Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Dezember 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 84/00

(BPatG: Beschluss v. 18.12.2000, Az.: 30 W (pat) 84/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Juni 1999 und 21. Februar 2000 in der Hauptsache aufgehoben und der Widerspruch aus der Marke 361 652 zurückgewiesen.

Gründe

I.

In das Markenregister eingetragen ist unter der Rollennummer 369 49 372 die Bezeichnung TOBONON, nach einer Beschränkung im Beschwerdeverfahren für die Waren

"Pharmazeutische Drogen als Arzneimittel für Herzerkrankungen, nämlich ein verschreibungspflichtiges inotropisches Mittel".

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren, seit 1926 für die Waren

"Arzneimittel, chemische Produkte für medizinische und hygienische Zwecke, pharmazeutische Drogen und Präparate, Pflaster, Verbandstoffe, Tier- und Pflanzenvertilgungsmittel, Desinfektionsmittel"

eingetragenen Marke 361 652 Tebonin, die zuletzt 1996 verlängert worden ist.

Die Markeninhaberin hat im patentamtlichen Verfahren die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Nach Vorlage von Benutzungsunterlagen hat sie eine Benutzung für "Antidementiva" zugestanden.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Zur Begründung ist ausgeführt, ausgehend von einer zugestandenen Benutzung der Widerspruchsmarke für "Antidementiva" liege eine normale Ähnlichkeit vor. Zwar seien indikationsverschiedene Waren betroffen. Dies rechtfertige es allerdings noch nicht, eine Warenferne zwischen den sich gegenüberstehenden Produkten anzunehmen. Aufgrund der vorgelegten Glaubhaftmachungsunterlagen betreffend Umsätze und Marktstellung sei auf seiten der Widerspruchsmarke eine "zurückhaltende Erweiterung" des durchschnittlichen Schutzumfangs anzunehmen. Trotz unterschiedlicher Vokalfolge liege nach dem klanglichen Gesamteindruck eine relevante Verwechslungsgefahr vor. Diese ergebe sich auch aus einer ausgeprägten schriftbildlichen Ähnlichkeit.

Die Markeninhaberin hat Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, aufgrund der unterschiedlichen Indikationen der sich gegenüberstehenden Arzneimittel bestehe ein deutlicher Warenabstand. Die Widerspruchsmarke werde ausschließlich für Antidementiva (Psychopharmaka) verwendet. Zudem sei die Gefahr einer Verwechslung durch die Verschreibungspflicht beim angegriffenen Zeichen reduziert. Im Verhältnis zur Widerspruchsmarke resultierten daraus deutliche Unterschiede in der Indikation, im Anwendungsbereich und in der Art des Erwerbs der sich gegenüberstehenden Produkte. Eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke liege nicht vor. Eine möglicherweise gesteigerte Bekanntheit im jeweiligen Indikationsbereich erstrecke sich nicht auf den gesamten Bereich der Pharmazeutika. Durch eine Vielzahl von ähnlichen Drittzeichen sei die Kennzeichnungskraft sogar vermindert. Die unterschiedliche Vokalfolge bewirke einen deutlich abweichenden Wortcharakter, so daß eine klangliche Verwechslungsgefahr ausscheide. Ebensowenig bestehe eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr.

Die Markeninhaberin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Widerspruchsmarke verfüge über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft. Dies ergebe sich aus den ganz erheblichen Umsätzen mit dem Produkt und dem Umstand, daß dieses im gesamtdeutschen Arzneimittelmarkt nach den Jahresumsatzwerten stets vordere Rangplätze eingenommen habe. Eine Schwächung durch Drittzeichen liege nicht vor, da eine Benutzung dieser Zeichen mit einer ähnlichen Indikationswirkung nicht belegt sei. Auszugehen sei von einer sehr engen Warenähnlichkeit. Zwischen den sich gegenüberstehenden Produkten bestehe eine Wechselwirkung in der Weise, daß es bei einer Behandlung mit dem Widerspruchsprodukt zu einem Blutdruckabfall und einer Herzfrequenzzunahme kommen könne, die wiederum eine Behandlung mit einem Herzpräparat erfordere. Wegen dieser unterschiedlichen Wirkungsweisen seien auch erhöhte Anforderungen an den Zeichenabstand zu stellen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die angegriffenen Beschlüsse der Markenstelle sind in der Hauptsache aufzuheben, da nach Auffassung des Senats eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr 2 Markengesetz nicht gegeben ist.

Zugrunde zu legen ist eine Benutzung der Widerspruchsmarke für "Antidementiva", der gleichnamigen Hauptgruppe der Roten Liste. In diesem Umfang hat die Markeninhaberin eine Benutzung zugestanden. Da eine weitergehende Benutzung durch die Widersprechende nicht behauptet wird, kommt es auf deren Glaubhaftmachung im patentamtlichen Verfahren nicht mehr an.

