Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Januar 2007
Aktenzeichen: 6 W (pat) 337/03
(BPatG: Beschluss v. 23.01.2007, Az.: 6 W (pat) 337/03)
Tenor
Das Patent 101 42 773 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
- Ansprüche 1 bis 5, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
- Beschreibung Sp. 1 und 2, eingereicht am 16. Oktober 2006, Sp. 3 und 4 gemäß Patentschrift,
- Zeichnungen Fig. 1 bis 3 gemäß Patentschrift.
Gründe
I.
Gegen das am 6. März 2003 veröffentlichte Patent 101 42 773 mit der Bezeichnung "Hydraulische Presse zum Pressen von Metallpulver" ist am 4. Juni 2003 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei nicht neu, beruhe zumindest aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende neben den bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschriften DE 197 17 217 C2 DE 37 15 077 A1 US 42 60 346 noch auf die DE 40 00 423 C2 sowie auf eine offenkundige Vorbenutzung. Dazu legt sie Anlagen D01, D01A, D01B, D01C, D02, D02A, D03 und D03A vor und bietet Zeugenbeweis an.
Die Einsprechende beantragt, das Patent 101 42 773 zu widerrufen.
Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung neue Ansprüche 1 bis 5 überreicht und beantragt, das Patent 101 42 773 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:
- Ansprüche 1 bis 5, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
- Beschreibung Sp. 1 und 2, eingereicht am 16.10.2006, Sp. 3 und 4 gemäß Patentschrift,
- Zeichnungen Fig. 1 bis 3 gemäß Patentschrift.
Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand der nunmehr geltenden nebengeordneten Ansprüche 1 und 2 sowohl neu als auch erfinderisch sei. Weiterhin erkennt sie den Gegenstand der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung gemäß den Anlagen D01 mit D01A bis D01C ausdrücklich als Stand der Technik an.
Der geltende Anspruch 1 lautet:
"a) Hydraulische Presse zum Pressen von Metallpulver oder dergleichen zu Presslingen, mit einer Matrizenplatte, einem Ober- und mindestens einem Unterstempel, die mit einer Matrizenbohrung zusammenwirken, die jeweils von einem doppelt wirkenden hydraulischen Pressenzylinder betätigbar sind, b) wobei im Kraftweg zwischen dem Pressenzylinder und dem Oberstempel (16) für den Rückhub eine begrenzte Totwegstrecke vorgesehen ist, in welcher keine Mitnahme des Oberstempels (16) erfolgt und parallel zum Kraftweg ein separater, einen variablen Druck erzeugender Druckerzeuger angeordnet ist, über den während der Totwegstrecke eine Druckkraft am Oberstempel (16) erzeugt wird, c) wobei der separate Druckerzeuger über eine Kraftmessvorrichtung auf den Oberstempel (16) wirkt, d) wobei im Kraftweg eine zweite Kraftmessvorrichtung angeordnet ist und eine Steuervorrichtung den separaten Druckerzeuger betätigt, wenn die von der zweiten Kraftmessvorrichtung gemessene Kraft einen vorgegebenen Wert unterschreitet, unde) wobei in die Steuervorrichtung mindestens eine Kraftwegkurve eingespeichert ist, entlang der die Kraft des separaten Druckerzeugers auf den Oberstempel aufgebracht wird, wenn dieser seinen Rückhub beginnt.
Der nebengeordnete Anspruch 2 lautet:
a) Hydraulische Presse zum Pressen von Metallpulver oder dergleichen zu Presslingen, mit einer Matrizenplatte, einem Ober- und mindestens einem Unterstempel, die mit einer Matrizenbohrung zusammenwirken, die jeweils von einem doppelt wirkenden hydraulischen Pressenzylinder betätigbar sind, b) wobei im Kraftweg zwischen dem Pressenzylinder und dem Oberstempel (16) für den Rückhub eine begrenzte Totwegstrecke vorgesehen ist, in welcher keine Mitnahme des Oberstempels (16) erfolgt und parallel zum Kraftweg ein separater, einen variablen Druck erzeugender Druckerzeuger angeordnet ist, über den während der Totwegstrecke eine Druckkraft am Oberstempel (16) erzeugt wird, c) wobei der separate Druckerzeuger über eine Kraftmessvorrichtung auf den Oberstempel (16) wirkt, d) wobei dem Pressenzylinder bzw. dem Oberstempel eine Wegmesseinrichtung zugeordnet ist und eine Steuervorrichtung den separaten Druckerzeuger betätigt, wenn der Oberstempel (16) eine vorgegebene Position erreicht hat, unde) wobei in die Steuervorrichtung mindestens eine Kraftwegkurve eingespeichert ist, entlang der die Kraft des separaten Druckerzeugers auf den Oberstempel aufgebracht wird, wenn dieser seinen Rückhub beginnt.
