Niedersächsisches Finanzgericht:
Beschluss vom 13. Mai 2005
Aktenzeichen: 16 V 572/04
(Niedersächsisches FG: Beschluss v. 13.05.2005, Az.: 16 V 572/04)
Tatbestand
I. Die Antragstellerin ist mit Beschluss vom 12.02.1999 durch Umwandlung der im Handelsregister Osnabrück unter ... eingetragenen GmbH in eine Aktiengesellschaft entstanden. Zweck des Unternehmens ist der Handel mit Telekommunikationsmitteln. Das Grundkapital betrug im Jahre 2000 ... Mio DM. Beteiligte waren .... Vorstände waren im Streitzeitraum A. (Eintragung am 5. Juni 2000), R. (Eintragung am 26. Oktober 2000) und M. (Eintragung am 10. Juni 2003). Prokura hatten W. und B. Die Antragstellerin betrieb europaweit den Handel mit Telekommunikationsgeräten und beschäftigte ca. 380 Arbeitnehmer. Im Jahr 2001 betrugen die steuerpflichtigen Umsätze ... DM und die steuerfreien Lieferungen ... DM. Im Kalenderjahr 2002 lag ihr Umsatz bei ca. ... €, die innergemeinschaftlichen Lieferungen beliefen sich auf ca. ... €. Der Anteil des Handy-Umsatzes am Gesamtumsatz ist unklar.
Die Antragstellerin reichte am 19. Februar 2004 beim Antragsgegner eine Umsatzsteuervoranmeldung für Januar 2004 ein. In dieser erklärte sie Umsatzsteuern in Höhe von ... €, abziehbare Vorsteuern aus Rechnungen von anderen Unternehmern in Höhe von ... € und Vorsteuerbeträge aus innergemeinschaftlichem Erwerb von Gegenständen in Höhe von ... €. Der geltend gemachte Vorsteuerüberhang betrug danach ... €. Der Antragsgegner stimmte der Umsatzsteuervoranmeldung zunächst nicht zu, weil er davon ausging, dass die Antragstellerin in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden sei und die geltend gemachten Vorsteuern zum Teil hieraus resultierten. Dies hatte folgenden Hintergrund:
Im März 2002 teilte die OFD Hannover/Steuerabteilung Oldenburg dem Antragsgegner mit, dass die Arbeitseinheit zur Unterstützung der Umsatzsteuersonderprüfung der Länder beim Bundesminister der Finanzen (BfF) beabsichtige, die Antragstellerin in die Prüfung einzubeziehen, da sie als eines der größten Unternehmen im Bereich des Handels mit Handys "immer wieder bei den bereits laufenden Prüfungen als Kunde bzw. Lieferant der überprüften Firmen auftauchte". Die Amtsbetriebsprüfungsstelle des Antragsgegners führte daraufhin bei der Antragstellerin im Rahmen der Koordination eine Umsatzsteuersonderprüfung für Dezember 2001 - Februar 2002 und nach entsprechender Erweiterung, die bis Dezember 2002 durch. Nach Darstellung der Steuerfahndung Oldenburg sei die Antragstellerin ferner "bereits durch ein Rechtshilfeersuchen der italienischen Justizbehörden aus dem Jahre 2001, übersandt am 14.08.2001 durch STA München II über STA Osnabrück (Az: StA Osnabrück ..., Az. Steufa Oldenburg: ...) aufgefallen". Dabei ging es um Ermittlungen der italienischen Behörden gegen verschiedene Firmen, die sich durch Scheingeschäfte mit Mobiltelefonen an Umsatzsteuerkarussellen beteiligt haben sollen. In diesem Zusammenhang seien Geschäftskontakte zur Antragstellerin (innergemeinschaftliche Lieferungen) bekannt geworden. Nach Vorlage des entsprechenden Beschlusses des Amtsgerichts Osnabrück vom 23. Januar 2002 (Az: ...) gab die Antragstellerin die geforderten Unterlagen freiwillig heraus. Außerdem wurde die Leiterin der Exportabteilung, Frau T., zeugenschaftlich vernommen. Strafrechtlich relevante Verdachtsmomente ergaben sich gegen die Antragstellerin nicht. Ferner lag ein weiteres, mit Verfügung vom 19. November 2002 übersandtes Rechtshilfeersuchen der Niederländischen Justizbehörden (STA Osnabrück ...) vor, das auf Ermittlungen der Niederländischen Justizbehörden gegen Verantwortliche der Communication C. V. im K. beruhte. Nach den Erkenntnissen der Niederländischen Justizbehörden soll es sich bei dieser Firma um einen sogenannten Missing Trader gehandelt haben, der von der Antragstellerin beliefert wurde. Im Rahmen des Rechtshilfeersuchens wurde um Vernehmung der Verantwortlichen der Antragstellerin gebeten. Das Rechtshilfeersuchen wurde jedoch zurückgestellt.
Auf eine mit Schreiben vom 14.02.2003 gegründete Initiative des BfF wurden im Juni 2003 Vorermittlungen durch die Steuerfahndung Oldenburg gegen Verantwortliche der Antragstellerin eingeleitet. Am 2. März 2004 fand bei der Antragstellerin und in den Wohnräumen ihrer Vorstandsmitglieder eine Durchsuchung statt. Gleichzeitig wurde den Vorstandsmitgliedern die Einleitung eines Strafverfahrens wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Umsatzsteuerhinterziehung 2001, 2002 und Januar - September 2003 bekannt gegeben. Betroffen waren neben den Vorstandsmitgliedern 7 weitere Mitarbeiter, darunter ein ehemaliges Vorstandsmitglied. Tatvorwurf war die angebliche Beteiligung an einem europaweiten Umsatzsteuerkarussell.
Der Antragsgegner übernahm die Ergebnisse der Ermittlungen der Steuerfahndung und ging davon aus, dass die Antragstellerin zumindest hinsichtlich der an sie erfolgten Lieferungen der N GmbH bewusst und willentlich durch Beteiligung des Vorstandsvorsitzenden A. und des Angestellten C., sowie weiterer Mitarbeiter, an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt gewesen sei. Der Antragsgegner stützte sich dabei auf die Erkenntnisse der Zwischenberichte des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen Oldenburg vom 27. Oktober 2003, vom 1., 6. und 23. Dezember 2004 und auf Protokolle der Zeugenvernehmungen der Steufa Oldenburg von A. vom 2. November 2004, D. vom 20. September 2004, E. vom 14. Oktober 2004 und anderer, auf die Bezug genommen wird.
Karussellgeschäfte liegen nach der Definition des Antragsgegners im Zwischenbericht vom 6. Dezember 2004 vor, wenn bei einer Lieferung keine Verfügungsmacht verschafft wird, weil entweder keine oder bewusst falsch deklarierte, also andere als in Rechnung gestellte Ware ausgeliefert wird (Scheinlieferungen) oder zwar Warenbewegungen ausgeführt werden, diese aber nur der Vortäuschung von Lieferungen dienen, weil der Empfänger mit der Ware in vorherbestimmter Weise verfahren muss, insbesondere derart, dass gewährleistet ist, dass die Ware unmittelbar oder über weitere Händler an den Ausgangspunkt zurückkehrt. Dabei liege dem Warenverkehr kein wirtschaftlicher Sinn, sondern allein der Zweck zu Grunde, aus den auf Umsatzsteuerhinterziehung angelegten Aktionen finanzielle Vorteile zu erzielen.
