Oberlandesgericht München:
Urteil vom 29. April 2010
Aktenzeichen: 6 WG 6/10
(OLG München: Urteil v. 29.04.2010, Az.: 6 WG 6/10)
Tenor
1. Die einstweilige Verfügung vom 19. 2.2010 wird aufgehoben.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 18. 2.2010 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Antragsteller.
Tatbestand
Der Antragsteller ist ein am 21. 1.2010 gegründeter und am 18. 3.2010 ins Vereinsregister eingetragener Verein. Gemäß § 2(2) seiner Satzung gehört zum Vereinszweck "insb. die Ausarbeitung/Ermittlung, die Verhandlung und ggf. die streitige Durchsetzung angemessener, den gesetzlichen Vorgaben entsprechender und für die Vereinsmitglieder wirtschaftlich tragbarer Geräteabgaben, zum Beispiel auf Personal Computer nach § 54 ff. UrhG." Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen AS 9 (Protokoll), AS 10 (Satzung) und AS 11 (Eintragung) Bezug genommen.
Über die Vergütungspflicht für Personal Computer nach §§ 54, 54a UrhG in der seit 1. 1.2008 geltenden Fassung haben ursprünglich zwischen dem Verband B. e.V. und den Antragsgegnerinnen Verhandlungen stattgefunden. Nach deren Scheitern wurde ein Verfahren vor der Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt eingeleitet (Gz. Sch-Urh 37/08), das noch nicht abgeschlossen ist. Die Schiedsstelle bereitet den Auftrag zur Erstellung eines empirischen Gutachtens darüber vor, in welchem Ausmaß Personal Computer für Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1-3 UrhG genutzt werden. Die Erstellung einer Projektstudie hierzu ist bereits beauftragt.
Zur Verwertung eines bereits im Auftrag des Verbandes B. e.V. im Jahr 2008 erstellten Gutachtens (Anlage AG 10) zum gleichen Thema im Verfahren vor der Schiedsstelle kam es nicht.
Nachdem der Abschluss eines Gesamtvertrages zwischen dem Verband B. e.V. und den Antragsgegnerinnen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verhindert wurde (vgl. Anlage AS 6), haben sich aus dem Mitgliederkreis des Verbandes B. e.V. Ende 2009 einige PC-Hersteller in dem Bundesverband C. e.V. (BCH) zusammengeschlossen.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerinnen führten am 15. 2.2010 Gespräche über die Tarifhöhe und den Abschluss eines Gesamtvertrags, in deren Verlauf die Antragsgegnerinnen ankündigten, in naher Zukunft einen Tarif über die Vergütung für Personal Computer nach §§ 13 UrhWG, 54, 54 a UrhG aufzustellen und zu veröffentlichen.
Der Antragsteller trägt vor, er habe 22 Mitglieder, von denen 20 unmittelbar von der Vergütungspflicht nach §§ 54, 54 a UrhG betroffen seien, und decke damit 90 % der sog. €B-Brands€ ab.
Der vorgesehene Tarif entziehe ihm faktisch das Recht, mit den Antragsgegnerinnen über einen Gesamtvertrag zu verhandeln. Zudem befürchtet der Antragsteller, der Tarif werde seinem Inhalt nach mittelständische PC-Hersteller wie beispielsweise seine Mitglieder benachteiligen. Diese würden insbesondere dadurch unverhältnismäßig belastet werden, dass sie bereits für die in den Personal Computern eingebauten Brenner mittelbar an deren Zulieferer Urheberrechtsvergütung bezahlt haben und diese nicht mit der tarifgemäßen Vergütung für die PCs verrechnen können.
Das auf Antrag des B.e.V. bereits laufende Verfahren vor der Schiedsstelle könne zu einem rückwirkend zum 1. 1.2008 geltenden Einigungsvorschlag führen.
