Landgericht München I:
Urteil vom 26. März 2008
Aktenzeichen: 21 O 12246/07

(LG München I: Urteil v. 26.03.2008, Az.: 21 O 12246/07)

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.

II.Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

III.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen urheberrechtlichen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch geltend, weil diese einen von der Klägerin erstellten Messestandentwurf ohne deren Zustimmung verwendet habe.

Zwischen der Klägerin als Messebauunternehmen und der Beklagten, welche elektronische Steckverbinder in Einpress- und Löttechnik entwickelt und produziert, bestanden langjährige Geschäftsverbindungen, in deren Rahmen die Klägerin für die Beklagte zunächst bis zur Messe "Productronica" im November 2005 die Mietmessestände baute. Bereits im Sommer 2005 hatte die Beklagte mehrere Messebauunternehmen, darunter auch die Klägerin sowie die Firma Mikado Messedesign International GmbH (Streitverkündete), um Unterbreitung von Angeboten für einen neuen Messestand der Beklagten ab 2006 gebeten. Die Beklagte hat hierzu zunächst in einem Dokument "Grobkonzept Messestand ept für 2006 ab electronica 2006" (Anlage B 2) Vorgaben hinsichtlich Aussehen und Funktionalität des gewünschten neuen Messestandes an die Messestandbauunternehmen gesandt, wobei alle Unternehmen die gleichen Vorgaben erhalten haben und ihnen mitgeteilt wurde, dass die Auswahl des künftigen Vertragspartners der Beklagten für die künftigen Messeauftritte durch eine Art Wettbewerb erfolge und der Messebauer, der die Vorgaben der Beklagten am besten umsetze, den Auftrag erhalte.

Erste Entwürfe der Klägerin wurden zwischen den Parteien umfassend am 07.09.2005 und 11.10.2005 besprochen; ihre Leistungen hat die Klägerin sodann am 23.02.2006 bei der Beklagten präsentiert, wobei ihr auch Unterlagen und die Präsentationsdatei (Ausdrucke: Anlage K 1) mit den Planungen der Klägerin übergeben wurden.

Mit Schreiben vom 27.04.2006 (Anlage K 2) teilte die Beklagte der Klägerin dann mit, dass ihr deren Konzeptvorschlag gut gefallen habe, man aber noch den Einbau weiterer Gedanken sowie die Unterbreitung eines erneuten Vorschlags für den Messestand zur electronica wünsche. Gleichzeitig wurde der Klägerin das Dokument "Messekonzept / Briefing ept ab Herbst 2006 als Hilfe zur Erstellung eines Entwurfs und einer Preisangabe für den Messebauer" vom 27.04.2006 (Anlage B 3) übersandt. Hierin wurden durch die Beklagte unter anderem folgende Elemente und Stilrichtungen detailliert vorgegeben:

1 x Küche mit Spülmaschinen für ca. 5 - 8 Kisten Getränke; Lagermöglichkeit € Regale mit Einlagen für DIN A 4-Flyer; Platz für Telefon / Fax, Drucker mit Ablagemöglichkeit Notebook; Garderobe für Mäntel und Jacken; 1 x Besprechungsraum für ca. 4 - 5 Personen, hell, freundlich gestaltet; 1 x Theke / Bar für Bewirtung, 6-8 Personen; Platz für Bierfass u. Zapfanlage; kleine Spüle; 1 x Empfangstheke/-bereich für 1 Person abschließbar für Werbematerial; Vitrinen mit insgesamt 10-12 Fächern für Exponate; Maschine HKP 35 € Breite = 180cm, Tiefe = 105 cm, Höhe = 200cm; Stehtische mit Hockern und Tische mit Stühlen, jeweils ca. 3-4 Stück; Fernwirkung € Stand muss von weitem gefunden werden; 1 x Prospektständer mit ca. 4-6 Ablagefächern für DIN A 4-Prospekte; 1 x ca. 30-Zoll-Breitbild-LCD-Monitor; die Hausfarben sind schwarz, rot (HKS 13) und grau (30 % schwarz); rot ist die dominierende Farbe; die Gestaltung ist gerade und klar; schlichte, sachliche Erscheinung; der Stand soll übersichtlich sein; der Besucher soll sich gleich zurechtfinden; Verwendung klarer Linien

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten dieses Dokuments wird auf die Anlage B 3 ergänzend Bezug genommen.

