Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Februar 2003
Aktenzeichen: 8 W (pat) 75/99

(BPatG: Beschluss v. 25.02.2003, Az.: 8 W (pat) 75/99)

Tenor

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I Nach Prüfung von drei Einsprüchen hat die Patentabteilung 25 des Patentamts das unter der Bezeichnung "Dampfbremse für den Einsatz zur Wärmedämmung von Gebäuden" erteilte Patent 195 14 420 (Anmeldetag: 19. April 1995) mit Beschluss vom 23. August 1999 in vollem Umfang aufrechterhalten.

Zum Stand der Technik waren im Prüfungs- und Einspruchsverfahren die folgenden Druckschriften in Betracht gezogen worden:

(1) DE 35 38 597 C2

(2) DE 34 25 795 A1

(3) DE 34 23 766 A1

(4) DE 689 20 724 T2

(5) DE 93 08 678 U1

(6) DE GMS 1 886 678

(7) EP 0 378 015 B1

(8) EP 0 148 870 B1

(9) EP 0 167 714 A2

(10) EP 0 293 030 A1

(11) EP 0 410 275 A1

(12) GB 1 230 753

(13) US 3 445 322

(14) Handbuch Bautenschutz, Bd. 2, expert-Verlag, 1992, S.90

(15) Handbuch der Dämmtechnik, Teil 1, 1. Aufl. 1979, S. 44 u. 48 - 53

(16) "Kunststoffe - kurz und bündig", Vogel-Verlag, 2. Aufl., 1970, S. 89-96

(17) L. Moll, "Die Bedeutung der Wind- und Luftdichtung" in "Gesünder Wohnen", H. 22, Juni/Juli 1993, S. 1-6

(18) DIN 4108 Teil 4 und 5

(19) DIN 53 122, Bl. 1

(20) DIN 52 615, Ausg. November 1987

(21) Prospekt der Fa. B.I. Moll GmbH & Co. KG, 1994, S. 1, "B.I.-Natur, Dampfbremspappe Armiert"; hierzu werden Rechnungen über die Lieferung von Dampfbremspappen zwischen dem 23.11.91 und 27.08.92 vorgelegt (Bl. 194 -203 VA I)

(22) Untersuchungsbericht des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik vom 11.08.1994

(23) MFPA Leipzig Prüfprotokoll Nr. PP V/98 - 466 vom 12.05.98 und PP V/98 - 452.1 vom 09.06.1998

(24) H. Klopfer, "Wassertransport durch Diffusion in Feststoffen", Bauverl. GmbH Wiesbaden und Berlin, Ausg. 74

(25) K. Seiffert, "Wasserdampfdiffusion i. Bauwesen, Ein Leitfaden zur Verhütung von Bauschäden", Bauverl. GmbH Wiesbaden und Berlin, Ausg. 74

(26) Dr.-Ing. F. Eichler, "Bauphysikalische Entwurfslehre", VEB Verlag f. Bauwesen, Berlin, Ausg. 68

(27) Prospekt der Fa. G+H ISOVER "Difunorm Vario", Best.-Nr. C 618 50.6.97 Mz

(28) Dr.-Ing. H.M. Künzel "Folie denkt mit" in Sonderdruck aus Stuck Putz Trockenbau 55 (1997), H. 2, S. 34-37

(29) IZH-Forschungsbericht, März 1994

(30) Prospekt der Fa. Icopal "HYGRODIODE, Die duoaktive Dampfsperre" ohne Veröffentlichungsdatum bzw. mit Druckvermerk 04/00 6102

(31) IBP Mitteilung 268, 22 (1995)

(32) Prof: H. Schulze "Geneigte Dächer ohne chemischen Holzschutz€"

(33) Prospekt der Fa. Bayer: "Wasseraufnahme und konditionieren von Formteilen aus Durethan", Ausgabe 8.95

(34) Prospekt der Fa. Bayer: "Nomenklatur und Eigenschaften Durethan", Ausgabe 7.93

