Bundespatentgericht:
Urteil vom 28. August 2008
Aktenzeichen: 2 Ni 27/06

(BPatG: Urteil v. 28.08.2008, Az.: 2 Ni 27/06)

Tenor

1.

Das europäische Patent 0 849 038 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

2.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 2. Dezember 1997 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 196 53 233 vom 20. Dezember 1996 angemeldeten, mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 849 038 (Streitpatent), das eine "Hochgeschwindigkeitsdrehmaschine zum Herstellen optisch aktiver Oberflächen" betrifft und vom Deutschen Patentund Markenamt unter der Nummer DE 597 09 902 geführt wird.

Das Patent umfasst in der ursprünglich erteilten Fassung 11 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 in der Verfahrenssprache Deutsch folgenden Wortlaut hat:

1. Maschine zum Herstellen von Linsen und anderen Körpern mit optisch aktiven, eine beliebige Krümmung oder Form aufweisenden Oberflächen, die über eine Werkstückspindel (3) verfügt (C-Achse), an der mittels einer Werkstückaufnahme (4) das Werkstück (5) befestigt wird, und die zusätzlich über einen Werkzeugschlitten (17) verfügt, der in radialer Richtung (X-Achse) und axialer Richtung (Z-Achse), bezogen auf die Werkstückspindel (3), bewegt werden kann, wobei für die axiale Bewegung des Werkzeugschlittens (17), d. h. in der Z-Achse, ein Linearmotor eingesetzt ist mit einer über eine Hochleistungselektronik verfügenden Steuerung und Lageregelung für die X-und die Z-Achse, wobei die Steuerung und Lageregelung für jede Spindelumdrehung einen neuen Datensatz für den Antrieb des Werkzeugschlittens (17) zur Verfügung stellt, so dass die drei Achsen elektronisch miteinander verknüpft sind, dadurch gekennzeichnet, dass die C-Achse der Werkzeugspindel drehzahlund phasengeregelt ist und dass der Linearmotor oszillierende Hübe mit einer Frequenz von mindestens 100 Hz aufführen kann.

Bezüglich der untergeordneten Ansprüche 2 bis 11 wird auf die Patentschrift EP 0 849 038 B1 verwiesen.

Während des vorliegenden Nichtigkeitsverfahren (Klageeinreichung 5. Juli 2006) beantragte die Beklagte vor dem Europäischen Patentamt die Beschränkung ihres Patents gemäß Art. 105 a / Regel 92 EPÜ. Ihrem Antrag wurde entsprochen, der Hinweis über die Beschränkung wurde am 30. Juli 2008 bekannt gemacht (Anl. B 13, s. u.).

Der beschränkte Anspruch 1 nach der Patentschrift EP 0 849 038 B3 lautet nunmehr (Änderungen gegenüber B1 in Fettschrift):

1. Hochgeschwindigkeits-Drehmaschine zum Herstellen von Linsen und anderen Körpern mit optisch aktiven, eine beliebige Krümmung oder Form aufweisenden Oberflächen, mit einer Werkstückspindel (3) (C-Achse), an der mittels einer Werkstückaufnahme (4) das Werkstück (5) befestigt wird, mit einer Elektronik für die Überwachung und Steuerung der Rotation der Werkstückspindel (3) (C-Achse), mit einem Werkzeugschlitten (17), der in radialer Richtung (X-Achse) und axialer Richtung (Z-Achse), bezogen auf die Werkstückspindel (3), bewegt werden kann, wobei für die axiale Bewegung des Werkzeugschlittens (17), d. h. in der Z-Achse, ein Linearmotor eingesetzt ist mit einer über eine Hochleistungselektronik verfügenden Steuerung und Lageregelung für die Xund die Z-Achse, wobei die Steuerung und Lageregelung für jede Spindelumdrehung einen neuen Datensatz für den Antrieb des Werkzeugschlittens (17) zur Verfügung stellt, so dass die drei Achsen elektronisch miteinander verknüpft sind, dadurch gekennzeichnet, dass die C-Achse der Werkstückspindel (3) drehzahlund phasengeregelt ist und dass der Linearmotor oszillierende Hübe mit einer Frequenz von mindestens 100 Hz ausführen kann.

Die untergeordneten Ansprüche blieben unverändert.

Das zwischen den Parteien geführte Patentverletzungsverfahren wurde mit Beschluss des LG Mannheim vom 19. Dezember 2006 ausgesetzt (Az. 7 O 46/06).

Mit ihrer Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Streitpatents macht die Klägerin unter Bezugnahme auf die von ihr vorgelegte Merkmalsgliederung (Anl. Ni 7, s. u.) folgende Nichtigkeitsgründe geltend:

1) Unzulässige Erweiterung des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 (Merkmale 1.5 und 1.7) gegenüber der ursprünglichen Offenbarung (Art. 138 Abs. 1 Ziffer c) EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG)

2) Mangelhafte Ausführbarkeit der vermeintlichen Erfindung (Merkmale 1.5 bis 1.7 -Art. 138 Abs. 1 Ziffer b) EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG)

3) Fehlende Patentfähigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 in jeglicher Fassung gegenüber dem Stand der Technik zum Anmeldezeitpunkt, (Art. 138 Abs. 1 Ziffer a) EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG), wobei sie die Berechtigung der in Anspruch genommenen Priorität bestreitet. Die rückbezogenen Unteransprüche seien ebenfalls nicht eigenständig erfinderisch.

