Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 28. Oktober 2015
Aktenzeichen: 8 U 73/15

(OLG Hamm: Urteil v. 28.10.2015, Az.: 8 U 73/15)

1.

Eine Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage gegen einen Beschluss der Gesellschafterversammlung einer GmbH muss grds. nicht von einem individuellen Rechtsschutzbedürfnis des klagenden Gesellschafters getragen sein. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt jedoch ausnahmsweise, wenn keinerlei objektives Bedürfnis für eine Nichtigerklärung des Beschlusses besteht, etwa weil der Beschlussinhalt gänzlich ins Leere geht oder - zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - überholt ist.

2.

Für die Wahrung der Einberufungsfrist des § 51 Abs. 1 GmbHG kommt es nicht auf den tatsächlichen Zugang des Einladungsschreibens, sondern den Zeitpunkt des regelmäßig zu erwartenden Zugangs an. Das gilt auch für eine in der Satzung anderweitig bemessene Einberufungsfrist.

3.

Die innere Willensbildung einer Personengesellschaft ist grds. Sache der Gesellschafter. In der Kommanditgesellschaft ist indes zu berücksichtigen, dass die Kommanditisten gem. § 164 S. 1 HGB von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind und die Entscheidungskompetenz für Maßnahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs bei den Komplementären und nicht den Kommanditisten liegt.

Daraus folgt, dass in der GmbH & Co. KG etwa die Beauftragung eines Steuerberaters mit der Erstellung einer betriebswirtschaftlichen Analyse der KG in den Kompetenzbereich der Komplementär-GmbH fällt. Beschließt deren Gesellschafterversammlung über solche Gegenstände, liegt darin keine Kompetenzüberschreitung.

Tenor

Auf die Berufungen der Beklagten zu 2) und des Streithelfers der Beklagten wird das am 20.02.2015 verkündete Urteil des Landgerichts Münster, soweit die Klage gegen die Beklagte zu 2) gerichtet ist, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2) vom 07.05.2014 zum Tagesordnungspunkt 4, mit dem klargestellt wurde, dass die monatlichen regelmäßigen Entnahmen der Geschäftsführer bei der Beklagten zu 1) eine Tätigkeitsvergütung darstellen, wird für nichtig erklärt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers erster Instanz tragen der Kläger zu 90 %, die Beklagte zu 2) zu 5 % und der Streithelfer der Beklagten zu 5 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt der Kläger. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) tragen der Kläger zu 80 % und die Beklagte zu 2) zu 20 %. Die außergerichtlichen Kosten des Streithelfers der Beklagten tragen der Kläger zu 90 % und der Streithelfer der Beklagten zu 10 %.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers der Berufungsinstanz tragen der Kläger zu 80 %, die Beklagte zu 2) zu 10 % und der Streithelfer der Beklagten zu 10 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) tragen der Kläger zu 80 % und die Beklagte zu 2) zu 20 %. Die außergerichtlichen Kosten des Streithelfers der Beklagten tragen der Kläger zu 80 % und der Streithelfer der Beklagten zu 20 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger und der Streithelfer der Beklagten sind mit jeweils hälftigem Anteil Kommanditisten der Beklagten zu 1) und geschäftsführende Gesellschafter der Beklagten zu 2). Die Beklagte zu 2) ist die Komplementärin der Beklagten zu 1).

Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten zu 2) enthält u.a. folgende Regelungen:

§ 8 Gesellschafterversammlung

...

2. Die Versammlung wird durch die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl einberufen. Es genügt Einberufung durch einen Geschäftsführer. Die Ladung erfolgt mittels Einschreibebrief mit einer Frist von mindestens zwei Wochen unter Mitteilung der Tagesordnung, bei der jährlichen Versammlung unter Beifügung des Jahresabschlusses.

Wegen des Inhalts der Gesellschaftsverträge der Beklagten wird im Übrigen auf die zur Akte gereichten Vertragsexemplare Bezug genommen (Bl. 8 ff. d.A.).