Der Klägerin wurden außerdem detaillierte Anweisungen erteilt, an welcher Stelle Küche und Lager, die Theke sowie die Vitrinen genau zu platzieren sind. Bei den Standinhalten wie Möbel, Theken, Küche, Regale, Teppichboden oder Prospektständer handelt es sich nicht um spezielle Entwürfe oder Anfertigungen für die Beklagte, sondern um Massenware, die bei jedem anderen Messebauer in der gleichen Ausführung zu erhalten ist. Die Vitrinen hat die Beklagte selbst entworfen und von einem Vitrinenbauer erstellen lassen. Sie wurden der Klägerin ebenfalls als Vorgabe gestellt. Die Werbewürfel bzw. die Folien hierfür wurden von der Beklagten gekauft, nicht lediglich von der Klägerin gemietet.

Auf der Messe SMT im Mai 2006, für die das ursprünglich auslaufende Vertragsverhältnis zwischen den Parteien verlängert wurde, wurden von der Klägerin schon Elemente neuerer Entwürfe und Planungen auf der Grundlage der neuen Vorgaben der Beklagten verwirklicht. Die dort gewonnenen Erfahrungen und Stilpräferenzen hat die Klägerin dann auch zur Grundlage für die weitere Planung der electronica 2006 gemacht, welche sie der Beklagten im Mai 2006 per Präsentationsmappen und per CD (Ausdruck Anlage K 3) übergab und folgendermaßen gestaltet war:

Der Auftrag für die electronica 2006 wurde schließlich von der Beklagten mit Vertrag vom 26.08.2006 an die Streitverkündete vergeben, die folgendes Konzept ausgearbeitet hatte (Anlage B 7):

Der Messestand auf der electronica 2006, auf dem sich die Beklagte präsentierte, sah wie folgt aus (Anlage K 4/K 5):

Die Beklagte wurde mit Anwaltsschreiben vom 05.04.2007 zur Unterlassung aufgefordert (Anlage K 6); nach entsprechend gewährten Fristverlängerungen haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten den Anspruch mit Schreiben vom 25.05.2007 (Anlage K 7) zurückgewiesen.

Die Klägerin behauptet, dass der von der Beklagten errichtete Messestand alle Elemente des klägerischen Entwurfs und nur geringfügige Abweichungen enthält. Die Planungsdetails der Klägerin seien in welcher Übermittlungsform auch immer an die Firma ... weitergegeben worden. Der Planungsvorschlag der Klägerin habe darauf beruhen sollen, dass ca. Euro 310,00 pro Quadratmeter zu bezahlen seien, wenn die Beauftragung über drei Jahren erfolge. Die gestalterischen und planerischen Leistungen des klägerischen Messestands seien vom Geschäftsführer der Klägerin in Zusammenarbeit mit der Angestellten ... erbracht worden, wobei beide die ausschließlichen, zeitlich und örtlich unbegrenzten urheberrechtlichen Nutzungsrechte auf die Klägerin übertragen und ihr zusätzlich noch ausdrücklich gestattet hätten, diese Rechte im eigenen Namen geltend zu machen.