Entsprechend dem Antrag des Antragstellers vom 18. 2.2010 erließ der Senat am 19. 2.2010 - die Datumsangabe 18. 2.2010 auf Seite 4 oben beruht auf einem Schreibversehen - folgende einstweilige Verfügung:
1. Den Antragsgegnern wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von € 5,- bis zu € 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1 zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern der geschäftsführenden Gesellschafterin und hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2 an den Vorstandsmitgliedern, untersagt, wie in Verhandlungen zwischen dem Antragsteller und den Antragsgegnern am 15.2.2010 angekündigt, in Anwendung der § 13, § 13a UrhWG, einen Tarif für die Abgabe auf Personal Computer nach § 54, § 54a UrhG aufzustellen und/oder in dem Bundesanzeiger zu veröffentlichen, ohne dass zuvor eine empirische Untersuchung im Sinne von § 13a Abs. 1 Satz UrhWG i.V. mit § 14 Abs. 5a UrhWG zur maßgeblichen Nutzung von Personal Computern für die Herstellung von Kopien im Sinne von § 53 Abs. 1 bis Abs. 3 UrhG vorliegt.
2. Die Antragsgegner haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf € 750.000,- festgesetzt.
4. Zur wirksamen Vollziehung der einstweiligen Verfügung bedarf es der Zustellung einer Abschrift des Verfügungsantrags vom 18.2.2010 nebst Anlagen.
Die Antragsgegnerinnen haben mit Schriftsatz vom 9. 3.2010 Widerspruch eingelegt.
Der Antragsteller beantragt,
den Widerspruch der Antragsgegnerinnen zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung in vollem Umfang zu bestätigen,
gegebenenfalls unter Einschränkung wie folgt:
Den Antragsgegnern wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von € 5,- bis zu € 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1 zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern der geschäftsführenden Gesellschafterin und hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2 an den Vorstandsmitgliedern, untersagt, wie in Verhandlungen zwischen dem Antragsteller und den Antragsgegnern am 15.2.2010 angekündigt, in Anwendung der § 13, § 13a UrhWG, einen Tarif für die Abgabe auf Personal Computer nach § 54, § 54a UrhG aufzustellen und/oder in dem Bundesanzeiger zu veröffentlichen,
ohne dass entweder zuvor eine empirische Untersuchung im Sinne von § 13a Abs. 1 Satz UrhWG i.V. mit § 14 Abs. 5a UrhWG zur maßgeblichen Nutzung von Personal Computern für die Herstellung von Kopien im Sinne von § 53 Abs. 1 bis Abs. 3 UrhG vorliegt
oder dass zuvor zwischen Antragsteller und Antragsgegnern eine Einigung über einen Gesamtvertrag betreffend die Abgabe auf Personal Computer nach §§ 54, 54 a UrhG erzielt wurde..
Die Antragsgegnerinnen beantragen,
die einstweilige Verfügung vollumfänglich aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass, auch unter Einschränkungen, zurückzuweisen.
Sie halten das OLG München für nicht zuständig.
§ 16 Abs. 4 Satz 1 UrhWG greife nicht, denn es gehe weder um den Anspruch auf Abschluss oder Änderung eines Gesamtvertrags noch um Grund oder Höhe der Vergütungspflicht.
Der Antragsteller sei nicht prozessführungsbefugt, da er selbst nicht vergütungspflichtig sein könne. Die Satzung des Antragstellers sehe auch nicht vor, dass er einstweilige Rechtsschutzverfahren für seine Mitglieder führen dürfe.
Sie tragen vor, es sei ihnen nicht zumutbar, mit dem Antragsteller über einen Gesamtvertrag zu verhandeln. Sie bestreiten dessen mitgliedschaftliche Zusammensetzung und stellen hinsichtlich einzelner Mitglieder in Zweifel, dass diese PC-Hersteller seien.
Die Antragsgegnerinnen hätten mit den Verbänden der betroffenen Hersteller, nämlich dem B. e.V. und dem BCH, verhandelt und sich mit letzterem sogar geeinigt.
Zwischen BCH und den Antragsgegnerinnen sei am 23.12.2009 ein Gesamtvertrag über die Vergütung nach §§ 54,54 a UrhG mit einer Laufzeit bis 31.12.2010 geschlossen worden, der Vergütungssätze für PCs mit eingebautem Brenner von 13,65 € und für PCs ohne eingebauten Brenner von 12,15 € vorsehe. Der Vertrag enthalte in § 3 (2) die Verpflichtung der Antragsgegnerinnen, rückwirkend zum 1. Januar 2008 Tarife aufzustellen, die 25 % über den vertraglich vereinbarten Vergütungssätzen liegen.
Nach Beitritt weiterer Unternehmen zu diesem Gesamtvertrag decke dieser mindestens 70 % des in Deutschland getätigten PC-Umsatzes ab.