Der Streithelfer der Beklagten lud den Kläger mit Schreiben vom 26.03.2014 in seiner Funktion als Geschäftsführer der Beklagten zu 2) zu einer Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2) für den 15.04.2014 ein. Der Kläger erschien zu der Versammlung nicht, weshalb Beschlussfassungen unterblieben. Daraufhin lud der Streithelfer der Beklagten den Kläger mit Schreiben vom 17.04.2014, versandt als Einschreibebrief, zu einer weiteren Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2) für den 07.05.2014 ein. Die Ehefrau des Klägers verweigerte am 19.04.2014 die Annahme des Schreibens. Das Schreiben wurde dem Kläger sodann am 05.05. oder 06.05.2014 durch einen Gerichtsvollzieher zugestellt. Der Kläger erschien zu der Versammlung am 07.05.2014 und rügte diverse Mängel, u.a. die fehlerhafte Einberufung zur Versammlung. Anschließend verließ er die Versammlung. Mit den Stimmen des Streithelfers der Beklagten wurden sodann diverse Beschlüsse gefasst, hinsichtlich deren Inhalte auf das Versammlungsprotokoll Bezug genommen wird (vgl. Bl. 86 ff. d.A.).

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Nichtigerklärung der in der Gesellschafterversammlung vom 07.05.2014 gefassten Beschlüsse.

Der Kläger hat vorgetragen: Die in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 07.05.2014 gefassten Beschlüsse seien anfechtbar bzw. nichtig. Dies folge schon daraus, dass die Beschlüsse Angelegenheiten der Beklagte zu 1) beträfen, aber in einer Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2) gefasst worden seien. Zudem sei die gesellschaftsvertragliche Einberufungsfrist nicht gewahrt worden.

Der Streithelfer der Beklagten hat mit Schriftsatz vom 21.11.2014 den Beitritt zum Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten erklärt.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 07.05.2014 zu allen Tagesordnungspunkten für nichtig zu erklären,

2. hilfsweise festzustellen, dass die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 07.05.2014 nichtig sind.

Die Beklagten und deren Streithelfer haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen: Die streitgegenständlichen Beschlüsse seien nicht zu beanstanden. Die Beklagte zu 2) habe sich bei den Beschlussfassungen im Rahmen ihrer Kompetenzen bewegt, weil mit den streitgegenständlichen Beschlüssen Maßnahmen zur Aufstellung des Jahresabschlusses der Beklagten zu 1) für das Geschäftsjahr 2011 veranlasst und Angelegenheiten der laufenden Geschäftsführung geregelt worden seien. Hierfür sei die Beklagte zu 2) als geschäftsführende Komplementärin der Beklagten zu 1) zuständig gewesen. Auch die gesellschaftsvertragliche Einberufungsfrist von zwei Wochen sei gewahrt worden. Insoweit komme es auf den Zeitpunkt des gewöhnlich zu erwartenden Zugangs an. Das Einladungsschreiben sei am 17.04.2014 versandt worden, so dass ein Zugang beim Kläger bis zum 19.04.2014 hätte erwartet werden können. Im Übrigen sei dem Kläger das Einladungsschreiben am 19.04.2014 auch tatsächlich zugegangen, weil die Ehefrau des Klägers das Einladungsschreiben an diesem Tag in Empfang genommen habe. Dass sie das Schreiben anschließend sogleich wieder an den Briefzusteller zurückgegeben habe, sei unerheblich. Schließlich stehe dem Klagebegehren entgegen, dass die streitgegenständlichen Beschlüsse wirkungslos geworden seien, nachdem die Gesellschafter der Beklagten zu 2) beschlossen hätten, eine andere Steuerberaterkanzlei mit der Betreuung der Beklagten zu 1) zu beauftragen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, soweit sie gegen die Beklagte zu 2) gerichtet ist, und sie abgewiesen, soweit sie gegen die Beklagte zu 1) gerichtet ist. Wegen der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagte zu 2) und der Streithelfer der Beklagten mit ihren Berufungen, mit denen sie eine Abweisung der Klage auch insoweit begehren, als diese gegen die Beklagten zu 2) gerichtet ist. Zur Begründung tragen sie vor: Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2) zu den streitgegenständlichen Beschlussfassungen berechtigt gewesen. Der Beschluss zum Tagesordnungspunkt 3 betreffe die Aufstellung des Jahresabschlusses und damit eine Aufgabe der Geschäftsführung. Mit dem zum Tagesordnungspunkt 4 gefassten Beschluss sei die inhaltliche Gestaltung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2011 geregelt worden. Zudem ergebe sich aus der Regelung in § 9 der Satzung der Beklagten zu 1), dass der Beklagten zu 2) die Entscheidung über die Tätigkeitsvergütung der Geschäftsführer obliege. Die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6 beträfen Angelegenheiten der laufenden Geschäftsführung. Die Beschlussfassung zum Tagesordnungspunkt 7 sei auf die Umsetzung der zuvor gefassten Beschlüsse gerichtet und daher ebenfalls nicht zu beanstanden. Gleiches gelte für den Beschluss zum Tagesordnungspunkt 8, weil dieser die Überwachung der ordnungsgemäßen Aufstellung des Jahresabschlusses der Beklagten zu 1) für das Geschäftsjahr 2011 betreffe und die Auswahl des Steuerberaters zudem eine Maßnahme der laufenden Geschäftsführung sei.

