Bundesgerichtshof:
Urteil vom 11. März 2014
Aktenzeichen: X ZR 139/10

(BGH: Urteil v. 11.03.2014, Az.: X ZR 139/10)

Tenor

Die Berufung gegen das am 8. November 2010 an Verkündungs statt zugestellte Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 796 665 (Streitpatents), das am 18. März 1997 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 18. März 1996 angemeldet wurde. Patentanspruch 1, dem die Patentansprüche 2 bis 10 nachgeordnet sind, lautet:

"Verfahren zur Farbversorgung einer Beschichtungsanlage für die Serienbeschichtung von Werkstücken, insbesondere Fahrzeugkarossen, wobei auswechselbar an einer Sprühvorrichtung montierbare oder mit ihr verbindbare Behälter (2, 42) mit Beschichtungsmaterial wählbarer Farbe an einer Befüllstelle (4) bereitgestellt oder gefüllt werden, während sie von der Sprühvorrichtung abgekoppelt und getrennt sind, wobei die Behälter von der Befüllstelle zu einer davon entfernten Übergabestelle (10) transportiert werden, von wo sie anschließend der Sprühvorrichtung zugeführt werden, und wobei die Behälter nach Gebrauch zu der Übergabestelle zurückgebracht und von dort zu der Befüllstelle zurücktransportiert werden."

Patentanspruch 11, dem Patentansprüche 12 bis 41 nachgeordnet sind, betrifft eine Vorrichtung (ein System) zur Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1.

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel einer Klageabweisung weiter, hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit ihrem ersten Hilfsantrag durch Streichung der Wörter "bereitgestellt oder" in den Patentansprüchen 1 und 11 sowie mit ihrem zweiten Hilfsantrag durch die Hinzufügung von Merkmalen aus den Patentansprüchen 15 und 27 in den Patentansprüchen 1 und 11.

Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. J. D. , Hochschule E. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Gründe

I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und ein System von Einrichtungen zur Farbversorgung einer Beschichtungsanlage für die Serienbeschichtung von Werkstücken.

1. Sprühvorrichtungen zum Beschichten von Werkstücken, insbesondere von Fahrzeugkarossen, werden entweder direkt aus Leitungen oder aus einem in der Nähe der Sprühvorrichtung angeordneten Behälter mit Farbe versorgt. Für das Beschichten kommen insbesondere auch elektrostatische Auftragssysteme in Betracht, wobei jedoch elektrisch leitende Beschichtungsmaterialien Probleme bereiten können, wenn das Material direkt über Schläuche mit der Sprühvorrichtung verbunden ist. Das im Streitpatent unter Bezugnahme auf die europäische Patentschrift 274 322 (Anl. K2) als Stand der Technik beschriebene System vermeidet solche Probleme, indem die Sprühvorrichtung mit auswechselbaren Farbbehältern in einer Sprühkabine von einem Lackierroboter getragen ist und sich Zapfstellen in der Sprühkabine befinden, von denen der Lackierroboter die mit Farbe befüllten Farbbehälter nach Bedarf abholt. Dafür hat der Roboter, so bemängelt die Streitpatentschrift, zum Ankoppeln der Behälter an den Zapfstellen aufwendig gesteuerte Bewegungen durchzuführen (Abs. 2).

Nach dem Streitpatent war es im Stand der Technik ebenfalls bekannt, einen Lackierroboter mit auswechselbar am Roboterarm montierbaren Behältern dadurch mit der für eine Karosse benötigten Farbmenge zu versorgen, dass befüllte Behälter nacheinander auf einem Förderband zu einer Übergabestelle transportiert werden, wo sie von einem Hilfsroboter entnommen und dem Lackierroboter übergeben werden (Abs. 3).

2. Vor diesem Hintergrund liegt dem Gegenstand des Streitpatents das Problem zugrunde, beim Befüllen der Farbbehälter die Verluste möglichst gering zu halten, den Beschichtungsvorgang insgesamt möglichst verzögerungsfrei zu gestalten und dabei vorzugsweise mit einem möglichst geringen Steuerungsaufwand auszukommen.

Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung sowie gemäß den beiden Hilfsanträgen ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich - im Wesentlichen mit dem Patentgericht - wie folgt gliedern lassen (durchgestrichene Wörter befinden sich nur in der erteilten Fassung, kursiv gesetzte Merkmale befinden sich allein in der Fassung gemäß Hilfsantrag II):

1 Das Verfahren dient der Farbversorgung einer Anlage zur Serienbeschichtung von Werkstücken.

2 Es sind auswechselbar an einer Sprühvorrichtung montierbare oder mit ihr verbindbare Behälter (2, 42) vorgesehen, die 2.1 - von der Sprühvorrichtung abgekoppelt und getrennt - an einer Befüllstelle (4) mit Beschichtungsmaterial wählbarer Farbe bereitgestellt oder gefüllt werden, 2.2 von der Befüllstelle zu einer davon entfernten Übergabestelle (10) transportiert werden, 2.3 anschließend von der Übergabestelle (10) der Sprühvorrichtung zugeführt werden, 2.4 nach Gebrauch zu der Übergabestelle zurückgebracht werden und 2.5 von der Übergabestelle zu der Befüllstelle zurücktransportiert werden.

3 Eine Vorrichtung führt die Behälter an der Befüllstelle einer von mindestens einer Versorgungsleitung gespeisten Einrichtung zu und ist dabei in der Lage, gleichzeitig mindestens zwei Behälter zu halten.

4 Eine Linearbewegungsvorrichtung kuppelt den Behälter an der Befüllstelle längs einer geradlinigen Bahn mit der von mindestens einer Versorgungseinrichtung gespeisten Einrichtung.

Patentanspruch 11 ist auf ein Farbversorgungssystem gerichtet, dessen Merkmale in der Sache im Wesentlichen mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 übereinstimmen; zur Erfüllung der Transportfunktion dient eine Transportvorrichtung, mit der die Behälter von einer Befüllstelle (4) zu einer von der Befüllstelle entfernten Übergabestelle transportierbar sind (vgl. Merkmal 2.2), von wo der jeweils ausgewählte Behälter der Sprühvorrichtung zugeführt (vgl. Merkmal 2.3) und nach Gebrauch zu der Befüllstelle zurücktransportiert wird (vgl. Merkmal 2.5), wobei die Behälter während der Materialentnahme bei der Beschichtung von den Versorgungseinrichtungen getrennt sind und beim Befüllen von der Sprühvorrichtung abgekoppelt und entfernt sind (vgl. Merkmal 2.1).

Ein Ausführungsbeispiel des patentgemäßen Gegenstands zeigt die nachfolgende Figur 1 des Streitpatents:

3. Zwei Merkmale bedürfen einer kurzen Erläuterung:

a) Die Befüllstelle (Merkmale 2.1, 2.2 und 2.5) bezeichnet in den Patentansprüchen 1 und 11 in der Fassung des erteilten Patents nicht zwingend die Stelle, an der die Behälter mit Farbe befüllt werden. Gemeint ist damit vielmehr die Stelle, ab der die Transportvorrichtung einen (wieder-)befüllten Behälter transportiert, sei es, dass der Behälter an dieser Stelle mit Farbe befüllt wird oder sei es, dass der Behälter dort nur von der Transportvorrichtung aufgenommen wurde, nachdem er an einer anderen Stelle befüllt und auf andere Weise zu dieser Befüllstelle verbracht wurde. Das in Anspruch 1 beschriebene Verfahren bringt eine solche Bestückung mit bereits befüllten Behältern (Abs. 11 aE und Figur 1) in Merkmal 1.2 mit der Alternative eines (bloßen) Bereitstellens der Behälter zum Ausdruck. Wie die eigentliche Befüllung der Lackbehälter erfolgt, lassen die Patentansprüche 1 und 11 offen; sie kann auch manuell erfolgen (Abs. 41).

b) Offen lässt das Streitpatent auch die Ausgestaltung der Transportvorrichtung, die für den Transport der Behälter von der Befüllstelle zur Übergabestelle und zurück sorgt (Merkmale 2.2 und 2.5). Beschrieben und in Figur 1 gezeigt wird etwa ein drehbares Magazin; Figur 4 zeigt einen Band- oder Kettenförderer (Abs. 32). Die Beschreibung erläutert, dass der Transport "in Sonderfällen auch manuell, gegebenenfalls auf dem (in Figur 5) dargestellten Wagen" erfolgen könne (Abs. 37 aE), der wiederum auch manuell beladen werden kann (Abs. 41).

II. Das Patentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents für nicht patentfähig erachtet, weil er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, und dies wie folgt begründet:

Aus der japanischen Offenlegungsschrift Sho 60-1220773 (Anl. K3 - vorgelegt in deutscher Übersetzung) sei ein Verfahren zur Farbversorgung einer Beschichtungsanlage bekannt gewesen, das für die Serienbeschichtung vorgesehen sei (Merkmal 1). Die K3 ziele ähnlich wie das Streitpatent auf die Schaffung eines Farbversorgungssystems ab, das einen sparsamen Umgang sowohl mit Lack als auch mit Verdünner und eine Verkürzung der Farbwechselzeit ermögliche. Hierfür verwende die K3 anstelle langer Schläuche einen Lackmaterialbehälter, der sich am Arm des Lackierroboters hinter der Spritzpistole abnehmbar anordnen lasse (Merkmal 2).

