Landgericht Köln:
Beschluss vom 21. August 2013
Aktenzeichen: 34 T 179/13

(LG Köln: Beschluss v. 21.08.2013, Az.: 34 T 179/13)

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 23.07.2013, Az. 133 C 347/13, wird aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Antragsgegnerin wird untersagt,

a) die Antragstellerin zu observieren und/oder observieren zu lassen;

b) Foto- und/oder Filmaufnahmen von der Antragstellerin anzufertigen oder anfertigen zu lassen, wenn dies im Rahmen von Observationsmaßnahmen geschieht.

Zugleich wird der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 60 % und die Antragsgegnerin zu 40 %.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin Unterlassung von Observationsmaßnahmen, Unterlassung von Abhörmaßnahmen, Unterlassung der Anfertigung von Foto-, Film- und Tonaufnahmen sowie Unterlassung der Verbreitung von bereits angefertigten Bildern.

Die am 03.06.1972 in Deutschland und in Griechenland aufgewachsene Antragstellerin begab sich im Herbst 2004 zu einer Schilddrüsen-Operation in das O-Klinik. Bei der am 05.10.2004 durchgeführten Operation kam es zu starken Nachblutungen, die von den operierenden Ärzten fehlerhaft nicht erkannt sowie fehlerhaft nicht rechtzeitig und nicht adäquat behandelt wurden. Durch die lange Sauerstoffunterversorgung erlitt die Antragstellerin einen hypoxischen Hirnschaden und befand sich bis Februar 2005 im Koma. Seitdem leidet sie unter schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Die Haftung der operierenden Ärzte und des Krankenhauses für die operationsbedingten Schäden der Antragstellerin ist unstreitig. Hinsichtlich der Haftung der Höhe nach kam es seit 2006 zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin, die die Haftpflichtversichung der operierenden Ärzte und des Krankenhauses ist, zu Auseinandersetzungen. Ende April 2009 wurde ein Vergleich zwischen den Parteien geschlossen, mit dem alle bis zum 30.04.2009 angefallenen materiellen Schäden gegen Zahlung einer Summe von 100.000 € abgegolten wurden. Am 08.02.2010 folgte eine weitere Zahlung von 50.000 € zur freien Verrechnung, am 27.05.2010 eine weitere Zahlung in Höhe von 150.000 € ausschließlich auf einen sich ergebenden Schmerzensgeldanspruch.

Im Juni 2010 verklagte die Antragstellerin die operierenden Ärzte und das Krankenhaus auf weitere Zahlungen vor dem Landgericht Bochum. Am 04.07.2012 verurteilte das Landgericht Bochum die dortigen Beklagten zur Zahlung weiterer 150.000 € Schmerzensgeld, 130.000 € Verdienstausfall und schädigungsbedingter Mehraufwendungen für die Zeit vom 01.05.2009 bis zum 30.06.2010, 12.900 € monatlich fortlaufend lebenslängliche Pflegekosten, Therapiekosten und schädigungsbedingte Mehraufwendungen, 42.000 € Verdienstausfall für die Vergangenheit sowie monatlich 3.000 € Verdienstausfall fortlaufend ab Juli 2010. Weiter wurde im Urteil festgestellt, dass die Beklagten zum Ersatz aller weiteren Schäden darüber hinaus verpflichtet sind (vgl. im Einzelnen Urteilstext Bl. 19 bis 53 d. A. sowie Anlage AG1 der Schutzschrift der Antragsgegnerin). Der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens wurde auf 2.390.000 € festgesetzt (vgl. Bl. 321/322 d. A.).

Gegen das Urteil legten die Beklagten mit Ausnahme eines Betrages von 100.000 € Schmerzensgeld Berufung ein. Das Berufungsverfahren läuft derzeit beim Oberlandesgericht Hamm unter dem Aktenzeichen I-26 U 158/12, wobei der Streitwert der Berufung der Beklagten auf 1.296.600 € festgesetzt wurde (Bl. 314 d. A.) und ein erster Erörterungstermin auf den 11.10.2013 bestimmt ist (Bl. 54 d. A.). Die Antragsgegnerin zahlte nach dem erstinstanzlichen Urteil weitere 100.000 € an die Antragstellerin. Weitere 3.000 € monatlich zahlt die Antragsgegnerin auf Grund eines Vergleiches, der als vorläufige Regelung bis zum Abschluss des Rechtsstreits zwischen der Antragstellerin und den dortigen Beklagten am 19.07.2011 vor dem Oberlandesgericht Hamm, Az. I-26 W 5/11, geschlossen wurde (Bl. 139-142 d. A.).