4) Erweiterung des Schutzbereichs bezüglich des beschränkten Anspruchs 1 ("aliud") (Art. 138 Abs. 1 Ziffer d) EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 4 IntPatÜG bzw. § 22 Abs. 1 PatG)

Zur Stützung ihres Vorbringens beruft sie sich auf folgende Unterlagen:

Ni1: Verletzungsklage LG Mannheim vom 28. Februar 2006, AZ: 7 O 46/06 Ni2: Erwiderung vom 23. Juni 2006 zu Ni1 Ni3: DPMA-Registerauszug Ni4: Streitpatent (B1)

Ni5: Ursprünglich beim EPA eingereichte Anmeldeunterlagen Ni6: US 4 343 206 (D1)

Ni7: Merkmalsgliederung des erteilten Anspruchs 1 Ni7a: Merkmalsgliederung des geänderten Anspruchs 1 (gemäß B3-Schrift)

Ni8: Taschenbuch Elektrotechnik, Bd. 1, Allg. Grundlagen, Carl Hanser Verlag München Wien 1976, S. 105, 106 Ni9: US 5 485 771 (D2)

Ni9a: Declaration of Johnny Ellis zu D2 Ni9b: Declaration of William D. Brennan zu D2 Ni10: Lehrbuch Prof. Manfred Weck, "Werkzeugmaschinen Fertigungssysteme Bd. 3.2", VDI Verlag 1995, S. 79-82 (D3) (dazu Ni23)

Ni11: Prospekt "Lineare Direktantriebe Typ LIMES und LIM", 1. Auflage 5/95, Kraus Maffei Automationstechnik (D4)

Ni12: Fachartikel G. Pritschow et. al, "Direct Drive for High-Dynamic Machine Tool Axes", Annals of the CIRP Vol. 39/1/1990, S. 413-416 (D5)

Ni13: Fachbuch Prof. Heinz Unbehauen "Regelungstechnik I", 5. Auflage, Vieweg Verlag 1987, S. 95-101, S. 121, S. 125 Ni14: US 4 758 750 (D6)

Ni15: Lehrbuch Prof. Manfred Weck, "Werkzeugmaschinen Bd. 1", VDI Verlag 1988, S. 426-437 (D7)

Ni16: Fachartikel Prof. Hans Kurt Tönshoff et al, "Machine Tool for the Production of Noncircular Glass Moulds", Production Engineering Vol. III/1, 1966, S. 69-74 (D8) (dazu Ni24)

Ni17: DE 10 2004 058 962 A1 (nachveröffentlicht)

Ni18: Lehrbuch Prof. Manfred Weck, "Werkzeugmaschinen Bd. 3", VDI Verl. 1989, S. 192-197 Ni19: Zeichnung zur Spandicke Ni20: Prioritätsanmeldung DE 196 53 233.7 Ni21: WO 97/13603 A2 (D9)

Ni22: EP 0 758 571 A1 (D10)

Ni23: Bestätigung der Siemens Linear Motor Systems GmbH & Co. KG zu Ni11 Ni24: Bestätigung des Hanser Verlags zu Ni16 Ni25: Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau, 17. Auflage, Springer-Verlag 1990, S. T31 (D11)

Ni26: Entscheidung EPA vom 28. November 2006 (Berichtigung abgelehnt)

Ni27: Eingabe d. Bekl. an das EPA vom 12. Oktober 2001 (zu "Phasenregelung")

Ni28: E&E-Lexikon 2008, 5. Aufl. publishindustry Verlag München, S. 61 (nachveröffentlicht)

Ni29: US 5 625 267 (D12) Die Klägerin stellt den Antrag, Ni30: "A Long Stroke Fast-Tool-Servo" with Air Bearings (D13), S. 393-396, aus Tagungsband zu Progress in Precision Engineering and Nanotechnology, 26.-30. Mai 1997 in Braunschweig Ni31: US 5 593 340 (D14)

Ni31a: Messebroschüre Views dazu Ni31b: Declaration of James W. Drain zu D14 das europäische Patent 0 849 038 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte stellt den Antrag, die Klage abzuweisen.

Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit den Fassungen des Patentanspruchs 1 der Hilfsanträge 1 bis 3, wobei sich die jeweils erteilten Patentansprüche 2 bis 11 anschließen.

a) Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet (Änderungen gegenüber Hauptantrag Fett):

1. Hochgeschwindigkeits-Drehmaschine zum Herstellen von Brillengläsern mit optisch aktiven, eine beliebige Krümmung oder Form aufweisenden Oberflächen, mit einer Werkstückspindel (3) (C-Achse), an der mittels einer Werkstückaufnahme (4) das Werkstück (5) befestigt wird, mit einer Elektronik für die Überwachung und Steuerung der Rotation der Werkstückspindel (3) (C-Achse), mit einem Werkzeugschlitten (17), der in radialer Richtung (X-Achse) und axialer Richtung (Z-Achse), bezogen auf die Werkstückspindel (3), bewegt werden kann, wobei für die axiale Bewegung des Werkzeugschlittens (17), d. h. in der Z-Achse, ein Linearmotor eingesetzt ist, mit einer über eine Hochleistungselektronik verfügenden Steuerung und Lageregelung für die X-und die Z-Achse, wobei die Steuerung und Lageregelung für jede Spindelumdrehung einen neuen Datensatz für den Antrieb des Werkzeugschlittens (17) zur Verfügung stellt, so dass die drei Achsen elektronisch miteinander verknüpft sind, dadurch gekennzeichnet, dass die C-Achse der Werkstückspindel (3) drehzahlund phasengeregelt ist und dass der Linearmotor oszillierende Hübe mit einer Frequenz von mindestens 100 Hz ausführen kann.

b) Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet (Änderungen gegenüber Hauptantrag Fett):

