Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 23. April 2014
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 8/14

(BGH: Beschluss v. 23.04.2014, Az.: AnwZ (Brfg) 8/14)

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 11. November 2013 verkündete Urteil des I. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs wird abgelehnt.

Die Rechtsmittel des Klägers gegen die Beschlüsse des I. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs vom 11. November 2013 werden als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 55.000 € (50.000 € + 5.000 €) festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) und wegen Aufgabe seiner Kanzlei (§ 14 Abs. 3 Nr. 4 BRAO). Seine Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung. Ferner wendet sich der Kläger gegen verschiedene im Laufe der mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof verkündete Beschlüsse.

II.

Der nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die vom Kläger der Sache nach geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VwGO i.V.m. § 112e Satz 2 BRAO liegen nicht vor.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind; ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 882b ZPO) eingetragen ist. Hierbei ist nach der ständigen Senatsrechtsprechung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Widerrufs infolge des ab 1. September 2009 geltenden Verfahrensrechts auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens - hier Widerrufsbescheid vom 27. Juni 2013 - abzustellen; danach eingetretene Entwicklungen bleiben der Beurteilung in einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 20/11, NZI 2012, 106 Rn. 7 und vom 14. November 2013 - AnwZ (Brfg) 65/13, juris Rn. 5).

a) Der Kläger ist aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts F. vom 27. Januar 2013 (82 M ) im Zentralen Schuldnerverzeichnis des Landes H. eingetragen. Eine Abschrift des Haftbefehls und ein Auszug aus dem Schuldnerverzeichnis befinden sich in den dem Senat vorliegenden Akten der Beklagten. Insoweit reicht es nicht aus, wenn der Kläger pauschal vorträgt, ihm sei die Eintragung nicht bekannt, das Schuldnerverzeichnis sei inhaltlich unrichtig, der zugrundeliegende Haftbefehl sei nicht erlassen bzw. offensichtlich willkürlich und greifbar gesetzwidrig. Es ist im Übrigen nicht Aufgabe der Beklagten oder des Anwaltsgerichtshofs, die Eintragung im Schuldnerverzeichnis inhaltlich zu überprüfen, sondern Sache des Klägers, wenn seiner Meinung nach die Eintragung zu Unrecht erfolgt sein sollte, deren Löschung zu bewirken. Solange dies nicht geschehen ist, spricht gegen den Kläger die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls.

Diese hat der Kläger, wie der Anwaltsgerichtshof, auf dessen Begründung der Senat zunächst Bezug nimmt, zutreffend festgestellt hat, nicht widerlegt. Ergänzend merkt der Senat nur folgendes an: Ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, muss zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 22. März 2010 - AnwZ (B) 84/09, juris Rn. 7; vom 4. April 2012 - AnwZ (Brfg) 1/12, juris Rn. 3 und 7; vom 14. November 2013, aaO Rn. 4 und vom 10. Februar 2014 - AnwZ (Brfg) 81/13, juris Rn. 7). Hieran fehlt es vollständig. Insbesondere reicht es ersichtlich nicht, wenn der Kläger - der im Übrigen nach dem vorliegenden Auszug aus dem Vollstreckungsregister des Amtsgerichts F. vom 3. September 2012 dort mit 23 Zwangsvollstreckungsverfahren eingetragen ist - pauschal die Existenz bzw. Wirksamkeit bzw. Berechtigung von Verbindlichkeiten oder Vollstreckungstiteln in Abrede stellt, behauptet, fristgerecht gegen jede ihn belastende Maßnahme Rechtsbehelfe eingelegt zu haben und zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nähere Auskünfte unter Hinweis auf sein Persönlichkeitsrecht bzw. sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verweigert.

b) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511; vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 54/09, juris Rn. 6 und vom 24. Mai 2013 - AnwZ (Brfg) 15/13, juris Rn. 5). Hierfür trägt der Rechtsanwalt die Feststellungslast (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2010 - AnwZ (B) 67/08, BRAK-Mitt. 2010, 129 Rn. 11; vom 5. September 2012 - AnwZ (Brfg) 26/12, NJW-RR 2013, 175 Rn. 5 und vom 26. August 2013 - AnwZ (Brfg) 31/13, juris Rn. 5). Die Annahme einer solchen Sondersituation setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, aaO; vom 24. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg) 43/12, juris Rn. 9; vom 26. August 2013, aaO Rn. 5 und vom 4. Januar 2014 - AnwZ (Brfg) 62/13, juris Rn. 6). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Der bloße Hinweis des Klägers darauf, dass eine Vollstreckung in Fremdgelder ausgeschlossen sei, da er Barzahlungen nicht annehme und zur Vermeidung einer Vermögensvermischung unbare Zahlungen nur auf sogenannten Fremdgeldkonten entgegennehme, ist nicht geeignet, einen solchen Ausnahmefall zu begründen. Der Kläger ist als Einzelanwalt tätig und kann von daher nicht daraufhin überwacht werden, ob er selbst auferlegte Beschränkungen hinsichtlich der Annahme von Fremdgeld einhält (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 31. Mai 2010, aaO Rn. 8; vom 15. März 2012 - AnwZ (Brfg) 55/11, juris Rn. 10; vom 14. November 2013, aaO Rn. 6 und vom 18. Januar 2014 - AnwZ (Brfg) 53/13, juris Rn. 6 m.w.N.). Genauso wenig ist von Bedeutung, ob es in der Vergangenheit noch nicht zu Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Fremdgeldern gekommen ist (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 15. März 2012, aaO und vom 5. November 2013 - AnwZ (Brfg) 36/13, juris Rn. 6), zumal eine Gefährdung völlig unabhängig von einem kriminellen Verhalten des Betroffenen eintreten kann (vgl. nur Senatsbeschluss vom 22. Mai 2013 - AnwZ (Brfg) 73/12, juris Rn. 4). Im Übrigen setzt die Annahme eines Ausnahmefalls auch voraus, dass der betroffene Rechtsanwalt eine Perspektive zur Konsolidierung hat; er muss deshalb selbst zielgerichtet, ernsthaft und planvoll die erforderlichen Schritte zur Stabilisierung seiner Vermögensverhältnisse unternommen haben (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 13. September 2010 - AnwZ (B) 106/09, juris Rn. 17 und vom 24. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg) 61/11, AnwBl. 2013, 145 Rn. 6). Auch hierfür ist nichts ersichtlich.

