Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. November 2003
Aktenzeichen: 30 W (pat) 135/02
(BPatG: Beschluss v. 24.11.2003, Az.: 30 W (pat) 135/02)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 23. Mai 2001 und vom 8. Mai 2002 aufgehoben, soweit darin der Widerspruch aus der Marke 999 914 zurückgewiesen worden ist.
Wegen des Widerspruchs aus der Marke 999 914 wird die Löschung der angegriffenen Marke bezüglich der Waren "Vorrichtungen zur Versorgung beweglicher Verbraucher mit elektrischer Energie" angeordnet.
Kosten werden nicht auferlegt.
Gründe
I.
Unter anderem für die Waren Elektrische Apparate und Instrumente, nämlich Vorrichtungen zur Versorgung ortsabhängiger Verbraucher mit elektrischer Energie und/oder Druckluft; elektrische Kabel, Drähte, Leiter und Verbindungsarmaturen hierzu sowie Schalter und Verteilertafeln; Vorrichtungen zur Versorgung beweglicher Verbraucher mit elektrischer Energie und/oder Druckluft; Druckverteiler; Druckluftzuführungenist angemeldet und seit 27. März 1998 unter der Nr 398 11 341 in das Markenregister eingetragen das Zeichen WARO.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der seit 1980 eingetragenen, zuletzt 1999 verlängerten Marke 999 914 siehe Abb. 1 am Ende Das Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke lautet "Elektrische Anschluß- und Verbindungsteile für elektrische Leiter sowie elektrische Kupplungen, insbes Klemmen, Stecker, Buchsen, Steckverbinder; elektrische Anschluß- und Verbindungskontakte, Schaltkontakte; Teile vorgenannter Waren".
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat durch Beschluß den Widerspruch und in einem weiteren Beschluß auch die dagegen eingelegte Erinnerung der Widersprechenden mangels Glaubhaftmachung einer Benutzung zurückgewiesen.
Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt und Benutzungsunterlagen (eidesstattliche Versicherung, Warenabbildungen und Kataloge) vorgelegt. Sie hat sodann in der mündlichen Verhandlung den Widerspruch dahingehend beschränkt, daß sich der Widerspruch nur noch gegen die Waren "elektrische Apparate und Instrumente, nämlich Vorrichtungen zur Versorgung ortsabhängiger Verbraucher mit elektrischer Energie; elektrische Kabel, Drähte, Leiter und Verbinder, Verbindungsarmaturen hierzu sowie Schalter und Verteilertafeln; Vorrichtungen zur Versorgung beweglicher Verbraucher mit elektrischer Energie" richtet. Begründend hat die Widersprechende darauf hingewiesen, daß es sich insoweit um enger ähnliche Waren bis hin zu identischen Waren handele. Es bestehe auch eine starke Zeichenähnlichkeit.
Die Widersprechende beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die teilweise Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen sowie der Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Erinnerungsverfahrens aufzuerlegen.
Begründend legt sie im einzelnen dar, die Waren seien allenfalls zum Teil ähnlich. Insoweit reichten aber die Unterschiede in den einander gegenüberstehenden Marken aus, um Verwechslungsgefahr ausschließen zu können. Es handele sich nämlich um Kurzwörter, bei denen sich Abweichungen besonders stark auswirkten. Auch in schriftbildlicher Hinsicht bestünden erhebliche Unterschiede.
Der Kostenantrag sei hier deshalb gerechtfertigt, weil es die Widersprechende unterlassen habe, sich schon im Verfahren vor der Markenstelle sachdienlich zu äußern, insbesondere Benutzungsunterlagen vorzulegen. Sie habe auf diese Weise die Inhaberin der angegriffenen Marke gezwungen, sich auch am Beschwerdeverfahren zu beteiligen.
In der mündlichen Verhandlung hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Teillöschung ihrer Marke bezüglich der Waren "Elektrische Apparate und Instrumente", nämlich Vorrichtungen zur Versorgung ortsabhängiger Verbraucher mit "elektrischer Energie und/oder Druckluft; Elektrische Kabel, Drähte, Leiter und Verbindungsarmaturen hierzu sowie Schalter und Verteilertafeln" beantragt.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache selbst Erfolg. Wegen der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der Waren, auf die sich noch der Widerspruch bezieht, besteht Verwechslungsgefahr im Sinn von § 9 Absatz 1 Nr 2 MarkenG.
Der in der mündlichen Verhandlung erklärte Verzicht auf einen Teil der vom Widerspruch angegriffenen Waren ist sofort wirksam und beendet insoweit das Widerspruchsverfahren (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl § 48 Rdn 14 und 16). Der Widerspruch betrifft somit nur noch die Waren "Vorrichtungen zur Versorgung beweglicher Verbraucher mit elektrischer Energie". Insoweit besteht Verwechslungsgefahr.