Vom 22.08.2012 bis zum 04.09.2012 und vom 08.10.2012 bis zum 12.10.2012 ließ die Antragsgegnerin die Antragstellerin ohne deren Kenntnis in ihrem Wohnumfeld in Athen zwischen 7.00 und 22.00 Uhr durchgehend von einem privaten Unternehmen, der "Schadensermittler GmbH", observieren. Zu den durchgeführten Observationen und Ermittlungen wurden Berichte angefertigt, auf die hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Observationsmaßnahmen verwiesen wird (Bericht vom vom 13.09.2012: Bl. 161 bis 192; Bericht vom 18.10.2012: Bl. 223 bis 235 d. A.). Diese Berichte wurden wie auch ein weiterer Ermittlungsbericht vom 23.10.2012 (Bl. 193 bis 222) zunächst nur der Antragsgegnerin zur Kenntnis gebracht.

Unter dem 19.10.2012 reichten die Beklagten beim Oberlandesgericht Hamm eine 30-seitige Berufungsbegründung ein (vgl. Anlage AG2 zur Schutzschrift der Antragstellerin). In der Berufungsbegründung wurden unter anderem verschiedene Tatsachen betreffend den Tagesablauf der Antragstellerin vorgetragen. Darüber hinaus wurde unter anderem auf die Zeugen L2 und T sowie auf den "schriftlichen Bericht" der Zeugen verwiesen (vgl. Bl. 19 der Berufungsbegründung). Die Observationsberichte sind nicht Teil oder Anlagen des genannten Schriftsatzes vom 19.10.2012.

Nach der Berufungserwiderung der Antragstellerin folgte unter dem 24.05.2013 die Replik der Beklagten. Dieser beigefügt waren die schriftlichen Observationsberichte (vgl. Auszug aus dem Schriftsatz vom 24.05.2013, Bl. 58/59 d. A.).

Die Vertreterin der Antragstellerin erhielt im Juni 2013 Kenntnis von dem Schriftsatz vom 24.05.2013. Eine Besprechung mit der Antragstellerin erfolgte Ende Juni 2013. Unter dem 04.07.2013 übersandte die Antragstellerin der Antragsgegnerin (vorab per Telefax) eine Abmahnung und begehrte von der Antragsgegnerin die Abgabe einer Unterlassungserklärung bis zum 10.07.2013 (Bl. 154-158 d.A.). Unter dem 10.07.2013 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass die gesetzte Frist zu kurz sei und man bis "Ende nächster Woche" auf den Vorgang zurückkomme (Bl. 159 d.A.). Unter dem 19.07.2013 lehnte die Antragsgegnerin per E-Mail die Abgabe einer Unterlassungserklärung ab.

Am 18.07.2013 hat die Antragstellerin beim Landgericht Köln den Erlass einer einstweiligen Verfügung dahingehend beantragt, der Antragsgegnerin bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes von 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft zu untersagen,

a) die Antragstellerin zu observieren und/oder observieren zu lassen,

b) die Antragstellerin abzuhören und/oder abhören zu lassen,

c) Foto- und/oder Film- und/oder Tonaufnahmen von der Antragstellerin al lein und/oder in Begleitung anzufertigen oder anfertigen zu lassen.

Unter dem 21.07.2013 hat sie antragserweiternd beantragt, der Antragsgegnerin bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes von 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft zu untersagen,

d) ohne Zustimmung der Antragstellerin Bilder, die die Antragstellerin allein und/oder zusammen mit Dritten zeigen, zu verbreiten, wenn dies geschieht wie auf den in den Schadensberichten der Schadensermittler zu dem Az. VO-0812-00090-RS-MK, Teile 1, 2 und 3 nachstehend wiedergegeben [vgl. zu den einzelnen Bildern Bl. 292 bis 302].

Die Antragsgegnerin hat am 11.07.2013 beim Landgericht Köln eine Schutzschrift gegen die von ihr erwartete einstweilige Verfügung der Antragstellerin eingereicht, Az. 0 AR 904/13. Darin hat sie beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 22.07.2013 hat das Landgericht Köln, 16. Zivilkammer, den Rechtsstreit wegen sachlicher Unzuständigkeit an das Amtsgericht Köln verwiesen, weil der Streitwert 5.000 € nicht übersteige. Das Amtsgericht Köln hat mit Beschluss vom 23.07.2013 den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, dass bezüglich der Anträge a) bis c) eine Eilbedürftigkeit nicht vorliege und hinsichtlich des Antrags zu d) eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache herbeigeführt werde.