Zur Vermeidung langer Zuführschläuche schlage die K3 vor, außerhalb des Lackierbereichs eine Vorrichtung zur Zuführung von Lackmaterialbehältern anzuordnen, die sich gemäß dem gezeigten Ausführungsbeispiel aus einem Fördersystem für mehrere Behälter, nämlich einem Band- oder Kettenförderer (Merkmal 2.2) und einem Roboter zum Behälterwechsel, zusammensetze. Der Roboter sei dazu bestimmt, den Behälter zu greifen, der mit dem vorher festgelegten Lackmaterial gefüllt sei, und an den Arm des Lackierroboters zu stecken (Merkmal 2.3); entsprechend Merkmal 2.1 seien die Behälter beim Befüllen mit wählbarer Farbe von der Sprühvorrichtung getrennt.

Gemäß den weiteren Ausführungen der K3 solle der Behälterwechselroboter den Behälter wieder vom Roboterarm entfernen und auf den Förderer zurückbringen. Folglich würden die Behälter nach Gebrauch entsprechend den Merkmalen 2.4 und 2.5 zur Übergabestelle zurückgebracht und von dort zurücktransportiert.

Eine Befüllstelle zur Befüllung oder Bereitstellung der Behälter mit Beschichtungsmaterial und die in Patentanspruch 11 erwähnten Versorgungseinrichtungen für Beschichtungsmaterial unterschiedlicher Farbe seien in dem Ausführungsbeispiel der K3 nicht ausdrücklich beschrieben. Eine entsprechende Ausgestaltung habe für den Fachmann, einen Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit besonderen Kenntnissen und Erfahrung auf dem Gebiet der Materialbeschichtung insbesondere mittels Sprühvorrichtungen und elektrostatischen Aufbringungsverfahren, jedoch nahegelegen. Die K3 erwähne zum Hintergrund der dort beschriebenen Erfindung Farbwechselventile, die es ermöglichen, mehrere Lackmaterialien von unterschiedlicher Farbe selektiv der Spritzpistole zuzuführen. Ohne eine Versorgungseinrichtung könne kein Farbmaterial zu solchen Ventilen gelangen. Dies spreche dafür, dass auch eine Befüllstelle für die Behälter vorhanden sei, um diese mit Beschichtungsmaterial wählbarer Farbe befüllen zu können. Weiterhin werde eine solche Befüllstelle durch die Angabe in der Beschreibung der K3 nahegelegt, dass der Behälter nur mit der für eine Karosserie erforderlichen Lackmenge befüllt werden müsse, wenn Beschichtungsobjekte gleicher Form wie zum Beispiel Fahrzeugkarosserien nacheinander unter entsprechendem Wechsel mit unterschiedlichen Lackschichten beschichtet werden sollen.

Auch die Ausgestaltung nach den weiteren Merkmalen der Unteransprüche habe für den Fachmann nahegelegen.

III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand. Der Gegenstand des Streitpatents ist weder in der erteilten Fassung des Streitpatents noch in der Fassung eines der beiden Hilfsanträge patentfähig.

1. Die technische Lehre der Patentansprüche 1 und 11 beruht sowohl in der erteilten Fassung als auch in der Fassung gemäß Hilfsantrag I nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Zur Begründung kann insoweit auf die zutreffende und eingehende Begründung des angegriffenen Urteils und die Ausführungen im schriftlichen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen verwiesen werden; auch die Beklagte hat am Schluss der mündlichen Verhandlung nicht mehr in Zweifel gezogen, dass der Fachmann bei einem Verfahren zur Farbversorgung einer Beschichtungsanlage, wie es in der vom Patentgericht herangezogenen Entgegenhaltung K3 offenbart wird, naheliegenderweise eine Befüllstelle vorgesehen hätte, an der die Behälter mit Beschichtungsmaterial wählbarer Farbe befüllt und von dort mittels einer Transportvorrichtung zu den Lackiereinrichtungen transportiert werden.

2. Die Patentansprüche 1 und 11 erweisen sich auch in ihrer Fassung gemäß Hilfsantrag II, mit dem in zulässiger Weise beschränkende Merkmale aus den Unteransprüchen 15 und 27 in die beiden Hauptansprüche einbezogen werden, nicht als rechtsbeständig.

a) Mit Merkmal 3 werden das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 und eine Vorrichtung gemäß Patentanspruch 11 dahin konkretisiert, dass die beim Zuführen der Behälter an oder von der Befüllstelle zu einer von mindestens einer Versorgungsleitung gespeisten Einrichtung (Farbversorgungseinrichtung) eingesetzte Vorrichtung gleichzeitig zwei Behälter halten kann. Eine solche Handlungsweise war dem vom Patentgericht zutreffend definierten Fachmann gleichfalls nahegelegt.

In welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter Weise weiterzuentwickeln, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert. Dabei sind nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich. Vielmehr können auch Eigenarten des in Rede stehenden technischen Fachgebiets, insbesondere betreffend die Ausbildung von Fachleuten, die übliche Vorgehensweise bei der Entwicklung von Neuerungen, technische Bedürfnisse, die sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands ergeben und auch nichttechnische Vorgaben eine Rolle spielen (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - X ZB 6/10, GRUR 2012, 378 = BlPMZ 2012, 260 - Installiereinrichtung II).

Es steht daher der Annahme, der Fachmann habe Anlass gehabt, bei der Ausgestaltung einer Anlage zur Serienbeschichtung von Werkstücken in Übereinstimmung mit Merkmal 3 verfahren, nicht notwendigerweise entgegen, dass die Klägerin ein Vorbild hierfür auf dem Gebiet der Beschichtungsanlagen nicht hat aufzeigen können. Gehört eine maschinenbautechnische Lösung als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Ingenieurs, kann Veranlassung zu ihrer Heranziehung vielmehr bereits dann bestehen, wenn sich die Nutzung ihrer Funktionalität in dem zu beurteilenden Zusammenhang als objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände feststellbar sind, die eine Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen (vgl.

zu ärztlichen Standardmaßnahmen BGH, Beschluss vom 25. Februar 2014 - X ZB 5/13, juris Rn. 38 - Kollagenase I).

So verhält es sich hier. Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten (Seite 28) und in seiner Anhörung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das parallele Zuführen von zwei Behältern zur Farbversorgungseinrichtung ebenso wie das Zuführen eines befüllten Behälters zur Transporteinrichtung in einem Vorgang zusammen mit dem Zuführen eines leeren Behälters zur Farbversorgungseinrichtung eine Verfahrensweise betrifft, die der Grundidee nach dem Fachmann als Mittel bekannt war, um ein Handhabungsverfahren oder -system effizienter und damit objektiv zweckmäßiger zu gestalten und auf diese Weise zu optimieren. Das parallele Handhaben von zwei Objekten statt einem zählt damit zum allgemeinen Fachwissen des hier berufenen Ingenieurs im Sinne eines "Standardrepertoires", auf das er regelmäßig bei der Weiterentwicklung vorhandener Anlagen insbesondere dann zurückgreifen kann und zurückzugreifen Anlass hat, wenn es ihm um möglichst effektive, effiziente und zeitsparende Abläufe zu tun sein muss.

Diese Feststellung wird von den Entgegenhaltungen der Klägerin gestützt, die insbesondere in der US-amerikanischen Patentschrift 3 242 568 (Anl. E6) - dort vor allem in den Figuren 7 bis 21 -, aber auch in der deutschen Offenlegungsschrift 1 652 699 (Anl. E5) - dort Figuren 12 bis 12F - und der internationalen Patentanmeldung 91/18135 (Anl. E4) - dort Figuren 6 und 14 - eine parallele Handhabung der gleichzeitigen Entnahme und Zuführung von Objekten belegen. Sie zeigen damit zugleich, dass eine solche Ausgestaltung eines automatisierten Vorgangs dem Fachmann als eine objektiv zweckmäßige Zeitoptimierung von Handhabungsvorgängen im Maschinenbau allgemein bekannt war, ohne dass es darauf ankäme, ob der Fachmann die betreffenden, außerhalb des technischen Gebiets des Streitpatents liegenden Entgegenhaltungen für konkrete Überlegungen zu einer Weiterentwicklung einer Farbbeschichtungsanlage insbesondere für Fahrzeugkarosserien heranziehen würde.

Da Umstände, die das parallele Halten von zwei Behältern bei deren Zuführung zur Farbversorgungseinrichtung als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen ließen, weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen wurden und das Streitpatent im Übrigen auch keine Hinweise zur Überwindung derartiger Probleme enthält, ist es nicht zu beanstanden, dass das Patentgericht einen Anlass für den Fachmann bejaht hat, das im Übrigen nahegelegte Verfahren gemäß Patentanspruch 1 und das System nach Patentanspruch 11 entsprechend Merkmal 3 auszugestalten. Damit konnte der Fachmann insbesondere, wie in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien und dem gerichtlichen Sachverständigen erörtert, den Zeittakt für den Transport und die Befüllung der Behälter so optimieren, dass zwei Lackierroboter von derselben Transportvorrichtung mit befüllten Behältern versorgt werden können.

b) Ebenso lag es nahe, entsprechend Merkmal 4 die Behälter an der Befüllstelle mittels einer Linearbewegungsvorrichtung längs einer geradlinigen Bahn mit einer Farbversorgungseinrichtung zu kuppeln.