Die Klägerin ist der Meinung, dass durch die Übernahme der planerischen Leistungen der Klägerin, welche geschützte Werke i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG darstellten, deren Urheberrecht verletzt worden ist. Die Gestaltung des Stands, nämlich die besondere Linienführung und die Dreiteilung mit der besonderen Farbgestaltung und den kubischen Anordnungen der Rückseite und an der Decke sowie der Exponataufsteller führten in der Gesamtansicht zu einer klaren und einer besonderen transparenten Ansicht, weshalb die erforderliche besondere schöpferische Eigentümlichkeit gegeben sei. Diese sei nicht nur funktional bedingt, sondern als formgebende Darstellungsmittel mit ästhetischem Gehalt als "Bau-Kunst" anzusehen. Die Vorgaben der Beklagten seien erkennbar durch planerische und gestalterische Leistung umzusetzen gewesen. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung weise der von der Klägerin geplante Messestand Eigenarten auf, die ihn außergewöhnlich machten und die Hand des Gestalters erkennen ließen und den so gestalteten Messestand von den übrigen Messeständen abhebe. Da die Neuregelung des Geschmacksmusterrechts 2004 in Entstehungsgeschichte und Inhalt keine Verwandtschaft mehr mit dem Urheberrechtsgesetz aufweise, rechtfertige das geänderte Verhältnis von Urheberrecht und Geschmacksmusterrecht auch, weniger strenge Anforderungen an das Erfordernis einer persönlichen geistigen Schöpfung zu stellen. Die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs folge aus dem entgangenen Gewinn der Klägerin: Bei einer Größe von 210 m² des Mietmessestands und einem Preis von ca. Euro 310,00 pro Quadratmeter, insgesamt also Euro 65.100,00, würden pauschal nur 30 % der Bausumme in Ansatz gebracht werden, da bei dem Mietmessestand das Eigentum an den Materialien bei der Klägerin verbleibe und daher als besondere Aufwandspositionen lediglich die Kosten des Aufstellens bzw. der Montage und ggf. der Ablagerung in Abzug zu bringen seien.

Die Klägerin hat für ihre Klageanträge zunächst nicht nur urheberrechtliche Anspruchsgrundlagen, sondern auch solche aus Wettbewerbsrecht, Vertrag und der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung geltend gemacht; sie erklärte jedoch im Termin vom 20.02.2008 ausdrücklich, dass sie die Klage ausschließlich auf Urheberrecht stütze.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte hat es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Messestände zu errichten oder errichten zu lassen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass durch eine klare Linienführung eine Dreiteilung erreicht wird, die auch im Boden farblich unterlegt ist, nämlich mit einem Kommunikationstrakt mit Bar und Kabinen, einen Streifen mit Sitzmöbeln und einem weiteren, parallel zum Gang verlaufenden Streifen mit den Exponaten, wobei die Farbwahl des mittleren Bodenstreifens sich an den hinteren Wänden wiederholt und die Farbgestaltung die Verbindung zum Logo assoziiert und sich diese Dreiteilung durch die kubische Anordnung der rückwärtigen Wände, der Exponataufsteller und den an der Decke abgehängten Kuben wiederholt, so wie in Anlage K 4 und K 5 abgebildet.

2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten Ordnungsgeld bis zu Euro 500.000,00, im Uneinbringlichkeitsfall Ordnungshaft oder primär Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten, angedroht.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.530,00 Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte behauptet, dass der streitgegenständliche Messeauftritt ausschließlich auf den Entwürfen und Plänen der Firma ... beruht, die sämtliche Entwurfs- und Bauzeichnungen selbständig angefertigt habe. Als Preis für ihren Entwurf habe die Klägerin zuletzt Euro 295,00 pro Quadratmeter angeboten. Alle Entwürfe der sich an dem Wettbewerb beteiligenden Unternehmen seien sich aufgrund der eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten sehr ähnlich gewesen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass etwaige Übereinstimmungen zwischen ihrem Messestand und dem Entwurf der Klägerin auf tatsächlichen Zwängen und räumlichen Gegebenheiten sowie den konkreten Anweisungen der Beklagten beruhen; diese Anweisungen seien selbst wiederum auf Zweckmäßigkeitserwägungen und die ohnehin nur eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten eines Messestands zurückzuführen. Ein Urheberrechtsschutz bestünde nicht, da dem Messestandsentwurf der Klägerin die erforderliche schöpferische Eigenheit fehle: Bei einem Messestand handele es sich um ein Werk der angewandten Kunst, bei dem die Schutzuntergrenze nach der Silberdistel -Entscheidung des Bundesgerichtshofs höher angesiedelt sei. Bei der Prüfung, ob ein solches Werk die erforderliche Individualität aufweist, müssten alle Formungselemente, die auf bekannte Vorbilder zurückgehen, ausscheiden, soweit nicht gerade in ihrer Kombination untereinander eine schöpferische Leistung zu erkennen sei; daran fehle es aber bei dem von der Klägerin entworfenen Messestand, da die verwendeten Formelemente allesamt vorbekannt seien und die einzelnen Elemente des Messestands durch den Zweck und die genauen Weisungen der Beklagten vorgegeben seien. Deswegen und wegen der begrenzten räumlichen Möglichkeiten eines Messestands seien die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten der Klägerin gravierend eingeschränkt bzw. von vornherein nicht vorhanden gewesen. Gleiches gelte aufgrund der genauen Weisungen der Beklagten im Bereich der Stilvorgaben. Im Ergebnis lasse sich daher ein deutliches Überragen an Schöpfungshöhe im Vergleich zum Handwerk eines geschulten Messedesigners vorliegend nicht feststellen. Darüber hinaus unterscheide sich der Messestand der Beklagten in allen maßgeblichen Aspekten des Gesamteindrucks so erheblich von den Entwürfen der Klägerin, dass selbst bei Bejahen eines urheberrechtlichen Schutzes keine Verletzung vorliege: Vor allem sei im Gegensatz zum Entwurf der Klägerin der Messestand der Beklagten aufgrund unterschiedlich hoher und mit unterschiedlichem Abstand aufgestellter Exponatständer, aufgrund einer offenen Gestaltung nur des rechten Standbereichs im Gegensatz zur mit Trennwänden abgegrenzten linken Standfront sowie aufgrund des Vorhandenseins eines quadratischen Exponatsständers nur an der linken Seitenfront betont asymmetrisch.