Gegen den ihr am 27.07.2013 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 29.07.2013 sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 01.08.2013 hat das Amtsgericht Köln der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Unterlassung der Observierung im aus den genannten Berichten erkennbaren Umfang sowie auf Unterlassung der Anfertigung von Foto- und/oder Filmaufnahmen im Rahmen dieser Observierungen. Hingegen war der Antrag auf Unterlassung von Abhörmaßnahmen, Anfertigung von Tonaufnahmen und auf Unterlassung der Verbreitung der Bildnisse zurückzuweisen.

1)

a)

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Unterlassung von Observierungsmaßnahmen gem. §§ 823, 1004 BGB analog, wenn dies wie aus den von der Antragstellerin vorgelegten Observationsberichten vom 13.09.2012 (Bl. 161-192 d. A.) und vom 18.10.2012 (Bl. 223 bis Bl. 235 d.A.) ersichtlich geschieht,.

aa)

Voraussetzung eines Unterlassungsanspruchs wegen unerlaubter Handlung gem. §§ 823, 1004 BGB analog ist ein objektiv widerrechtlicher Eingriff in ein gem. § 823 BGB geschütztes Recht (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., Einf. v. § 823 Rn. 18). Dazu zählt insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Palandt, a.a.O.). Durch die durchgeführte Observierung hat die Antragsgegnerin das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin rechtswidrig verletzt.

(1)

Das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht wird aus Art. 1, 2 GG abgeleitet (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 84). Der Schutzbereich wird dabei nach der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Sphärentheorie in drei verschiedene Sphären aufgeteilt: Die Intimsphäre umfasst die innere Gedanken- und Gefühlswelt mit ihren äußeren Erscheinungsformen wie vertraulichen Briefen, Tagebuchaufzeichnungen sowie Angelegenheiten, für die ihrer Natur nach Anspruch auf Geheimhaltung besteht, z. B. der Gesundheitszustand (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 87 m.w.N.). Die Privatsphäre umfasst denjenigen Lebensbereich, zu dem anderen Menschen nach der sozialen Anschauung nur mit Zustimmung des Betroffenen Zugang haben. Dies betrifft insbesondere das Leben im häuslichen Familienkreis und das sonstige Privatleben im eigenen häuslichen Bereich sowie je nach den Umständen auch außerhalb (Palandt/Sprau, a.a.O.). Die Sozial- oder Individualsphäre schützt das Selbstbestimmungsrecht und bewahrt die persönliche Eigenart des Menschen in seinen Beziehungen zur Umwelt, seinem öffentlichen, wirtschaftlichen, beruflichen Wirken (Palandt/Sprau, a.a.O.). Während die Intimsphäre absoluten Schutz genießt, kann ein Eingriff in die Privatsphäre ausnahmsweise befugt sein, wenn die wahrheitsgemäße Aufklärung über Vorgänge aus dem privaten Lebensbereich aus besonderen Gründen von Bedeutung ist (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 96). In der Sozialsphäre genießt die Person keinen so weitgehenden Schutz, der Betroffene als in Gemeinschaft stehender Mensch muss sich auf Beobachtung und Bewertung seines Verhaltens einstellen (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 96).

Die Verletzungshandlung liegt in der Beeinträchtigung der genannten Sphären (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 94). Im Anschluss ist im Rahmen einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände des Einzelfalls feszustellen, ob eine rechtswidrige Beeinträchtigung vorliegt (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 95). Dabei ist insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (Palandt, a.a.O.). Von wesentlicher Bedeutung ist auch die Art und Weise des vorgenommenen Eingriffs, es muss ein vertretbares Verhältnis zwischen Zweck sowie Form, Art und Ausmaß des Eingriffs bestehen (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 100).

(2)

Hinsichtlich der Zulässigkeit einer Observierung ist zu berücksichtigen, dass niemand allgemein Schutz davor verlangen kann, außerhalb seines befriedeten Besitztums, insbesondere auf öffentlichen Wegen, durch andere beobachtet zu werden. Wer einen anderen außerhalb seines befriedeten Besitztums und der Orte, an die er sich in Abgeschiedenheit zurückzieht, beobachtet, darf das grundsätzlich tun. Keine rechtliche Regel gebietet, die Augen vor anderen in der Öffentlichkeit niederzuschlagen. Wohl aber kann die "Belagerung" von Personen - wenn es sich nicht um ihre öffentlichen Auftritte handelt - ihr Persönlichkeitsrecht verletzen (Rixecker in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Anh. § 12 Rn. 94). Unerlaubt ist auch die - mehr als nur zufällige und flüchtige - Beobachtung einer Person in ihrer Privatsphäre, zu Hause auf dem befriedeten Besitztum, auch beim Betreten und Verlassen der Wohnung oder an Orten erkennbarer Abgeschiedenheit (Rixecker, a.a.O.).

