Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 27. September 2012
Aktenzeichen: I-4 U 63/12

(OLG Hamm: Urteil v. 27.09.2012, Az.: I-4 U 63/12)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 09. Februar 2012 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

A.

Die Beklagte stellt auf ihrer Internetseite www.heizstrahlerheizkraft.de die Merkmale und Vorteile der von ihr vertriebenen Infrarotstrahler dar (Anlage K 2). In einer Liste, versehen mit der Überschrift „Vorteile der Infrarotstrahler“ befindet sich unter anderem die Angabe „100 % umweltfreundlich, da keine Emissionen (z.B. CO2) entstehen“. Einen Hinweis auf die Gewinnung des für den Betrieb der Strahler erforderlichen Stroms gibt es auf der Internetseite nicht. Die Heizstrahler stoßen am Ort ihrer Aufstellung keine CO2-Emissionen aus. Die Stromgewinnung für die Strahler ist hingegen nicht zwingend emissionsfrei.

Der Kläger hat beantragt,

1.

der Beklagten bei Meidung eines für den Fall der Zuwiderhandlung von dem Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von jeweils 250.000,- €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer, zu untersagen,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen Infrarotstrahler zu bewerben mit der Aussage „100 % umweltfreundlich, da keine Emissionen (z.B. CO2) entstehen“, wie dies auf der Internetseite www.heizstrahlerheizkraft.de gemäß Anlage 2 geschehen ist;

2.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 214,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivortrages wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die streitgegenständliche Aussage sei irreführend. Der verständige Verbraucher verstehe sie dahingehend, dass der Betrieb der Infrarotstrahler weder lokal am Ort der Nutzung noch global umweltschädliche Emissionen auslöse. Dabei beziehe er bei einer derartigen Betonung auf die absolute Emissionsfreiheit auch die Gewinnung des für den Betrieb des Strahlers erforderlichen Stroms mit ein. Dieses Verständnis der Zielgruppe stimme nicht mit der tatsächlichen Sachlage überein. Der Betrieb der streitgegenständlichen Infrarotstrahler sei nicht 100 % emissionsfrei, da diese mit Strom angetrieben würden, welcher nicht notwendigerweise emissionsfrei erzeugt werde. Es sei offenkundig, dass bei der Gewinnung von elektrischer Energie Emissionen im nicht unerheblichen Maße ausgestoßen würden. Der Begriff der Umweltfreundlichkeit sei im vorliegenden Fall absolut zu verstehen, da dem Produkt eine einhundertprozentige, d.h. völlige Umweltfreundlichkeit attestiert werde. Selbst wenn man bei Umweltfreundlichkeitsaussagen grundsätzlich von einem relativen Inhalt ausgehe (Köhler/Bornkamm UWG, 30. Aufl. 2012, § 5 Rn 4.166), so werde diese Annahme bezogen auf den vorliegenden konkreten Fall durch die Betonung auf „100%“ widerlegt. Die wettbewerbsrechtliche Relevanz ergebe sich daraus, dass die Kaufentscheidung der Kunden durch die Umweltverträglichkeit eines Produktes zumindest mit beeinflusst werde. Der Anspruch auf Erstattung der Kosten für die berechtigte Abmahnung folge aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie weiterhin Abweisung der Klage begehrt.

Hinsichtlich der Formulierung „100 % umweltfreundlich“ gelte Folgendes: 100 % meine, dass die dahinterstehenden Adjektive ohne Einschränkung angenommen werden könnten. Das Adjektiv „umweltfreundlich“ bedeute nach der Definition im Duden „die Umwelt nicht (übermäßig) beeinträchtigend“. Das beworbene Produkt beeinträchtige die Umwelt insoweit nicht, als dass der Betrieb am Aufstellungsort keine Emissionen auslöse. Nach dieser Definition sei es nicht erforderlich, dass der Strom, der produziert werden müsse, um das Produkt zu betreiben, seinerseits nicht emissionsfrei hergestellt werde. Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellte, dass die Stromproduktion auch zu berücksichtigen sei, würde eine fehlerhafte Verwendung des Begriffs „umweltfreundlich“ nicht vorliegen. Es reiche aus, wenn die Stromproduktion die Umwelt nicht übermäßig beeinträchtige. Anders als in anderen Ländern werde in Deutschland gerade bei der Stromgewinnung erheblich darauf geachtet, dass die Umwelt nicht besonders beeinträchtigt werde.