Nach Darstellung in dem Bericht sei nachgewiesen, dass die Antragstellerin in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden gewesen sei, an denen die Firma N GmbH in Bremen als Lieferant der Antragstellerin aufgetreten sei. Gegen die Verantwortlichen der N GmbH Bremen, die Herren F. und G., ist ein Ermittlungsverfahren der Steuerfahndung Bremen eingeleitet. Es bestehe der dringende Verdacht, dass der Beschuldigte C. unter Ausnutzung seiner Position in der Antragstellerin und aufgrund seiner persönlichen Kontakte zu zahlreichen gesondert verfolgten Personen gemeinschaftlich mit diesen diverse Karussellgeschäfte betrieben habe. So sei es ihm durch seine guten Beziehungen zu dem gesondert verfolgten F. als einem verantwortlichen der N GmbH in Bremen möglich gewesen, Ware, die die N GmbH von Missing Tradern, nämlich der U GmbH, der V GmbH und der W, gegen dessen Verantwortlichen H. ein Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld anhängig sei, bezogen, papiermäßig an die spanische Firma X S.L. verkauft und diese wiederum dieselbe Ware über die portugiesische Y Soc. erneut an Missing Trader in Deutschland veräußert habe. Der papiermäßige Nachweis für ein rechnungsmäßiges Durchhandeln von Handys in einem geschlossenen Kreislauf läge vor. Danach sei ersichtlich, wie die Handys noch auf der 6. "Handels"-Stufe von der Antragstellerin unter dem Preis der ersten Stufe (X S.L.) wieder habe in Rechnung gestellt werden können. Dies sei nur durch die gezielte Zwischenschaltung der Missing Trader möglich gewesen, die die Preise durch Weitergabe der hinterzogenen Umsatzsteuern verbilligt hätten. Selbst wenn man unterstelle, dass die Handys wie in den Rechnungen ausgewiesen tatsächlich vorhanden gewesen seien, seien diese nur von Aachen nach Roost in Luxemburg (Spedition N) und nach Antwerpen in Belgien (Spedition H) transportiert worden. Noch am gleichen Tage oder nur wenige Tage danach seien sie wieder nach Aachen zurück transportiert worden. In Aachen habe man sich einer Spedition des Hongkong-Chinesen Xxx, der Z GmbH bedient. Diese habe die gesamte Logistik für die dargestellten Transporte erbracht. Im späteren Verlauf seien die Handys dann noch, vermutlich zur weiteren Verschleierung der tatsächlichen Abläufe, von Antwerpen nach Hagondange in Frankreich (Spedition EM) und von dort zurück nach Aachen (Z GmbH) transportiert worden. Dieser Umweg mache wirtschaftlich überhaupt keinen Sinn, weil es in Frankreich nachweislich keinen Abnehmer gegeben habe, vielmehr habe hier die Y Soc. den Rücktransport nach Aachen verfügt. Danach bestehe der dringende Verdacht, dass es sich lediglich um zum Schein einer Geschäftstätigkeit erzeugende Transporte gehandelt habe. Dieser dringende Verdacht werde durch weitere Ermittlungen der Steufa Oldenburg erhärtet. Danach deuteten zahlreiche Beweismittel darauf hin, dass in einer noch nicht bestimmbaren Zahl von Fällen rechnungsmäßig hochwertige Handys des Typs Nokia 8910i gehandelt und durch die Spedition Z GmbH Scheintransporte durchgeführt wurden, indem tatsächlich billigere Handys des Typs Nokia 3310 bewegt worden seien.
Für die Antragstellerin habe der Beschuldigte C. den Ablauf dieser Geschäfte beherrscht, indem er sich gleichermaßen um den vermeintlichen Ein- wie Verkauf der Ware gekümmert habe. Er habe dies in dem Wissen getan, dass durch seine Beteiligung an den Karussellgeschäften für den Ankauf der Handys von der N GmbH scheinbar Vorsteuern anfielen, die von der Antragstellerin in der Umsatzsteuerjahreserklärung für 2003 und den Umsatzsteuervoranmeldungen für Januar und Februar 2004 geltend gemacht worden seien. Tatsächlich habe ein solcher Anspruch nicht bestanden, da die Ware der Antragstellerin niemals wirklich zur Verfügung gestanden habe, sondern von C. nur "durchgehandelt" worden sei, obwohl ihm nach dem Organisationsplan der Antragstellerin ein eigenes Dispositionsrecht an der Ware nicht zugestanden habe. Dies gelte erst recht, wenn er, wie sich aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Organigramm und seinem Zwischenzeugnis der Antragstellerin vom November 2002 ergibt, im Bereich GSM-Geräte als Produktmanager für den Ein- und Verkauf dieser Geräte zuständig gewesen sei. Das es sich bei den Lieferungen der N GmbH im Januar 2004 um solche Lieferungen gehandelt habe, ergebe sich insbesondere auch aus der in dem Zwischenbericht vom 27. Oktober 2003 dargestellten Lieferung der N GmbH an die Antragstellerin über 2.500 Nokia 8910i vom 21. Juli 2003.
Auf dieser Grundlage wurden mit Arrestbeschluss des AG Oldenburg vom 26. Februar 2004 am 2. März 2004 die Konten der Antragstellerin bei der ... bis zur Höhe von ... € zur Sicherung des mutmaßlichen Steueraufkommens gepfändet. Gleichzeitig wurden von der Antragstellerin beanspruchte Vorsteuerguthaben in Höhe von ca. ... Mio. € nicht ausgezahlt. Am 4. März 2004 wurde der Arrestbetrag auf ... Mio. € gemindert. Zur Sicherung hierfür erteilte die Antragstellerin am gleichen Tage eine Abtretungs- bzw. Verpfändungsanzeige hinsichtlich der Umsatzsteuer-Voranmeldung Januar 2004 in Höhe von ... Mio. €. Am 25. März 2004 vereinbarten die Beteiligten, dass der Antragstellerin ein Vorsteuerguthaben in Höhe von rund ... Mio. € auszahlt und der Restbetrag in Höhe von ... Mio. € einbehalten wird. Im Gegenzug verpflichtete sich die Antragstellerin zur Unterstützung der Ermittlungshandlungen und zu einem Verzicht auf eine Amtshaftungs- oder Schadenersatzklage. Die Vereinbarung war zunächst bis 30. Juni 2004 befristet. Mit Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 15.06.2004 (...) wurde der dingliche Arrest auf Antrag der Staatsanwaltschaft aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft gab daraufhin sämtliche Bankkonten der Antragstellerin frei. Aufgrund einer Vereinbarung vom 14. bzw. 17. Juni 2004 wurden weitere ... € an die Antragstellerin ausgezahlt. Gleichzeitig erging am 19. August 2004 ein Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2004 über 0,- €, mit dem der erstattete Betrag in Höhe von ... € zurückgefordert wurde. In dem Bescheid wird mitgeteilt, dass der Bescheid die vorangegangene Festsetzung ändere und der Antragstellerin die Abweichungen von den erklärten Angaben bereits am 17.06.2004 mitgeteilt worden seien. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, die mit Bescheid vom 6. September 2004 gewährt wurde.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 2004 änderte der Antragsgegner den Bescheid vom 19. August 2004 und setzte einen Vorsteuererstattungsanspruch in Höhe von ... € fest. Gleichzeitig wurden unter Widerruf der Aussetzung der Vollziehung aufgrund bereits erfolgter Erstattungen in Höhe von ... € Zahlungen in Höhe von ... € festgesetzt. In dem Bescheid vom 15. Dezember 2004 hatte der Antragsgegner sämtliche Vorsteuern aus Lieferungen der Firma N GmbH nicht anerkannt, ohne dass dies aus dem Bescheid hervorging. Hierbei handelt es sich um folgende Rechnungen:
Datum: Artikel: Nettobetrag €: USt. €: Bruttobetrag €:
...
Die nicht anerkannten Vorsteuerbeträge betrugen insgesamt ... €.