1. Hochgeschwindigkeits-Drehmaschine zum Herstellen von Brillengläsern mit optisch aktiven, eine beliebige Krümmung oder Form aufweisenden Oberflächen, mit einer Werkstückspindel (3) (C-Achse), an der mittels einer Werkstückaufnahme (4) das Werkstück (5) befestigt wird, mit einer Elektronik für die Überwachung und Steuerung der Rotation der Werkstückspindel (3) (C-Achse), mit einem Werkzeugschlitten (17), der in radialer Richtung (X-Achse) und axialer Richtung (Z-Achse), bezogen auf die Werkstückspindel (3), bewegt werden kann, wobei für die axiale Bewegung des Werkzeugschlittens (17), d. h. in der Z-Achse, ein Linearmotor eingesetzt ist, mit einer über eine Hochleistungselektronik verfügenden Steuerung und Lageregelung für die X-und die Z-Achse, wobei die Steuerung und Lageregelung für jede Spindelumdrehung einen neuen Datensatz für den Antrieb des Werkzeugschlittens (17) zur Verfügung stellt, so dass die drei Achsen und deren Bewegung elektronisch miteinander verknüpft sind, dadurch gekennzeichnet, dass die C-Achse der Werkstückspindel (3) drehzahlund phasengeregelt ist und dass der Linearmotor oszillierende Hübe mit einer Frequenz von mindestens 100 Hz ausführen kann.

c) Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 lautet (Änderungen gegenüber Hauptantrag Fett):

1. Hochgeschwindigkeits-Drehmaschine zum Herstellen von Brillengläsern mit optisch aktiven, eine beliebige Krümmung oder Form aufweisenden Oberflächen, mit einer Werkstückspindel (3) (C-Achse), an der mittels einer Werkstückaufnahme (4) das Werkstück (5) befestigt wird, mit einer Elektronik für die Überwachung und Steuerung der Rotation der Werkstückspindel (3) (C-Achse), mit einem Werkzeugschlitten (17), der in radialer Richtung (X-Achse) und axialer Richtung (Z-Achse), bezogen auf die Werkstückspindel (3), bewegt werden kann, wobei für die axiale Bewegung des Werkzeugschlittens (17), d. h. in der Z-Achse, ein Linearmotor eingesetzt ist, mit einer über eine Hochleistungselektronik verfügenden Steuerung und Lageregelung für die X-und die Z-Achse, wobei die Steuerung und Lageregelung für jede Spindelumdrehung einen neuen Datensatz für den Antrieb des Werkzeugschlittens (17) zur Verfügung stellt, so dass die drei Achsen und deren Bewegung elektronisch miteinander verknüpft sind, dadurch gekennzeichnet, dass die C-Achse der Werkstückspindel (3) drehzahlund phasengeregelt ist und dass der Linearmotor oszillierende Hübe mit einer Frequenz von mindestens 100 Hz ausführen kann, wobei eine Schneidkante des Werkzeugs exakt durch die Mitte des Brillenglases (C-Achse) und noch ein Stück über die Mitte hinausführbar und mit kleinem Gradienten homogen in Z-Richtung vom Werkstück abhebbar ist.

Die Patentinhaberin tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen (mit Ausnahme der Inanspruchnahme der Priorität). Für den Fachmann sei klar ersichtlich gewesen, dass "Werkzeugspindel" im erteilten Anspruch irrtümlich statt "Werkstückspindel" verwendet worden sei. Gegenüber dem Stand der Technik zum Anmeldezeitpunkt liege zweifelsfrei eine erfinderische Leistung vor, zumindest bezüglich der hilfsweise beschränkten Fassungen des Streitpatents.

Zur Stützung ihres Vorbringens beruft sie sich auf folgende Unterlagen:

B1: EP0849038A2 (Offenlegungsschrift) B2: Lehrbuch Prof. Manfred Weck, "Werkzeugmaschinen Fertigungssysteme 3", VDI Verlag, 5. Aufl., 2001, S. 165, Abs. 2 B3: Fachbuch "Physik" v. Gerthsen, Kneser, Vogel, 16. Aufl., 1992, S. 16 B4: Hüseyin Özmeral, Dissertation "Elektromagnetisches Fast Tool Servo System für den Einsatz in der Ultrapräzisionstechnik" vom 24. Januar 2000, S. 10-13 und 16-24 B5: WIKIPEDIA -Definition "Regelung" nach DIN 19226 B6: Skizze zu D2 B7: DE 692 19 261 T2 (Mitglied der Patentfamilie zu D2) B8: Mitteilung EPA vom 17. Mai 2005 zur Teilanmeldung EP 1 323 497 A2 B9: Antrag auf Beschränkung vor EPA vom 13. Dezember 2007 B10: Beschränkter Anspruch 1 B11: Kurzmitteilung EPA vom 28. März 2008 B12: Einreichung des beschränkten Anspruchs 1 in Deu, Eng, Frz (zu B9) B13: Mitteilung EPA vom 14. Juli 2008 mit Deckblatt der B3-Schrift B14: DIN 66217, Bl. 1, zu Koordinatenachsen und Bewegungsrichtungen B15: WIKIPEDIA -Definition "Phase" B16: EPA-Bescheid vom 14. November 2001 mit Antwortschreiben vom Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

14. März 2002 B17: Anspruch 1 der Teilanmeldung EP 03 003 339.3 zum Stammpatent

(= Streitpatent)

B18: Entscheidung des EPA vom 18. April 2008 zur Teilanmeldung (T 0103/06)

Gründe

Die Klage, mit der (auch) der in Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Absatz 1 lit a EPÜ i. V. m. Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist jedenfalls insoweit in vollem Umfang begründet.