Wegen der auf die Ansprüche 1 und 2 rückbezogenen Unteransprüche 3 bis 5 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und § 17 Abs. 1 GVG entsprechend zuständig.
2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig, was von der Patentinhaberin nicht bestritten worden ist.
3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.
a. Die geltenden Ansprüche 1 bis 5 sind zulässig.
Der geltende Anspruch 1 ergibt sich aus den erteilten bzw. ursprünglichen Ansprüchen 1, 2, 4 und 6. Der geltende Anspruch 2 ergibt sich aus den erteilten bzw. ursprünglichen Ansprüchen 1, 2, 4 und 5. Die geltenden Ansprüche 3 bis 5 entsprechen den erteilten bzw. ursprünglichen Ansprüchen 3, 7 und 8.
b. Der zweifelsfrei gewerblich anwendbare Presse nach den geltenden Ansprüchen 1 bzw. 2 ist neu.
Dies ergibt sich bereits daraus, dass bei der angeblich offenkundig vorbenutzten Presse keine Kraftwegkurve verwendet wird, entlang der die Kraft des separaten Druckerzeugers auf den Oberstempel aufgebracht wird, sondern eine Kraft, welche während der gesamten Totwegstrecke konstant bleibt. Denn während bei der Erfindung die Kraft z. B. entlang einer gewünschten Kurve gegen Null gefahren werden kann (vgl. Sp. 2, Z. 1 bis 5 der Streitpatentschrift), also über die Totwegstrecke variiert, bleibt beim Stand der Technik der Pressenzylinder mit einer einstellbaren, aber konstanten Kraft auf dem Pressteil lasten (vgl. Anlage DO3, S. 21, rechte Sp., vorletzter Abs.) und variiert damit während der Totwegstrecke nicht.
c. Die Presse gemäß dem geltenden Anspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Bei dem angeblich vorbenutzten Gegenstand handelt es sich um eine Presse, welche im Wesentlichen die Merkmale a) und b) des geltenden Anspruchs 1 aufweist.
Das Merkmal c) des geltenden Anspruchs 1, wonach "der separate Druckerzeuger über eine Kraftmessvorrichtung auf den Oberstempel wirkt", ist dagegen bei der angeblich vorbenutzten Presse nicht verwirklicht.
Wie sich aus den Anlagen D02, D02A und der Bezugszeichenliste zu D02A ergibt, ist bei der angeblich offenkundig vorbenutzten Presse ein Wegsensor vorgesehen. Ein solcher misst aber den Weg und nicht die Kraft, wie es im geltenden Anspruch 1 beansprucht ist. Dort wirkt somit der separate Druckerzeuger über eine Wegmessvorrichtung auf den Oberstempel, während erfindungsgemäß der separate Druckerzeuger über eine Kraftmessvorrichtung auf den Oberstempel einwirken soll.
Weiterhin ist im geltenden Anspruch 1 angegeben, dass im Kraftweg eine zweite Kraftmessvorrichtung angeordnet ist und eine Steuervorrichtung den separaten Druckerzeuger betätigt, wenn die von der zweiten Kraftmessvorrichtung gemessene Kraft einen vorgegebenen Wert unterschreitet (Merkmal d)).
Die Einsprechende hat dazu vorgetragen (vgl. im Einspruchsschriftsatz die Ausführungen zu Anspruch 4 auf S. 10), dass bei der angeblich offenkundig vorbenutzten Presse ebenfalls eine zweite Kraftmessvorrichtung in Form eines Dehnungsmessstreifens vorgesehen sein soll. Selbst unterstellt, dies trifft zu, so verbleibt als weiterer Unterschied zwischen dem Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung und dem Erfindungsgegenstand immer noch das Merkmal, wonach "eine Steuervorrichtung den separaten Druckerzeuger betätigt, wenn die von der zweiten Kraftmessvorrichtung gemessene Kraft einen vorgegebenen Wert unterschreitet". Denn über die Funktion des Dehnungsmessstreifens und über ein mögliches Zusammenwirken mit einer Steuervorrichtung ist bei der angeblich offenkundig vorbenutzten Presse nichts ausgesagt.
Das Merkmal e), wonach in die Steuervorrichtung mindestens eine Kraftwegkurve eingespeichert ist, entlang der die Kraft des separaten Druckerzeugers auf den Oberstempel aufgebracht wird, wenn dieser seinen Rückhub beginnt, ist bei der angeblich offenkundig vorbenutzten Presse ebenfalls nicht verwirklicht.