Der Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände auszulegen, insbesondere der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, der Ähnlichkeit der Waren und der Ähnlichkeit der Marken. Dies ergibt hier Folgendes:
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist mangels entgegenstehender Umstände als normal einzustufen. Es handelt sich offensichtlich um ein Phantasiewort, das gut sprech- und merkbar ist.
Die Widersprechende hat im Beschwerdeverfahren die rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke hinreichend glaubhaft gemacht. Nach den vorgelegten Benutzungsunterlagen wird die Marke vor allem bei verschiedenen Klemmen sowie bei Bausteinen für Relais, Schalter, Initiatoren und Aktoren, Ein-/Ausgangsmodule, Steckverbinder eingesetzt. Diese Waren lassen sich unter das eingetragene Warenverzeichnis subsumieren. Auch bei der Integrationsfrage ergeben die benutzten Waren einen gegenüber dem eingetragenen allenfalls unwesentlich engeren Warenbegriff, so daß gemäß § 43 Absatz 1 Satz 3 MarkenG vom eingetragenen Warenbegriff auszugehen ist.
Diese Waren sind mit den nach der beantragten Teillöschung allein noch im Streit befindlichen Waren "Vorrichtungen zur Versorgung beweglicher Verbraucher mit elektrischer Energie" ähnlich. Dieser weite Oberbegriff betrifft nämlich alle zur elektrischen Energieversorgung dienenden Teile und ist insbesondere entgegen der Ansicht der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht auf speziell zusammengesetzte Kompaktanlagen beschränkt. Ob man im Einzelfall auch eine einzelne Steckverbindung wie zB eine nicht ortsfest installierte, sondern beweglich angebrachte Steckdose bereits als Vorrichtung im Sinne der angegriffenen Ware bezeichnen kann, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls fallen unter diesen Begriff auch einfache, nur aus ein paar Einzelteilen bestehende Vorrichtungen. Diese sind nach den maßgebenden Kriterien, insbesondere der Materialbeschaffenheit, dem technischen know how, den üblichen Verwendungsweisen, den regelmäßigen Verkaufsstätten etc ohne weiteres denselben Unternehmen zuzuordnen wie die Waren der Widersprechenden. Sie werden auch von denselben Unternehmen hergestellt.
Zwischen den beiden Marken besteht auch Zeichenähnlichkeit. Die Widerspruchsmarke ist leicht bildhaft ausgestaltet, wobei jedoch der Bildteil keine selbständige kennzeichnende Funktion hat, sondern lediglich gleichsam unterstreicht, daß es sich um einen sich mit Elektrizität befassenden Herstellerbetrieb handelt. Bei mündlichen Wiedergaben, die in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht ausgeschlossen werden können, wenn sie nicht sogar weit überwiegen, spielen die bildlichen Ausgestaltungen der Widerspruchsmarke somit keine Rolle. Im Klangbild unterscheiden sich die Marken lediglich durch den Austausch des Mittelkonsonanten G durch ein R. Bei weniger akzentuierter Sprechweise wirkt dieser, das Gesamtklangbild nicht sehr nachhaltig beeinträchtigende Unterschied nicht ausreichend deutlich, um bei den sonstigen kollisionsfördernden Umständen im Gesamteindruck Verwechslungsgefahr ausschließen zu können.
Die Beschwerde hat daher Erfolg.
Der Antrag der Inhaberin der angegriffenen Marke, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, ist unbegründet. Auf die Kostenentscheidung im Erinnerungsverfahren kann aufgrund der lediglich von der Widersprechenden eingelegten Beschwerde nicht zugegriffen werden. Eine Anschlußbeschwerde hat die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht erhoben. Sie kann nicht in dem nur in der mündlichen Verhandlung gestellten Kostenantrag gesehen werden. Die Anschlußbeschwerde unterliegt bis auf die Gebührenpflicht den Formerfordernissen der Beschwerde (Ströbele/Hacker, MarkenG aaO § 66 Rdn. 87), hätte also schriftlich eingelegt werden müssen (§ 66 Abs. 2 MarkenG).
Bezüglich der Kosten des Beschwerdeverfahrens ist eine Kostenauferlegung ebenfalls nicht gerechtfertigt. Hierzu ist zwar der Ausgang des Verfahrens nicht allein entscheidend. Daß die Widersprechende die Benutzung ihrer Marke nicht bereits vor der Markenstelle dargelegt hat, ist aber keine nachhaltige Verletzung prozessualer Sorgfaltspflichten im Beschwerdeverfahren. Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht ist das erste gerichtliche Verfahren. In diesem Verfahren sind die Benutzungsunterlagen rechtzeitig, nämlich bereits kurz nach Beschwerdeeinlegung vorgelegt worden.
Dr. Buchetmann Winter Schramm Hu Abb. 1
BPatG:
Beschluss v. 24.11.2003
Az: 30 W (pat) 135/02
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