Allerdings muss auch außerhalb seines befriedeten Besitztums der einzelne keineswegs generell dulden, dass jedermann von ihm Bildnisse, insbesondere Filmaufnahmen mittels einer Videokamera, fertigt (BGH, Urteil vom 25. April 1995 - VI ZR 272/94 -). Auch die Herstellung von Bildnissen einer Person, insbesondere die Filmaufzeichnung mittels Videogerät, in der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen und ohne Verbreitungsabsicht kann einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen (BGH, Urteil vom 25. April 1995 - VI ZR 272/94 -). Eine dauerhafte Aufnahme bewirkt eine schwerwiegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die betroffenen Personen müssen sich praktisch stets, wenn sie, von ihrem Haus kommend oder zu ihrem Haus gehend, den öffentlichen Zugangsweg benutzen, in einer jede ihrer Bewegungen geradezu dokumentierenden Weise kontrolliert fühlen. Auf dem jeweiligen Videofilm ist nicht nur festgehalten, wann, wie oft und in welcher Begleitung sie den Weg begangen haben, sondern auch in welcher Stimmung, mit welchem Gesichtsausdruck etc. sie dies getan haben (BGH, Urteil vom 25. April 1995 - VI ZR 272/94 -).

(3)

Die hier durchgeführten Observierungsmaßnahmen stellen einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin dar. Ausweislich der Berichte fand eine Überwachung vom 22.08.2012 bis zum 04.09.2012 und vom 08.10.2012 bis zum 12.10.2012 im Wohnumfeld der Antragstellerin in Athen zwischen 7.00 und 22.00 Uhr statt. Dabei fand keine Beobachtung oder Dokumentation der Vorgänge innerhalb der Wohnung der Antragstellerin statt, so dass insoweit die Privatsphäre nicht betroffen ist. Sofern sich die Antragstellerin in der Wohnung aufhielt, wurde dies vermerkt und im Regelfall keine weiteren Maßnahmen unternommen. Indes wurde jedes Betreten und Verlassen der Wohnung dokumentiert, was bereits die Privatsphäre betrifft. Beobachtet und dokumentiert wurden zudem sämtliche Handlungen der Antragstellerin nach Verlassen der Wohnung, was grundsätzlich der Sozialsphäre unterfällt. Soweit die Antragstellerin bei ihrem Aufenthalt außerhalb der Wohnung Handlungen vornimmt, die dem privaten Lebensbereich zuzuordnen sind, wie etwa vertrauliche Gespräche und der Austausch von Küssen, ist dies nach den Umständen ebenfalls der Privatsphäre zuzuordnen.

(4)

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls führt die umfassende Güter- und Interessenabwägung hier dazu, dass die Eingriffe als rechtswidrig zu qualifizieren sind.

Zu Gunsten der Antragsgegnerin ist hier zunächst zu beachten, dass keine Observierung hinsichtlich der Vorgänge innerhalb der Wohnung der Antragstellerin vorgenommen wurde. Bei einem derartigen Eingriff wäre die Rechtswidrigkeit evident. Vorliegend sind hingegen die Sozial- und nur teilweise auch die Privatsphäre betroffen, so dass an die Rechtfertigung der Eingriffe geringere Anforderungen zu stellen sind.

Schwerwiegend zu Lasten der Antragsgegnerin ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei einer über einen längeren Zeitraum vorgenommenen Observation mitsamt entsprechender Dokumentation eine Situation vorliegt, die gravierenden psychischen Druck auf die Antragstellerin als Betroffene ausübt. Diese muss bei jedem Verlassen ihrer Wohnung damit rechnen, dass die Antragsgegnerin sie heimlich beobachten lässt und ihr Verhalten in Gänze dokumentiert. Angesichts der weiteren Verhaltensweisen der von der Antragsgegnerin mit der Observation beauftragten Personen wie etwa grundloses Klingeln an der Wohnungstür, Befragung von Nachbarn über die Verhältnisse der Antragstellerin und Durchführung von testweisen Telefonanrufen wiegt die Drucksituation für die Antragstellerin besonders stark und betrifft insoweit auch wieder ihre Privatsphäre. Ein derartiger Zustand ähnlich einer "Belagerung" (s.o. Rixecker) ist über einen kurzen Zeitraum hinaus nicht zumutbar.