Die Beklagte zu 2) und der Streithelfer der Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts Münster - Az. 23 O 76/14 - vom 20.02.2015 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufungen der Beklagten zu 2) und des Streithelfers der Beklagten sind zulässig und teilweise begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage. Soweit die Klage gegen die Beklagte zu 1) gerichtet ist, ist sie durch das angefochtene Urteil des Landgerichts rechtskräftig abgewiesen worden.

1. Zulässigkeit der Berufungen

Gegen die Zulässigkeit der Berufung der Beklagten zu 2) bestehen keine Bedenken. Die Berufung des Streithelfers der Beklagten ist ebenfalls zulässig. Der Streithelfer der Beklagten ist zur Einlegung einer selbstständigen Berufung berechtigt. Er ist gemäß § 69 ZPO als Streitgenosse der Beklagten zu 2) zu behandeln, weil es sich bei seiner Nebenintervention insoweit um eine streitgenössische Nebenintervention handelt. Dies folgt daraus, dass die Rechtskraft des in dieser Sache ergehenden Urteils gemäß § 248 AktG analog auch für und gegen ihn als (Mit)Gesellschafter der Beklagten zu 2) wirkt (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Auflage 2013, Anh. § 47 Rn. 169). Die Berufung des Streithelfers der Beklagten stellt danach eine eigenständige Berufung dar, über die gesondert zu entscheiden ist.

2. Begründetheit der Berufungen

Die Berufungen sind begründet, soweit das Landgericht der gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Klage hinsichtlich der Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 3, 5, 6, 7 und 8 stattgegeben hat. Denn insoweit ist die Klage teilweise unzulässig und teilweise unbegründet. Im Übrigen sind die Berufungen unbegründet.

a) Zulässigkeit der Klage

Die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage ist zulässig, soweit sie die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 4, 5, 6 und 7 betrifft. Hinsichtlich der Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 3 und 8 ist die Klage unzulässig, weil dem Kläger insoweit das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

aa) Mit dem Hauptantrag zu 1. begehrt der Kläger die Nichtigerklärung der streitgegenständlichen Beschlüsse. Der hierin liegende Anfechtungsantrag (analog § 246 AktG) enthält zugleich einen Nichtigkeitsantrag (analog § 249 AktG). Denn Nichtigkeits- und Anfechtungsklage verfolgen dasselbe Rechtsschutzziel und betreffen daher denselben Streitgegenstand (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 166). Hieraus folgt zudem, dass der Hilfsantrag zu 2. ins Leere geht, weil die Nichtigkeitsklage bereits Gegenstand des Hauptantrags ist.

bb) Eine Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage muss grundsätzlich nicht von einem individuellen Rechtsschutzbedürfnis des klagenden Gesellschafters getragen sein. Denn die Anfechtungsbefugnis eines jeden Gesellschafters gewährt die formalisierte Befugnis, die Rechtmäßigkeit eines Gesellschafterbeschlusses mittels Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage überprüfen zu lassen (vgl. Scholz-Schmidt, GmbHG II. Band, 11. Auflage 2014, § 45 Rn. 136; Saenger/Inhester, GmbHG, 2. Auflage 2013, Anh. § 47 Rn. 93). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt nur dann ausnahmsweise, wenn keinerlei objektives Bedürfnis für eine Nichtigerklärung des Beschlusses besteht (Scholz-Schmidt aaO.), etwa weil der betreffende Beschluss überholt ist und keine Wirkung mehr entfalten kann (Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 160). Dies ist hinsichtlich der Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 3 und 8 der Fall.