Der mit BCH geschlossene Gesamtvertrag indiziere angesichts der hohen Marktabdeckung des BCH die Angemessenheit der vereinbarten Gebührensätze. Nach seinem Abschluss sei es schon unter dem Aspekt der Gleichbehandlungspflicht nicht denkbar, mit einem anderen Vertragspartner günstigere Konditionen zu vereinbaren.
Insofern seien Verhandlungen im Grunde sinnlos, wenn dadurch ein anschließendes Schlichtungsverfahren nicht vermieden werden könne.
Der Gesetzeszweck der zügigen Aufstellung eines Tarifs werde verfehlt, wenn die Antragsgegnerin möglicherweise mit vielen verschiedenen Interessenvertretungen der Hersteller Verhandlungen führen müsse.
Eine empirische Untersuchung sei nach § 14 Abs. 5 a UrhWG nur dann erforderlich, wenn Gesamtvertragsverhandlungen zwischen Verwertungsgesellschaften und Herstellervereinigungen gescheitert seien und deshalb ein Gesamtvertragsverfahren vor der Schiedsstelle geführt werde. Vorliegend seien die Gesamtvertragsverhandlungen nicht gescheitert seien, sondern im Abschluss eines Gesamtvertrags mit dem BCH gemündet. Es liege demnach schon keine einseitige Tarifaufstellung vor.
Zudem existiere in Gestalt der Studie der TMS Infratest (Anlage AG 10) auch eine empirische Untersuchung.
Es bestehe kein Verfügungsgrund, denn ein Tarif belaste den Antragsteller bzw. seine Mitglieder nicht unmittelbar, weil er nur ein einseitig für die Antragsgegnerinnen verbindliches Angebot darstelle. Vor einer gerichtlichen Geltendmachung der darin enthaltenen Beträge müssten die Antragsgegnerinnen die Schiedsstelle anrufen.
Verzögerungen verursachten zumindest Zinsschaden bei den Urhebern, weil vor Aufstellung der Tarife keine Zahlungen zu erlangen seien. Darüber hinaus drohe die Verjährung der Ansprüche. Werde nunmehr ein Schiedsverfahren zwischen den Parteien eingeleitet und komme dabei kein Gesamtvertrag rückwirkend zum 1. 1.2008 zustande, könne die Schiedsstelle einen Einigungsvorschlag nur mit Rückwirkung zum 1. 1.2010 unterbreiten.
Auch im Gesamtvertrag mit dem BCH sei vereinbart, dass die Antragsgegnerin rückwirkend zum 1. 1.2008 Tarife aufstellen müsse; sie rechne nun damit, dass, so lange sie diese Pflicht nicht erfülle, Zahlungen aus dem Vertrag ausblieben.
Ergänzend wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 1.4.2010.
Gründe
I.
Das Oberlandesgericht München ist gemäß §§ 16 Abs. 4 Satz 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UrhWG zuständig.
Zwar regeln diese Vorschriften nicht ausdrücklich die Zuständigkeit für den Fall, dass um die Einhaltung des gesetzlich vorgesehen Verfahrens bei der Aufstellung von Tarifen gestritten wird. Diese ergibt sich jedoch als Annexzuständigkeit aus dem Sinn der vorhandenen Regelung.
§§ 14, 16 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 UrhWG sehen vor, dass statt eines gerichtlichen Verfahrens in zwei Tatsacheninstanzen zunächst ein Verfahren vor einer sachlich unabhängigen Verwaltungsinstanz zu führen ist; für ein gegebenenfalls anschließendes gerichtliches Verfahren ist nur noch eine Tatsacheninstanz vorgesehen.
Diese Regelung gilt sowohl für den Fall, dass die Berechtigung einer auf einem Tarif oder einem Gesamtvertrag beruhenden Gebührenforderung gestritten wird, als auch für den vorgelagerten Fall, dass erst die Aufstellung bzw. Änderung eines Gesamtvertrags im Streit ist; für diesen Fall hat das Gericht gar den Inhalt der Gesamtverträge festzusetzen, § 16 Abs. 4 Satz 4 UrhWG.
Der Sinn dieser Regelung würde verfehlt, wenn die noch weiter vorgelagerte Streitigkeit über das Verfahren vor der Aufstellung von Tarifen bzw. bei der Aushandelung von Gesamtverträgen in einem über zwei Tatsacheninstanzen gehenden justiziellen Verfahren ausgetragen werden könnte und müsste.