Die Beklagte hat der ... mit Schriftsatz vom 10.10.2007 (Zustellung an diese: 16.10.2007) den Streit verkündet, welche mit Schriftsatz vom 12.02.2008 den Beitritt auf Seiten der Beklagten erklärt hat.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2008 (Bl. 51-53) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da die Messestandplanung der Klägerin schon keinen urheberrechtlichen Schutz genießt(I.)und überdies € selbst wenn man einen solchen Schutz unterstellen würde € eine Verletzungshandlung nicht vorliegt(II.). Somit kann offen bleiben, ob die Klägerin tatsächlich Inhaberin der entsprechenden Nutzungsrechte und damit aktivlegitimiert ist.

I.

Der geltend gemachte urheberrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch gem. § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG scheidet bereits deswegen aus, weil der Messestandsentwurf der Klägerin als Werk der angewandten Kunst die notwendige urheberrechtliche Schöpfungshöhe i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG nicht erreicht.

1.Die Anforderungen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung an das Vorliegen einer "persönlichen geistigen Schöpfung" i.S.v. § 2 Abs. 2 UrhG bei Werken der angewandten Kunst stellt, hat dasLG Düsseldorf(GRUR-RR 2003, 38 f. €Messestand) wie folgt zusammengefasst:

"Bei dieser Werkart verlangt die Rechtsprechung ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung (vgl.BGH, GRUR 1995, 581 (582) = NJW-RR 1995, 1253 € Silberdistel). Wie derBGHin dieser Entscheidung ausgeführt hat, können die Anforderungen an die Gestaltungshöhe je nach der betreffenden Werkart unterschiedlich sein. Gerade bei Werken der angewandten Kunst besteht ein Bedarf zur Abgrenzung zwischen urheberrechtlichen und geschmacksmusterrechtlichen schutzfähigen Schöpfungen. Dies erfordert es, die Gestaltungshöhe bei angewandter Kunst deutlich höher als bei anderen Werkarten anzusetzen. Die Geschmacksmusterfähigkeit setzt erst bei einem nicht zu geringen Abstand des Werkes zum durchschnittlichen, rein handwerksmäßigen Schaffen an (vgl.BGH, GRUR 1983, 377 (378) € Brombeermuster). Daher setzt das Urheberrecht in Abgrenzung zum Geschmacksmusterrecht ein deutliches Überragen gegenüber der Durchschnittsgestaltung voraus. Denn gerade bei Werken der angewandten Kunst ist der Raum für eine individuelle Gestaltung durch technische Vorgaben häufig beschränkt (BGH, GRUR 1982, 305 (307) € Büromöbelprogramm). Das rein Handwerksmäßige und Durchschnittliche soll nach allem € gerade in Abgrenzung zum Geschmacksmusterschutz € nicht schutzfähig sein. Gegenstände (oder Entwürfe solcher Gegenstände), die nur ästhetisch gefällig gestaltet und handwerklich besonders gut gelungen sind, genießen nicht den Urheberrechtsschutz. Es muss sich nach allem um eine Schöpfung individueller Prägung handeln, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach den im Leben herrschenden Anschauungen noch von Kunst gesprochen werden kann, und zwar ohne Rücksicht auf den höheren oder geringeren Kunstwert und ohne Rücksicht darauf, ob das Werk neben dem ästhetischen Zweck noch einem praktischen Wert dient. Bereits der Begriff "Schöpfung" impliziert, dass etwas Neues entsteht (Fromm/Nordemann, UrhR, 9. Aufl., § 2 UrhG Rdnr. 8). Voraussetzung ist, dass in der Gestaltung die individuelle Leistung ihres Urhebers deutlich zum Ausdruck kommt (vgl.Fromm/Nordemann, § 2 UrhG Rdnr. 55)."