Zu berücksichtigen zu Lasten der Antragsgegnerin ist ferner, dass es sich bei der Antragstellerin auch nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin nicht um eine Person handelt, bei der von einem als normal zu bezeichnenden Gesundheitszustand ausgegangen werden. Die Antragstellerin unterliegt nach der Schädigung durch die bei der Antragsgegnerin haftpflichtversicherten Schädiger schwersten gesundheitlichen Einschränkungen und ist daher besonders schutzwürdig, weil sie durch den zu erwartenden Überwachungsdruck besonders getroffen wird. Dies gilt insbesondere im Verhältnis zur Antragsgegnerin, die insoweit als Haftpflichtversicherung der Schädiger in deren Lager steht. Überdies unterliegt der Gesundheitszustand einer Person nach dem Sphärenmodell besonders intensivem Schutz.

(5)

Soweit sich die Antragsgegnerin darauf beruft, dass sie ein berechtigtes Interesse an der Durchführung der Observierungsmaßnahmen habe, führt dies bei der Abwägung im Ergebnis nicht dazu, dass die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen zu verneinen ist. Die Antragsgegnerin trägt vor, dass unter Berücksichtigung der im Urteil geschilderten Therapiemaßnahme einerseits und des im Urteil geschilderten umfangreichen Therapieprogramms andererseits versucht worden sei, vor Ort nachzuvollziehen, welche Maßnahmen sich die Antragstellerin habe zumuten können. Es sei für alle Beteiligten unklar gewesen, was die Antragstellerin zu leisten imstande gewesen sei (vgl. Bl. 5 der Schutzschrift). Hingegen werde der Antragstellerin nicht vorgeworfen, dass sie lüge oder einen Prozessbetrug begehen wolle (vgl. Bl. 5 der Replik in der Berufungsinstanz = Bl. 59 d. A.).

Der Vortrag der Antragsgegnerin ist insoweit wenig überzeugend. Sofern die Observationsmaßnahme nur der Beseitigung von Unklarheiten dienen sollte, kann dies schwerlich ein berechtigtes Interesse an einer längerfristigen Observierung begründen. Bloße Unklarheiten hätten durch mildere Mittel wie Nachfragen bei der Antragstellerin oder dergleichen geklärt werden können.

Naheliegender erscheint der Rückschluss, dass die Observationsmaßnahmen der Antragsgegnerin der Überprüfung von möglichen Falschangaben der Antragstellerin im erstinstanzlichen Prozess dienen sollten. Die Maßnahmen der Antragsgegnerin erfolgten zeitlich unmittelbar im Anschluss an den Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens am Landgericht Bochum, gegen das von Seiten der dortigen Beklagten Berufung eingelegt wurde. Teile der durch die Observation gewonnenen Erkenntnisse wurden sodann im Berufungsschriftsatz unter vom 19.10.2012 am Oberlandesgericht Hamm vorgetragen (ohne dabei allerdings die Art und Weise der Observation selbst zu erwähnen, dazu sogleich). Es liegt nahe, dass die Observation dem Zweck dienen sollte, den eigenen Vortrag im Berufungsverfahren vorzubereiten und zugleich den Vortrag der Antragstellerin im gleichen Verfahren zu widerlegen. Dafür spricht auch, dass in der Berufungsbegründung vom 19.10.2012 auf Bl. 17 das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 03.08.2012, Az. 20 U 98/12 zitiert wurde, dass sich mit der Zulässigkeit einer Observation von Versicherungsnehmern auseinandersetzt. In dem zu Grunde liegenden Fall hatte eine Versicherung einen Versicherungsnehmer auf Grund eines begründeten Verdachts auf ein vorsätzlich vertragswidriges Verhalten observieren lassen. Für diesen Ausnahmefall hatte das Oberlandesgericht Köln wegen des konkreten Verdachts auf ein vorsätzlich vertragswidriges Verhalten die Zulässigkeit einer Observation bejaht. Hingegen müsse grundsätzlich kein Vertragspartner hinnehmen, dass der andere ihn grundlos bespitzelt (Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 03.08.2012, Az. 20 U 98/12, Rn. 5).

Das genannte Urteil des Oberlandesgerichts Köln ist auf den vorliegenden Sachverhalt jedoch nicht übertragbar. Zunächst beruft sich die Antragsgegnerin nach eigenem Vortrag bereits nicht auf einen Verdacht für arglistiges Fehlverhalten der Antragstellerin, sondern nur auf bestehende Unklarheiten, so dass bereits deshalb kein hinreichendes berechtigtes Interesse für eine Observation im hier vorhandenen Ausmaß vorliegen kann. Überdies ist zu beachten, dass vorliegend zwischen den Parteien kein Versicherungsvertrag besteht, für den besondere gegenseitige Rücksichtnahme- und Auskunftspflichten gelten (vgl. zur Zulässigkeit von Detektivmaßnahmen im Versicherungsverhältnis etwa Fricke, VersR 2010, 308). Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Antragsgegnerin um die Haftpflichtversicherung der Schädiger, bei der Antragstellerin um die Geschädigte, so dass ein besonderes Näheverhältnis nicht ersichtlich ist.