II.
Der Antragsteller ist prozessführungsbefugt, denn er vertritt im Prozess eigene Rechte (vgl. Lindacher in MüKo ZPO 3. Aufl. vor §§ 50 ff Rn. 42).
Er hat zum satzungsgemäßen Zweck das Hinwirken auf für die Vereinsmitglieder wirtschaftlich tragbare Geräteabgaben, zum Beispiel für Personal Computer. Mithin ist er seinem Vortrag zufolge ein Verband der betroffenen Hersteller im Sinne von § 13 a Abs. 1 Satz 2 UrhWG.
III.
Die einstweilige Verfügung vom 19. 2.2010 hat keinen Bestand, denn es besteht zugunsten des Antragstellers kein Verfügungsanspruch.
1. Die Entscheidung des Senats vom 19. 2.2010 gründete sich - wie im Termin ergänzend zu den schriftlichen Gründen ausgeführt - darauf, dass sich die Parteien, wie sie zunächst übereinstimmend vortrugen, in Verhandlungen über die Höhe der auf PCs nach §§ 54 ff UrhG möglicherweise zu leistende Urheberrechtsabgabe befinden, die den Abschluss eines Gesamtvertrags zum Ziel haben. Hiervon ausgehend wurde ein Anspruch des Antragstellers aus §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB darauf bejaht, dass die Antragsgegner innerhalb der laufenden Verhandlungen über einen Gesamtvertrag Maßnahmen unterlassen, die das Ziel der Verhandlungen zu konterkarieren drohen.
Aufgrund der im Widerspruchsverfahren gewonnen Erkenntnisse ist jedoch davon auszugehen, dass die zwischen den Parteien geführten Verhandlungen von vorneherein keine Aussicht darauf hatten, den Abschluss eines Gesamtvertrags wirklich zu erreichen. Die Antragsgegnerinnen haben im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass sie sich schon unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgrundsatzes außer Stande sehen, mit dem Antragsteller einen Vertrag zu anderen Bedingungen zu schließen als mit dem BCH. Einen Vertrag zu den gleichen Bedingungen zu schließen ist hingegen ersichtlich der Antragsteller nicht gewillt. Soweit die Verhandlungen weiterhin auf einen Gesamtvertragsschluss zielen - und etwas anderes haben die Parteien nicht vorgetragen -, sind sie mithin schon aus dem Willen der Verhandlungspartner aussichtslos und können insoweit durch die beabsichtigte Aufstellung eines Tarifs nicht weiter beeinträchtigt werden. Für einen Anspruch unter dem Aspekt des €verhandlungstreuen Verhaltens€ ist daher kein Raum. Ohne Bedeutung ist dabei, ob der Antragsteller einen Anspruch darauf hat, dass ihm bzw. seinen Mitgliedern bestimmte Gesamtvertragskonditionen eingeräumt werden, da das Gesetz die Durchsetzung eines entsprechenden Verhandlungsverhaltens nicht vorsieht.
Sofern der Antragsteller das von ihm gewollte Ergebnis nicht im Verhandlungswege erreichen kann, muss er den Abschluss eines aus seiner Sicht angemessenen Gesamtvertrags durch Anrufung der Schlichtungsstelle und gegebenenfalls anschließend durch Klage verfolgen, §§ 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b bzw. c, 16 Abs. 1 UrhWG.
502. Der Antragsteller kann auch nicht aus § 13 a Abs. 1 UrhWG von den Antragsgegnerinnen verlangen, dass diese einen Tarif erst aufstellen und veröffentlichen, nachdem eine empirische Untersuchung darüber erholt wurde, in welchem Maß PCs zur Erstellung von Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG genutzt werden.
a) Im Gegensatz zur früheren Rechtslage bestimmt das Gesetz seit 1.1.2008 keine explizite Höhe der Urheberrechtsvergütung für abgabepflichtige Geräte.
52Die Vergütungspflicht ergibt sich dem Grunde nach aus § 54 Abs. 1 UrhG, denn PCs sind Geräte, die dem Typ nach dazu geeignet und bestimmt sind, Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG vorzunehmen. Ausgenommen von der Vergütungspflicht sind nur Geräte, bei denen eine solche Nutzung nach den Umständen nicht zu erwarten ist, § 54 Abs. 2 UrhG. Darüber besteht zwischen den Parteien auch kein Streit.