DieKammerschließt sich diesen Ausführungen an, die der BGH in einer Entscheidung vom 15.07.2004 (GRUR 2004, 941 €Metallbett), also nach Inkrafttreten des Geschmacksmustergesetzes vom 12.03.2004, bestätigt und die dasBVerfG(GRUR 2005, 410) als verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden bewertet hat. Soweit die Klägerin eine Entscheidung desLG Frankfurt am Mainvom 04.03.1987 (Az. 3/8 O 67/86) für ihre Auffassung heranziehen möchte, ist € neben dem Umstand, dass der dort streitgegenständliche Messestand ein hohes Maß an Individualität aufwies € zu bemerken, dass das Urteil vor derSilberdistel-Entscheidung desBGHund daher in Unkenntnis der darin aufgestellten, strengen Anforderungen an die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Werken der angewandten Kunst erging.

2.Unter Zugrundelegung der gerade genannten Vorgaben kann dieKammerdie notwendige urheberrechtliche Schöpfungshöhe beim klägerischen Messestandsentwurf nicht feststellen.

a.Zu beachten ist zunächst, dass diejenigen Elemente, die auf bekannte Vorbilder zurückgehen, für sich allein einen urheberrechtlichen Schutz von vornherein nicht begründen können (vgl. BGH GRUR 1979, 332, 336 €Brombeerleuchte). Aus diesem Grund haben die unstreitig als Massenwaren vorbekannten Elemente wie Möbel, Theken, Küche, Regale, Teppichboden oder Prospektständer ebenso außer Betracht zu bleiben wie die am Rigg abgehängten Würfel als typische Deckenelemente mit gewöhnlicher geometrischer Form.

b.Gleiches gilt für diejenigen Elemente und Gestaltungen, die unmittelbar auf konkrete Vorgaben der Beklagten (vgl. Schreiben Anlage B 3) zurückgehen; diese sind einer eigenen persönlichen Schöpfung der Klägerin nicht zugänglich. Hierzu zählen etwa die von der Beklagten selbst entworfenen Vitrinen, die konkrete Anzahl der unterzubringenden Elemente wie Stehtische mit Hockern, Tische mit Stühlen, Vitrinen, Prospektständer oder LCD-Monitor, wobei durch die Beklagte unstreitig auch Anweisungen hinsichtlich genauer Platzierung von Küche, Lager, Theke und Vitrinen erteilt wurden, sowie die konkrete Farbwahl mit schwarz, rot (HKS 13) und grau (30 % schwarz) unter Dominanz der Farbe rot in Übereinstimmung mit den Hausfarben der Beklagten.