Die Antragstellerin legte gegen den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid Januar 2004 vom 15. Dezember 2004 Einspruch ein. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden. Nach Widerruf der AdV durch den Antragsgegner am 6. September 2004 war ein Betrag in Höhe von ... € fällig. Gegen diese Forderung erklärte der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin mit Schreiben vom 14. Februar 2005 in Höhe eines Teilbetrages von ... € die Aufrechnung unter Hinweis auf die Aufhebung der Vollziehung des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides Januar 2002 durch Beschluss des Nds. FG vom 12.11./14.12.2004 (16 V 137/04). In dem Beschluss war allerdings eine Aufhebung der Vollziehung des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides Januar 2002 nur in Höhe ... € und im übrigen die Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2001 in Höhe von ... € und des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides Januar 2002 in Höhe von ... € ausgesprochen worden.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, ihr stünden die Vorsteuerbeträge aus den Lieferungen der N GmbH zu. Weder der Bescheid vom 19. August 2004 noch der Änderungsbescheid vom 15. Dezember 2004 seien vom Antragsgegner hinreichend begründet, so dass sie zunächst nicht habe erkennen können, auf welcher Grundlage die für Januar 2004 festgesetzte Steuer berechnet sei. Außerdem begründeten die Ergebnisse der von der Steufa und der Antragsgegnerin durchgeführten Ermittlungen nicht den Verdacht der Teilnahme an einem Karussellgeschäft. Vor Abschluss ihrer Geschäfte habe sie sich Gewissheit über die Unternehmereigenschaft und die Redlichkeit der N GmbH verschafft und am 3. Februar 2003 und 16. Januar 2004 Bestätigungen darüber erhalten, dass bei diesem Unternehmen Umsatzsteuerprüfungen durchgeführt worden seien, die zu keiner Änderung des steuerlichen Ergebnisses geführt hätten. Sie habe mit der N GmbH ordnungsgemäße Liefergeschäfte getätigt. Die Geschäfte seien wie auf den Rechnungen ausgewiesen entsprechend der üblichen Geschäftsabwicklung mit Tradern tatsächlich durchgeführt worden.
Trader seien Händler, die über kein eigenes Warenlager verfügen, werben und die Ware in kurzer Zeit weiter veräußern. Die Geschäfte würden regelmäßig dergestalt abgewickelt, dass zunächst ein Kunde an sie herantrete und ein Kaufangebot unterbreite. Dieses werde von ihr bestätigt. Der Kunde leiste dann eine Anzahlung auf die Ware. Erst nach Abschluss mit dem Kunden werde ein Deckungsgeschäft mit einem Vorlieferanten abgeschlossen. Wenn der Vertrag mit dem Vorlieferanten zustande gekommen sei, zahle sie an diesen den vollständigen Kaufpreis. Gleichzeitig werde ein Spediteur damit beauftragt, die Ware von dem Vorlieferanten am angegebenen Ort abzuholen und an den Kunden auszuliefern. Dieser Spediteur sei möglicherweise schon im Besitz der Ware, weil der Vorlieferant die Ware bei ihm eingelagert habe. Der Vorlieferant gebe die Ware nur heraus bzw. ermächtige den Spediteur nur zur Beförderung der Ware, wenn ihre Zahlung eingegangen sei. Es erfolge dann die Lieferung an den Kunden durch den Spediteur. Diese könne auch dadurch erfolgen, dass die Ware an einen vom Kunden benannten Lagerhalter übergeben werde, z.B. weil der Kunde tatsächlich ein Trader sei, der über kein eigenes Warenlager verfüge. Dann werde mit dem Lagerhalter vereinbart, dass er die Ware erst an den Kunden herausgebe, wenn sie, die Antragstellerin, die Freigabe erteile. Hierbei handele es sich um das sogenannte Verfahren shipment on hold.
Mit der N GmbH seien entsprechende Geschäfte abgeschlossen worden. Die N GmbH sei Unternehmerin. Dies ergäbe sich aus den an sie ausgeführten Lieferungen und werde durch die bei der N GmbH durchgeführten Umsatzsteuerprüfungen, die nach Mitteilung des Finanzamts Bremen-Mitte zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt hätten, bestätigt. Die N GmbH habe auch die in Rechnung gestellte Ware an sie geliefert. Die Lieferungen beruhten auf zwischen ihnen abgeschlossenen Verträgen. Demgemäß könne nicht der Einwand erhoben werde, es habe sich um Scheingeschäfte gehandelt.
Der Antragsgegner habe keine Anhaltspunkte dafür benannt, dass auch nur einer der Vertragspartner im Januar 2004 eine der verabredeten Lieferungen nicht ernsthaft gewollt und durchgeführt habe. Der Bericht vom 6. Dezember 2004 enthalte keine Beweismittel oder auch nur substantiierte Tatsachen dazu, wie die Lieferungen der N GmbH an die Antragstellerin und von dieser an die X S.L. abgewickelt worden seien. Es fehlten insbesondere jegliche Beweismittel dazu, von wem die N GmbH Waren bezogen und an wen die X S.L. Waren geliefert habe. Der Bericht beinhalte ferner kein Beweismittel aus dem sich ergebe, dass C. Kenntnisse von einem Umsatzsteuerkarussell gehabt habe, geschweige denn daran beteiligt gewesen sei. Seine Bekanntschaft mit einigen Personen, gegen die die Steuerfahndung ermittle, könne nicht einmal ein Indiz für diesen Vorwurf sein. Dies gelte insbesondere für die Behauptung, C. habe gute Kontakte zu F. gehabt. Da C. als Einkäufer bei der Antragstellerin tätig gewesen sei, habe dies selbstverständlich zu Gesprächen mit Lieferanten geführt, die er auch gelegentlich persönlich getroffen habe. Auch soweit C. vor Aufnahme der Geschäftsbeziehungen mit der N GmbH mit F. bekannt gewesen sei, belege dies nicht die gemeinsame Verabredung und Durchführung von Scheingeschäften oder Umsatzsteuerkarussellgeschäften. Letztlich sei nicht einmal hinreichend dargelegt, dass F. an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt sei. Aus den vom Antragsgegner vorgelegten Unterlagen ergebe sich auch kein papiermäßiger Nachweis, dass Handys in einem Umsatzsteuerkarussell gehandelt worden seien. Beweismittel dafür, dass Waren von Aachen nach Roost und Antwerpen geliefert und kurz danach wieder abgeholt worden seien, nenne der Bericht nicht. Ebenso wenig sei klar, welche in dem Bericht genannten "zahlreichen Beweismittel" darauf hindeuteten, dass nur rechnungsmäßig mit Handys des Typs Nokia 8910i gehandelt, tatsächlich aber billigere Handys des Typs Nokia 3310 bewegt worden seien. Gegen C. bestehe auch kein dringender Tatverdacht mehr, da der am 10. Dezember 2004 gegen ihn erlassene Haftbefehl bereits am 17. Dezember 2004 außer Vollzug gesetzt worden sei.
Selbst wenn C. Kenntnis von einem Umsatzsteuerkarussell gehabt haben sollte, seien zivilrechtlich wirksame Kaufverträge abgeschlossen worden. Sämtliche Verträge mit X S.L. seien von Mitarbeitern aus der Exportabteilung geschlossen worden. Ein anderer Mitarbeiter der Exportabteilung sei für die Durchführung der Lieferungen zuständig gewesen. Er habe die Z GmbH, aber auch andere Speditionen mit der Übernahme der Ware bei der Z GmbH und Lieferung an X S.L. beauftragt. Darüber, was mit der Ware geschehen sei, nachdem sie an die Kunden der Antragstellerin geliefert worden sei, ob sie z.B. von Roost oder Antwerpen nach Aachen zurück gelangte, wisse sie nichts. Insbesondere seien auch den Mitarbeitern der Exportabteilung keine Auffälligkeiten bekannt geworden. Eine Kenntnis der Exportmitarbeiter von einem Umsatzsteuerkarussell werde nicht einmal von Steuerfahndung behauptet. Insofern könne von Scheingeschäften keine Rede sein.