Im Rahmen der Beurteilung der sich gegenüberstehenden Arzneimittel ist von einer allenfalls engeren Warenähnlichkeit auszugehen. Einem positiven inotropischen Arzneimittel stehen auf seiten der Widersprechenden Antidementiva, die im Rahmen der Integrationsfrage zu berücksichtigende Hauptgruppe 11 der Roten Liste 2000, gegenüber. Die vorgenannten Präparate zeichnen sich durch eine deutliche Indikationsverschiedenheit aus. Überschneidungen sind nur insoweit denkbar, als dem Einsatzbereich beider Präparate im weitesten Sinne Durchblutungsstörungen zugrunde liegen können.

Entgegen der Auffassung der Widersprechenden läßt sich aus der Erwägung, daß bei einer Behandlung mit Antidementiva als Nebenwirkung ein Blutdruckabfall eintreten könne, der seinerseits wieder die Verabreichung positiver inotropischer Präparate notwendig mache, eine zusätzliche Verringerung des Warenabstands nicht begründen. Die vorgenannte, gegensätzliche Wirkungsweise und der damit unterschiedliche Verwendungszweck der Präparate läßt vielmehr eher auf eine Herkunft aus unterschiedlichen Unternehmen schließen. Anhaltspunkte dafür, daß die beteiligten Verkehrskreise Präparate zur Behandlung von Nebenwirkungen aus der Verabreichung anderer Arzneimittel denselben oder ggf wirtschaftlich verbundenen Unternehmen zuweisen, liegen nicht vor.

Soweit die Widersprechende vorbringt, die gegensätzliche Wirkungsweise der sich gegenüberstehenden Präparate erfordere aus Gründen der Arzneimittelsicherheit einen größeren Markenabstand, vermag sie mit diesem Einwand im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr nach dem Markengesetz nicht durchzudringen. Eine Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Arzneimittelsicherheit würde gefestigten markenrechtlichen Grundsätzen zuwiderlaufen. Nach diesen Grundsätzen kann mit steigender Entfernung der Indikationen die Ähnlichkeit der Waren geringer werden, was grundsätzlich eher geeignet ist, die Gefahr der Verwechslungen herabzusetzen (BPatGE 38, 83, 86 - FOSTRAN/ZOFRAN mwNachw).

Zusätzlich kollisionsmindernd wirkt sich die in das Warenverzeichnis der jüngeren Marke aufgenommene Rezeptpflicht aus. Bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln ist überwiegend auf die Verwechslungsgefahr in den einschlägigen Fachkreisen von Ärzten und Apothekern abzustellen, welche aufgrund ihrer beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimitteln gegenüber den allgemeinen Verkehrskreisen sorgfältiger sind und daher Markenverwechslungen weniger unterliegen als Endverbraucher (BGH MarkenR 2000, 138, 139 - Ketof/ETOP). Dies gilt im gewissen Umfang auch bei der hier vorliegenden nur einseitigen Rezeptpflicht (BGH MarkenR 1999, 154, 156 - Cefallone). Wenngleich hierdurch mündliche Markenbenennungen nicht ausgeschlossen werden können, so steht für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr dennoch die schriftliche Verordnung und das Unterscheidungsvermögen von Fachleuten deutlich im Vordergrund. Auch ist bei rezeptpflichtigen Präparaten die Aufmerksamkeit der Laien in aller Regel gesteigert. Dies führt dazu, daß die Anforderungen an den Markenabstand zu reduzieren sind.

Der Senat ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke ausgegangen. Aus den vorgelegten Umsatzzahlen und den Angaben über den Verkaufsrang des Widerspruchspräparats läßt sich eine gesteigerte Bekanntheit jedenfalls auch im Verhältnis zu den Waren der angegriffenen Marke nicht ableiten. Zum einen kann nicht allgemein aufgrund der vorgelegten Daten die Annahme eines gesteigerten Bekanntheitsgrads angenommen werden (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 137 mwNachw).

Andererseits ist die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auch nicht durch Drittzeichen geschwächt. Über die Benutzung der von der Widersprechenden im patentamtlichen Verfahren angeführten Drittmarken ist nichts festgestellt. Von den angeführten Zeichen liegt auch nicht eine größere Anzahl im engsten Ähnlichkeitsbereich der Widerspruchsmarke. Sie rechtfertigen es auch nicht, diese als wenig originell und damit mit einem geringeren Schutzumfang ausgestattet anzusehen.

Der unter Berücksichtigung dieser Umstände erforderliche Markenabstand ist von der angegriffenen Marke in klanglicher Hinsicht gewahrt. Einem identischen Konsonantengerüst steht eine deutlich unterschiedliche Vokalfolge gegenüber, die auf Seiten der angegriffenen Marke noch besonders dadurch hervortritt, daß es sich jeweils um denselben Vokal handelt.

Ebenso weisen die Marken schriftbildlich einen hinreichenden Abstand auf, da sich die Zeichenführung des abweichenden ersten Vokals und insbesondere des Schlußvokals deutlich unterscheidet.

Eine Kostenauferlegung (§ 71 Abs 1 MarkenG) ist nicht veranlaßt.

Dr. Buchetmannzugleich für den inzwischen in den Ruhestand versetzten Richter Sommer Schrammbr/Ja






BPatG:
Beschluss v. 18.12.2000
Az: 30 W (pat) 84/00


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