Die aufgeklebten Folien auf den am Rigg abgehängten Würfeln sind außerdem für die Frage der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit ebenfalls außer Acht zu lassen, da sie unstreitig von der Beklagten gekauft wurden und insofern davon ausgegangen werden muss, dass entsprechende Nutzungsrechte an die Beklagte übertragen wurden.

c.Wenn überhaupt, könnte also lediglich in der konkreten Kombination der isoliert betrachtet keinen Urheberrechtsschutz begründenden Elemente im Messestandsentwurf der Klägerin eine für die Gewährung urheberrechtlichen Schutzes ausreichende schöpferische Leistung gesehen werden (vgl. BGH GRUR 1979, 332, 336 €Brombeerleuchte). Auch hier ist aber zu berücksichtigen, dass die Beklagte diesbezüglich gewisse Vorgaben geschaffen hat ("die Gestaltung ist gerade und klar; schlichte, sachliche Erscheinung; der Stand soll übersichtlich sein; der Besucher soll sich gleich zurechtfinden; Verwendung klarer Linien") und zudem naheliegende und von der Funktion des Gegenstands vorgegebene oder technisch bedingte Formen vom Urheberrechtsschutz ausscheiden (vgl.Schulzein Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 2 Rn. 47), so dass für die Klägerin hinsichtlich der konkreten Kombination der Elemente zur Begründung von Urheberrechtsschutz von vornherein praktisch kein wesentlicher Spielraum offen stand. Die Umsetzung der genannten Vorgaben durch die Klägerin mag zwar ästhetisch gefällig und handwerklich gut gelungen sein, erreicht letztlich jedoch noch nicht einen solchen Grad, dass nach den im Leben herrschenden Anschauungen noch von Kunst gesprochen werden kann: Was z.B. die von der Klägerin betonte und in ihrem Klageantrag aufgenommene Dreiteilung anbelangt, so geht sie bereits aus den drei Hausfarben der Beklagten sowie aus den konkret für die Messe electronica 2006 zugeteilten und auch durch das Hineinragen eines Nachbarstands in den rechten Eckbereich vorgegebenen Standmaßen (insbesondere die kubische Anordnung der drei rückwärtigen Wände) hervor bzw. war darin angelegt. Des weiteren war es naheliegend, die von der Beklagten vorgegebene "klare Linienführung" durch symmetrische Anordnungen der aufgestellten Elemente herzustellen. Wie die Beklagte außerdem zurecht anführt, lag es auch auf der Hand, die Raumaufteilung zweckmäßigerweise so vorzunehmen, dass die abgetrennten Räume an der Hinterseite liegen und in räumlicher Zäsur hierzu die den Besuchern frei zugänglichen Bereiche wie Empfang und Theke zur Vorderseite angeordnet wurden; eine andere Raumaufteilung, die den technisch-funktionalen Vorgaben eines Messestandes sowie den Vorgaben der Beklagten (klar, schlicht, sachlich) gerecht wird, ist kaum denkbar bzw. würde dem unterschiedlichen Zweck der jeweiligen Standbereiche (abgeschlossener und ruhiger Besprechungsbereich; offener Bewirtungsbereich für interessiertere Gäste; Bereich für Publikumsverkehr mit gut einsehbaren Exponaten) widersprechen. Schließlich ist auch die im klägerischen Messestandsentwurf enthaltene Bodenstreifendreiteilung in Längs- und nicht in Querrichtung € worauf die Beklagte zurecht hinweist € letztlich ein zwingendes Zugeständnis an die Vorgaben der Beklagten sowie an die konkreten Standmaße: Nur so liegen nämlich die verschiedenen Farben nahe genug beieinander, um den Bezug zu den Hausfarben beim Publikum herzustellen.

II.

Selbst wenn man die konkrete Anordnung der im Entwurf der Klägerin enthaltenen Elemente für urheberrechtlich schutzfähig erachten würde, erfolgte durch die Beklagte jedenfalls keine Verwertung des klägerischen Werks in körperlicher Form i.S.v. § 15 Abs. 1 UrhG, so dass eine Verletzung des Urheberrechts der Klägerin und damit ein Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch gem. § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG nicht gegeben sind: Es bestehen nämlich nicht etwa nur geringfügige Abweichungen (vgl. BGH GRUR 1991, 529, 530 €Explosionszeichnungen), sondern vielmehr zwei wesentliche Unterschiede zwischen dem Messestandsentwurf der Klägerin (Anlage K 3) und dem Messestand der Beklagten auf der electronica 2006 (Anlagen K 4/K 5) bzw. dem Entwurf der Streitverkündeten (Anlage B 7), so dass eine (für eine Verletzung ausreichende, vgl. KG GRUR 1997, 128 €Verhüllter Reichstag I) "Übernahme im Kern" der konkreten Anordnung der im klägerischen Messestandsentwurf enthaltenen Elemente als € einziger in Betracht kommender € schöpferischer Eigenart nicht festzustellen ist und damit keine Vervielfältigung i.S.v. § 16 Abs. 1 UrhG vorliegt.