(35) Fa. Bayer: "Anwendungstechnische Information" Durethan, Ausgabe 01.08.1987

(36) Ergebnisauszug einer Datenbankrecherche "CAPLUS"1998 Host STN

(37) Römpps Chemie Lexikon, 8. Aufl. 1987, Stichwort "Polyamide"

(38) C.A. Finch "Polyvinyl Alcohol" Verlag John Wiley & sons London New York Sydney Toronto 1973, S. 345 - 389

(39) Diagramm aus dem Aufsatz von Dr. Künzel "Feuchtesichere Altbausanierung mit neuartiger Dampfbremse" Vergleich des Verhaltens von Polyvinylalcohol (PVA) zu Polyamid-Folie; Umrechnungstabelle für Diffusionskenngrößen Gegen den Beschluss der Patentabteilung 25 haben die Einsprechenden 1 und 2 Beschwerde eingelegt.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

"Dampfbremse für den Einsatz zur Wärmedämmung von Gebäuden, dadurch gekennzeichnet, daß zumindest ein Teil der Dampfbremse aus einem Material, das einen von der Umgebungsfeuchte abhängigen Wasserdampf-Diffusionswiderstand aufweist, gebildet ist, mit der Maßgabe, daß das Material bei einer relativen Feuchte der die Dampfbremse umgebenden Atmosphäre im Bereich von 30 bis 50% einen Wasserdampf-Diffusionswiderstand (Sd-Wert) von 2 bis 5 m diffusionsäquivalente Luftschichtdicke, und bei einer relativen Feuchte im Bereich von 60 bis 80% einen Wasserdampf-Diffusionswiderstand (Sd-Wert), der < 1 m diffusionsäquivalente Luftschichtdicke ist, aufweist."

Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 18 wird auf die Akten Bezug genommen.

Die Einsprechende 2, die Fa. C... GmbH, hat, wie in ihrer Eingabe vom 10.12.2002 bereits angekündigt, an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen. Daher wird im folgenden die Einsprechende 1 Einsprechende genannt.

Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung - eine offenkundige Vorbenutzungshandlung geltend gemacht;

- außerdem die Auffassung vertreten, dass die Dampfbremse nach dem geltenden Patentanspruch 1 gegenüber dem Stand der Technik nach der EP 0 148 870 B1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe;

- darüber hinaus hat sie vorgetragen, dass sich die Angaben im erteilten Patentanspruch 1 in der Formulierung der dem Streitpatent zu Grunde liegenden Aufgabe erschöpften und der Fachmann ohne erfinderisches Zutun nicht zur Lösung dieser Aufgabe gelange.

Den in den Schriftsätzen geltend gemachten Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme hat sie in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen.

Die Einsprechende beantragt, den Beschluss der Patentabteilung 25 des Patentamts vom 23. August 1999 aufzuheben und das Patent 195 14 420 zu widerrufen.

Hilfsweise wird die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt zu den Fragen,

- welche Anforderungen an das Vorliegen einer offenkundigen Vorbenutzung zu stellen sind und - ob die Grundsätze der BGH - Entscheidung "Acrylfasern" beachtet worden sind.

Die Patentinhaberinnen sind den Ausführungen der Einsprechenden entgegengetreten. Sie bestreiten die Vorbenutzungshandlung und legen zum Nachweis in der mündlichen Verhandlung folgende Unterlagen vor:

- Prospekt der Einsprechenden "Pro clima, Luftdichtheit - die Voraussetzung, daß die Wärmedämmung wirklich dämmt", Seite 7 (Druckvermerk 6.99)

- Pro clima - Rundbrief der Einsprechenden; Dezember 1996.

Sie vertreten weiterhin die Auffassung, der Gegenstand nach dem Patentanspruch 1 sei durch den aufgezeigten Stand der Technik dem zuständigen Fachmann nicht nahegelegt. Auch erschöpften sich die Angaben im erteilten Patentanspruch 1 nicht in der Formulierung der dem Streitpatent zu Grunde liegenden Aufgabe.