Zwar seien die von der N GmbH bezogenen Handys in der Mehrzahl an die X S.L. geliefert worden. Daneben hätte sie aber zahlreiche weitere Abnehmer mit Handys beliefert, die sie bei N GmbH eingekauft gehabt habe. Auch diese Lieferungen seien teilweise über das Lager der Z GmbH in Aachen erfolgt, z.B. lt. Vorliegendem Lieferschein am 21. Januar 2004 an die Firma T AG in der Schweiz. Daraus folge, dass die Antragstellerin keineswegs ohne Handlungswillen in eine Lieferkette eingebunden gewesen sei.
Die N GmbH habe Ware zu einem kleineren Teil an das Logistikzentrum der Antragstellerin in Stauffenberg, meist aber an die Spedition Z GmbH in Aachen geliefert. Von dort sei sie auf Anweisung der Antragstellerin an deren Kunden ausgeliefert worden. Der Eigentumserwerb der Antragstellerin habe sich bei Lieferungen an das Lager in Stauffenberg durch Einigung und Übergabe und bei Lieferungen über das Speditionslager im Rahmen des Verfahrens "shipment on hold" vollzogen. In diesem Fall habe sich der Eigentumsübergang im Wege des Geheißerwerbs vollzogen. Dieser sei nach der Rechtsprechung des BGH zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 1998 II ZR 144/97, NJW 1999, 425). Bei einem Geheißerwerb können auf Seiten des Käufers und des Verkäufers Geheißpersonen stehen. Die N GmbH habe ihre Geheißpersonen, ihren Spediteur oder Lagerhalter angewiesen, der Antragstellerin oder einer von ihr benannten Geheißpersonen den Besitz der Waren zu verschaffen.
Soweit sich der Antragsgegner auf Ermittlungsergebnisse der Fahndung hinsichtlich einer Lieferung am 21. Juli 2003 von N GmbH an die Antragstellerin beziehe, könnten darauf keine Feststellungen hinsichtlich der Lieferungen im Januar 2004 abgeleitet werden. Selbst wenn es einen Fall gegeben haben sollte, in dem die Antragstellerin unwissentlich Ware im Rahmen eines Umsatzsteuerkarussells geliefert haben sollte, sei damit hinsichtlich anderer Lieferungen nichts belegt.
Ein Umsatzsteuerkarussell liege auch deshalb nicht vor, weil es sich bei der X S.L. um ein real existierendes Unternehmen handle, das über eine gültige Umsatzsteueridentifikationsnummer verfüge und in Spanien ihren Verpflichtungen nachkomme. Dies sei durch die vorliegenden Bescheinigungen der spanischen Steuerbehörde für Großunternehmen vom 15.10.2003 und 09.03.2004 sowie weiterer Unterlagen nachgewiesen.
Im Übrigen würden in dem Bericht der Steuerfahndung vom 27. Oktober 2003 falsche Schlussfolgerungen gezogen. Der Bericht vermute, dass für eine Lieferung von 2.500 Handys der Marke Nokia 8910i ein Umsatzsteuerkarussell unter Beteiligung der Antragstellerin bestanden habe. Der in dem Bericht in einer Grafik dargestellte Kreis sei vom Antragsgegner aber nicht nachgewiesen. Denn die Lieferung der X S.L. an Y Soc. habe gerade nicht Handys des Typs Nokia 8910i, sondern Handys des Typs Nokia 7210 betroffen. Entgegen der Behauptung in dem Bericht habe die N GmbH im Fax vom 23. Juli 2003 an die Z GmbH diese auch nicht aufgefordert zu prüfen, ob "W" Inhaber der Ware sei, sondern ob die "Firma Ws" Inhaber der Ware sei. Das bedeute, dass Lieferung der TH GmbH an die N GmbH am 22. Juli 2003 nicht Handys betreffe, die die N GmbH an die Antragstellerin geliefert habe. Es sei hinreichend dargelegt, dass die N GmbH auch an die Antragstellerin mehrfach Handys des Typs Nokia 8910i geliefert habe. Im übrigen spreche die genannte Anfrage gerade gegen eine Lieferung in einem Umsatzsteuerkarussell, da diese in einem solchen keinen Sinn machen würde.
Ferner sei unzutreffend, dass die Antragstellerin Waren zu Preisen unter dem Einstandspreis veräußert habe. Die Preise, die sie im Exportgeschäft erzielt habe, seien durch Besonderheiten dieser Branche im Bereich von Warenkostenzuschüssen erklärbar und marktüblich. Bei den davon abweichenden Berechnungen der Umsatzsteuersonderprüfung handele es sich um ein Konstrukt, dass diesen Besonderheiten nicht gerecht werde.
Die vom Antragsgegner behaupteten Umsatzsteuerkarusselle seien auch nicht durch Zeugenaussagen belegt. Der Fahrer P sei bis zum 30. März 2003 bei der Z beschäftigt gewesen. Er könne daher zu Lieferungen der Antragstellerin an die X S.L. keine Aussagen machen, weil in diesem Zeitraum nur eine Lieferung an X S.L. falle. Wenn P in seiner Vernehmung vom 14. Oktober 2004 über den Hin- und Hertransport von Paletten aussage, so könne er sich somit nicht auf Lieferungen der Antragstellerin an X S.L beziehen. Das lasse den Schluss zu, dass Hin- und Herlieferungen, wenn es sie gegeben hat, mit Waren anderer Unternehmen ausgeführt worden seien. Da P auch noch von Markierungen berichtet habe, die er zusammen mit dem Zeugen Q an Paletten vorgenommen haben will, beziehe sich auch dies nicht auf die Lieferungen der Antragstellerin an X S.L. Soweit der Fahrer O in seiner Vernehmung vom 2. November 2004 ebenfalls von Hin- und Herfahrten von Paletten berichtet habe, habe er darüber hinaus ausgesagt, dass er auf Absender und Empfänger der Paletten nicht geachtet habe. Der Fahrer Q habe angegeben, zwischen Mai und Ende September 2003 wiederholt nach Roost, Luxemburg und einmal nach Antwerpen gefahren zu sein. Ihm sei aufgefallen, dass er Paletten nach Roost gebracht und der Fahrer P dann dieselben von dort wieder abgeholt habe. Für welche Kunden und welche Empfänger Q gefahren sei, habe er nicht ausgesagt. Ferner enthalte die Aussage keine Angaben zu dem Zeitraum, in dem solche Lieferungen gewesen seien sollen. Die Aussage beziehe sich zudem auf die Frage des Fahrers P, warum er Paletten, die Q nach Roost gebracht habe, wieder abholen sollte. Q beziehe sich damit auf Hin- und Herfahrten zu einer Zeit, als es nur eine einzige Lieferung an X S.L. gegeben habe.
Die Zeugenaussagen gäben auch keine Hinweise darauf, dass die Mitarbeiter der Antragstellerin Kenntnis von einem möglicherweise vorhandenen Umsatzsteuerkarussell gehabt hätten. Im Gegenteil habe der Antragsgegner Aussagen zweier Komplizen von F. verkürzt dargestellt, indem er die Passagen, in denen sie aussagten, die Antragstellerin und insbesondere C. hätten von eventuellen Karussellgeschäften keine Kenntnis gehabt, nicht erwähnt habe Dies gelte insbesondere für die Aussage von TS vom 31. März 2004 bei der Staatsanwaltschaft München I, der ausgesagt habe, dass es sich seiner Einschätzung nach bei der Antragstellerin um eine ordnungsgemäße Firma handle, die seines Erachtens von F. betrogen worden sei und sich aus verschiedenen anderen Begebenheiten bei ihm der Eindruck entwickelt habe, dass die Antragstellerin nicht gewusst habe, von G. oder F. als Exporteur benutzt worden zu sein. Er habe aus diesen Umständen heraus auch den Eindruck gehabt, dass C. keine Ahnung davon gehabt habe, welcher Art die Geschäfte waren. Gleiches ergebe sich aus der Aussage des Beschuldigten ZK bei der Steuerfahndung Oldenburg am 28. Juli 2004, in der dieser ausführte, dass er sich nicht vorstellen könne, dass F. gegenüber C. die Einzelheiten der Geschäfte mitgeteilt habe.
