Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 26. Juli 2005
Aktenzeichen: 11 U 12/03
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 26.07.2005, Az.: 11 U 12/03)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16.01.2003 (Az. 2/3 0 317/02) wird, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann eine Vollstreckung der Klägerin in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,-- € und hinsichtlich der Kosten in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen eine Bildberichterstattung in der von der Beklagten verlegten Zeitschrift ...
Die Klägerin unterhielt in den Jahren 2001 und 2002 eine Beziehung zu dem damaligen Ehemann der ... ..., ... . Im Heft ../2002 der ... veröffentlichte die Beklagte einen Artikel mit der Überschrift €...€. Dazu veröffentlichte sie mehrere Fotos der Klägerin mit den im Klageantrag genanntenBildunter- und Nebenschriften. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 zur Klage Bezug genommen.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
Ergänzend wird festgestellt, dass die Klägerin am ...1.2003 in Begleitung von Herrn ... an der Verleihung des ... ... im ... in ... teilgenommen hat. Bei dieser Gelegenheit ließ sich die Klägerin zusammen mit Herrn ... von Pressejournalisten fotografieren. Nachfolgend trat die Klägerin wiederholt zusammen mit Herrn ... bei öffentlichen Anlässen wie ... auf. Auf die Anlagen B 14 und B 15 wird verwiesen.
Die Klägerin, die die Bildberichterstattung für einen rechtswidrigen Eingriff in ihr Recht am eigenen Bild hält, hat die Beklagte auf Unterlassung der Veröffentlichung der insgesamt sieben Fotografien in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf das Urteil vom 16.01.2003 verwiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Prozessvortrag.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts bestehe ein erhebliches und berechtigtes öffentliches Informationsinteresse an der Person der Klägerin, die in Bezug auf ihre Beziehung zu ... ... zumindest als €derivativ-relative Person der Zeitgeschichte€ anzusehen sei. Jedenfalls wirke der Auftritt der Klägerin im ... zu ... nicht nur in die Zukunft, sondern habe auch Auswirkungen auf die Beurteilung der Veröffentlichung zum damaligen Zeitpunkt. Ihr diesbezüglicher Gang in die Öffentlichkeit zeige, dass der Klägerin zu keinem Zeitpunkt an Diskretion und Anonymität gelegen gewesen sei, sondern es ihr ausschließlich darum gehe, die öffentliche Befassung im eigenen Interesse zu steuern.
In der mündlichen Verhandlung vom 26.7.2005 hat die Beklagte die Berufung hinsichtlich der Fotos zu Ziffer 1-5 und 7 zurückgenommen.
Der Beklagte beantragt im Übrigen,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Frankfurt vom 16. Januar 2003 (Az. 2/3 O 317/02) die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags und meint, selbst wenn sie, die Klägerin, konkludent in die Veröffentlichung der anlässlich der Verleihung des ... in ... am ...01.2003 aufgenommenen Fotografien eingewilligt hätte, läge darin noch keine Einwilligung in die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotos.
Ergänzend wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat auch hinsichtlich des allein noch streitgegenständlichen Fotos zu Ziff. 6 keinen Erfolg.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht der Klägerin einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotografien gemäß §§ 823 Abs. 1 Abs. 2, 1004 (analog) BGB, 22 KUG wegen widerrechtlicher Verletzung des Rechts am eigenen Bild zuerkannt.
Gemäß § 22 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Eine Ausnahme hiervon gilt gemäß § 23 KUG u.a. für Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte.
Zutreffend hat das Landgericht eine ausdrückliche Einwilligung der Klägerin in die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Bilder verneint. Auch die Beklagte trägt nichts für eine ausdrückliche Einwilligung vor. Ebenso wenig hat die Beklagte die Voraussetzungen einer stillschweigenden Einwilligung schlüssig dargelegt. Zwar kann eine Einwilligung grundsätzlich auch stillschweigend erteilt werden. Das Schweigen muss die Einwilligung aus der Sicht des Empfängers jedoch eindeutig zum Ausdruck bringen. Bloßes Untätigbleiben kann - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat - nicht als Einwilligung gedeutet werden (Dreier/Schulze, UrhG § 22 KUG Rn. 18 m.w.N.). Pressefotografen und Bildredakteure haben sich daher grundsätzlich vom Vorliegen einer generellen Einwilligung des Abgebildeten zur Verwendung seines Bildnisses zu überzeugen (Gerstenberg/Götting in Schricker, Urheberrecht 2. Aufl., § 60/§22 KUG Rn. 15).
Das gilt auch für das allein noch streitige Foto, das die Klägerin in ... in einer ... ... zeigt und aufgenommen worden ist, bevor ihre Affäre mit ... ... öffentlich bekannt wurde. Dass das Foto mit Einwilligung der Klägerin - und wie die Beklagte behauptet - zum Zwecke der Veröffentlichung aufgenommen wurde, stellt keine Einwilligung der Klägerin in die spätere Verwendung des Fotos durch die Beklagte im Rahmen der Berichterstattung über die Affäre mit ... ... dar.
