Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 27. August 1997
Aktenzeichen: 17 W 488/96
(OLG Köln: Beschluss v. 27.08.1997, Az.: 17 W 488/96)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens trägt der Beteiligte zu 1).
Gründe
Die Erinnerung gilt aufgrund ihrer Vorlage an den Senat als
sofortige Beschwerde (§ 11 Abs. 2 Rechtspflegergesetz); sie
begegnet keinen verfahrensrechtlichen Bedenken, hat aber in der
Sache keinen Erfolg. Der Rechtspfleger hat es zutreffend abgelehnt,
die von dem Beteiligten zu 1) als Mahnanwalt der Beteiligten zu 2)
vorgelegten Gerichtskosten des Mahnverfahrens gegen die S. B. GmbH
im Betrage von 150,00 DM in die Festsetzung der dem Beteiligten zu
1) gebührenden gesetzlichen Vergütung einzubeziehen. Der Senat hat
von jeher die Auffassung vertreten und hält auch nach erneuter
Prüfung daran fest, daß die Gerichtskosten, die der Rechtsanwalt
für seine Partei verauslagt hat, einer Festsetzung im Verfahren
nach § 19 BRAGO unzugänglich sind, weil sie nicht zur "gesetzlichen
Vergütung" des Anwalts gehören (z. B. Beschluß vom 24. Mai 1993 -
17 W 322/92 -, Rechtspfleger 1993, 462; ebenso aus neuerer Zeit z.
B. OLG Hamm, NJW-RR 1996, 763; OLG Karlsruhe, Rechtspfleger 1996,
83; OLG Koblenz MDR 1995, 104; OLG Karlsruhe, Rechtspfleger 1994,
341; KG MDR 1993, 483; OLG Frankfurt (4. Zivilsenat), JurBüro 1989,
1545; Gerold/Schmidtvon Eicken, BRAGO, 13. Auflage § 19 Rn. 16 mit
weiteren Nachweisen; Hartmann, Kostengesetze, 27. Auflage, § 19
BRAGO Rn. 6). Das Verfahren nach § 19 BRAGO ist auf die Festsetzung
der gesetzlichen Vergütung beschränkt, die dem Rechtsanwalt als
Prozeßbevollmächtigten, Beistand, Unterbevollmächtigten oder
Verkehrsanwalt zusteht. Die gesetzliche Vergütung umfaßt jedoch
nach § 1 Abs. 1 BRAGO ausschließlich die in der
Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vorgesehenen und geregelten
Gebühren und Auslagen. Der festsetzbaren gesetzlichen Vergütung
sind demnach lediglich die in den §§ 25 Abs. 3, 26 bis 28 BRAGO
bezeichneten Auslagenrrsatzansprüche zuzurechnen. Die Gegenmeinung,
die über den Wortlaut des Gesetzes hinaus auf Aufwendungen anderer
Art, die der Anwalt auch auf Bitten oder im mutmaßlichen
Einverständnis seines Auftraggebers macht, als Bestandteil der
gesetzlichen Vergütung für festsetzbar hält (aus neuerer Zeit z. B.
OLG Nürnberg, Anwaltsblatt 1994, 423; OLG Köln- 25. Zivilsenat -,
JurBüro 1991, 1063; Riedel/SußB.er-Fraunholz, BRAGO, 17. Auflage §
19 Rn. 12) erweitert den Anwendungsbereich des vereinfachten
Festsetzungsverfahrens mit Erwägungen, die in der gesetzlichen
Regelung keine Stütze finden und keine Handhabe bieten, den Begriff
der gesetzlichen Vergütung in § 19 Abs. 1 BRAGO anders zu verstehen
als er in § 1 Abs. 1 BRAGO definiert ist. Zu den Auslagen des
Anwalts, die nach den Vorschriften der Bundesgebührenordnung für
Rechtsanwälte zu bemessen sind, gehören verauslagte Gerichtskosten
nicht. Weder der Umstand, daß die Auslagenregelung der
Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte keine Beschränkung eines
weitergehenden materiellrechtlichen Aufwendungsersatzes darstellt,
noch die Erwägung, daß auch die spezialgesetzlich geregelten
Auslagen des Anwalts unter den Begriff der materiellrechtlich zu
erstattenden Aufwendungen im Sinne der §§ 675, 670 BGB fallen und
sich hinsichtlich ihres Anspruchsgrundes insoweit nicht von den vom
Rechtsanwalt für seinen Mandanten vorgelegten Gerichtskosten
unterscheiden, hilft über die gesetzliche Begrenzung des
vereinfachten Festsetzungsverfahrens hinweg. Nur solche Teile der
auf dem anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag beruhenden
Vergütung, die sich aus dem Anwaltsgebührenrecht herleiten lassen,
können der gesetzlichen Vergütung im Sinne der
Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte zugerechnet werden.