Die Patentinhaberinnen beantragen, die Beschwerden zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet.

1. Der geltende Patentanspruch 1 betrifft eine Dampfbremse für den Einsatz zur Wärmedämmung von Gebäuden, bei der zumindest ein Teil aus einem Material besteht, das einen von der Umgebungsfeuchte abhängigen Wasserdampf-Diffusionswiderstand aufweist. Dabei soll das Material bei einer relativen Feuchte der die Dampfbremse umgebenden Atmosphäre im Bereich von 30 bis 50% einen Wasserdampf- Diffusionswiderstand (Sd - Wert) von 2 bis 5 m diffusionsäquivalente Luftschichtdicke, und bei einer relativen Feuchte im Bereich von 60 bis 80% einen Wasserdampf- Diffusionswiderstand (Sd - Wert) von < 1 m diffusionsäquivalente Luftschichtdicke aufweisen.

Damit soll eine "Feuchte adaptive Dampfbremse" geschaffen werden, die in der Lage ist, unter verschiedenen Umgebungsbedingungen einen Wasserdampfaustausch zwischen der Raumluft und dem Inneren eines Bauteils (Dach oder Fachwerkwand) zu sichern, so dass Beschädigungen der verwendeten Baumaterialien durch Feuchtigkeit weitestgehend ausgeschlossen sind; vgl. DE 195 14 420 C1, Sp. 1, Z. 46 - 53 und Z. 61.

2. In dem Fachbuch von C.A. Finch "Polyvinyl Alcohol" aus dem Jahr 1973 (E38) auf S. 351 sind in Fig. 14.13 für verschiedene Materialien Werte für die Wasserdampf-Diffusionsdurchlässigkeit in Abhängigkeit von der Umgebungsfeuchte angegeben. Aus dieser Abbildung geht hervor, dass bspw. Polyvinyl Alkohol, der im Patentanspruch 13 als Material für die Dampfbremse nach dem Streitpatent beansprucht wird, eine Wasserdampf-Diffusionsdurchlässigkeit aufweist, die mit wachsender relativer Luftfeuchte zunimmt. Der für die Bereitstellung von Dampfbremsen zuständige Fachmann ist ein Baustoffchemiker; dieser wird von einem Bauphysiker, welcher als Anwender das Anforderungsprofil von Dampfbremsen aufstellt, auf der Suche nach einer Lösung des dem Streitpatent zu Grunde liegenden Problems zu Rate gezogen. Der Baustoffchemiker hatte somit die Möglichkeit, sich in der Fachliteratur zu informieren, um ein "Feuchte adaptives" Material mit den im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen zu finden, ohne weitere erfinderische Überlegungen anstellen zu müssen.

Mit dem Streitpatent wird eine Dampfbremse unter Schutz gestellt, die unter verschiedenen Umgebungsbedingungen einen Wasserdampfaustausch zwischen der Raumluft und dem Innern eines Bauteils sichern und Beschädigungen der verwendeten Baumaterialien weitestgehend ausschließen soll. Im Patentanspruch 1 ist hierzu angegeben, welche Eigenschaften das Material der Dampfbremse für den Einsatz zur Wärmedämmung von Gebäuden haben soll, wobei Materialien mit Feuchte adaptiven Eigenschaften bereits bekannt waren; vgl. Fachbuch von C.A. Finch. Zudem sind in den Ansprüchen 2 bis 4 und 12 bis 18 geeignete Materialien angegeben, und in der Beschreibung ist eine Methode - DIN 52 615 - genannt, nach der an Proben die beanspruchten Wertebereiche ermittelt werden können.