Der Beschluss zum Tagesordnungspunkt 8 hatte von vorneherein keinen Regelungsgehalt. Nach diesem Beschluss sind sämtliche Aufträge mit der Steuerberaterkanzlei G & Partner zu kündigen und andere Steuerberater zu beauftragen, wenn die Kanzlei G & Partner die nach den Tagesordnungspunkten 1 und 2 durchzuführenden Korrekturen des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2011 nicht fristgerecht erledigt, wobei der Streithelfer der Beklagten mit den entsprechenden Maßnahmen beauftragt wird. Ausweislich des Verhandlungsprotokolls sind zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2 keine Beschlüsse gefasst worden, so dass der Beschluss zum Tagesordnungspunkt 8 ins Leere geht.

Der Beschluss zum Tagesordnungspunkt 3 ist überholt. Nach den übereinstimmenden Erklärungen beider Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist zwischenzeitlich eine andere Steuerberaterkanzlei, nämlich die Kanzlei U & Partner, mit der Betreuung der Beklagten beauftragt worden. Die bislang tätige Steuerberaterkanzlei G & Partner ist nicht mehr für die Beklagten tätig. Hieraus folgt, dass sich der Beschluss zum Tagesordnungspunkt 3, wonach die Steuerberaterkanzlei G & Partner zur Vorlage bestimmter Unterlagen aufgefordert werden soll, erledigt hat. Dass der Beschluss im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht überholt war, ist unerheblich, weil es für die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses nach allgemeinen Grundsätzen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt.

Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers bezüglich der übrigen streitgegenständlichen Beschlüsse wird durch den Wechsel der Steuerberaterkanzlei nicht berührt. Denn diese Beschlüsse beziehen sich nicht auf eine bestimmte Steuerberaterkanzlei.

b) Begründetheit der Klage

Soweit die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage zulässig ist, ist sie hinsichtlich des Beschlusses zum Tagesordnungspunkt 4 begründet, im Übrigen hingegen unbegründet.

aa) Die achtwöchige Anfechtungsfrist gemäß § 9 Ziff. 4 der Satzung der Beklagten zu 2) ist gewahrt. Die Frist begann mit den streitgegenständlichen Beschlussfassungen am 07.05.2014 und endete am 02.07.2014. Die Klageschrift ist am 17.06.2014 und damit vor Fristablauf beim Landgericht eingegangen. Der exakte Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift an die Beklagte zu 2) ist der Akte nicht zu entnehmen, weil sich das betreffende Empfangsbekenntnis nicht bei den Akten befindet. Jedoch hat das Landgericht die Zustellung der Klageschrift am 11.07.2014 durch Aufgabe zur Post veranlasst, so dass davon auszugehen ist, dass die Zustellung bis spätestens 16.07.2014 erfolgt ist. Damit ist die Zustellung zwar nicht innerhalb der Klagefrist, jedoch demnächst i.S.v. § 167 ZPO und damit rechtzeitig erfolgt. Denn Fristüberschreitungen von bis zu zwei Wochen sind selbst dann unschädlich, wenn sie vom Zustellungsbetreiber verursacht worden sind (vgl. Zöller-Greger, ZPO, § 167 Rn. 11). Ob eine solche Verursachung durch den Kläger wegen der Verzögerung bei der Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses anzunehmen ist, kann deshalb dahinstehen.

