Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. August 2005
Aktenzeichen: 6 W (pat) 29/03
(BPatG: Beschluss v. 29.08.2005, Az.: 6 W (pat) 29/03)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. April 2003 aufgehoben und das Patent erteilt.
Bezeichnung: Selbstverstärkende Reibungsbremse und Verwendung derselben Anmeldetag: 22. Januar 1993 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Ansprüche 1 bis 21 gemäss Eingabe vom 12. Juli 2005, eingegangen am 21. Juli 2005, Beschreibung Seiten 1 bis 13 gemäss Eingabe vom 12. Juli 2005, eingegangen am 21. Juli 2005, 13 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 16 gemäss Eingabe vom 12. Juli 2005, eingegangen am 21. Juli 2005.
Gründe
I.
Die Beschwerde der Anmelderin ist gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. April 2003 gerichtet, mit dem die vorliegende Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen worden war, dass der Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 10 nicht neu sei.
Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind zum Stand der Technik folgende Druckschriften berücksichtigt worden:
(1) DE-PS 566 124
(2) DE-AS 12 03 061
(3) DE 36 15 599A1
(4) DE-OS 20 30 355
(5) US 33 67 452
(6) Handbuch für den Kraftfahrzeugingenieur, 8. Aufl., S. 822 - 829
(7) DE-PS 10 19 873 Gegen den vorgenannten Beschluss hat die Anmelderin mit Schreiben vom 10. Juni 2003, eingegangen am gleichen Tage, Beschwerde eingelegt. Sie hat mit Schreiben vom 12. Juli 2005 neue Ansprüche 1 bis 21, neue Beschreibungsseiten 1 bis 13 und 13 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 16 vorgelegt und sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Ansprüche 1 bis 21, Beschreibung Seiten 1 bis 13 und 8 Blatt Zeichnungen (Figuren 1 bis 16) gemäss Eingabe vom 12. Juli 2003.
Der Anspruch 1 lautet:
"Selbstverstärkende Reibungsbremse für sich drehende oder sich linear bewegende Bauteile mit einem Träger, mit einem an das zu bremsende Bauteil anpressbaren Bremshebel, der an einer Schwenkachse angelenkt ist, wobei die Selbstverstärkung der Anpresskraft des Bremshebels an das zu bremsende Bauteil sich verringert und entweder die auf das zu bremsende Bauteil einwirkende Reibkraft abfällt oder auf einen vorgegebenen Wert begrenzt wird und die auf das zu bremsende Bauteil einwirkende Reibkraft einen vorgegebenen Höchstwert nicht überschreitet, dadurch gekennzeichnet, dass die Schwenkachse (6) des Bremshebels (4) zur Reibfläche hin verschieblich ist."
Der nebengeordnete Anspruch 14 lautet:
"Verwendung einer Reibungsbremse nach einem der vorstehenden Ansprüche als Reibungsdämpfer bei Schienenfahrzeugen mit automatischer Kupplung zur Dämpfung von Längsschwingungen."
Der nebengeordnete Anspruch 15 lautet:
"Verwendung einer Reibungsbremse nach einem der Ansprüche 1 bis 13 als Reibungsdämpfer bei Schienenfahrzeugen (40) mit Seitenpuffern (41) und automatischer Zugkupplung (42) zur Dämpfung von Längsschwingungen bei einem Längsspiel (43) zwischen den beiden einander gegenüberliegenden Seitenpufferpaaren (41, 41') zweier miteinander gekuppelter Schienenfahrzeuge (40, 40')."
Laut Beschreibung (S. 1, Abs. 3) soll die Aufgabe gelöst werden, bei selbstverstärkenden Reibungsbremsen starke Schwankungen der auf das zu bremsende Bauteil einwirkenden Reibkraft bei variierendem Reibwert zwischen dem Bauteil und dem Bremshebel zu vermindern.
Hinsichtlich der auf die Ansprüche 1, 14 bzw. 15 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 13 bzw. 16 bis 21 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und im Hinblick auf die geltenden Unterlagen auch begründet.
1. Die Gegenstände der geltenden Ansprüche 1 bis 21 sind in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen offenbart, die Ansprüche sind somit zulässig.
Der Anspruch 1 geht auf den ursprünglichen Anspruch 1 i. V. m. S. 5, Z. 2 bis 7 und S. 4, Z. 13 bis 18 der ursprünglichen Beschreibung zurück und die Ansprüche 2 bis 21 ergeben sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 21.
2. Der Anmeldungsgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG § 1 bis 5 dar.
a. Die Reibungsbremse gemäß den Ansprüchen 1, 14 bzw. 15 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu, da keine der entgegengehaltenen Druckschriften eine Vorrichtung mit sämtlichen in den Ansprüchen 1, 14 bzw. 15 angegebenen Merkmalen zeigt.
In der Entgegenhaltung (1) DE-PS 566 124 ist ein Reibungsstoßdämpfer beschrieben, der auf ein sich linear bewegbares Bauteil einwirkt (vgl. z.B. Anspruch 1). Diese Druckschrift ist somit bereits gattungsfremd und zeigt darüber hinaus auch keine zur Reibfläche hin verschiebliche Lagerung der Schwenkachse des Bremshebels.
Die Entgegenhaltung (2) DE-AS 12 03 061 erläutert eine selbstverstärkend wirkende Reibungsbremse, bei welcher der Bremshebel 1 bzw. 34 um einen Bolzen 6 bzw. 40 schwenkbar gelagert ist (vgl. Fig. 1 bzw. 6). Der die Schwenkachse bildende Bolzen 6 bzw. 40 ist jedoch unverschieblich gelagert.