2. Nach § 14 Abs. 3 Nr. 4 BRAO kann die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerrufen werden, wenn der Rechtsanwalt seine Kanzlei aufgibt, ohne dass er von der Kanzleipflicht des § 27 Abs. 1 BRAO befreit worden ist. Da die Zulassung des Klägers bereits aus den Gründen zu § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu Recht widerrufen worden ist, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich auf diesen weiteren Widerrufsgrund an. Im Übrigen erweist sich der Widerrufsbescheid der Beklagten vom 27. Juni 2013 auch insoweit als rechtmäßig. Der Senat nimmt zunächst Bezug auf die Begründung im angefochtenen Urteil, der er beitritt. Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers in seinem Zulassungsantrag merkt der Senat lediglich ergänzend Folgendes an: Eine Aufgabe einer Kanzlei liegt immer dann vor, wenn der Anwalt den Mindestanforderungen an die Errichtung einer Kanzlei nicht mehr genügt und damit für das rechtsuchende Publikum nicht mehr ausreichend erreichbar ist. Zu diesen Mindestanforderungen gehören organisatorische Maßnahmen, um der Öffentlichkeit den Willen des Rechtsanwalts zu offenbaren, bestimmte Räume zu verwenden, um dem rechtsuchenden Publikum dort anwaltliche Dienste bereitzustellen; ferner muss der Rechtsanwalt ein Praxisschild anbringen, einen Telefonanschluss unterhalten und zu angemessenen Zeiten dem rechtsuchenden Publikum in den Praxisräumen für anwaltliche Dienste zur Verfügung stehen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. nur Beschlüsse vom 3. März 1997 - AnwZ (B) 54/96, juris Rn. 4; vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 69/03, juris Rn. 5; vom 2. Dezember 2004 - AnwZ (B) 72/02, NJW 2005, 1420 und vom 6. Juli 2009 - AnwZ (B) 26/09, NJW 2009, 1577 f. m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Mindestanforderungen vgl. nur BVerfG, BRAK-Mitt. 2005, 275, 276 m.w.N.). Gemessen an diesen Kriterien unterhält der Kläger keine Kanzlei. Dies hat er selbst - worauf der Anwaltsgerichtshof zutreffend hingewiesen hat - sowohl in der Klageschrift als auch in seinem weiteren Schreiben vom 19. April 2013 an die Beklagte mitgeteilt und dies wird auch durch den eigenen Vortrag des Klägers in seiner Zulassungsbegründung bestätigt. Der Kläger hat unter der Anschrift in der M. Landstraße in F. lediglich ein - abgesehen von der Grundmöblierung (Tische; Stühle) - "leerstehendes Kanzleizimmer" angemietet, das "nie benutzt wird" und das "weder eine Wohn- noch eine Geschäftsanschrift noch eine steuerliche Betriebsstätte darstellt". Der Kläger unterhält damit dort eine Kanzlei nur dem Schein nach; diese besteht schon mangels Präsenz in Wirklichkeit nicht. Der Widerruf ist, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend festgestellt hat, auch nicht unverhältnismäßig. Ein Anspruch auf Befreiung von der Kanzleipflicht besteht nicht; insoweit nimmt der Senat Bezug auf seine Entscheidung im Parallelverfahren AnwZ (Brfg) 7/14.

3. Aus den vorstehenden Gründen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Es liegt auch kein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Der Senat hat die diesbezüglichen Rügen des Klägers geprüft, hält sie jedoch für nicht durchgreifend. Auch nach Auffassung des Senats ist der Widerruf der Zulassung zu Recht erfolgt.

III.

Die "Rechtsmittel" des Klägers gegen die Verwerfung seines Befangenheitsantrags vom 10. Oktober 2013 sowie der drei von seinem damaligen Prozessbevollmächtigten gestellten Befangenheitsanträge vom 11. November 2013 durch die Beschlüsse des Anwaltsgerichtshofs vom 11. November 2013 sind unzulässig, da diese Entscheidungen unanfechtbar sind (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 31. Januar 2013 - AnwZ (B) 5/12, juris Rn. 3 und vom 25. September 2013 - AnwZ (B) 1/13, 2/13, AnwZ (Brfg) 27/13, juris Rn. 1). Gleiches gilt nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO für den Beschluss des Anwaltsgerichtshofs vom 11. November 2013 über die Anhörungsrüge des Klägers.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO bzw. § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Kayser König Seiters Braeuer Schäfer Vorinstanz:

AGH Frankfurt, Entscheidung vom 11.11.2013 - 1 AGH 10/13 -






BGH:
Beschluss v. 23.04.2014
Az: AnwZ (Brfg) 8/14


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