Ob daneben auch der Nichtigkeitsgrund einer im Beschränkungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt erfolgten unzulässigen Änderung des Patentgegenstandes gegeben ist -immerhin ist ein früherer Berichtigungsantrag der Beklagten bezüglich Werkstückspindel/Werkzeugspindel abgelehnt worden -kann daher letztlich dahinstehen. Dies gilt auch für die geltend gemachten Offenbarungsmängel.

Maßgeblich für die Beurteilung der Patentfähigkeit ist nach der Durchführung des Beschränkungsverfahrens, das -zwischen den Parteien unstreitig -ex tunc -Wirkung besitzt, allein die jetzige Fassung des Streitpatents (bzw. der Hilfsanträge).

I.

Das Streitpatent betrifft eine Drehmaschine zum Herstellen von Linsen mit beliebiger Krümmung und Formgebung der Oberflächen. Unter dem Begriff "Linse" versteht das Streitpatent alle optisch aktiven Oberflächen an Linsen, Hohlspiegeln, Prismen und ähnlichen optischen Produkten. Die bisherigen Drehmaschinen zum Herstellen von Linsen aus Kunststoff verfügen -wie herkömmliche Drehmaschinen zur Metallbearbeitung -über eine Spindel mit einer Werkstückaufnahme ("Futter"), die das Werkstück, also das Linsenmaterial, in Drehung versetzt, und einen Werkzeugschlitten, der ein oder mehrere Werkzeuge trägt, üblicherweise ein nicht drehendes Schneidwerkzeug, wobei der Werkzeugschlitten sowohl längs der Spindeldrehachse (Z-Achse) als auch radial dazu (X-Achse) für die Werkzeugzustellung bewegbar ist, die zur Erzeugung der Unrundheit der Werkstückoberfläche pro Spindelumdrehung geändert sein kann.

Der maßgebliche Fachmann für derartige Vorrichtungen hat zumindest ein Fachhochschul-Studium für Maschinenbau absolviert und spezielle Kenntnisse und Erfahrungen in der Fertigung von nicht axialsymmetrischen Werkstückoberflächen, insbesondere von Linsen in der Brillenindustrie mittels Drehmaschinen. Ggf. wird er einen Regelungstechniker hinzuziehen.

Dieser Fachmann erkennt als nachteilig bei den Drehmaschinen mit konventionellen Antrieben, z. B. nach der US 4 343 206 (D1), s. Streitpatent, Sp. 1, Z. 28, die langsamen sowie pro Werkstückumdrehung stetigen Bewegungen bei der Werkzeugzustellung und bei den Drehmaschinen mit Linearmotor für die Metallbearbeitung die pro Werkstückumdrehung gleichen Werkzeugbewegungen bei der Unrundbearbeitung des Werkstückumfangs, wobei keine Bearbeitung der Werkstückstirnseite erfolgt. Somit sind diese beiden Drehmaschinenarten nicht geeignet zur Herstellung von Linsen mit beliebig, d. h. nicht axialsymmetrisch gestalteten Oberflächen (s. Streitpatent, Sp. 1, Z. 32 bis Sp. 2, Z. 31).

Demnach liegt dem Streitpatent sinngemäß die Aufgabe zugrunde, eine Drehmaschine zur Herstellung von Linsen für die Brillenindustrie mit beliebiger Krümmung und Formgebung bereitzustellen, bei der eine hochpräzise Herstellung mit höherer Bearbeitungsgeschwindigkeit möglich ist (vgl. den Beklagten-Schriftsatz vom 23. Januar 2007, S. 25).

Die Lösung dieser Aufgabe soll -nach dem Beschränkungsverfahren durch das EPA -mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß der B3-Schrift (Hauptantrag), hilfsweise mit denjenigen nach den Hilfsanträgen 1 bis 3, erfolgen.

II.

Zum Hauptantrag (beschränkte Fassung des Anspruchs 1)

Zur Lösung der Aufgabe lehrt der beschränkte Anspruch 1 nach Hauptantrag eine Hochgeschwindigkeits-Drehmaschine mit den Merkmalen gemäß folgender Merkmalsgliederung, die i. W. von derjenigen der Beklagten abgeleitet ist:

M0 Hochgeschwindigkeits-Drehmaschine zum Herstellen von Linsen und anderen Körpern mit optisch aktiven, eine beliebige Krümmung oder Form aufweisenden Oberflächen, M1.1 mit einer Werkstückspindel 3 (C-Achse), M1.2 an der mittels einer Werkstückaufnahme 4 das Werkstück 5 befestigt wird, M1.2a mit einer Elektronik für die Überwachung und Steuerungder Rotation der Werkstückspindel 3 (C-Achse), M1.3 mit einem Werkzeugschlitten 17, M1.4 der in radialer Richtung (X-Achse) und axialer Richtung

(Z-Achse), bezogen auf die Werkstückspindel 3, bewegt werden kann, M1.5a wobei für die axiale Bewegung des Werkzeugschlittens 17, d. h. in der Z-Achse, ein Linearmotor eingesetzt ist, M1.5b mit einer über eine Hochleistungselektronik verfügenden Steuerung und Lageregelung für die X-und die Z-Achse, M1.6 wobei die Steuerung und Lageregelung für jede Spindelumdrehung einen neuen Datensatz für den Antrieb des Werkzeugschlittens 17 zur Verfügung stellt, so dass diedrei Achsen elektronisch miteinander verknüpft sind, M1.7' und dass die C-Achse der Werkstückspindel 3 drehzahlund phasengeregelt ist und M1.8 dass der Linearmotor oszillierende Hübe mit einer Frequenz von mindestens 100 Hz ausführen kann.

Zur Schutzfähigkeit Der beschränkte Anspruch 1 nach Hauptantrag hat mangels Patentfähigkeit seines Gegenstands keinen Bestand.