Bei der von der Einsprechenden zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs "Acrylfasern" (BlPMZ 1985, 28) liegt dagegen ein Patentanspruch zu Grunde, mit dem hochschrumpffähige Fasern oder Fäden mit einer bestimmten Reißfestigkeit und einem bestimmten Schrumpfvermögen unter Schutz gestellt werden sollten. Damit sollte die Aufgabe gelöst werden, bei bereits bekannten Hochschrumpffasern oder -fäden eine höhere Faserfestigkeit zu erreichen, ohne die Schrumpffähigkeit zu schmälern. Die Angaben in diesem Patentanspruch erschöpfen sich somit in einer Umschreibung der der Erfindung zu Grunde liegenden Aufgabe.

Die im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale erschöpfen sich nicht in der Umschreibung der dem Streitpatent zu Grunde liegenden Aufgabe, wie die Einsprechende meint, sondern es wird die allgemeine Erkenntnis, dass es Materialien mit von der Umgebungsfeuchte abhängigem Wasserdampf-Diffusionswiderstand gibt, umgesetzt in die Lehre, solche Materialien als Dampfsperre für den Einsatz zur Wärmedämmung zu verwenden, und darüber hinaus werden noch Wertebereiche angegeben, innerhalb derer die Problemlösung gewährleistet ist. Der erteilte Patentanspruch 1 ist somit zulässig.

3. Die Dampfbremse mit den Merkmalen im erteilten Patentanspruch 1 hat als neu zu gelten, da keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen eine Dampfbremse mit allen im erteilten Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen aufweist.

Die zum Nachweis der von der Einsprechenden geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung vorgelegten Unterlagen, der Prospekt der Fa. B.I. Moll GmbH & Co. KG, 1994, "B.I.-Natur, Dampfbremspappe Armiert" sowie der Untersuchungsbericht des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik vom 11.08.1994 und die Prüfprotokolle der MFPA Leipzig Nr. PP V/98 - 466 vom 12.05.98 und PP V/98 - 452.1 vom 09.06.1998 werden im folgenden so betrachtet als gehörten sie zum vorveröffentlichten Stand der Technik.

Der Prospekt "B.I.-Natur, Dampfbremspappe Armiert" gibt eine äquivalente Schichtdicke von 2,30 m an. Von einem von der Umgebungsfeuchte abhängigen Wasserdampf - Diffusionswiderstand ist nicht die Rede. Bei den Messungen der Fraunhofer-Instituts vom 09.06.94 werden die Bedingungen nach dem Patentanspruch 1 nicht erfüllt. Der trockene Bereich (dry - cup) geht mit 3 - 50% nämlich über den trockenen Bereich von 30 - 50% hinaus, und die Messergebnisse liegen entweder über (8,0) oder unter (1,9 und 1,7) dem Wertebereich von 2 bis 5 m. Die Messungen vom 27.07.1994 berücksichtigen ebenfalls nicht die Feuchtebereiche nach dem Patentanspruch 1. Dies gilt auch für die Messungen der MFPA. Die einzige Messung, die annähernd den beanspruchten Feuchtebereich trifft - Nr. PP V/98 - 452.1 - ist die 4. Prüfung; diese ergibt jedoch diffusionsäquivalente Luftschichtdicken, die größer sind als 1 m.

Auch gegenüber der Dampfsperre nach der EP 0 148 870 B1 ist der Gegenstand nach dem erteilten Patentanspruch 1 neu. In dieser Druckschrift sind nämlich keine Werte für diffusionsäquivalente Luftschichtdicken in Abhängigkeit von der Umgebungsfeuchte angegeben.

Selbst wenn man die am 18.07.1998 im DPMA eingegangene Kopie des Prospekts der Fa. Icopal "HYGRODIODE, Die duoaktive Dampfsperre", dessen Veröffentlichungsdatum nicht erkennbar ist, zu Gunsten der Einsprechenden als zum Stand der Technik gehörend in Betracht zieht, kommt man zu keinem anderen Ergebnis. In diesem Prospekt, in dem auf das europäische Patent 0 148 870 hingewiesen wird, sind zwar Werte für diffusionsäquivalente Luftschichtdicken angegeben, jedoch ohne zugehörige Umgebungsfeuchte. Zudem liegt ein Wert (Sd = 20 m) weit über dem entsprechenden Wert im Patentanspruch 1.