53Die bei der Festsetzung der Vergütungshöhe zu beachtenden Gesichtspunkte zählt § 54 a UrhG auf. Wie die zu zahlenden Beträge verbindlich festgesetzt werden, regeln mit Wirkung seit 1. 1.2008 die §§ 12-16 UrhWG.
54Demnach haben die Verwertungsgesellschaften Tarife aufzustellen und zu veröffentlichen, § 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 UrhWG. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 gelten Vergütungssätze, die in Gesamtverträgen vereinbart sind, als Tarife. Dazu, solche Gesamtverträge mit Vereinigungen, deren Mitglieder nach dem Gesetz zur Zahlung von Vergütungen nach dem Urheberrechtsgesetz verpflichtet sind, abzuschließen ist die Verwertungsgesellschaft, verpflichtet, soweit ihr dies zuzumuten ist, § 12 UrhWG.
Ergibt sich die Tarifhöhe nicht aus dem Gesamtvertrag, ist sie für Geräte und Speichermedien entsprechend § 54 a UrhG festzusetzen, § 13 a Abs. 1 Satz 1 UrhWG.
§ 13 a Abs. 1 UrhG schreibt weiter vor, dass in diesem Fall vor der Aufstellung der Tarife die Verwertungsgesellschaft mit den Verbänden der betroffenen Hersteller über die angemessene Vergütungshöhe und den Abschluss eines Gesamtvertrags zu verhandeln hat. Falls die Gesamtvertragsverhandlungen scheitern, darf der Tarif erst nach Vorliegen der empirischen Untersuchungen gemäß § 14 Abs. 5 a aufgestellt werden. Diese empirischen Untersuchungen sind Teil des Schlichtungsverfahrens, das unter anderem bei Streitfällen über die Vergütungspflicht für Geräte und Speichermedien (§ 54 UrhG) und den Abschluss oder die Änderung eines Gesamtvertrags auf Veranlassung jedes Beteiligten bei der Schiedsstelle durchgeführt werden kann, § 14 Abs. 1 Nr. 1 UrhWG. Eine Klageerhebung ist in solchen Fällen gemäß § 16 Abs. 1 UrhWG erst zulässig, wenn ein Verfahren vor der Schlichtungsstelle durchgeführt oder nicht innerhalb eines in § 14a Abs. 2 Satz 1 und 2 UrhWG geregelten Zeitraums abgeschlossen wurde.
Gegenstand der empirischen Untersuchung ist gemäß § 14 Abs. 5a UrhWG, 54a Abs. 1 UrhG das Ausmaß, in dem Geräte tatsächlich für Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1-3 UrhG genutzt werden.
b) Das Gesetz lässt offen, ob der bereits mit dem Herstellerverband BCH geschlossene Gesamtvertrag dazu führt, dass gegenüber anderen Herstellerverbänden die Pflichten aus § 13 a Abs. 1 UrhWG entfallen. Der Abschluss dieses Gesamtvertrags ist vom Antragsteller bestritten (Bl. 84 d.A.), jedoch durch Vorlage der Anlage AG 15 glaubhaft gemacht.
aa) Der Gesamtvertrag zwischen BCH und den Antragsgegnerinnen gilt nicht auch für die Mitglieder des Antragstellers als Tarif. Dass die in einem Gesamtvertrag vereinbarten Vergütungssätze gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 UrhWG als Tarife gelten, beschränkt sich dem Gesetzeswortlaut nach ("soweit") auf die Vertragsteile (Gerlach in Wandtke-Bullinger Urheberrecht 3. Aufl., § 13 UrhWG Rn. 4; Nordemann in Fromm/Nordemann Urheberrecht, 10. Aufl, § 13 UrhWG Rn. 7; Schulze in Dreier-Schulze UrhG 3. Aufl., § 13 UrhWG Rn. 10). Dem entspricht auch die - bislang nicht in Frage gestellte - Praxis der Verwertungsgesellschaften, für Abgabenpflichtige, die nicht Parteien eines Gesamtvertrags sind, höhere Gebührensätze tariflich festzulegen.