Mit der Beschränkung des Anspruchs 1 gemäß der B3-Schrift des Streitpatents ist zwar der von der Klägerin geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 gegenüber dem ursprünglich offenbarten Gegenstand beseitigt, da zum einen die über eine Hochleistungselektronik verfügende Steuerung und Lageregelung nicht mehr nur dem Linearmotor, wie erteilt, sondern der ganzen Maschine entsprechend der Trennung der Merkmale des beschränkten Anspruchs 1 in M1.5a und M1.5b zugeordnet ist und zum anderen nicht mehr die C-Achse der Werkzeugspindel, wie erteilt, sondern der Werkstückspindel entsprechend dem Merkmal 1.7' drehzahlund phasengeregelt ist.

Obwohl erhebliche Zweifel bestehen, ob mit diesen geänderten Merkmalen nicht eine unzulässige Erweiterung des Schutzbereichs des beschränkten Anspruchs 1 gegenüber seiner erteilten Fassung vorliegt, da -im Gegensatz zum erteilten Anspruch 1 -nun der Linearmotor in der Z-Achse keine eigene Steuerung und Lageregelung aufzuweisen braucht und die C-Achse der Werkstückspindel drehzahlund phasengeregelt ist, kann dies ebenso dahinstehen wie der weiter geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit der Erfindung, insbesondere hinsichtlich des unklaren Begriffs "Phasenregelung" im Merkmal 1.7 und der fehlenden Hubamplitude im Merkmal 1.8.

Denn auf jeden Fall trifft der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit zu. Dabei kann die Frage der Neuheit des Gegenstands des beschränkten Anspruchs 1 dahinstehen, da er gegenüber der US 5 485 771 (D2) in Verbindung mit dem Fachwissen des hier zuständigen Fachmannes jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

Aus der D2, Sp. 3, Z. 38-44, ist bereits eine Hochgeschwindigkeits-Drehmaschine zum Herstellen von Linsen und anderen Körpern mit optisch aktiven, eine beliebige Krümmung oder Form aufweisenden Oberflächen ("complex surface shapes, for example, ... nonsymmetrical aspheric, torics") gemäß Merkmal M0 des Anspruchs 1 nach Hauptantrag bekannt. Den unbestimmten Zusatz "Hochgeschwindigkeit" vor dem Begriff "Drehmaschine" entnimmt der Fachmann ohne weiteres aus den Gesamtunterlagen der D2, insbesondere aus Sp. 21, Z. 48, nach dem Beispiel 2 mit bis zu 3000 U/min für die Werkstückspindel -was den Angaben im Streitpatent entspricht, vgl. Absatz [0026]. Im Übrigen liegt für den Fachmann eine hohe Bearbeitungsgeschwindigkeit im üblichen Bestreben nach kurzer, also wirtschaftlicher Fertigungsdauer.

Wie die Fig. 1 bis 5 i. V. m. Sp. 6, Z. 31-38, der D2 zeigen, verfügt die daraus bekannte Drehmaschine über eine mittels eines Antriebsmotors (driver motor 21) angetriebene Werkstückspindel (spindle 22) mit einer Werkstückaufnahme (workpiece carrying chuck 23) und einer Elektronik (digital electronic system 6) für die Überwachung und Steuerung ("under the control") der Rotation der Werkstückspindel um ihre Drehachse ("controls... the rotation (A-axis) of the workpiece", in Sp. 5, Z. 33-35) gemäß den Merkmalen M1.1 bis 1.2a des Anspruchs 1 nach Hauptantrag.

Nach der D2, Sp. 6, Z. 3-22, verfügt die bekannte Drehmaschine -wie üblich bei derartigen Bearbeitungsmaschinen -über einen in radialer Richtung ("second direction D', Y-axis") sowie in axialer Richtung ("first direction D, X-axis"), jeweils bezogen auf die Drehachse der Spindel, bewegbaren Werkzeugschlitten (positioning member 19) gemäß den Merkmalen M1.3 und 1.4 des Anspruchs 1 nach Hauptantrag. Dabei entsprechen die A-, X-und Y-Achsen ("A-, X-and Y-axis") nach der D2 den C-, Z-und X-Achsen gemäß dem Streitpatent in dieser Reihenfolge.

Nach der D2, Sp. 5, Z. 41, bis Sp. 6, Z. 2, kann als Antriebsmotor ("driver motor 11") des Werkzeugschlittens in axialer Richtung ("X-axis") -alternativ zum in Fig. 1 dargestellten Gewindespindelantrieb ("screw threaded drive shaft 10") -ein Linearmotor ("linear motor, in Sp. 6, Z. 1") gemäß Merkmal M1.5a des Anspruchs 1 nach Hauptantrag verwendet werden.

Nach Sp. 3, Z. 18-26, und Sp. 5, Z. 33-35, ist die bekannte Drehmaschine auch mit einer über eine Hochleistungselektronik ("digital electronic system or computer 6") verfügenden Steuerung und Lageregelung für die beiden Werkzeugschlittenachsen, die axiale und die radiale als X-und Y-Achse ("controls the movements of the X-axis slide 2 and the Y-axis slide 3", in Sp. 5, Z. 33-35) gemäß Merkmal M1.5b des Anspruchs 1 nach Hauptantrag (X und Z-Achse) ausgestattet. Der Fachmann entnimmt der D2 nicht nur die Steuerung der X-und Y-Achsen, sondern nach Sp. 7, Z. 48-57, i. V. m. Fig. 5, aufgrund der Rückkoppelung mittels der Lageerfassung durch die Lagemesselemente bzw. Sensoren ("encoders 24 and 25") in den X-und Y-Richtungen auch eine Lageregelung in beiden Bewegungsrichtungen des Werkzeugsschlittens.