Aus der Anlage D01, S. 52, Kapitel "Auflast" ergibt sich, dass die Kraft der Auflast an einem Druckreduzierventil eingestellt oder im Presscontroller gespeichert werden kann. Erfindungsgemäß soll aber mindestens eine Kraftwegkurve gespeichert sein, entlang der die Kraft des separaten Druckerzeugers auf den Oberstempel aufgebracht wird. Dies ist bei der angeblich offenkundig vorbenutzten Presse nicht der Fall, denn lt. der Anlage D01 wird dort lediglich ein Wert eingestellt oder abgespeichert, aber keine Kurve, entlang der die Kraft auf den Oberstempel aufgebracht wird.
Zu diesen vorstehend aufgezeigten Unterschiedsmerkmalen vermag mangels entsprechender Hinweise weder die angeblich offenkundig vorbenutzte Presse noch der übrige Stand der Technik eine Anregung zu liefern. Denn auch bei der in der DE 40 00 423 C2 erläuterten Presse, welche im Übrigen keinerlei Bezug zur erfindungsgemäßen Problemstellung erkennen lässt, wird während der Totwegstrecke keine Druckkraft am Oberstempel erzeugt, so dass selbst eine Zusammenschau der zitierten Druckschriften nicht zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 führen kann.
Der geltende Anspruch 1 ist somit gewährbar.
d. Die Presse gemäß dem geltenden Anspruch 2 beruht ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der geltende Anspruch 2 umfasst die Merkmale a), b), c) und e) des geltenden Anspruchs 1 und darüber hinaus das Merkmal d), wonachdem Pressenstempel oder dem Druckerzeuger eine Wegmesseinrichtung zugeordnet ist und eine Steuervorrichtung den separaten Druckerzeuger betätigt, wenn der Oberstempel beim Rückhub eine von der Wegmesseinrichtung gemessene vorgegebene Position erreicht hat.
Wie bereits im Zusammenhang mit dem geltenden Anspruch 1 ausgeführt, sind zumindest die Merkmale c) und e), wonach - der separate Druckerzeuger über eine Kraftmessvorrichtung auf den Oberstempel wirkt, und - in die Steuervorrichtung mindestens eine Kraftwegkurve eingespeichert ist, entlang der die Kraft des separaten Druckerzeugers auf den Oberstempel aufgebracht wird, wenn dieser seinen Rückhub beginnt, bei der angeblich vorbenutzten Presse nicht verwirklicht. Dies trifft notwendigerweise auch auf den geltenden Anspruch 2 zu, da dieser die genannten Merkmale c) und e) ebenfalls enthält.
Weiterhin ist im geltenden Anspruch 2 angegeben, dass dem Pressenzylinder bzw. dem Oberstempel eine Wegmesseinrichtung zugeordnet ist und eine Steuervorrichtung den separaten Druckerzeuger betätigt, wenn der Oberstempel eine vorgegebene Position erreicht hat (Merkmal d)).
Die Einsprechende hat dazu lediglich vorgetragen (vgl. im Einspruchsschriftsatz die Ausführungen zu Anspruch 5 auf S. 10), dass dies eine Maßnahme darstelle, welche im Bereich des üblichen Fachwissens eines Diplom-Ingenieurs der Fachrichtung Maschinenbau bzw. Pressentechnik läge und welches zur Vermeidung von Beschädigungen der Presse im Störfall diene.
Selbst unterstellt, dies träfe zu, so verblieben als weitere Unterschiede zwischen dem Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung und dem Gegenstand nach Anspruch 2 immer noch die Merkmale c) und e), zu denen der Stand der Technik - wie bereits weiter oben ausgeführt - keine Anregung zu geben vermag.
Da auch der übrige Stand der Technik mangels entsprechende Hinweise keine Anregungen in diese Richtung geben kann, vermag selbst eine Zusammenschau des gesamten nachgewiesenen Standes der Technik nicht zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 2 zu führen.
Der geltende Anspruch 2 ist somit gewährbar.
e. Zusammen mit dem Anspruch 1 bzw. dem nebengeordneten Anspruch 2 sind auch die auf sie rückbezogenen Unteransprüche gewährbar, da sie nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen der Presse nach Anspruch 1 bzw. 2 betreffen.
f. Eine Vernehmung des von der Einsprechenden genannten Zeugen war nicht veranlasst.
Das schriftsätzliche Vorbringen konnte als wahr unterstellt werden.
Das darüber hinausgehende Vorbringen der Einsprechenden in Bezug auf die in das Wissen des Zeugen gestellten Tatsachen sowie die Beweisangebote waren - auch unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes - nicht substantiiert und nicht lückenlos genug, um einen hinreichend konkreten und naheliegenden Anlass zu einer Zeugenvernehmung zu geben (vgl. Schulte, Patentgesetz, 7. Aufl., § 59 Rn. 117, 204, 205).
BPatG:
Beschluss v. 23.01.2007
Az: 6 W (pat) 337/03
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