Gegen diese Auslegung spricht zwar, dass sich die Bedeutung des so verstandenen § 13 Abs. 1 Satz 2 UrhWG darin erschöpft, die Veröffentlichung der vertraglichen Gebührenhöhen nach § 13 Abs. 2 UrhWG sicherzustellen (Schulze aaO. Rn. 11). Die gegenteilige Auslegung widerspräche hingegen dem Wortlaut der Vorschrift. Zudem würde damit jedenfalls mit Vorliegen eines Gesamtvertrags mit irgendeinem Herstellerverband § 13a Abs. 1 Satz 3 UrhWG bedeutungslos.
bb) Die Formulierung des § 13a Abs. 1 UrhWG selbst deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber eine Konstellation wie die vorliegende, in der mit einem zahlenmäßig kleinen, in Bezug auf die Marktanteile jedoch überwiegenden Teil der Hersteller ein Gesamtvertrag besteht, weitere Hersteller hingegen einen abweichenden Gesamtvertrag anstreben, nicht bedacht hat. So lässt beispielsweise die Fassung von § 13a Abs. 1 Satz 2 UrhWG (€mitden Verbänden... über den Abschlusseines Gesamtvertrags€) den Schluss zu, dass der Gesetzgeber davon ausging, es werde entweder zu einer Einigung mit allen maßgeblichen Herstellerverbänden oder anderenfalls zu einem alle Herstellerverbände betreffenden Schlichtungsverfahren kommen.
Im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 16/1828) hatte § 13 a UrhWG folgende Fassung:
(1) Vor Aufstellung der Tarife für Geräte und Speichermedien hat die Verwertungsgesellschaft den Verbänden der betroffenen Hersteller Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Höhe der für Geräte und Speichermedien aufzustellenden Tarife bestimmt sich nach § 54a des Urheberrechtsgesetzes. Die nach § 54a Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes maßgebliche tatsächliche Nutzung ist durch empirische Untersuchungen zu ermitteln, die zu veröffentlichen sind.
(2) Soweit Tarife nicht bestehen, gelten die in der Anlage zu § 54d Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes in der bis zum Ablauf des ... [Einsetzen: Datum des Tages vor dem Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft nach Artikel 4] geltenden Fassung bestimmten Sätze als Tarife.
In der Begründung zum Gesetzesentwurf (BT-Drs. 17/1828, S. 16, rechte Spalte) wird - anschließend an Erläuterungen zum materiellen Recht - ausgeführt:
€Diese neuen materiellen Regelungen ergänzt der Entwurf durch neue Wege, auf denen die Beteiligten die Vergütung in weitgehender Selbstregulierung rasch bestimmen oder bestimmen lassen können. Auf der ersten Stufe sind die Tarife durch die Verwertungsgesellschaften aufzustellen. Auf der zweiten Stufe ist ein zeitlich gestrafftes Schiedsstellenverfahren vorgesehen. Beim Scheitern dieses Schiedsstellenverfahrens soll das Oberlandesgericht entscheiden. Als weiterer Weg zu einer raschen Streitbeilegung wird den Beteiligten ein freiwilliges Schlichtungsverfahren eröffnet.€
Die Gesetz gewordene Fassung des § 13a UrhWG beruht auf einer Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags (BT-Drs. 16/5939), der folgende Begründung (aaO., S. 46f) beigegeben wurde:
€Die vorgeschlagenen Änderungen stellen einen gemeinsamen Vorschlag der beteiligten Kreise dar. In § 13a Abs. 1 soll stärker als in der Fassung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung die Verpflichtung der Verwertungsgesellschaft zu Verhandlungen über einen Gesamtvertrag mit den Verbänden der Hersteller von Geräten und Speichermedien betont werden.