Ferner konstruiere der Antragsgegner eine Schlüsselposition von C. im Unternehmen der Antragstellerin, wonach dieser unter Missachtung sämtlicher Organisationsstrukturen, aber mit Wissen des Vorstandsmitgliedes A. sowie unter Ausnutzung der angeblich von ihm abhängigen Mitarbeiter BY und TM die Lieferungen an X S.L. habe ausführen können. Auch insofern verwerte der Antragsgegner die Zeugenaussagen tendenziös, in dem er sie verkürzt nur zum Nachteil der Antragstellerin zitiere. Dies gelte für die Aussage von MN, um die Stellung von C. im Exportgeschäft der Antragstellerin zu belegen. Diese Aussage sei vollständig dem Zusammenhang entzogen dargestellt. Eine gelegentliche Tätigkeit von C. im Exportgeschäft sei keineswegs streitig. Vielmehr gäbe es hierfür offizielle Belege, die dem Antragsgegner bekannt seien. So habe A. in einer E-Mail vom 9. September 2003 den damaligen Leiter Export MN angewiesen, nochmals alle Kunden innerhalb der EU erneut zu überprüfen bzw. das Ergebnis dieser Prüfung ihm nunmehr schriftlich mitzuteilen, wobei er ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass dies auch für von C. direkt oder über Dritte abgewickelte Geschäfte gelte. Bei der Darstellung der Zeugenaussagen berücksichtige der Antragsgegner insbesondere auch nicht, dass z.B. der Zeuge MN von der Antragstellerin wegen unzulänglicher Leistungen entlassen worden sei und damit ein ganz eigenes Interesse an einer unzutreffenden Darstellung seines Arbeitsumfeldes gehabt habe. Auch habe sich der Antragsgegner nicht mit Widersprüchen, die sich aus anderen Zeugenaussagen ergäben, z.B. der der Zeugin BSB, auseinandergesetzt. Letztlich sei mit keiner der Zeugenaussagen die Behauptung des Antragsgegners bewiesen, C. habe eine zentrale Rolle im Umsatzsteuerkarussell gespielt.
C. sei von A. auch nicht bevorzugt behandelt worden. Der Antragsgegner belege dies ausschließlich mit einem C. zur Verfügung gestelltem Firmenfahrzeug. Neben C. hätten aber sieben weiteren Angestellten der Antragstellerin außerplanmäßig vergleichbare Fahrzeuge zur Verfügung gestanden. Dies habe sich als notwendig erwiesen, um wichtige Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden. Ein Beleg für die Teilnahme an einem Umsatzsteuerkarussellgeschäft folge daraus nicht. Die von dem Antragsgegner behaupteten Abhängigkeiten der Angestellten BY und TM von C. seien ebenfalls nicht nachgewiesen. Sie beruhten auf Angaben des Zeugen DA, wonach beide von C. überdurchschnittlich häufig mit wertvollen Promotionsmaterial bedacht und überdurchschnittlich oft bei Schulungen Dritter berücksichtigt worden seien. Dieses sei ausweislich der vorgelegten Eidesstattlichen Versicherung des unmittelbaren Vorgesetzten von C., JJJ, falsch. Tatsächlich habe eine solche Abhängigkeit nicht bestanden. Soweit sich der Antragsgegner ferner auf Aussagen der Zeugen DA und MN stützte, wonach die Firma X nicht seriös gewesen sei, weil die Anforderung hoher Stückzahlen ohne großen Vertriebszweig, die Anforderung gleicher Modelle, die branchenunübliche lange Vororder im Hinblick auf den Preisverfall und die Preisvorgabe suspekt gewesen seien, seien diese Angaben viel zu vage, als dass sie von Bedeutung sein könnten. Sie seien auch durch nichts belegt. Sie habe sich vielmehr nachweislich über die Existenz der X S.L. vergewissert gehabt.
Die vermeintlichen Besonderheiten hinsichtlich der Anforderung hoher Stückzahlen gleicher Modelle seien ihr natürlich aufgefallen, schon deswegen, weil sich beim steuerfreien Export dieser Geräte ein erheblicher Vorfinanzierungsbedarf ergeben habe. Aus diesem Grunde habe sie von der N GmbH Nachweise darüber gefordert, dass diese ihren umsatzsteuerlichen Verpflichtungen nachgekommen sei. Diese seien ihr von der N GmbH zur Verfügung gestellt worden. Die - teilweise verdeckten - Hinweise des Antragsgegners, es habe sich um falsch deklarierte Lieferungen gehandelt, seien unklar und nicht nachgewiesen. Ferner sei auch unklar, ob und gegebenenfalls welche rechtlichen Folgerungen der Antragsgegner für Lieferungen der N im Januar 2004 daraus ziehen wolle.
Trotz der ihre Liquidität beeinträchtigenden Maßnahmen des Antragsgegners sei sie nach wie vor liquide und verfüge über erheblichen Kredit bei den Banken. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung seien daher nicht gegeben.
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung des Bescheides über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für Januar 2004 vom 19. August 2004 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 15. Dezember 2004 in Höhe von ... € auszusetzen und in Höhe von ... € aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, die Antragstellerin sei zumindest hinsichtlich der Lieferungen der Firma N GmbH im Januar 2004 in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden gewesen, so dass ihr insofern Vorsteuerbeträge nicht zustünden. Die Umsatzsteuer-Voranmeldung für Januar 2004 vom 15. Dezember 2004 sei ausreichend begründet, da der Antragstellerin der Zwischenbericht vom 6. Dezember 2004 bereits am 10. Dezember 2004 bekannt gegeben worden sei. Ferner seien ihr bereits am 3. Januar 2005 über Herrn Rechtsanwalt ... die Ermittlungsakten von A. und der Sonderbandvernehmungen übersandt worden.
Es seien nachgewiesenermaßen "Umsatzsteuer- Karussellgeschäfte" unter Einbeziehung der N GmbH (Verfahren STA Bremen gegen die Verantwortlichen F. und G.), der als Missing Trader enttarnten U GmbH, der V GmbH und TDG (gegen dessen Verantwortlichen H., Verfahren bei der STA Bielefeld), der spanischen X S.L. und der portugiesischen Y Soc. unter Beteiligung der Antragstellerin getätigt worden. In dem Bescheid vom 15. Dezember 2004 seien nur die Vorsteuerbeträge aus solchen Rechnungen der N GmbH für den Voranmeldungszeitraum Januar 2004 gekürzt worden, bei denen der Kreislauf nachgewiesen sei. Es sei belegmäßig nachvollziehbar, dass die Firmen rechnungsmäßig Handys in einem geschlossenen Kreislauf durchgehandelt hätten. Ferner sei davon auszugehen, dass auch die in den Rechnungen ausgewiesenen Handys nicht mit den tatsächlichen Warenbewegungen übereinstimmten. Dies ergebe sich aus den Ausführungen im Zwischenbericht vom 23. Dezember 2004, auf die Bezug genommen werde. Dies werde auch durch eine Aussage von A. belegt, wonach ihm vollkommen egal gewesen sei, ob er eine Rechnung über 1000 Stück zu 500 € oder über 2000 Stück zu 250 € erstellt habe. Aus der Aussage MN ergebe sich klar, dass C. die rechnungsmäßigen Verkäufe an die X S.L. getätigt habe, obwohl dies nicht sein Aufgabenbereich gewesen sei. Danach habe C., obwohl er laut Arbeitsplatzbeschreibung als Einkäufer auf keinen Fall für die Sachbearbeitung einzelner Verkaufsvorgänge zuständig gewesen sei, Handys unter Ausschaltung der durch die Organisationsstrukturen der Antragstellerin vorgegebenen Sachbearbeiter durchhandeln können. Die zeichnenden Verkäufer hätten in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu ihm gestanden, weil er ihnen Vorteile bei Schulungsmaßnahmen und anderes verschafft habe. Außerdem sei C. von dem Beschuldigten A. protegiert worden und habe eine einflussreiche Sonderstellung in der Firma, z.B. durch die Überlassung eines Firmen-Pkw, gehabt, die es ihm erlaubt habe, in der Firma der Antragstellerin in dieser Hinsicht frei schalten und walten zu können. Es lägen weitere Erkenntnisse vor, nach denen auf die Wareneingänge von der N GmbH ausschließlich C. Zugriff gehabt habe. Dies beweise, dass nur er mit dieser Ware habe disponieren können. Hinzu komme, dass sowohl dem ehemaligen Mitarbeiter TDA als auch MN die Firma X S.L. nicht seriös erschienen seien. TDA habe in seiner Vernehmung vom 24./25. November 2004 ausgesagt, dass er zu keiner Zeit Geschäfte mit dieser Firma gemacht habe, weil ihm die Anforderung hoher Stückzahlen ohne großen Vertriebszweig, die Anforderung gleicher Modelle und die Branchen unübliche lange Vororder im Hinblick auf den Preisverfall und die Preisvorgabe suspekt erschienen seien. Gleichwohl seien Preisvorgaben von der Antragstellerin akzeptiert worden und mit Zustimmung von C. Ware an die X S.L. zu einem Preis unterhalb des vorher von C. für alle Großkunden festgelegten Preises fakturiert worden. MN habe ausgesagt, dass er bei einer Rückfrage zu den hohen Stückzahlen der Lieferungen an die X S.L. und die fehlende Scannung der Seriennummern von C. mit dem Hinweis, ob er ihm nicht vertraue, barsch abgewiesen worden. Ferner sei die von der Antragstellerin behauptete Preiskalkulation nicht nachvollziehbar. Zweifel an einer seriösen Preisgestaltung ergäben sich bereits aus einem Vorgang aus Oktober 2003 hinsichtlich der Lieferung von hochpreisigen Fernsehern. Bei der daraus sich ergebenden Vorgehensweise müsse unterstellt werden, dass eine Preisgestaltung nach kaufmännischen Gesichtspunkten bei der Antragstellerin kaum möglich sei.