Diese Steuerung und Lageregelung stellt nach der D2, Sp. 15, Z. 1-15, und Sp. 16, Z. 46-57, für jede Spindelumdrehung einen neuen Datensatz für die Antriebe des Werkzeugschlittens in den X-und Y-Achsen zur Verfügung und verknüpft somit nach Sp. 6, Z. 46-48, über die drei Antriebsmotoren ("driver motors 11, 16 and 21") für die Bewegungen in den X-und Y-Richtungen sowie für die Spindelrotation in der A-Achse diese drei Achsen ("A-, X-and Y-axis") elektronisch miteinander -entsprechend Merkmal M1.6 des Anspruchs 1. Denn nach Sp. 15, Z. 1-6, gibt die Elektronik alle 2 bis 4 ms ("every 2 to 4 milliseconds") die Antriebssignale ("drive signals") als Sollwerte an die Antriebsmotoren ("motors 11, 16 and 21") weiter, was dem Beispiel 2a) zufolge (vgl. Sp. 21, Z. 65-67) bei 800 U/min eine Umdrehungsdauer der Werkstückspindel [mit: 1/800 x 60/1000] von 75 ms ergibt. Die Elektronik stellt somit -bei Weitergabe der Signale alle 4 ms [mit: 75 ms : 4 ms] -annähernd 20 mal pro Spindelumdrehung neue Daten zur Verfügung, womit der Fachmann auch das Merkmal M1.6 des Anspruchs 1 nach Hauptantrag von der Drehmaschine nach der D2 als erfüllt erkennt.

Nach der D2, Sp. 7, Z. 48-57, i. V. m. Fig. 5, ist auch der Antriebsmotor ("spindle motor 21") der Werkstückspindel mit einem Lagemesselement ("encoder in spindle motor 21") versehen. Damit ist nach Sp. 16, Z. 46-57, auch die A-Achse der Werkstückspindel aufgrund der Rückkoppelung mittels der Lageerfassung durch das Lagemesselement ("encoder") drehzahlund phasengeregelt gemäß Merkmal M1.7' des Anspruchs 1 nach Hauptantrag. Denn der Fachmann, für den die Drehzahlregelung der Werkstückspindel üblich ist, wie auch die D2 zeigt ("the rotational velocity of the blank workpiece is steadily increased..., in Sp. 15, Z. 7-15), kann mit dem Begriff "phasengeregelt" die Regelung der -für das Unrunddrehen notwendigen -Winkellage der Werkstückspindel relativ zum Werkzeug des Werkzeugschlittens verbinden. Diese der D2 entnehmbare Regelung der winkelmäßigen Zuordnung zwischen der sich drehenden Werkstückoberfläche (A-Achse) und dem Werkzeug ist im Übrigen für den Fachmann die Voraussetzung für die Erzeugung der gewünschten Unrundheit des Werkstücks ("the location of the cutter tool in space with respect to the angular position of the blank" in Sp. 3, Z. 19-20). Die D2 lehrt den Fachmann außerdem die Weitergabe der Daten durch die Elektronik zur Regelung der räumlichen und winkelmäßigen Beziehung des Werkstücks zum Werkzeug ("controlling the spatial and angular relationship of the blank workpiece to the apparatus cutter tool 20", in Sp. 15, Z. 4-5) als Sollwerte, nachdem diese durch den Vergleich der Istwerte in den X-, Y-and A-Achsen ("position of the X-, Y-slides 2, 3A and A-axis", in Sp. 16, Z. 47) mit den gewünschten Punkten auf der Zwischenkurve der Werkstückform von der Elektronik berechnet sind ("at a point on the intermediate curve it has calculated", in Sp. 16, Z. 49-50). Damit entnimmt der Fachmann auch das Merkmal M1.7' des Anspruchs 1 der D2 ohne erfinderisches Zutun.

Nach der D2, Sp. 21, Z. 47-48, liegt die übliche Drehzahl der Werkstückspindel zwischen 50 und 3000 U/min, was einer Frequenz von bis zu 50 Hz entspricht, und nach Sp. 19, Z. 4-13, ist die Bearbeitungszeit zu optimieren, wozu die Spindeldrehzahl und die Hubbewegung des Werkzeugschlittens in Richtung der A-Achse so stark wie möglich aufeinander abgestimmt werden müssen ("...by controlling the rotational speed of the motor 21 such that the induced oscillatory motion in the X-axis is as aggressive as is possible according to the accuracy requirements of the specific application and the motion capabilities of the tool and the Xaxis slide 2", in Sp. 19, Z. 9-13). Daraus entnimmt der Fachmann ohne weiteres, dass bei einer Spindeldrehzahl von 3000 U/min bzw. 50 Hz der die Hubbewegung des Werkzeugschlittens in Richtung der X-Achse erzeugende, nach Sp. 6, Z. 1, mögliche Linearmotor oszillierende -also hinund hergehende (d. h. mit Richtungsumkehr) zur Rückkehr in seine Ausgangslage die doppelte Frequenz der Spindel betragende, vgl. dazu das Streitpatent, Abs. [0026] -Hübe mit einer Frequenz von mindestens 100 Hz gemäß Merkmal M1.8 des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ausführen kann.

Somit liegt für den Fachmann weder in den Merkmalen 1.1 bis 1.8 des beschränkten Anspruchs 1 (Hauptantrag) für sich noch -mangels einer überraschenden Wirkung -in ihrer Kombination miteinander etwas, das über seine übliche fachliche Tätigkeit hinaus geht und erfinderischer Überlegungen bedarf.