bb) In formeller Hinsicht sind die hier in Rede stehenden Beschlüsse nicht zu beanstanden. Insoweit kann grundsätzlich auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen werden, die von den Parteien in der Berufungsinstanz nicht angegriffen werden. Insbesondere ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die zweiwöchige Einberufungsfrist gemäß § 8 Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten zu 2) gewahrt ist. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass es für die Wahrung der Einberufungsfrist nicht auf den tatsächlichen Zugang des Einladungsschreibens, sondern auf den Zeitpunkt des regelmäßig zu erwartenden Zugangs ankommt (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, § 51 Rn. 19; Scholz-Seibt, GmbHG II. Band, § 51 Rn. 14, jeweils zu § 51 Abs. 1 GmbHG). Dieser für die einwöchige gesetzliche Einberufungsfrist des § 51 Abs. 1 GmbHG geltende Grundsatz muss auch für die hier maßgebliche zweiwöchige vertragliche Einberufungsfrist gelten. Danach ist die Einberufungsfrist gewahrt, weil der Streithelfer der Beklagten das Einladungsschreiben am Donnerstag, den 17.04.2014, zur Post gegeben hat und somit bis spätestens Montag, den 21.04.2014, mit einem Zugang beim Kläger gerechnet werden konnte. Im Übrigen ist das Landgericht mit Recht von einem Zugang des Schreibens am 19.04.2014 beim Kläger ausgegangen. Denn die Ehefrau des Klägers hat auf dessen Veranlassung, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 25.11.2014 erklärt hat, die Annahme des Schreibens verweigert, so dass eine unberechtigte Annahmeverweigerung vorliegt, die dem Zugang gleichzusetzen ist (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 74. Auflage 2015, § 130 Rn. 16). Dass sich das Einladungsschreiben in einem Umschlag der T GmbH & Co. KG befand und daher äußerlich nicht als Schreiben der Beklagten zu 2) zu erkennen war, ist unerheblich, weil der Kläger nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 25.11.2014 seinerzeit die Annahme sämtlicher Schreiben der Gegenseite verweigerte.

cc) Die Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2) vom 07.05.2014 war beschlussfähig. Grundsätzlich setzt die Beschlussfähigkeit gemäß § 8 Ziff. 6 S. 1 der Satzung der Beklagten zu 2) die Anwesenheit von 2/3 des Stammkapitals voraus. Nachdem der Kläger die Versammlung verlassen hatte, war bei den Beschlussfassungen nur noch die Hälfte des Stammkapitals anwesend. Jedoch greift die Regelung in § 8 Ziff. 6 S. 2 der Satzung ein, wonach im Falle der Beschlussunfähigkeit innerhalb von vier Wochen eine neue Versammlung mit gleicher Tagesordnung einzuberufen ist, die dann immer beschlussfähig ist. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2) vom 15.04.2014 war wegen der Abwesenheit des Klägers beschlussunfähig; der Streithelfer der Beklagten hat innerhalb von vier Wochen eine neue Versammlung mit gleicher Tagesordnung einberufen. Zudem wurde auch dem Erfordernis des § 8 Ziff. 6 S. 3 der Satzung der Beklagten zu 2) Genüge getan, weil in der Einladung zur Versammlung vom 07.05.2014 auf die Beschlussfähigkeit dieser Versammlung hingewiesen worden ist.

dd) Der Beschluss zum Tagesordnungspunkt 4 ist jedoch anfechtbar, weil er kompetenzwidrig ergangen sind. Denn Gegenstand dieses Beschlusses ist eine Angelegenheit der Beklagten zu 1), die allein in den Zuständigkeitsbereich der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) fällt.

(1) Hinsichtlich der Kompetenzverteilung ist das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass sämtliche Angelegenheiten, die die Beklagte zu 1) betreffen, in den Zuständigkeitsbereich der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) fallen. Hierbei hat das Landgericht nicht hinreichend die Kompetenzverteilung innerhalb der Kommanditgesellschaft zwischen dem Komplementär als geschäftsführendem Gesellschafter und der Gesellschaftergesamtheit beachtet. Grundsätzlich ist die innere Willensbildung einer Personengesellschaft zwar Sache der Gesellschafter als Herren der Gesellschaft. Hieraus folgt aber nicht die umfassende und alleinige Beschlusskompetenz der Gesellschafterversammlung für sämtliche Angelegenheiten der Gesellschaft (OLG Stuttgart ZIP 2010, 131 ff.). So ist in der Kommanditgesellschaft zu berücksichtigen, dass die Kommanditisten gemä€ § 164 S. 1 HGB von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind und die Komplementäre nicht den Weisungen der Kommanditisten unterliegen (Baumbach/Hopt, HGB, 36. Auflage 2014, § 164 Rn. 1). Etwas anderes gilt gemä€ § 164 S. 1 HGB nur für außergewöhnliche Geschäfte i.S.v. § 116 Abs. 2 HGB, die auch in der Kommanditgesellschaft der Zustimmung der Gesellschafter bedürfen (Baumbach/Hopt, HGB, § 164 Rn. 2). Hieraus folgt, dass die Entscheidungskompetenz für Maßnahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes in der Kommanditgesellschaft beim Komplementär und nicht bei der Gesellschafterversammlung liegt (OLG Stuttgart aaO.). Ein Gesellschafterbeschluss der Kommanditgesellschaft, der Maßnahmen der laufenden Geschäftsführung betrifft, greift deshalb rechtswidrig in die Befugnisse des Komplementärs als Geschäftsführungsorgan ein (BGH NJW 1980, 1463 ff.). Diese Grundsätze gelten auch für die Komplementär-GmbH in der GmbH & Co. KG (vgl. MüKo-Liebscher, GmbHG Band 2, § 46 Rn. 318; Ulmer-Hüffer, GmbHG Band II, § 46 Rn. 123).