Entsprechend den zutreffenden Ausführungen des Patentgerichts waren Linearbewegungsvorrichtungen dem Fachmann insbesondere durch sein Studium und aus der Fachliteratur allgemein als Standardwerkzeuge bekannt, um definierte lineare Bewegungen durchzuführen. Um Handlungsbewegungen möglichst auf ein Minimum zu reduzieren und damit Zeit zu sparen, war es objektiv zweckmäßig, eine geradlinige Bahn vorzusehen und hierfür Linearbewegungsvorrichtungen einzusetzen. Da hierfür keine Schwierigkeiten oder Hindernisse bei der Anwendung an einer Transportvorrichtung nebst Behältern und Farbversorgungseinrichtungen entsprechend dem Gegenstand des Streitpatents ersichtlich waren, bot es sich dem Fachmann deshalb an, diesen Gegenstand entsprechend dem Merkmal 4 zu gestalten.

c) Da beide Merkmale 3 und 4 jeweils für sich genommen objektiv zweckmäßig mit Standardmitteln den Gegenstand des Streitpatents ergänzen und sich auch aus ihrer Kombination keine Hinderungsgründe ergeben, lag ein entsprechendes Vorgehen auch in der Kombination beider Merkmale für den Fachmann nahe.

d) Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 und die Vorrichtung gemäß Patentanspruch 11 beruhen folglich auch in der Fassung des Hilfsantrags II nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

3. Schließlich sind auch die Gegenstände der Unteransprüche 2 bis 10 und 12 bis 41 sowohl in der erteilten Fassung als auch in der Fassung der beiden Hilfsanträge nicht patentfähig.

Zur Begründung kann insoweit zunächst auf die zutreffende und sorgfältige Begründung des angegriffenen Urteils sowie hinsichtlich der Patentansprüche 15 und 27 ergänzend auf die vorstehenden Ausführungen zu den Merkmalen 3 und 4 verwiesen werden.

Zu Unteranspruch 25, dem gemäß bei einer Beschichtungsanlage entsprechend den vorangehenden Ansprüchen die Behälter an der Übergabestelle wahlweise mindestens zwei von einander getrennten Sprühvorrichtungen, mithin Lackierrobotern, zugeführt werden können, ist im Hinblick auf die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung zu ergänzen, dass ein solches paralleles Vorgehen dem allgemeinen verfahrens- und systemtechnischen Optimierungsbestreben des Fachmanns entsprach. Es gehörte zu seinem allgemeinen Fachwissen und -können, Verfahrensschritte und -komponenten nach Möglichkeit in einer Weise und in einer Anzahl miteinander zu verknüpfen, dass keine Komponente unnötige Stillstandszeiten aufweist. Wenn eine Komponente bei den von ihr zu vollziehenden Verfahrensschritten aufgrund der für sie maßgeblichen Leistungskapazität mit mehr als einer anderen Komponente in Interaktion treten kann, hat der Fachmann - jedenfalls bei einem zeitkritischen Verfahren wie dem Lackieren von Fahrzeugkarossen - grundsätzlich Anlass, ein solches paralleles Interagieren zur Erhöhung der Effizienz des Systems auch vorzusehen (vgl. Sachverständigengutachten Seite 28 unten). Die Anhörung des Sachverständigen hat hierzu bestätigt, dass die Transportvorrichtung und die Befüllung der Behälter bei einer Bestückungsanlage entsprechend dem Gegenstand des Streitpatents es gestatten, jedenfalls zwei Lackierroboter an nur einer Übergabestelle der Transportvorrichtung mit befüllten Behältern zu versorgen. Die Beschreibung des Streitpatents und der Vortrag der Beklagten lassen auch keine Schwierigkeiten erkennen, die hierfür zu überwinden gewesen wären. Für den Fachmann lag ein solches paralleles Interagieren an der Übergabestelle der Transportvorrichtung daher nahe und erforderte keine erfinderische Tätigkeit.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck Hoffmann Schuster Deichfuß Kober-Dehm Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.11.2010 - 4 Ni 101/08 (EU) -






BGH:
Urteil v. 11.03.2014
Az: X ZR 139/10


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