In dem vorgelegten Abschnitt aus dem Fachbuch von C.A. Finch "Polyvinyl Alcohol" fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass Polyvinyl Alkohol als Dampfbremse zur Wärmedämmung von Gebäuden eingesetzt wird.

4. Die Dampfbremse nach dem geltenden Patentanspruch 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel gezogen wird, ist auch das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Dampfbremse nach der EP 0 148 870 B1 besteht, wie unter 3. bereits ausgeführt wurde, aus zwei Schichten aus dampfdichtem, mit Löchern versehenem Material und einer dazwischen angeordneten Wasser absorbierenden Schicht. Während der kalten Jahreszeit nimmt diese mittlere Schicht Kondenswasser auf, das dann bei einer entsprechenden Temperatur in der warmen Jahreszeit verdampft. Die äußeren Schichten bestehen aus Wasserdampf undurchlässigen (vapour impervious) Folien und sind nur infolge der Löcher wasserdampfdurchlässig. Die Wirkung dieser bekannten Dampfbremse beruht somit auf einem anderen Prinzip, weil ihr die adaptive Wirkung, wie sie die Dampfbremse nach dem Streitpatent hat, fehlt, und kann zu der Maßnahme, als Dampfbremse ein Material mit einem von der Umgebungsfeuchte abhängigen Wasserdampf-Diffusionswiderstand einzusetzen, keine Anregung geben.

In dem Prospekt der Fa. Icopal sind diffusionsäquivalente Luftschichtdicken für den "Trockenbereich" von 20 m und für den "Kondensationsbereich" von 0,3 m angegeben. Welche Werte für die relative Luftfeuchte den beiden Bereichen zuzuordnen sind, geht aus dem Prospekt nicht hervor. Wie der Vertreter der Patentinhaberinnen in der mündlichen Verhandlung von der Einsprechenden unwidersprochen und für den Senat glaubhaft ausführte, bedeuten die beiden unterschiedlichen Werte keine Feuchte abhängige Reaktion, sondern sind vielmehr darauf zurückzuführen, dass die bekannte Dampfbremse einen konstanten Wasserdampf-Diffusionswiderstand von 20 m hat und Kondenswasser in der Zwischenschicht speichert. Bei Erreichen der entsprechenden Temperatur verdunstet das Kondenswasser oder tropft aus der Zwischenschicht heraus und danach fällt der Wasserdampf-Diffusionswiderstand auf den niederen Wert von 0,3 m schlagartig ab.

Aus dem Prospekt der Einsprechenden "B.I.-Natur, Dampfbremspappe Armiert" geht eine Dampfbremse mit einer diffusionsäquivalenten Luftschichtdicke von 2,30 m als bekannt hervor. Eine Aussage über eine Abhängigkeit von der Umgebungsfeuchte wird darin nicht getroffen.

Nach dem Untersuchungsbericht des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik vom 11.08.1994 und den Prüfprotokollen der MFPA Leipzig wurde die gesamte Dampfbremse untersucht, die nach dem Prospekt aus zwei Lagen Recycling-Kraftpapier besteht, welche unter Zwischenlage eines Glasseidengeleges mit halogenfreiem Polyethylen miteinander verklebt sind. Nach dem Patentanspruch 1 dagegen soll das Material, das zumindest einen Teil der Dampfbremse bildet und ggfs. zwischen zwei Schichten eines Trägermaterials aufgenommen ist (Anspruch 7), die angegebenen Werte allein einhalten. Somit sind die gemessenen Werte und die im erteilten Patentanspruch 1 angegebenen Werte nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar.