Zwar kann im Gesellschaftsvertrag von der gesetzlichen Kompetenzverteilung zu Gunsten der Kommanditisten abgewichen werden, bis hin zur Einräumung eines allgemeinen Weisungsrechts der Kommanditisten auch in Frage der gewöhnlichen Geschäftsführung (Baumbach/Hopt, HGB, § 164 Rn. 7). Dies ist hier jedoch nicht erfolgt. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten zu 1) enthält in § 5 nur einen Katalog zustimmungsbedürftiger Rechtsgeschäfte, ohne die allgemeine gesetzliche Kompetenzverteilung zwischen Komplementär und Gesellschaftergesamtheit zu modifizieren.

Der Umstand, dass es sich bei der Beklagten zu 1) um eine sog. personen- und beteiligungsgleiche GmbH & Co. KG handelt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn auch bei einer personen- und beteiligungsgleichen GmbH & Co. KG kann nicht ohne weiteres von einer Erweiterung der KG-Gesellschafterbefugnisse ausgegangen werden. Hierfür bedarf es auch in diesem Fall einer entsprechenden Satzungsregelung (MüKo-Liebscher, GmbHG Band 2, § 47 Rn. 324), an der es vorliegend fehlt.

Soweit danach der Zuständigkeitsbereich der Beklagten zu 2) als Komplementärin betroffen ist, bedarf es nicht der Abgrenzung zwischen Geschäftsführer- und Gesellschafterkompetenz. Denn in der GmbH besteht eine Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung insofern, als diese grundsätzlich jede Angelegenheit an sich ziehen und für andere Organe im Innenverhältnis bindend entscheiden kann (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Auflage 2012, § 46 Rn. 1).

(2) Nach diesen Grundsätzen hat die Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2) hinsichtlich des Beschlusses zum Tagesordnungspunkt 4 ihre Kompetenzen überschritten. Mit diesem Beschluss wird klargestellt, dass die monatlichen Entnahmen der Geschäftsführer bei der Beklagten zu 1) eine Tätigkeitsvergütung darstellen. Der Beschluss betrifft damit Entnahmen aus dem Vermögen der Beklagten zu 1). Für Entscheidungen hierüber ist gemäß § 9 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten zu 1) allein die Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) zuständig. Zwar erstreckt sich diese Zuständigkeit gemäß § 9 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten zu 1) nicht auf die Entnahme der gesondert vereinbarten Tätigkeitsvergütung. Hiermit ist jedoch nur die Auszahlung der vereinbarten Tätigkeitsvergütung gemeint, nicht jedoch die Entscheidung über die Frage, ob bestimmte Entnahmen als Tätigkeitsvergütung anzusehen sind oder nicht. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2) und des Streithelfers der Beklagten, ob die Beklagte zu 2) und ihre Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sind. Denn eine solche Befreiung würde nichts daran ändern, dass gemäß § 9 der Satzung der Beklagten zu 1) Entscheidungen im Zusammenhang mit Entnahmen von der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) zu treffen sind. Ebenfalls ohne Belangt ist, ob die mit dem hier streitgegenständlichen Beschluss getroffene Regelung rechtsgestaltenden oder lediglich klarstellenden Charakter hat. Denn die Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2) ist im Hinblick auf die Regelung in § 9 der Satzung der Beklagten zu 1) weder zu einer "Klarstellung" noch zu einer rechtsgestaltenden Änderung des Charakters von Auszahlungen aus dem Vermögen der Beklagten zu 1) berechtigt.