Die Zulässigkeit von Überwachungsmaßnahmen war im Übrigen im Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit bereits mehrfach Gegenstand von höchstrichterlichen Entscheidungen. Demnach ist die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers als Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (vgl. BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11;BAG, Urteil vom 27. März 2003 - 2 AZR 51/02). Die Kammer verkennt nicht, dass die entsprechenden Grundsätze auf die vorliegenden Konstellation nicht unmittelbar übertragbar sind, aber gleichwohl lässt sich festhalten, dass auch im Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit Überwachungsmaßnahmen nur unter strengen Voraussetzungen für zulässig erachtet wurden. Mindestvoraussetzung ist auch hier der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung, so dass das bloße Interesse an der Beseitigung von Unklarheiten auch hier nicht genügen dürfte.

Zu berücksichtigen war schließlich auch, dass es sich nicht um eine punktuelle persönliche Beobachtung der Antragstellerin, sondern um eine längerfristige durchgehende Observation handelte. Zur Erlangung von erstrebten Feststellungen für die gerichtliche Verwertung kann im Einzelfall ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht von observierten Personen verhältnismäßig sein, wenn er sich auf stichprobenartige Beobachtungen beschränkt (vgl. Beschluss des BGH vom 15.05.2013, Az. XII ZB 107/08, mit weiteren Nachweisen). Das von der Antragsgegnerin veranlasste Verhalten ging hier aber über bloße Stichproben deutlich hinaus.

bb)

Es liegt auch eine Wiederholungsgefahr vor.

Erforderlich für eine Wiederholungsgefahr ist eine ernstliche, auf Tatsachen begründete Besorgnis, dass in Zukunft gegen eine bestehende Unterlassungspflicht verstoßen wird (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., Einf. v. § 823 Rn. 20). Es besteht die tatsächliche Vermutung einer Wiederholungsgefahr, wenn der in Anspruch Genommene bereits rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht eingegriffen hat (Rixecker in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Anh. § 12 BGB Rn. 215). Voraussetzung der Verneinung der Wiederholungsgefahr ist, dass das Verhalten des Störers eine sichere Gewähr gegen weitere Eingriffe bietet (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., Einf. v. § 823 Rn. 20). Erforderlich ist die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, wobei umgekehrt deren Verweigerung die Annahme einer Wiederholungsgefahr unausweichlich erscheinen lässt (Rixecker in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Anh. § 12 BGB Rn. 215).

Nachdem die Antragsgegnerin hier die Abgabe einer Unterlassungserklärung unter dem 18.07.2013 abgelehnt hat, ist eine Wiederholungsgefahr zu bejahen. Überdies besteht auch bereits deshalb die hinreichende Besorgnis einer erneuten Rechtsverletzung, weil das Berufungsverfahren zwischen den Parteien des Rechtsstreits am Oberlandesgericht Hamm nach wie vor läuft.

b)

Hinsichtlich des begehrten Unterlassens von Abhörmaßnahmen ist hingegen ein Anspruch nicht ersichtlich.

Die Durchführung von gezielten Abhörmaßnahmen ist selbst von der Antragstellerin nicht vorgetragen. Insofern fehlt es bereits an schlüssigem Vortrag für eine Rechtsverletzung. Es ist auch nicht vorgetragen, dass - soweit in den Observationsberichten von Gesprächsinhalten berichtet wird - diese durch Abhörmaßnahmen gewonnen wurden.

Auch ein vorbeugender Unterlassungsanspruch ist nicht gegeben. Es bestehen keine hinreichenden konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin in Zukunft vorhat, die Antragstellerin abhören zu lassen.

c)

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin ferner einen Anspruch auf Unterlassung der Anfertigung von Foto- und/oder Filmaufnahmen gem. §§ 823, 1004 BGB analog, wenn dies im Rahmen von Observationsmaßnahmen wie aus den von der Antragstellerin vorgelegten Observationsberichten vom 13.09.2012 (Bl. 161-192 d. A.) und vom 18.10.2012 (Bl. 223 bis Bl. 235 d.A.) ersichtlich geschieht.

Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der Observationsmaßnahmen Foto- und Filmaufnahmen von der Antragstellerin anfertigen lassen. Dies stellt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles bei Abwägung der beiderseitigen Interessen einen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin dar, bei dem auch Wiederholungsgefahr besteht. Insoweit wird umfassend auf die ausführlichen Erörterungen zur Observierung verwiesen, deren Grundsätze hier übertragbar sind.