Hinsichtlich der Formulierung „Keine Emissionen (z.B. CO2)“ gelte Folgendes: Die Auffassung des Landgerichts, dass diese wettbewerbswidrig sei, weil das beworbene Produkt zwar selbst keine Emissionen auslöse, der zum Betrieb erforderliche Strom jedoch konventionell erzeugt werde, also nicht emissionsfrei produziert werde, entspreche nicht der herrschenden Meinung. Das Wort „Emission“ bedeute heutzutage „Ausstoß von Sachen oder Geräuschen“ (Abgase, Verunreinigungen, Wasserdampf, Lärm u.ä.). Das vorliegende Produkt stoße solches nicht aus. Es sei emissionsfrei. Die Beklagte stehe mit ihrer Rechtsmeinung nicht allein. Die Konzerne C oder N würden ebenfalls für batteriegetriebene Fahrzeuge den Begriff „emissionsfrei“ verwenden. Dem durchschnittlichen Verbraucher sei die Tatsache, dass Strom nicht emissionsfrei hergestellt werden könne, bekannt. Sie müsse nicht gesondert dargestellt werden. Auch die Fachwelt sei der Auffassung, dass die Produkte der Beklagten „100 % umweltfreundlich und emissionsfrei“ seien. In einem Testbericht/Vergleichstest von Terrassenstrahlern des Fachmagazins „Emporio Test Magazin“ (Anlage 3) heiße es unter Rubrik „Emporio klärt auf“, dass Heizstrahler mit moderner Infrarot-Technologie „zu 100 % umweltfreundlich“ seien, „da keine Emissionen (z.B. CO2) entstehen“.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Essen vom 09.02.2012 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Abzustellen sei nicht auf den Duden, sondern auf das allgemeine Sprachverständnis. Danach sei die Aussage „100%“ in einem absoluten Sinne zu verstehen. Die Aussage „100% umweltfreundlich“ sei danach falsch, da notwendigerweise beim Betrieb des Heizstrahlers über den Stromverbrauch Emissionen entstünden.

Die weitere Aussage, „da keine Emissionen (z.B. CO2) entstehen“ sei ebenfalls falsch. Sie sei nicht alleine auf das Gerät oder den Aufstellungsort beschränkt. Inhaltlich drücke die Werbung aus, dass durch Nutzung dieses Heizstrahlers überhaupt keine Emissionen freigesetzt würden.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung ist begründet.

I.

Der gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V.m. § 4 UKlaG antragsbefugte und aktivlegitimierte Kläger hat keinen Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG.

1.

Die Werbung für die Wärmestrahler mit der Aussage „100 % umweltfreundlich, da keine Emissionen (z.B. CO²) entstehen“ stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Denn bei dieser Werbung handelt es sich um eine Maßnahme vor dem jeweiligen Geschäftsabschluss mit Kunden, die mit der Förderung des Absatzes von Waren, hier Wärmestrahlern, objektiv zusammenhängt.

2.

Diese geschäftliche Handlung ist nicht unlauter gemäß § 5 Abs. 1, S. 2 Nr. 1 UWG. Nach dieser Vorschrift ist eine geschäftliche Handlung unlauter, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware wie Art, Ausführung und Vorteile enthält.

a.

Eine Irreführung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise sich aufgrund der hier in Rede stehenden Werbeaussage eine bestimmte Vorstellung machen, die nicht der Wirklichkeit entspricht und deshalb täuschen kann. Es ist also zu fragen, wer die angesprochenen Verkehrskreise sind, welche Vorstellung sie sich von der Werbeaussage machen und ob diese Vorstellung der Wirklichkeit entspricht. Ist das nicht der Fall, muss die Fehlvorstellung geeignet sein, auf eine Entscheidung der Verkehrskreise Einfluss zu nehmen, die Waren der Beklagten zu kaufen.

b.

Angesprochene Verkehrskreise sind sämtliche Verbraucher, also der allgemeine Verkehrskreis. Zu betonen ist, dass es auf den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der das Werbeverhalten mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit verfolgt, ankommt (Köhler / Bornkamm UWG, 30. Aufl., § 1 Rn 30; BT-Drucks. 15/1487, S. 19 zu § 5 UWG).

c.

Zwischen dem Verständnis des durchschnittlichen Verbrauchers hinsichtlich der Werbeaussage und den tatsächlichen Gegebenheiten bestehen keine Differenzen.

aa.

Unstreitig ist, dass der Verbraucher aufgrund der Formulierung „keine Emissionen“ davon ausgeht, dass die beworbenen Infrarotwärmestrahler am Aufstellungsort keine Emissionen produzieren. Dies entspricht auch - unstreitig - den tatsächlichen Gegebenheiten.

bb.

Der Verbraucher geht darüber hinaus aber nicht aufgrund der Werbung der Beklagten davon aus, dass der Infrarotwärmestrahler nicht nur lokal, sondern auch global keine umweltschädlichen Emissionen auslöst.

Dabei ist zunächst zu beachten, dass aus der Werbung an mehreren Stellen deutlich wird, dass der hier in Rede stehende Infrarotwärmeheizer mit Strom betrieben wird. Z.B. wird in dem gleichen Kasten, in dem die beanstandete Werbeaussage aufgeführt wird, ausgeführt, dass „> 92 % der Stromenergie in Wärme umgewandelt wird“. In dem daneben stehenden Text ist von einem „2 KW Strahler“ die Rede. Außerdem heißt es in einer Passage „… mit elektrischer Energie ganz ohne Emissionen…“.