Selbst wenn man den Vergleich doch anstellt, so sind bei den Untersuchungen, wie unter 3. bereits festgestellt wurde, andere Feuchtebereiche angelegt worden, und die Werte weisen eine so breite Streuung auf, dass der Fachmann in Kenntnis der bekannten Dampfbremspappe aus den Untersuchungen keine konkrete Lehre erhält, eine Dampfbremse mit den im erteilten Patentanspruch 1 Eigenschaften zu schaffen, die unter verschiedenen Umgebungsbedingungen einen Wasserdampfausgleich zwischen Raumluft und dem Inneren eines Bauteils gewährleistet.

Da in dem vorgelegten Auszug aus dem Fachbuch von C.A. Finch "Polyvinyl Alcohol" jeglicher Hinweis auf Anwendungsfelder dieses Materials fehlt, erhält der Bauphysiker daraus auch keine Anregung dazu, einen Stoff wie Polyvinyl Alkohol als Dampfbremse zur Wärmedämmung von Gebäuden einzusetzen.

Auch aus den übrigen im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen, die in der mündlichen Verhandlung nicht mehr herangezogen worden sind, ergibt sich, wie der Senat überprüft hat, die Dampfbremse nach dem geltenden Patentanspruch 1 für den Fachmann nicht in naheliegender Weise.

Der geltende Patentanspruch 1 hat daher Bestand. Mit diesem haben auch die Ansprüche 2 bis 18 zur weiteren Ausgestaltung der Dampfbremse nach dem Patentanspruch 1 als Unteransprüche Bestand.

5. Wie aus den Ausführungen zur geltend gemachten Vorbenutzungshandlung hervorgeht, besteht keine Wesensgleichheit zwischen dem Gegenstand nach dem Patentanspruch 1 und dem als vorbenutzt geltend gemachten Gegenstand. Somit hätte das Vorbringen der Einsprechenden, der als vorbenutzt geltend gemachte Gegenstand sei von einer der Patentinhaberinnen, der Fraunhofer-Gesellschaft, widerrechtlich entnommen worden, nicht zum Widerruf des Streitpatents geführt.

6. Die von der Einsprechenden zum Nachweis der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung vorgelegten Unterlagen sind zu ihren Gunsten so behandelt worden, als gehöre ihr Inhalt zum Stand der Technik, ohne dass dies in der Frage der Patentfähigkeit des Streitgegenstandes zu einem negativen Ergebnis geführt hat. Es brauchte daher nicht weiter untersucht zu werden, ob die behauptete Vorbenutzungshandlung tatsächlich stattgefunden hat. Aus diesem Grunde waren die von den Patentinhaberinnen in der mündlichen Verhandlung neu vorgelegten Unterlagen auch nicht zu berücksichtigen.

7. Die Rechtsbeschwerde war gemäß §100 Abs. 2 Nr. 2 PatG zuzulassen.

Da die von der Einsprechenden zum Nachweis der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung vorgelegten Unterlagen so behandelt worden sind, als gehöre ihr Inhalt zum Stand der Technik, sieht der Senat allerdings - bezogen auf den vorliegenden Einzelfall - keine Veranlassung zur Frage Stellung zu nehmen, welche Anforderungen an das Vorliegen einer offenkundigen Vorbenutzung zu stellen sind.

Bezüglich der weiteren Frage der Einsprechenden vermag der Senat nicht zu erkennen, inwiefern das von ihm zugrunde gelegte fachmännische Verständnis des Patentanspruchs 1 unter Berücksichtigung des Standes der Technik sowie des Gesamtinhalts der Streitpatentschrift gegen die in der "Acrylfaser"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (aaO) aufgestellten Grundsätze verstoßen soll; vgl. die Ausführungen unter Punkt 2. Gleichwohl hält es der Senat im Interesse einer Fortbildung des Rechts für geboten, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, damit die Tragweite der seitens der Einsprechenden angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung weiter geklärt werden kann.

Kowalski Viereck Dr. Huber Gießen Cl






BPatG:
Beschluss v. 25.02.2003
Az: 8 W (pat) 75/99


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