Dass hingegen Tonaufnahmen von der Antragstellerin angefertigt wurden, ist weder dargetan noch ersichtlich. Insoweit war der weitergehende Antrag auf Unterlassung der Anfertigung von Tonaufnahmen abzuweisen.

Der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin war im Tenor dahingehend zu konkretisieren, dass sich die Unterlassung auf die Anfertigung von Foto- und/oder Filmaufnahmen im Rahmen von Observationsmaßnahmen bezieht. Insoweit liegt keine Teilabweisung, sondern eine gem. § 938 Abs. 1 ZPO zulässige und erforderliche Auslegung des Antrags an Hand des aus der Antragsbegründung erkennbaren Rechtsschutzziels vor.

d)

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung der im Antrag näher bezeichneten genannten Bilder der Antragstellerin gem. §§ 823, 1004 BGB analog i. V. m. § 22 KUG. Es fehlt an einem Verbreiten im Sinne des § 22 KUG.

Gem. § 22 S. 1 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Verbreitung ist die Weitergabe des Originals oder von Vervielfältigungsstücken, die das Risiko einer nicht mehr zu kontrollierenden Kenntnisnahme in sich birgt (Fricke in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht

3. Auflage 2009, § 22 KUG Rn. 8). Der Begriff des Verbreitens nach dem KUG ist weiter als § 17 Abs. 1 UrhG, der eine öffentliche Verbreitung verlangt; es ist auch die Verbreitung im privaten Bereich erfasst (Engels in Beck'scher Online-Kommentar Urheberrecht, Stand: 01.03.2013, § 51 KUG Rn. 8). Es ist nicht erforderlich, dass die Verbreitung gewerbsmäßig oder gegen Entgelt erfolgt (Engels, a.a.O.). Dem Schutzzweck des § 22 KUG und seinem Wortlaut entsprechend ist auch es nicht erforderlich, dass die Verbreitung öffentlich geschieht; es genügt die Weitergabe des Bildnisses an eine beliebige andere Person (Rixecker in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Anh. § 12 Rn. 50).

Gemessen an diesen strengen Maßstäben kommt durch die erfolgte Weitergabe der im Tenor näher bezeichneten Bilder bereits ein Verbreiten im Sinne des § 22 KUG in Betracht (so wohl Oberlandesgericht Frankfurt, Beschluss vom 16.05.2002, 6 U 104/01). Es ist eine Weitergabe der Bilder von der Antragsgegnerin an weitere Personen, nämlich die eigenen Rechtsanwälte, erfolgt. Diese haben sodann die Bilder im Gerichtsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm vorgelegt.

Wie jedoch bereits das Amtsgericht zu Recht angemerkt hat, beschränkt sich die Weitergabe der Bilder selbst nach dem Vortrag der Antragstellerin auf die Verwendung in dem angesprochenen Gerichtsverfahren. Ein darüber hinausgehendes Verbreiten an weiteren Personen oder auch nur die Gefahr an einer darüber hinausgehenden Weitergabe ist nach derzeitigem Stand nicht ersichtlich. Beschränkt sich die Weitergabe aber auf dieses eng begrenzte Umfeld, fehlt es an einem vom Schutzzweck des § 22 KUG erfassten Verbreiten. Es besteht nach derzeitigem Stand gerade kein Risiko einer nicht mehr zu kontrollierenden Kenntnisnahme. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass die Bilder in einem "öffentlichem Zivilprozess" eingeführt werden würden, ist folgendes anzumerken: Die Verhandlungen im Zivilprozess sind zwar grundsätzlich gem. § 169 GVG öffentlich, indes sind die Akten des betreffenden Verfahrens mit den darin enthaltenen Bildern gerade nicht öffentlich (vgl. § 299 ZPO).

2)

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts liegt hinsichtlich der bestehenden Verfügungsansprüche auch ein Verfügungsgrund vor.

Ein Verfügungsgrund ist anzunehmen, wenn die Regelung des einstweiligen Zustandes zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Musielak/Huber, ZPO, 10. Auflage 2013, § 940 Rn. 4). Es muss eine Dringlichkeit in der Sache vorliegen, die es dem Antragsteller unzumutbar macht, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten (Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 940 Rn. 4). Hierzu hat eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (Musielak/Huber, ZPO, 10. Auflage 2013, § 940 Rn. 4). Ein Verfügungsgrund fehlt hingegen, wenn der Antragsteller trotz ursprünglicher Dringlichkeit lange zugewartet hat, bevor er die einstweilige Verfügung beantragt hat (Drescher in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2012, § 940 Rn. 10; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 940 Rn. 4). Für die noch hinzunehmende Zeitspanne (in der Regel vier Wochen im Wettbewerbsrecht, sonst bis zu drei Monaten) sind die Besonderheiten des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Schwierigkeit tatsächlicher und rechtlicher Art maßgeblich (Musielak/Huber, ZPO, 10. Auflage 2013, § 940 Rn. 4).