(3) Die Kompetenzüberschreitung hat die Anfechtbarkeit des Beschlusses zur Folge. Nach ganz herrschender Meinung, der sich der Senat anschließt, sind kompetenzwidrig ergangene Beschlüsse nicht ohne weiteres wirkungslos in dem Sinne, dass sie einer eigenen Mangelkategorie unterfallen (MüKo-Wertenbruch, GmbHG Band 2, § 47 Anh. 10; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. zu § 47 Rn. 6). Vielmehr sind diese Beschlüsse nach allgemeinen Grundsätzen entweder anfechtbar oder nichtig (MüKo-Wertenbruch und Lutter/Hommelhoff aaO.). Der hier streitgegenständliche Beschluss ist anfechtbar, weil kein Nichtigkeitsgrund vorliegt. Insbesondere ist § 241 Nr. 3 1. Alt. AktG nicht (analog) einschlägig, weil der Beschluss nicht als mit dem Wesen der GmbH unvereinbar angesehen werden kann.

ee) Die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 5, 6 und 7 sind hingegen weder wegen Kompetenzüberschreitung noch aus anderen materiellen Gründen anfechtbar.

Die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6 betreffen die Beauftragung des jeweiligen Steuerberaters der Beklagten zu 1) zur monatlichen Vorlage einer betriebswirtschaftlichen Analyse und zur quartalsweisen Vorlage von Kapitalkontenauszügen der Gesellschafter. Hierbei handelt es sich um gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen, die in den Kompetenzbereich der Beklagten zu 2) als Komplementärin der Beklagten zu 1) fallen. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob mit dem Katalog in § 5 Abs. 2 der Satzung der Beklagten zu 1) die zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäfte abschließend bestimmt sind oder bei anderen außergewöhnlichen Rechtsgeschäften ebenfalls eine Zustimmung der Gesellschafter der Beklagten zu 1) nach § 116 Abs. 2 HGB erforderlich ist. Denn das hier in Rede stehenden Rechtsgeschäft lässt sich weder den Katalogtatbeständen des § 5 Abs. 2 der Satzung der Beklagten zu 1) noch den außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen i.S.v. § 116 Abs. 2 HGB zuordnen. Außergewöhnlich sind nach Gegenstand, Umfang, Bedingungen oder Dauer aus dem Rahmen fallende, potentiell gefährliche Geschäfte (Baumbach/Hopt, HGB, § 116 Rn. 2). Diese Kriterien treffen auf die Anforderung von betriebswirtschaftlichen Analysen und Kapitalkontenauszügen der Gesellschafter nicht zu.

Der Beschluss zum Tagesordnungspunkt 7, der die Beauftragung des Streithelfers der Beklagten mit der Umsetzung der zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 6 gefassten Beschlüsse zum Inhalt hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn es steht der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2) frei, einen ihrer Geschäftsführer mit der Vollziehung bestimmter Maßnahmen zu beauftragen. Der Umstand, dass zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2 keine Beschlüsse gefasst wurden und der Beschluss zum Tagesordnungspunkt 4 nicht nach außen umsetzbar ist, hat nur zur Folge, dass der Beschluss zum Tagesordnungspunkt 7 insoweit ins Leere geht, begründet jedoch nicht die Anfechtbarkeit dieses Beschlusses.

Andere materielle Mängel sind hinsichtlich der Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 5, 6 und 7 nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 92 Abs. 1, 101 Abs. 2, 100 Abs. 1 ZPO. Der Senat hat den einzelnen streitgegenständlichen Beschlüssen jeweils einen identischen Wert beigemessen, mit Ausnahme des Beschlusses zum Tagesordnungspunkt 8, der schon bei Klageerhebung keinen Regelungsgehalt hatte und deshalb kostenmäßig nicht ins Gewicht fiel.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die diesbezüglichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.






OLG Hamm:
Urteil v. 28.10.2015
Az: 8 U 73/15


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