Es war ein gemeinsames Anliegen der Parteien, den Einsatz der vom Gesetz vorgesehenen empirischen Untersuchungen, mit denen die tatsächliche Nutzung ermittelt werden soll, effizienter auszugestalten. Insbesondere soll verhindert werden, dass beide Parteien mit großem Zeit- und Ressourcenaufwand Gutachten anfertigen lassen, die jeweils von der Gegenseite als tendenziös und nicht objektiv bestritten werden, mit dem Ergebnis, dass sie letztlich durch eine eigene Erhebung der Schiedsstelle bzw. des zuständigen Gerichts ersetzt werden müssen. Zu diesem Zweck haben die Parteien gemeinsam vorgeschlagen, die Erhebung der empirischen Gutachten per Gesetz sogleich bei der Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt, die im Streitfall den Parteien nach § 14 ff. einen Einigungsvorschlag zu machen hat, zu konzentrieren. Da an erster Stelle immer die Pflicht zu Verhandlungen über einen Gesamtvertrag steht (s. oben), ist der Weg zur Schiedsstelle nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c (Streit über den Abschluss oder die Änderung eines Gesamtvertrags) immer eröffnet. Auch wenn die Bemühungen der Schiedsstelle nicht zu einer Einigung führen sollten, muss in jedem Fall dieser Weg beschritten werden, bevor die Verwertungsgesellschaft einen einseitigen Tarif aufstellen kann. Damit ist gewährleistet, dass eine objektive sachliche Grundlage für das Ausmaß der tatsächlichen Nutzung vorliegt, an der die etwaige Tarifaufstellung der Verwertungsgesellschaft gemessen werden kann.€
Auch diese Begründung stellt ersichtlich auf eine Verhandlungssituation zwischen einer einheitlichen Gruppe von Herstellern und einer einheitlichen Vertretung der Urheberrechtsinhaber ab. Sie lässt nicht eindeutig erkennen, ob auch in abweichenden Konstellationenjeder€einseitigen€ Tarifaufstellung eine vorgängige empirische Untersuchung vorangehen soll.
cc) Unklar ist weiter, ob €Verbände betroffener Hersteller€ im Sinne von § 13 a Abs. 1 Satz 2 UrhWG eine gewisse Mindestgröße haben müssen.
Dass die Vorschrift Verhandlungen über den Abschluss eines Gesamtvertrags fordert, wird verbreitet dahin gedeutet, dass sie nicht gilt, soweit Gesamtvertragsverhandlungen den Verwertungsgesellschaften nach § 12 UrhWG unzumutbar sind. Dafür, wann demnach die Zumutbarkeit fehlt, führt das Gesetz beispielhaft (€insbesondere€) eine zu geringe Mitgliederzahl der Vereinigung an, ohne anzugeben, welche Mitgliederzahl konkret erforderlich ist. Vielfach (Schulze aaO. § 12 UrhWG Rn. 12; Gerlach aaO. § 12 WahrnG Rn. 7) wird darauf abgehoben, dass der mit dem Schluss des Vertrags verbundene Aufwand durch eine entsprechende Ersparnis im Verwaltungsaufwand gerechtfertigt sein müsse. Dieses Kriterium taugt jedoch dann nicht, wenn es in erster Linie darum geht, vorhandene Gesamtverträge - gleich oder verändert - auf weitere Hersteller auszudehnen.
dd) Die Befassung der Schlichtungsstelle mit dem vorgesehenen Tarif schon vor seiner Aufstellung erhöht die Sicherheit, dass der Tarif von vorneherein, wie § 13 Abs. 1 Satz 1 UrhWG fordert, den Kriterien aus § 54 a UrhG gerecht wird und spätere Streitigkeiten vor der Schiedsstelle bzw. vor den Gerichten vermieden werden (vgl. Schulze aaO. § 13a UrhWG Rn. 15). Die empirische Untersuchung deckt dabei allerdings nur das Kriterium aus § 54 a Abs. 1 Satz 1 UrhG ab und vermag zu den übrigen Aspekten, die bei der Bestimmung der Vergütungshöhe zu berücksichtigen sind, nichts beizutragen.
ee) Der vorgenannte Aspekt gilt unabhängig davon, ob überhaupt Verhandlungen vorangegangen sind. Das Gesetz sagt aber nichts darüber, ob als €gescheiterte Verhandlungen€ auch solche gelten können, die den Beteiligten aus § 12 UrhWG nicht zumutbar waren oder aus sonstigen Gründen - beispielsweise, weil sie angesichts eines anderweitig schon bestehenden Gesamtvertrags sinnlos erschienen - gar nicht erst begonnen haben. Zumindest dürften Verhandlungen im Sinne von § 13a Abs. 1 Satz 3 UrhWG nicht nur solche sein, mit denen hätte begonnen werden müssen, denn die Zumutbarkeit, vor Aufstellung eines Tarifs eine empirische Untersuchung abzuwarten, ist nicht gleichzusetzen mit der Zumutbarkeit von Vertragsverhandlungen.
c) Die genannten Unklarheiten können im vorliegenden Fall dahinstehen, denn mit einer etwaigen Pflicht der Antragsgegnerinnen aus § 13 a Abs. 1 Satz 3 UrhWG, mit der Aufstellung eines Tarifs zuzuwarten, bis eine empirische Untersuchung vorliegt, geht jedenfalls kein dahingehender subjektiver Anspruch des Antragstellers einher.