Daraus folgt, dass der Adressat der Werbung diese so versteht, dass lediglich die Emissionen am Ausstellungsort gemeint sind. Denn der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der das Werbeverhalten mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit verfolgt, weiß ganz genau, dass bei der Produktion des Stroms - auch in Deutschland - Emissionen anfallen. Er weiß auch, dass trotz der seitens der Politik eingeleiteten Energiewende der Strom im Allgemeinen nicht allein aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Obwohl das Landgericht diesen Umstand als offenkundig angesehen hat, hat es diesen bei der Herleitung des Verständnisses des Verbrauchers offensichtlich ausgeklammert. Hinzu kommt, dass der durchschnittliche Verbraucher auch weiß, dass die Beklagte überhaupt keinen Einfluss darauf hat, aus welchen Quellen der Erwerber seinen Strom bezieht.

Im Übrigen ist zu beachten, dass der Grad der Aufmerksamkeit des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers, auf dessen Verständnis es ankommt, abhängig ist von der jeweiligen Situation. Er hängt vor allem von der Bedeutung der beworbenen Waren oder Dienstleistungen für den angesprochenen Verbraucher ab und wird beispielsweise dort eher gering, d.h. flüchtig sein, wo es um den Erwerb geringwertiger Gegenstände des täglichen Bedarfs geht (BGH GRUR 2000, 619 - Orient - Teppichmuster). Bei den hier in Rede stehenden Heizstrahlern handelt es sich um Waren mit einem nicht unerheblichen Preis und einer nicht kurzen Lebensdauer. Der über Heizstrahler durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der an einem Erwerb interessiert ist, wird sich der Bewerbung mit normaler Aufmerksamkeit zuwenden. Er wird einer Kaufentscheidung erfahrungsgemäß erst dann nähertreten, wenn er sich eingehend informiert hat. Nach allgemeiner Lebenserfahrung wird er sich im Zuge dessen auch darüber im Klaren sein oder werden, dass der für den Betrieb benötigte Strom nicht frei von Emissionen ist und sich die Formulierung „keine Emissionen“ sich allein auf das Gerät bezieht.

Diesen Schluss wird der durchschnittlich aufmerksame Verbraucher auch schon deshalb ziehen, weil der Kasten, in dem die angegriffene Aussage steht, die Überschrift „Vorteile der Infrarotstrahler“ trägt. Sodann folgen tatsächlich nur Aussagen zum Infrarotstrahler. Bei einer solchen Darstellung kann man nicht von einer gleichsam globalen Betrachtung des Verbrauchers unter Einschluss der Stromgewinnung ausgehen.

Für die hier vertretene Ansicht spricht weiterhin, dass die Beklagte mit der Werbeaussage ihre Infrarotwärmestrahler, die mit Strom betrieben werden, abgrenzen will von Wärmestrahlern, die mit Gas betreiben werden, bei denen (auch) Emissionen am Aufstellungsort entstehen. Damit sind nur die von den Geräten selbst verursachten Emissionen angesprochen.

Hinzu kommt, dass den Erwerber am meisten das Emissionsverhalten des beworbenen Infrarotwärmestrahlers am Aufstellungsort interessiert. Zwar hat das Landgericht - im Zusammenhang mit der Frage der Erheblichkeit des Wettbewerbsverstoßes - zutreffend darauf verwiesen, dass die Umweltverträglichkeit des Produktes die Kaufentscheidung des Kunden zumindest mit beeinflusst. Dies ändert aber nichts daran, dass der Verbraucher weiß und auch hinnimmt, dass der Wärmestrahler mit Strom betrieben wird, bei dessen Produktion Emissionen anfallen.

cc.

In diesem Lichte ist dann auch die Formulierung „100 % umweltfreundlich“ zu verstehen. 100 % bedeutet demnach gerade nicht, dass die Emissionsfreiheit sich sowohl auf das Produkt am Aufstellungsort als auch auf die Produktion des erforderlichen Stroms bezieht. Vielmehr ist damit gesagt, dass die hundertprozentige Umweltfreundlichkeit allein bei den von der Beklagten hergestellten Infrarotwärmestrahlern gegeben ist.

Dies stimmt auch mit der Kommentierung bei Köhler/Bornkamm (UWG, 30. Aufl., § 5 Rn 166) überein, wonach das Wort „umweltfreundlich“ sich pauschal auf die Eigenschaften von Waren bezieht, aber als solche keine fest umrissene Bedeutung besitzt. Der verständige Verbraucher weiß, dass es eine absolute Umweltfreundlichkeit nicht gibt (Köhler / Bornkamm a.a.O.).

Bezieht sich die von der Beklagten verwendete Formulierung somit nur auf die Emissionsfreiheit des Gerätes am Aufstellungsort, so ist diese Formulierung in keiner Weise irreführend, weil ja - unstreitig - am Aufstellungsort durch den Betrieb des Gerätes keine weiteren Emissionen anfallen.

II.

Aus den vorangegangenen Ausführungen folgt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG nebst Zinsen hat, weil die entsprechende Abmahnung nicht berechtigt gewesen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 27.09.2012
Az: I-4 U 63/12


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