Dass die Antragstellerin hinsichtlich des Einkaufs von der N GmbH und der Weiterlieferung an X S.L. in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden gewesen sei, ergebe sich aus folgenden weiteren Feststellungen:
Die Handys durchliefen papiermäßig innerhalb von ein bis zwei Tagen den Warenkreislauf und gelangten an die Firma X S.L. zurück. X S.L. erwarb die Ware an 6. Stelle im Karussell unterhalb des von ihr ein bis zwei Tage vorher berechneten Verkaufspreises, wobei kein normaler Preisverfall vorgelegen habe. Insofern hätten sich unsinnige Warenbewegungen (Frankreich - Aachen - Belgien - Frankreich) bzw. Transporte der immer gleichen Kartons laut Zeugenaussagen der beteiligten Fahrer ergeben. Ferner seien im Warenkreislauf Missing Trader eingeschaltet gewesen. Eine Scannung der Serien- Nummern der scheinbar gelieferten Handys habe gefehlt, um den Warenkreislauf zu verschleiern. Außerdem habe ggf. eine falsche Bezeichnung der Ware vorgelegen.
Hinsichtlich der Angaben der Antragstellerin, dass sie über ausreichende Liquidität verfüge, bestünden erhebliche Zweifel.
Gründe
II. Der Antrag ist begründet.
Gemäß § 69 Abs. 2 und 3 Finanzgerichtsordnung - FGO - soll die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes auf Antrag durch das Gericht der Hauptsache ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des Bescheides anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Urkunde zu Tage treten, die Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewerten (vgl. BFH, Beschluss vom 04.04.1996 V S 1/96, BFHNV 1996, 795 m.w.N.).
Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 FGO kann die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Die Anordnung der Sicherheitsleistung setzt im Rahmen der einheitlich zutreffenden Ermessensentscheidungen voraus, dass anderenfalls die Durchsetzung des Steueranspruchs im Falle des Unterliegens des Rechtsuchenden in der Hauptsache gefährdet oder erschwert wird (BFH, Beschluss vom 17.01.1996 V B 100/95, BFHNV 1996, 491). Das öffentliche Interesse der Vermeidung von Steuerausfällen nach der vorgenannten Rechtsprechung des BFH muss allerdings zurücktreten, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist oder wenn er zur Sicherheitsleistung außerstande ist.
Letztere Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Der entsprechende Artikel 17 der 6. EG-Richtlinie bestimmt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Der Steuerpflichtige ist danach befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer unter anderem die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände abzuziehen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert worden sind, soweit sie für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden.
Eine Lieferung liegt nach § 3 UStG vor, wenn der Unternehmer einem anderen Verfügungsmacht an einem Gegenstand verschafft. Nach dem entsprechenden Artikel 5 der 6. EG-Richtlinie gilt als Lieferung eines Gegenstandes die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.
Der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer trägt die Feststellungslast hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug. Entsprechende Tatsachen sind im Aussetzungsverfahren glaubhaft zu machen. Verbleibende Zweifel können eine Aussetzung der Vollziehung ausschließen oder rechtfertigen. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles und das Gewicht der Gründe, die Anlass zu Zweifeln geben.
Es bestehen entsprechende ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit angefochtenen Verwaltungsaktes.
Die Antragstellerin verfügt über Rechnungen der Firma N GmbH über die Lieferung von Handys, in denen die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen ist. Die rechnungsmäßigen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug liegen danach vor.
Die N GmbH ist Unternehmerin. Unternehmer ist, wer Lieferungen und sonstige Leistungen gegen Entgelt erbringt. Entgegenstehendes ergibt sich auch nicht aus der 6. EG-Richtlinie. Nach dem maßgeblichen Art. 4 der 6. EG-Richtlinie gilt als Steuerpflichtiger und damit dem Grunde nach als vorsteuerabzugsberechtigt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit, unter die nach Abs. 2 u.a. alle Tätigkeiten eines Händlers fallen, selbständig und unabhängig vom Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Die N GmbH hat in erheblichem Umfang Handys eingekauft und sowohl an die Antragstellerin wie auch an andere Unternehmer weiterverkauft. Ebenso ist die Antragstellerin Unternehmerin. Dies gilt bereits deshalb, weil sie unstreitig Lieferungen getätigt hat, die auch vom Antragsgegner nicht unter den Verdacht des Umsatzsteuermißbrauchs gestellt werden. Sie ist aber auch hinsichtlich der von ihr von der N GmbH eingekauften Handys als Händlerin am Markt aufgetreten und hat durch Weiterverkauf dieser Handys tatsächlich Lieferungen erbracht. Dies hat sie selbständig getan, da sich eine Fremdbestimmung auch aus den Ermittlungsakten nicht entnehmen lässt.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Antragstellerin sei in einem "Umsatzsteuerkarussell", und damit außerhalb des allgemeinen wirtschaftlichen Verkehrs tätig geworden. Denn real existierende Firmen und tatsächlich erfolgte Lieferungen schließen ein Tätigwerden außerhalb des allgemeinen wirtschaftlichen Verkehrs aus.
Soweit der Antragsgegner andeutet, dass keine Ware geliefert und deshalb keine Unternehmereigenschaft gegeben sein könnte, ist dies durch keine Anhaltspunkte belegt. Im Gegenteil geht der Antragsgegner außer in seinen nicht näher belegten Andeutungen im Übrigen selbst davon aus, dass Handys geliefert wurden. Soweit er ferner darauf hinweist, dass es sein könnte, dass andere als die in den Rechnungen ausgewiesenen Handys transportiert worden sein könnten, beweist dies nicht, dass keine Ware geliefert wurde. Dieser Gesichtspunkt könnte höchstens für die Frage, ob eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt, von Bedeutung sein, nicht jedoch für die Frage der Erbringung von Lieferungen und damit der Unternehmereigenschaft. Hinsichtlich der Unternehmereigenschaft der N GmbH ist ferner zu berücksichtigen, dass sie regelmäßig Umsatzsteuererklärungen abgegeben hat und bei ihr verschiedene Umsatzsteuerprüfungen stattgefunden haben, die zu keinen Beanstandungen führten. Selbst wenn sie Umsatzsteuern nicht in voller Höhe abgeführt haben sollte - wofür derzeit keine Nachweise vorliegen - würde dies ihre Unternehmereigenschaft nicht beseitigen.
Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass die in Rechnung gestellte Ware tatsächlich geliefert wurde. Eine Lieferung im umsatzsteuerrechtlichem Sinn besteht in der Verschaffung der Verfügungsmacht zu Gunsten des Leistungsempfängers (§ 3 Abs. 1 UStG). Das bedeutet, dass dem Leistungsempfänger Substanz, Wert und Ertrag an den betreffenden Gegenstand übertragen werden müssen. Dabei kann der Lieferer dem Abnehmer die Verfügungsmacht an dem Gegenstand auch dadurch verschaffen, dass er einen Dritten, der die Verfügungsmacht bislang inne hatte, mit dem Vollzug dieser Maßnahme beauftragt, mit der Folge, dass mit der Übergabe des Gegenstandes zugleich eine Lieferung des Dritten an den Lieferer und eine des Lieferers an seinen Abnehmer stattfindet. Dies ist ein im Umsatzsteuerrecht ausdrücklich geregelter Tatbestand.
Die Antragstellerin hat über ihren Angestellten C. Verträge mit der N GmbH über den Einkauf von Handys abgeschlossen. Dies wird vom Antragsgegner nicht bestritten. Die Geschäfte sind auch wie vereinbart durchgeführt worden. Anhaltspunkte dafür, dass es sich um Scheingeschäfte handelte, bei denen sich beide Parteien einig waren, dass Geschäft nicht wie erklärt durchführen zu wollen, sind durch nichts belegt. Tatsächlich sind der Antragstellerin vielmehr Paletten mit Handys von der N GmbH geliefert worden. Auch dies wird vom Antragsgegner nicht substantiiert bestritten. Vielmehr geht auch der Antragsgegner davon aus, dass regelmäßig Paletten über Speditionen durch Fahrer bewegt wurden. Auf Grundlage der getroffenen Vereinbarungen hat die N GmbH der Antragstellerin Verfügungsmacht an den Liefergegenständen verschafft. Die N GmbH lieferte die Ware zu einem kleinen Anteil in das Logistikzentrum der Antragstellerin in Stauffenberg und zum wesentlichen Teil an die Spedition Z GmbH in Aachen. Auch davon geht der Antragsgegner aus. Von dort wurde sie auf Anweisung der Antragstellerin an deren Kunden ausgeliefert. Der Eigentumserwerb der Antragstellerin vollzog sich bei Lieferungen zum Lager in Stauffenberg durch Einigung und Übergabe und bei Lieferungen über das Speditionslager im Wege des Geheißerwerbs (vgl. BGH Urteil vom 9. November 1998 II ZR 144/97, NJW 1999, 425). Die N GmbH wies ihre Geheißposition, ihren Spediteur oder Lagerhalter an, der Antragstellerin oder einer von ihr benannten Geheißpersonen den Besitz und das Eigentum der Waren zu verschaffen. Da die Waren unstreitig tatsächlich im Auftrag der Antragstellerin transportiert wurden, hat die Geheißperson der Antragstellerin Besitz erworben. Damit liegt die erforderliche Übergabe an die Antragstellerin vor. Durch die Anlieferung und Weiterveräußerung der Ware ist es zu einem Eigentums- und Besitzwechsel an der Ware gekommen, so dass von Lieferungen im umsatzsteuerlichen Sinne auszugehen ist. Selbst wenn ein Eingebundensein in ein festes Zuliefer- und Abnehmersystem bestanden hätte, wofür weder nach Darlegung des Antragsgegners noch sonst aus den Akten Anhaltspunkte ersichtlich sind, könnte dies nicht dazu führen, dass keine Verfügungsmacht verschafft würde. Denn eine Einbindung in feste Zuliefer- und Abnehmersysteme entspricht einer üblichen wirtschaftlichen Praxis und ist zur Vermeidung von Lieferantenausfällen nicht unüblich. Dass bei Auftragslieferungen oder Auftragsfertigungen im Zulieferbereich, die oftmals mit nur einem Großkunden in Lieferbeziehung stehen, wie z.B. in der Automobilindustrie, stets das Vorliegen einer Lieferung verneint wird, wird selbst von Finanzämtern nicht vertreten. Dass die Antragstellerin gezwungen gewesen wäre, ihre Ware von der N GmbH zu erwerben und an die Firma X S.L. zu veräußern ist weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Im Gegenteil ist durch den nachgewiesenen Verkauf der von der N GmbH eingekauften Handys auch an andere Unternehmen die freie Verfügungsmacht der Antragstellerin nachgewiesen.
Es bestehen ferner keine Anhaltspunkte, dass der Antragstellerin nicht die in den Rechnungen ausgewiesene Ware geliefert wurde. Soweit der Antragsgegner entgegenstehendes behauptet, bleibt es bei nicht substantiierten Andeutungen, die durch nichts belegt sind.
Gegenüber der Antragstellerin sind damit von einem anderen Unternehmer Lieferungen erbracht worden, für die in einer Rechnung Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen ist. Insofern hat die Antragstellerin die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG glaubhaft gemacht.
Der der Antragstellerin danach zustehende Vorsteuerabzug kann nicht mit dem Hinweis darauf verweigert werden, sie habe innerhalb eines Umsatzsteuerkarussells gehandelt, in der ein Missing Trader eingebunden gewesen sei. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass jedenfalls nicht der Lieferant der Antragstellerin, die N GmbH, der Missing Trader war. Denn diese hat, soweit ersichtlich, Umsatzsteuererklärungen abgegeben und Umsatzsteuer gezahlt. Die etwaige Nichtentrichtung der Umsatzsteuer durch irgend einen Vorlieferanten, kann nicht zu einer Versagung des Vorsteuerabzugs auf der Ebene der Antragstellerin führen, da insoweit keine Verknüpfung besteht. Es gibt keine gesetzliche Grundlage dafür, Unternehmern Ansprüche nach dem Umsatzsteuerrecht zu versagen, weil in einer Lieferkette ein Unternehmer die von ihm abzuführende Umsatzsteuer möglicherweise nicht gezahlt hat. Soweit dies teilweise in der Rechtsprechung geschieht (vgl. z.B. FG Saarland, Beschluss vom 13.05.2003, 1 V 22/03, EFG 2003, 1049) findet insoweit eine unzulässige Vermischung zwischen Umsatzsteuerrecht und Schadenersatz oder Haftungsansprüchen statt, die im Umsatzsteuerrecht keine Grundlage hat. Das Umsatzsteuergesetz kennt keine generelle Risikoverlagerung von dem Staat vorenthaltener Umsatzsteuern auf ein Unternehmen.
Erwägenswert wäre, einem Unternehmer den Vorsteuerabzug unabhängig von den umsatzsteuerrechtlichen Regelungen dann zu verweigern, wenn er sich mit seinen Handlungen außerhalb der Rechtsordnung stellen würde. Dass wäre dann der Fall, wenn er Geschäfte in bewusstem und willentlichen Zusammenwirken mit anderen nur zu dem Zweck abgeschlossen hätte, gemeinschaftlich und damit durch abgestimmtes Zusammenwirken rechtswidrig Vorsteuern ausgezahlt zu bekommen und damit den Staat bewusst betrügerisch zu schädigen. Für einen solchen, auf rechtswidriges Handeln gerichteten Zweck hätte die Antragstellerin keinen Anspruch auf staatlichen Rechtsschutz. Dies hat der Antragsgegner jedoch nicht glaubhaft gemacht.