Subjektive Rechte zugunsten von Herstellern bzw. ihren Verbänden stellt das UrhWG insbesondere auf in § 11 (Rechteeinräumung zu angemessenen Bedingungen), § 12 (Abschluss von Gesamtverträgen zu angemessenen Bedingungen) und in § 13a Abs. 1 Satz 2 (Verhandlungspflicht). Alle diese Rechte zielen darauf ab, den Herstellern angemessene - konkret: den Kriterien aus § 54 a UrhG entsprechende - Vergütungssätze zu sichern, sie also vor übermäßigen Vermögenseingriffen durch Erhebung von Urheberrechtsabgaben zu schützen.
Dafür, die nicht als subjektiver Anspruch formulierte Regelung des § 13 a Abs. 1 Satz 3 UrhWG als solchen auszulegen, besteht kein Bedarf. § 13 a Abs. 1 Satz 3 UrhWG stellt Vorschriften für das Verfahren auf, in dem ein Tarif aufzustellen ist. Vor der Aufstellung des Tarifs als solcher müssen seine potentiellen Adressaten nicht geschützt werden, da dieser keine Anspruchsgrundlage gegen sie darstellt.
Einen betragsmäßig durchsetzbaren Anspruch auf Urheberrechtsabgaben gegen die vom Antragsteller vertretenen Hersteller kann den Antragsgegnerinnen nur
- ein zwischen den Parteien geschlossener Gesamtvertrag,
- ein angenommener Einigungsvorschlag der Schiedsstelle,
- ein in Anwendbarkeit und Angemessenheit nicht bestrittener Tarif oder
- ein gerichtlich festgesetzter Gesamtvertrag
vermitteln.
Der Tarif, den die Antragsgegnerinnen aufzustellen beabsichtigen, kann in eine solche Anspruchsgrundlage allenfalls münden, nachdem ein Verfahren vor der Schiedsstelle und in dessen Rahmen die empirische Untersuchung durchgeführt worden ist. Würden die Antragsgegnerinnen daran gehindert, den Tarif aufzustellen, wäre genau das gleiche Verfahren vor der Schiedsstelle durchzuführen.
Die Wirkung eines bereits aufgestellten und dann zum Gegenstand eines Schiedsstellenverfahrens gemachten Tarifs besteht darin, dass Hersteller, die die Angemessenheit des Tarifs nicht in Abrede stellen wollen, auf seiner Grundlage Abgaben entrichten. Dadurch erleiden weder der Antragsteller noch seine Mitglieder ersichtliche Nachteile.
3. Soweit der Antragsteller vorträgt, die Antragsgegnerinnen hätten die derzeitige Situation bewusst dadurch herbeigeführt, dass sie mit einem eigens zu diesem Zweck gegründeten Ableger des bisherigen Verhandlungspartners B. e.V. einen Gesamtvertrag geschlossen hätten, kann dies den vorliegenden Verfügungsantrag nicht stützen. Ein Verbot, Gesamtverträge mit bestimmten Partnern zu schließen, kennt das Gesetz nicht.
Will der Antragsteller den Abschluss eines aus seiner Sicht angemessenen Gesamtvertrags bzw. die Aufstellung eines entsprechenden Tarifs erreichen, so muss er dies zunächst durch Anrufung der Schlichtungsstelle und gegebenenfalls anschließend durch Klage verfolgen, §§ 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b bzw. c, 16 Abs. 1 UrhWG. Die Erfolgsaussichten einer solchen Rechtsverfolgung werden durch die zu erwartende Aufstellung und Veröffentlichung eines Tarifs seitens der Antragsgegnerinnen nicht geschmälert.
IV.
Soweit in den nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätzen neuer Sachvortrag enthalten war, war dieser nicht mehr zu berücksichtigen.
V.
Nebenentscheidungen:
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
2. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht veranlasst.
OLG München:
Urteil v. 29.04.2010
Az: 6 WG 6/10
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