Die Beklagte wendet ein, in der D2 sei insbesondere keine Regelung im Sinne des Streitpatents offenbart, sondern nur ein iteratives Vorgehen zur Erstellung neuer Daten für die nächste Schnittkurve. Abgesehen davon, dass selbstverständlich je nach Werkstückmaterial und Werkzeugart die Spandicke begrenzt ist und somit in der Praxis dann ein iteratives Vorgehen angebracht sein kann (s. Fig. 14b und 14c der D2), ist allein durch die Offenbarung von Lagemessgebern für die beiden Bewegungsrichtungen des Werkzeugschlittens ("encoders 24, 25 along the X-axis and Y-axis", in D2, Sp. 7, Z. 50) und die Winkellage der Werkstückspindel ("rotational encoder in spindle motor 21", in Sp. 7, Z. 51) in der D2 der Fachmann ohne erfinderisches Zutun befähigt, eine aufeinander abgestimmte Regelung der drei Größen für die X-, Y-und A-Achsen vorzunehmen, da er über die Steuerung der entsprechenden Stellgröße unter Berücksichtigung der Messgeberwerte durch die somit entstandene Rückkoppelung zu einer Regelung gelangt. Es liegt dann in seinem Ermessen, welche der Stellgrößen der drei Achsen er als Ausgangslage fix ansetzt und welche er darauf abstimmt, ob er also z. B. die Winkellage der Spindel gegenüber der Werkzeuglage regelt oder umgekehrt. Da im Streitpatent selbst die konkrete Lehre der Regelung, insbesondere des Phasenwinkels der Spindelrotation, fehlt, setzt die Beklagte voraus, dass der herangezogene Regelungstechniker dies ohne weiteres ausführt. Dann entnimmt dieser Fachmann aber auch ohne weiteres aus der D2 ausreichende Hinweise für die Regelung der drei Bewegungsachsen.

Somit stellt letztendlich eine Regelung für die Position des Werkzeugs und für die zugehörige Position der Winkellage der das Werkstück aufnehmenden Spindel, also die Koordinierung der Werkzeuglage und der Werkstücklage zur Erzeugung nichtachssymmetrischer Werkstückoberflächen als Kern des Anspruchs 1 nach Hauptantrag, nur eine im handwerklichen Können des Fachmannes liegende Maßnahme dar.

Aus diesen Gründen beruht die Hochgeschwindigkeits-Drehmaschine nach dem beschränkten Anspruch 1 (Hauptantrag) gegenüber der D2 in Verbindung mit dem fachmännischen Wissen und Können nicht auf erfinderischer Tätigkeit und ist daher nicht patentfähig.

III.

Zu den Hilfsanträgen Die Ansprüche 1 nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 haben mangels Patentfähigkeit ihrer Gegenstände ebenfalls keinen Bestand, so dass die außerdem geltend gemachten Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung des Schutzbereichs und der mangelnden Ausführbarkeit wie beim Anspruch 1 nach Hauptantrag dahinstehen können.

1) Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom (gemäß der B3-Schrift des Streitpatents beschränkten) Anspruch 1 nach Hauptantrag lediglich im Merkmal M0 der Merkmalsgliederung bei der Angabe des Verwendungszwecks durch die Einfügung "zum Herstellen von Brillengläsern" anstatt "zum Herstellen von Linsen und anderen Körpern". Somit lautet das geänderte Merkmal M0 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 (Änderung gegenüber dem Hauptantrag in Fettschrift):

M0 Hochgeschwindigkeits-Drehmaschine zum Herstellen von Brillengläsern mit optisch aktiven, eine beliebige Krümmung oder Form aufweisenden Oberflächen, Diese Änderung des Anspruchs 1 ist zwar zulässig, da das Herstellen von Brillengläsern ursprünglich, vgl. Ni5, S. 3, Z. 18-22, und im Streitpatent, Sp. 2, Z. 38-45, offenbart ist. Die Einschränkung des Verwendungszwecks, wonach die Hochgeschwindigkeits-Drehmaschine gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 nur für die Herstellung von Brillengläsern statt allgemein von Linsen und anderen Körpern dienen soll, ändert aber nichts am Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 gegenüber demjenigen nach Hauptantrag. Somit treffen die Ausführungen zum Hauptantrag auch für den Hilfsantrag 1 zu.

Der Einwand der Beklagten, mit dem Hinweis auf Brillengläser verbinde der Fachmann eine Hubamplitude des Werkzeugs von 6 bis 10 mm, kann dahinstehen, da dazu das Streitpatent nichts offenbart, schon gar nicht zu einer Hub-Frequenz-Verbindung gemäß Merkmal 1.8, die dementsprechend dann technisch schwer realisierbare 6 bis 10 mm Werkzeughub bei einer Frequenz von 100 Hz betragen würde.

Aus diesen Gründen beruht auch die Hochgeschwindigkeits-Drehmaschine gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

2) Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom (gemäß der B3-Schrift des Streitpatents beschränkten) Anspruch 1 nach Hauptantrag -neben der Änderung des Verwendungszwecks im Merkmal M0 gemäß Hilfsantrag 1 -darüber hinaus im Merkmal 1.6 durch die Einfügung "und deren Bewegung" nach dem Begriff "die drei Achsen". Somit lautet das geänderte Merkmal M1.6 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 (Änderung gegenüber dem Hauptantrag in Fettschrift):

M1.6 wobei die Steuerung und Lageregelung für jede Spindelumdrehung einen neuen Datensatz für den Antrieb des Werkzeugschlittens 17 zur Verfügung stellt, so dass die drei Achsen und deren Bewegung elektronisch miteinander verknüpft sind, Auch diese Änderung des Anspruchs 1 ist zulässig, da die nun außerdem beanspruchte elektronische Verknüpfung der drei Achsen und deren Bewegung ursprünglich, vgl. Ni5, S. 4, Z. 4-7, und im Streitpatent, Sp. 2, Z. 58 bis Sp. 3, Z. 4, offenbart ist.