1.Der erste wesentliche Unterschied im Entwurf der Streitverkündeten bzw. in dem (nach Vortrag der Beklagten ausschließlich darauf basierenden) Messestand der Beklagten gegenüber dem klägerischen Messestandsentwurf besteht in der Aufweichung der strengen Symmetrie von Aufbau und Gestaltung des vorderen, also die Sitzmöbel sowie die Exponate enthaltenden Standbereichs:

a.Dies ergibt sich zum einen aus der im Vergleich zu den übrigen Exponatständern der Messestandfront mehr als doppelt so hohen und damit auffälligen Exponatvitrine (nur) vorne links sowie dem ebenfalls im Vergleich zu den übrigen Exponatständern deutlich größeren und außerdem wesentlich längeren Gestell mit Stangenaufsatz an der rechten hinteren Wand. Beide Elemente sind dagegen im Entwurf der Klägerin überhaupt nicht enthalten, welcher sechs gleich große Exponatständer nur an der Messestandfront und keinerlei Exponatständer an den Wänden vorsieht.

b.Zum anderen ist bei der Beklagten die rechte Standseite komplett offen gestaltet bzw. frei zugänglich, d.h. sie enthält keinerlei Raumabtrennungsgegenstände, während auf der linken Standseite eine Pflanze sowie ein weiterer Exponatsständer den Zugang behindern. Demgegenüber hat die Klägerin in ihrem Entwurf als auffällige Abtrennungselemente jeweils an der linken und rechten Standseite eine Stabdekoration ("Kiesbett mit außergewöhnlicher Fencheldeko" laut klägerischer Beschreibung in Anlage K 1, Bl. 9) gewählt.

c.Schließlich ist besonders auffällig, dass beim Messestand der Beklagten ebenso wie im Entwurf der Streitverkündeten im linken Bereich mehrere milchglasartige Trennwände vorhanden sind, die die dahinter aufgestellten Sitzgruppen verdecken und so einen von außen schwerer einsehbaren Bereich bilden; solche Trennwände fehlen im Entwurf der Klägerin komplett.

2.Der zweite wesentliche Unterschied wird außerdem aus dem Umstand ersichtlich, dass der Messestand der Beklagten (bzw. der Entwurf der Streitverkündeten) im Gegensatz zum Messestandsentwurf der Klägerin weder eine mittig an der Vorderfront des Stands platzierte, empfangsschalterähnliche und von zwei Prospektständern flankierte Theke, noch eine dahinter aufgestellte, halbhohe Wand enthält, welche als Hintergrund eines auf diese Weise konstruierten Empfangs- bzw. Informationsbereichs fungiert (vgl. auch die Aufschrift "Information" im klägerischen Entwurf sowie den von der Klägerin gewählten Begriff "zentrale Infotheke" in Anlage K 1, Bl. 8) und an deren Rückseite lotrecht eine weitere Wand mit an beiden Seiten angeordneten Hockern vorhanden ist. Bei diesen Installationen handelt es sich auch nicht lediglich um beiläufige, unauffällige Details eines Messestands, sondern vielmehr um dem Betrachter unmittelbar ins Auge fallende, im doppelten Sinne "zentrale" und einigen Raum beanspruchende Bestandteile, die als "Blickfang" mit eigenständiger Funktion dienen. Ein eigentlicher Empfangs- bzw. Informationsbereich zumindest im vorderen Messestandsabschnitt ist demgegenüber beim Messestand der Beklagten nicht erkennbar.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.






LG München I:
Urteil v. 26.03.2008
Az: 21 O 12246/07


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