Der Antragsgegner legte zwar eine Aufstellung über eine Lieferkette vor, aus der sich ein sogenanntes Umsatzsteuerkarussell hinsichtlich der Lieferungen der N GmbH an die Antragstellerin im Januar 2004 ergeben soll. Aus der Zusammenstellung der dortigen Rechnungen der verschiedenen Firmen ist jedoch nicht ersichtlich, dass jeweils die gleiche Ware mehrfach durch die gleichen Firmen verkauft wurde. Einerseits ist aus den Rechnungen nicht ersichtlich, dass es sich jeweils um die gleiche Ware handelte. Darüber hinaus fehlen Rechnungen verschiedener Firmen und Zahlungsnachweise, aus denen sich entsprechendes ergeben könnte. Ferner sind die in der Übersicht angegebenen Warenwege hinsichtlich der Identität der Waren nicht nachvollziehbar. Ein solcher Nachweis ist auch anhand der vorgelegten Unterlagen nicht nachvollziehbar. Er wird auch nicht durch Zeugenaussagen bestätigt. Zu den Warenbewegungen im Januar 2004 kann der Fahrer P schon deshalb keine Angaben machen, weil er nur bis zum 30. März 2003 bei der Z beschäftigt war. Der Fahrer O gab zwar an, dass Paletten hin- und hergefahren worden seien. Da er nach seiner Aussage aber weder auf Absender noch Empfänger der Waren geachtet hat, ergeben sich auch daraus keine Anhaltspunkte auf das vom Antragsgegner angenommene Umsatzsteuerkarussell. Die Aussage des Fahrers bezieht sich auf den Zeitraum Mai bis Ende September 2003, sodass sie ebenfalls keinen Bezug zu den vorliegenden Lieferungen hat.
Die Aussagen der Fahrer sind auch nicht als Indiz für die Annahme eines Umsatzsteuerkarussells für die im Januar 2004 ausgeführten Lieferungen verwertbar, da jeweils unklar bleibt, für wen und in wessen Auftrag jeweils die verschiedenen von ihnen genannten Transporte stattfanden. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass es sich tatsächlich um sinnlose Hin- und Hertransporte gehandelt hat. Ebenso ist aber auch denkbar, dass es sich um Warenlieferungen im Auftrag verschiedener Unternehmer durch dieselben Fahrer handelte.
Selbst wenn tatsächlich jeweils dieselben Lieferungen über die Antragstellerin in derselben Lieferkette mehrfach abgewickelt worden seien sollten, bestünde kein Anhaltspunkt dafür, dass die Antragstellerin im Sinne eines bewussten Mitwirkens an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt war. Soweit der Antragsgegner dies insbesondere auf die Kenntnis der Personen C. und A. stützt, ist dieser Nachweis weder hinsichtlich C. noch hinsichtlich A. hinreichend dargetan.
Dass C. tatsächlich auch im Bereich Export tätig war, ergibt sich aus der E-Mail vom 9. September 2003, in der MN ausdrücklich von A. angewiesen wurde, auch C.s Geschäfte in dieser Hinsicht zu überprüfen. Soweit der Antragsgegner sich auf die Aussage von MN stützt, konnte dieser zu einer Beteiligung an einem Umsatzsteuerkarussell selbst keine Aussage machen. Bei seiner Aussage, dass C., im Falle der fehlenden Unterschriften auf den Formblättern das gesamte Geschäft Ein- wie verkaufsmäßig durchgehandelt haben müsse, stellt eine Schlussfolgerung und kein Tatsachenwissen des Zeugen dar. Ferner gibt es keine Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken von C. und dem strafrechtlich gesondert verfolgten F. als Beteiligten der N GmbH. Unstreitig haben zwischen beiden Personen Kontakte bestanden und Gespräche stattgefunden. Allein aus diesem Umstand kann jedoch nicht geschlossen werden, dass ggf. F. C. über bestehende Umsatzsteuerkarussellgeschäfte informiert hat oder C. sogar gemeinschaftlich mit F. diese Geschäfte ausgeführt hat. Unabhängig davon geben die Anhaltspunkte der als Tatverdächtige gesondert verfolgten TS und ZK eher Hinweise dafür, dass C. an diesem Geschäften weder bewusst noch willentlich beteiligt war.
Selbst wenn C. wissentlich und willentlich in diese Geschäfte verstrickt war, weisen die Aussagen des Zeugen MN, wonach nach seiner Schlussfolgerung C. unter Ausscheidung der Organisationsstruktur die Geschäfte durchgehandelt haben muss, eher darauf hin, dass C. dies im eigenen Interesse getan hat mit der Folge, dass sein Handeln der Antragstellerin nicht zugerechnet werden kann.
Der Antragsgegner hat auch nicht hinreichend dargelegt, dass A. an Umsatzsteuerkarussellgeschäften beteiligt war oder davon gewusst hat. Der Antragsgegner schlussfolgert dies lediglich aus der zwischen C. und ihm bestehenden eingehenden Kommunikation. Diese ist in einem Betrieb sinnvoll und ausdrücklich erwünscht. Allein aus dem Grund einer eingehenden Kommunikation kann ein Wissen, dass bereits bei der das Wissen vermittelnden Person fraglich ist, jedoch nicht konstruiert werden. Der insofern fehlende Nachweis kann auch nicht durch die Behauptung ersetzt werden, C. habe über einen in der Organisation der Antragstellerin für seine Position unüblichen Firmenwagen verfügt.
Gleiches gilt für die vom Antragsgegner behauptete Verstrickung der Angestellten BY und TM und der behaupteten Abhängigkeit von C. Selbst wenn diese Personen, wie vom Antragsgegner behauptet, überdurchschnittlich oft bei "Schulungen" der Netzbetreiber, Hersteller oder ähnlichem berücksichtigt worden seien sollten, kann daraus nicht eine Verstrickung in Umsatzsteuerkarussellgeschäfte, die im Übrigen durch nichts belegt sind, konstruiert werden.
Die vom Antragsgegner behaupteten Verstrickungen der Antragstellerin in Umsatzsteuerkarusselle werden auch nicht durch ein seiner Ansicht nach nachgewiesenes Umsatzsteuerkarussellgeschäft vom 21.07.2003 belegt. Das im Bericht der Steufa Oldenburg vom 27.10.2003 dargestellte Geschäft ist keineswegs papiermäßig als lückenloses Karussellgeschäft belegt. Vielmehr werden eine Vielzahl von Zusatzannahmen gemacht, die ihrerseits nicht belegt sind. Selbst wenn ein Karussellgeschäft vorgelegen haben sollte, bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Antragstellerin wissentlich daran beteiligt war. Als singuläres Geschäft könnte es außerdem allenfalls ein Indiz für Lieferungen im Januar sein, dass Nachweise für Karussellgeschäfte im Januar jedoch nicht zu ersetzen vermag.
Letztlich kann der fehlende Nachweis einer Verstrickung in die Umsatzsteuerkarussellgeschäfte auch nicht durch die vom Antragsgegner behauptete angebliche unseriöse Tätigkeit der X S.L. und die Zweifel am Kalkulationsverfahren ersetzt werden.
Da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Antragstellerin in ein Umsatzsteuerkarussell willentlich eingebunden war und auch keine Zweifel an ihrer Liquidität bestehen, kam eine Aussetzung gegen Sicherheitsleistung nicht in Betracht.
Die Gewährung der AdV war möglich, obwohl der Antragsgegner der von der Antragstellerin eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldung Januar 2004 nicht ausdrücklich zugestimmt hat. Denn mit der Auszahlung des Vorsteuerguthabens in Höhe ... € aufgrund der Vereinbarung vom 14. bzw. 17. Juni 2004 hat der Antragsgegner inzident seine Zustimmung erklärt gehabt. Damit liegen auch die Voraussetzungen gem. § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.
Niedersächsisches FG:
Beschluss v. 13.05.2005
Az: 16 V 572/04
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