Die Entgegenhaltung (3) DE 36 15 599 A1 betrifft eine selbsttätige Zugkupplung für Schienenfahrzeuge und ist somit ebenfalls gattungsfremd.
Die Entgegenhaltung (4) DE-OS 20 30 355 erläutert eine Reibungsbremse, bei welcher der Bremshebel 9 um eine feste Achse 10 verschwenkbar gelagert ist (vgl. S. 5, vorletzte Zeile). Somit ist das erfindungsgemäße Merkmal, wonach die Schwenkachse des Bremshebels zur Reibfläche hin verschieblich ist, auch dort nicht verwirklicht.
Die Entgegenhaltung (5) US 33 67 452 erläutert ebenfalls eine Reibungsbremse, bei welcher die Bremshebel 38, 40 um Schwenkachsen 20, 22 verschwenkbar sind. Aber auch dort sind die Schwenkachsen 20, 22 nicht zur Reibfläche hin verschieblich.
Die Entgegenhaltung (6) "Handbuch für den Kraftfahrzeugingenieur" erläutert Gefahren bei selbstverstärkenden Reibungsbremsen (vgl. S. 828, Abs. b), zeigt aber darüber hinaus keine konstruktiven Einzelheiten solcher Bremsen und insbesondere keine zur Reibfläche hin verschiebliche Schwenkachse des Bremshebels.
Die Entgegenhaltung (7) DE-PS 10 19 873 erläutert eine gattungsgleiche selbstverstärkende Reibungsbremse, bei dieser Bremse ist jedoch der Bremshebel 19, 20 um eine feststehende Achse 21 verschwenkbar ist (vgl. Abb. 3 und Sp. 2, Z. 50 bis 52).
Keine dieser Entgegenhaltungen weist folglich eine erfindungsgemäße Ausgestaltung auf, bei welcher die Schwenkachse des Bremshebels zur Reibfläche hin verschieblich ist.
Auch die Verwendung der erfindungsgemäß ausgebildeten Reibungsbremse als Reibungsdämpfer bei Schienenfahrzeugen zur Dämpfung von Längsschwingungen nach den nebengeordneten Ansprüchen 14 und 15 wird durch die genannten Entgegenhaltungen nicht vorweggenommen.
b. Der Gegenstand des Anspruchs 1, 14 bzw. 15 der vorliegenden Anmeldung, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, ist das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.
Aus der dem Patentgegenstand am nächsten kommenden (7) DE-PS 10 19 873 ist eine selbstverstärkende Reibungsbremse für sich drehende oder sich linear bewegende Bauteile mit einem Träger, mit einem an das zu bremsende Bauteil anpressbaren Bremshebel, der an einer Schwenkachse angelenkt ist, bekannt, wobei die Selbstverstärkung der Anpresskraft des Bremshebels an das zu bremsende Bauteil sich verringert und entweder die auf das zu bremsende Bauteil einwirkende Reibkraft abfällt oder auf einen vorgegebenen Wert begrenzt wird und die auf das zu bremsende Bauteil einwirkende Reibkraft einen vorgegebenen Höchstwert nicht überschreitet. Dort ist der Bremshebel jedoch um eine ortsfeste Schwenkachse verschwenkbar gelagert. Somit konnte von dieser Druckschrift kein Hinweis ausgehen, die Schwenkachse zur Reibfläche hin verschieblich anzuordnen.
Auch die Verwendung einer selbstverstärkenden Reibungsbremse als Reibungsdämpfer bei Schienenfahrzeugen zur Dämpfung von Längsschwingungen ist durch diese Druckschrift nicht nahegelegt, da dort allenfalls eine Anregung zur Verwendung der erfindungsgemäßen Reibungsbremse bei Schienenfahrzeugen zu entnehmen ist (vgl. Sp. 4, Z. 1 und 2) nicht jedoch ein Hinweis, die erfindungsgemäße Reibungsbremse als Reibungsdämpfer zur Dämpfung von Längsschwingungen einzusetzen.
Einen Hinweis zum Vorgehen in der beanspruchten Weise erhält der Fachmann, ein Diplomingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet des Bremsenbaues, auch nicht bei Kenntnis der übrigen Druckschriften.
Wie bereits beim Neuheitsvergleich ausgeführt, ist keiner der Druckschriften eine selbstverstärkende Reibungsbremse zu entnehmen, bei der die Schwenkachse des Bremshebels zur Reibfläche hin verschieblich ist bzw. bei der eine solche Bremse zur Dämpfung von Längsschwingungen eingesetzt wird.
Somit war es aufgrund des Fehlens entsprechender Hinweise für den Fachmann selbst bei einer Zusammenschau des nachgewiesenen Standes der Technik unter Einsatz seines durchschnittlichen fachlichen Könnens nicht naheliegend, ohne erfinderisches Dazutun zur Gesamtheit der im Anspruch 1, 14 bzw. 15 enthaltenen Merkmale zu gelangen, da entsprechende Anregungen, die Schwenkachse des Bremshebels zur Reibfläche hin verschieblich auszugestalten bzw. eine solche Bremse zur Dämpfung von Längsschwingungen zu verwenden, im Stand der Technik fehlen.
Die Ansprüche 1, 14 bzw. 15 sind somit gewährbar. Das gleiche gilt für die auf diese Ansprüche rückbezogenen Ansprüche 2 bis 13 und 16 bis 21, die auf Merkmale zur Weiterbildung der Gegenstände nach Anspruch 1, 14 bzw. 15 gerichtet sind.
Lischke Riegler Schneider Müller Cl
BPatG:
Beschluss v. 29.08.2005
Az: 6 W (pat) 29/03
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