Die Voraussetzungen, unter denen eine Einwilligung ausnahmsweise gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG nicht erforderlich ist, hat das Landgericht ebenfalls zutreffend verneint. Wie der Senat schon in den Parallelverfahren entschieden hat (Senatsurteile vom 02.09.2003 - Az. 11 U 6/03; 11 U 31/03 vom heutigen Tag) ist oder war die Klägerin nicht relative Person der Zeitgeschichte. Bei der ... ... ..., die sich aufgrund ihres Bekanntheitsgrads außergewöhnlich aus dem Kreis ihrer Mitmenschen heraushebt und die deshalb auf Dauer im Blickfeld der Öffentlichkeit steht, handelt es sich zwar um eine absolute Person der Zeitgeschichte.
Familienangehörige bzw. langjährige Lebensgefährten von absoluten Personen der Zeitgeschichte können ihrerseits als relative Personen der Zeitgeschichte anzusehen sein. Auch wenn der frühere Ehemann von ... ... eine relative Person der Zeitgeschichte sein könnte, lässt sich aus dieser Rechtsprechung jedoch nicht herleiten, dass die Klägerin aufgrund einer intimen Beziehung zu ihm ebenfalls zu einer relativen Person der Zeitgeschichte geworden ist.
Eine Einwilligung in die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotos ergibt sich auch nicht aus dem gemeinsamen Auftritt der Klägerin mit Herrn ... bei der Verleihung des ... im Januar 2003. Denn eine Einwilligung kann sich nur auf die anlässlich dieses Auftritts gefertigten Fotografien beziehen (vgl. Senatsurteil vom 2.9.2003 unter II. 1.). Die Auffassung der Beklagten, im Hinblick auf diesen Auftritt dürfe nunmehr auch das früher im privaten Umfeld in einer ... aufgenommene Foto veröffentlicht werden, ist nicht zutreffend. Das Foto zeigt die Klägerin nicht nur in einer erkennbar privaten Situation, sondern stammt auch aus einer Zeit, zu der sie ihre Privatsphäre noch nicht preisgegeben hatte und zu der die Veröffentlichung mangels eines berechtigten Informationsinteresses als rechtswidrig anzusehen war.
Eine Veränderung der Umstände kann die Veröffentlichung derartiger Fotos nur unter besonderen Voraussetzungen rechtfertigen, für die hier nichts vorgetragen ist. Dass ein Foto geeignet sein kann, einen inzwischen von der abgebildeten Person der Öffentlichkeit preisgegebenen Teil ihres Privatlebens zu illustrieren, reicht dazu nicht aus. Wer - möglicherweise unter dem tatsächlichen Druck einer nicht mehr rückgängig zu machenden Berichterstattung - an die Öffentlichkeit tritt, muss nicht hinnehmen, dass die nunmehr im Grundsatz zulässige Berichterstattung über ihn mit Fotos bebildert wird, die der Öffentlichkeit zunächst nur unter Verletzung des Persönlichkeitsrechts zugänglich gemacht werden konnten. Insoweit kann ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht bejaht werden. Diesem Interesse kann ausreichend dadurch Rechnung getragen werden, dass zulässig zu veröffentlichendes Bildmaterial aus neuerer Zeit verwendet wird (BGB, Urteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03).
Darüber hinaus wäre die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Fotos jedenfalls in Zukunft nicht zulässig. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 2.9.2003 (Az.: 11 U 6/2003) unter II. 3.2 ausgesprochen hat, besteht ein überwiegendes Interesse an der Publikation von Bildern der Klägerin in zeitlicher Hinsicht jedenfalls nicht schrankenlos. Zeitlich sind solche Veröffentlichungen nur so lange als rechtmäßig zu bewerten, als das Scheitern der Ehe .../... noch als zeitgeschichtlicher Vorgang angesehen werden kann, an dem die Öffentlichkeit ein Interesse hat. Diese Zeitspanne ist zwischenzeitlich - nachdem die Ehe .../... schon seit nahezu 2 Jahren rechtskräftig geschieden ist - überschritten, so dass eine künftige Veröffentlichung des Fotos auch aus diesem Grund nicht mehr gerechtfertigt wäre.
Der Beklagten war der beantragte Schriftsatznachlass nicht mehr zu gewähren, weil der Schriftsatz der Klägerin vom 19.07.2005 keinen entscheidungserheblichen neuen Tatsachenvortrag enthält (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl. § 283 Rn. 2 a).
Danach war die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil mit der sich aus §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor, da der Senat nur anerkannte Grundsätze der Rechtsprechung im Einzelfall angewandt hat.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 26.07.2005
Az: 11 U 12/03
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