff sie einen der Beigeladenen unter dem 21.9.1987 erteilten Bauvorbescheid über die Zulässigkeit einer Hotelbebauung auf denselben Grundstücken an.

Der Senat schätzt das Interesse der Klägerin an der Abwehr des genehmigten Vorhabens auf 20 000,-- DM. Zwar mag das Grundstück der Klägerin wegen der Entfernung und der konkreten Ausgestaltung des Bauvorhabens von Immissionen (Zufahrtslärm, Abgase etc.) nur geringfügig betroffen werden (vgl. dazu den Normenkontrollbeschluß des Senats vom 29.7.1992 - 3 S 440/90 -, S. 11 ff.). Dessen ungeachtet wird die Bebauung des bislang freien parkähnlichen Baugrundstücks mit dem streitigen Hotelkomplex allein schon aus optischen Gründen zu einer gewissen Wertminderung des -als hochwertig einzustufenden Villengrundstücks der Klägerin führen. Diese Wertminderung ist der Streitwertbemessung zugrundezulegen (vgl. dazu auch den von Richtern erarbeiteten Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, DVBl. 1991, 1239, 1241). Der Senat schätzt sie auf 20 000,-- DM.

Er orientiert sich dabei an den im Normenkontrollverfahren 3 S 440/90 je Antragsteller festgesetzten Streitwert (ebenfalls 20 000,-- DM je Grundstück). Diese Normenkontrolle war auf die Abwehr einer nach dem Bebauungsplan zulässigen Hotelnutzung gleichen Umfangs gerichtet; die Höhe des Streitwerts beruhte auf den Erkenntnissen beim vom Berichterstatter vor Ort durchgeführten Augenschein.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer wirkt sich der Umstand, daß die Klägerin auch den Bauvorbescheid vom 21.9.1987 bekämpfte, nicht streitwerterhöhend aus. Denn nach dem auch im Verwaltungsprozeß anzuwendenden Rechtsgedanken des S 5 ZPO sind die Streitwerte von - wie hier - gemeinsam geltend gemachten Klageansprüchen (vgl. § 44 VwGO) nur dann zusammenzurechnen, wenn sie jeweils einen "selbständigen Wert" haben, d.h. wenn sie nicht denselben wirtschaftlichen Gegenstand betreffen (st.Rspr., vgl. etwa BVerwG, Beschluß vom 22.9.1981, DÖV 1982, 410; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 26.7.1988 - A 12 S 787/87 -, vom 16.10.1991 - 1 S 1424/81 - und vom 20.12.1976 - III 1594/76 -, NJW 1977, 827; ebenso Scholz, VBlBW 1981, 4 ff. sowie Ziff. I Nr. 3 des Streitwertkatalogs, aaO; vgl. ferner Hartmann, Kostengesetze, 21. Auf l., Anh. § 12 GKG zu § 5 ZPO, 2) A und die unter B b) aufgeführten Fälle). Eine in diesem Sinne eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hat der Bauvorbescheid im Verhältnis zur Baugenehmigung hier jedoch nicht. Seine Anfechtung mag zwar rechtlich zulässig sein. Ein im Verhältnis zur Baugenehmigung erhöhtes oder weitergehendes wirtschaftliches Abwehrinteresse der Klägerin wird von dieser mit der Klage gegen den Bauvorbescheid aber nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Das vom Bauvorbescheid erfaßte Hotelbauvorhaben ist zwar mit der später genehmigten Anlage baulich (Grundriß, Baukörper) und nach den einzelnen Nutzungen nicht völlig identisch, so daß es möglicherweise rechtlich nicht in letzterem aufgeht (Bindungswirkung nach § 54 LBO). Nach Größe und Nutzungsumfang - und damit mit seinen für die Nachbargrundstücke wertmindernden Faktoren - bleibt das den Gegenstand des Bauvorbescheids bildende Hotel hinter dem später genehmigten Objekt jedoch zurück. So gestattet der Bauvorbescheid nur eine Anlage mit 185 Betten, während die Baugenehmigung ein Hotel mit 258 Betten zuläßt. Die der Baugenehmigung im Nachtrag zugunsten der Nachbarn beigefügten Nutzungs- und Betriebsauflagen könnten auch einem nach dem Bauvorbescheid zulässigen Vorhaben entgegengehalten werden. Zwar enthielt der Bauvorbescheid ursprünglich solche Einschränkungen nicht. Jedoch hat sich die Beigeladene im Berufungsverfahren 3 S 2673/89 (betr. eine Nachbarklage gegen den Bauvorbescheid) vergleichsweise zur Einhaltung all dieser Einschränkungen verpflichtet und damit auf weitergehende Rechte aus dem Bauvorbescheid verzichtet (zu dieser Möglichkeit vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluß vom 26.10.1981 - 3 S 1983/81 -, VBlBW 1982, 198)

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Verfahren über die Beschwerde gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden (vgl. S 25 Abs. 3 GKG).

Dieser Beschluß ist unanfechtbar.






VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 10.11.1994
Az: 3 S 1795/94


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