Für den Fachmann bedeutet diese Änderung des Anspruchs 1 nur eine selbstverständliche Klarstellung, da die elektronische Verknüpfung der Bewegungsachsen, hier der C-Achse der Drehung der Werkstückspindel 3 und der X-und Z-Achsen des jeweiligen Vorschubs des Werkzeugschlittens 17, das Ziel hat, auf die Positionen und Bewegungen in bzw. um diese Achsen Einfluss zu nehmen. Da auch über die Art der elektronischen Verknüpfung nichts ausgesagt ist, bringt auch das geänderte Merkmal 1.6 keinen Unterschied zum Stand der Technik.

Aus diesen Gründen beruht auch die Hochgeschwindigkeits-Drehmaschine gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

3) Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom (gemäß der B3-Schrift des Streitpatents beschränkten) Anspruch 1 nach Hauptantrag -neben der Änderung des Verwendungszwecks im Merkmal M0 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 sowie der Einfügung im Merkmal 1.6 gemäß Hilfsantrag 2 -durch die Anfügung eines weiteren Merkmals (M1.9) im Anspruch 1, das die Werkzeugführung betrifft. Das an das Merkmal 1.8 anschließende Merkmal M1.9 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 lautet (Änderung gegenüber dem Hauptantrag in Fettschrift):

M1.9 wobei eine Schneidkante des Werkzeugs exakt durch die Mitte des Brillenglases (C-Achse) und noch ein Stück über die Mitte hinaus führbar und mit kleinem Gradienten homogen in Z-Richtung vom Werkstück abhebbar ist.

Auch diese Änderung des Anspruchs 1 ist zulässig, da die nun zusätzlich beanspruchte Führung und Abhebbarkeit des Schneidwerkzeugs ursprünglich, vgl. Ni5, S. 5, Z. 14-17, und im Streitpatent, Sp. 3, Z. 55 bis Sp. 4, Z. 3, offenbart ist.

Diese Maßnahmen zur Führung des Schneidwerkzeugs nach Merkmal 1.9 stellen keine gegenständlichen Merkmale, sondern Verfahrensmerkmale zum Betrieb der Drehmaschine dar, weshalb sie nur bedingt zur gegenständlichen Beschränkung der Drehmaschine des Anspruchs 1 dienen. Für den Fachmann stellt es im Übrigen routinemäßiges Handeln dar, die Schneidkante des Werkzeugs an Drehmaschinen durch das Zentrum der C-Achse, also durch die Mitte der zu bearbeitenden Oberfläche hindurchzuführen. Denn er kann und wird dies bei üblichen Drehmaschinen bei der Werkzeugjustierung zur Höheneinstellung der Schneidkante und/oder im Betrieb zur Vermeidung eines Materialüberstandes im Zentrum der Stirnseite ausführen. Zusätzlich das Schneidwerkzeug in Z-Richtung vom Werkzeug mit kleinem Gradienten homogen, also dosiert statt abrupt, abzuheben, stellt nur eine für den Fachmann zur Erzielung einer qualitativ hochwertigen Werkstückoberfläche naheliegende Maßnahme dar -genauso wie die -im Anspruch nicht angegebene -entsprechende Rückstellung des Werkzeugs. Nur beispielhaft wird auf die D2, Sp. 13, Z. 19-60, i. V. m. Fig. 7, 13d und 13e, verwiesen, woraus das fachmännische Wissen hinsichtlich der Führung von Schneidwerkzeugen an Drehmaschinen über die Mitte der Drehachse ("through the center of rotation", in Sp. 13, Z. 60) hinaus bekannt ist.

Ein überraschender und/oder kombinatorischer Effekt ist durch die Verbindung weder dieser beiden, lediglich für den Betrieb der Maschine dienenden Maßnahmen nach Merkmal 1.9 noch mit den übrigen Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 für den Fachmann ersichtlich.

Aus diesen Gründen beruht auch die Hochgeschwindigkeits-Drehmaschine gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

IV.

Zu den rückbezogenen Ansprüchen Auch die rückbezogenen -gegenüber ihrer erteilten Fassung unveränderten -Ansprüche 2 bis 11 nach dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 3 haben mangels Patentfähigkeit ihrer Gegenstände keinen Bestand.

Da die Gegenstände dieser rückbezogenen Ansprüche nicht als eigenständig erfinderisch verteidigt werden und in ihnen auch nichts erkennbar ist, was eine erfinderische Tätigkeit begründen könnte, fallen sie mit dem Anspruch 1 der jeweiligen Antragsfassung.

V.

Bei dieser Sachlage, bei der keine der im Prioritätsintervall veröffentlichten Druckschriften heranzuziehen war, ist ohne Auswirkung, dass die Inanspruchnahme der Priorität vom 20. Dezember 1996 aus der DE 19653233 (Ni20) nach Auffassung des Senats zu Unrecht erfolgt ist, weil die maßgebliche Fassung des Streitpatents über die Fassung der Voranmeldung (Ni20), insbesondere hinsichtlich der Merkmale M1.5 -1.8, hinausgeht (§ 3 Abs. 2 Satz 2 PatG).

VI.

Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß §§ 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 99 Abs. 1 PatG, 709 ZPO.

Sredl Dr. Henkel Gutermuth Harrer Dr. Fritzezugleich für Vorsitzende Richterin Sredl, die durch Urlaub an der Unterschrift verhindert ist Be






BPatG:
Urteil v. 28.08.2008
Az: 2 Ni 27/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/8ea385000c39/BPatG_Urteil_vom_28-August-2008_Az_2-Ni-27-06




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