Bei Abwägung der widerstreitenden Interessen ist hier eine einstweilige Regelung erforderlich. Der Antragstellerin kann nicht zugemutet werden, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten.

Der Antragstellerin kann nicht vorgeworfen werden, dass sie trotz ursprünglicher Dringlichkeit zu lange mit dem Antrag gewartet habe, so dass nunmehr keine Dringlichkeit mehr vorliege. Der Antrag wurde (vorab per Fax) am 18.07.2013 bei Gericht eingereicht. Von den für den Unterlassungsanspruch maßgeblichen Tatsachen erhielt die Antragstellerin jedoch erst Ende Mai 2013 durch Erhalt der Replik im Berufungsverfahren Kenntnis, so dass zwischen Kenntnis und Antrag weniger als 2 Monate liegen. Unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Einzelfalls hält das Gericht diesen Zeitraum für die Annahme einer Dringlichkeit weiterhin hinnehmbar. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die Antragstellerin in Griechenland lebt und schweren gesundheitlichen Einschränkungen unterliegt, was eine schnelle Kommunikation zwischen ihr und ihrer deutschen Prozessbevollmächtigten erschwert.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hat die Antragstellerin nicht bereits durch die Berufungsbegründung im Oktober 2012 von den für die Dringlichkeit maßgeblichen Tatsachen erfahren. In der 30-seitigen Berufungsbegründung wird von der Antragstellerin an keiner Stelle ausdrücklich erwähnt, dass eine Observation durchgeführt wurde. So heißt es etwa auf Bl. 5: "[...]...wurde versucht, diese Vereinbarkeit vor Ort in Griechenland nachzuvollziehen. Die Beobachtungen bzw. Erkundigungen der Beklagten zu 3) bzw. der hinter ihr stehenden Haftpflichtversicherung...[...]". Auf Bl. 6 heißt es: "Im Rahmen dieser Recherchen...[...]". An weiteren Stellen werden Einzelheiten aus dem Tagesablauf der Antragstellerin geschildert, ohne jedoch ausdrücklich darzulegen, dass diese auf einer Observation beruhen. Auf Bl. 17 heißt es: "Daher sind die umfangreichen Aktivitäten und ihre tatsächliche Auslastung über einen längeren Zeitraum nachvollzogen worden.". Auf Bl. 18: "Die Zeugen L2 und T schilderten der Beklagten hingegen, dass...[...]". Die zuletzt genannten Zeugen werden auch als Beweismittel aufgeführt, zudem ein schriftlicher Bericht der Zeugen angekündigt.

Im Ergebnis lässt sich diesem Schriftsatz jedoch nicht entnehmen, dass die Antragstellerin im Auftrag der Antragsgegnerin systematisch und über einen längeren Zeitraum täglich von 7 bis 22 Uhr observiert wurde. Das Ausmaß der Observation und die Art und Weise, wie die Antragsgegnerin die Informationen zu den im Schriftsatz vom Oktober 2012 behaupteten Tatsachen erlangt hat, war für die Antragstellerin erst nach Erhalt der Observationsberichte durch den Schriftsatz vom 24.05.2013 erkennbar. Erst nach Kenntnis der entsprechenden Tatsachengrundlage begann der Lauf der für die Beurteilung der Dringlichkeit maßgeblichen Frist.

3)

Die erforderliche Glaubhaftmachung gem. §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO liegt vor.

4)

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

5)

Eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde erübrigt sich, da diese im Verfahren zur einstweiligen Verfügung gem. §§ 574 Abs. 1 S. 2, 542 Abs. 2 ZPO nicht zulässig ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, vor § 916 Rn. 11 sowie § 922 Rn. 14).

6)

Streitwert und Beschwerdewert: Jeweils 10.000 €.

Die Änderung der Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Der Höhe nach folgt die Festsetzung aus § 3 ZPO. Eine Bindung an die Festsetzung zum Zwecke der Zuständigkeitsbestimmung liegt nicht vor, denn die Wertfestsetzung für die sachliche Zuständigkeit stellt nur eine vorläufige Entscheidung dar (Wendtland in Beck'scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 15.07.2013, § 3 ZPO Rn. 4). Bei der Schätzung nach § 3 ZPO hält das Gericht für jeden der vier Anträge einen Betrag von jeweils 2.500 € für angemessen.






LG Köln:
Beschluss v. 21.08.2013
Az: 34 T 179/13


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/8e4805fe5aa6/LG-Koeln_Beschluss_vom_21-August-2013_Az_34-T-179-13




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