Inwiefern für den materiellrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch,
soweit er anwaltlich verauslagte Gerichtskosten zum Gegenstand hat,
etwas anders gelten soll, zeigt die Beschwerde nichts auf. Der
Hinweis von Lappe in seiner Anmerkung zum Senatsbeschluß vom 20.
Mai 1985 - 17 W 188/85 - Kostenrechtsprechung § 19 BRAGO Nr. 83 -
nur Leitsatz -, daß § 154 Abs. 2 KostO dem Notar ausdrücklich
gestattet, etwa vorgelegte Gerichtskosten in seine Kostenberechnung
aufzunehmen und sich zu ihr auch insoweit die Vollstreckungsklausel
zu erteilen, gibt für eine erweiternde Auslegung des § 19 BRAGO
nichts her. Das Fehlen einer entsprechenden Bestimmung im
Anwaltsgebührenrecht spricht im Gegenteil eher für die vom Senat
vertretene begriffliche Auffassung. Prozeßökonomische Erwägungen
können zwar ausnahmsweise zur Berücksichtigung unstreitiger
materiellrechtlicher Tatsachen in einem nicht zu ihrer Óberprüfung
bestimmten Festsetzungsverfahren führen. Óber das Fehlen einer
gesetzlichen Festsetzungsgrundlage helfen solche Gesichtspunkte
jedoch nach der vom Senat auch sonst (z. B. zur Frage der
Zulässigkeit einer Rückfestsetzung (vgl. JurBüro 1988, 494)
vertretenen Auffassung nicht hinweg.
Für eine Festsetzung der von dem Beteiligten zu 1) für die
Beteiligte zu 2) vorgelegten Gerichtskosten des gegen die S. B.
GmbH betriebenen Mahnverfahrens ist mithin kein Raum. Der
Beteiligte zu 1) wird einen ihm insoweit zustehenden
Aufwendungsersatzanspruch vielmehr im Prozeßwege geltend machen und
durchsetzen müssen.
Wie die vom Anwalt aus eigenen Mitteln vorgeschossenen
Gerichtskosten gehören auch die in der Zwangsvollstreckung für den
Mandanten vorgelegten Gerichtsvollzieherkosten zu den Aufwendungen,
deren Festsetzung im Verfahren nach § 19 BRAGO unzulässig ist.
Soweit die Rechtspflegerin die von dem Beteiligten zu 1) als
verauslagte Zustellungs- und Gerichtsvollzieherkosten angemeldeten
Kosten in die Vergütungsfestsetzung mit eingestellt hat, kommt
jedoch eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses zum Nachteil
des Beteiligten zu 1) wegen des auch im
Vergütungsfestsetzungsverfahren gemäß § 19 BRAGO geltenden Verbots
der Schlechterstellung des Rechtsmittelführers nicht in
Betracht.
Nicht zu beanstanden ist auch, daß die Rechtspflegerin den
Vollstreckungsversuch in der Wohnung des Geschäftsführers D. der S.
B. GmbH als bloße Fortsetzung des wegen eines Wohnungswechsels
fehlgeschlagenen Vollstreckungsversuchs unter der zuletzt bekannten
Anschrift der Geschäftsführerin Sc. der Schuldnerin der Beteiligten
zu 2) angesehen und als Vergütung des Beteiligten zu 1) für dessen
im Zusammenhang mit der Mobiliarzwangsvollstreckung gegen die S. B.
GmbH entfaltete anwaltliche Tätigkeit lediglich eine 3/10 Gebühr
gemäß § 57 BRAGO (nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer) in die
Festsetzung aufgenommen hat. Anders als die Beschwerde geltend
macht, sind diese Vollstreckungsversuche nur Teil einer einzigen
gebührenrechtlichen Angelegenheit. Zu ein und derselben
Vollstreckungsangelegenheit im Sinne des § 58 Abs. 1 BRAGO, für die
der Anwalt die Gebühr des § 57 BRAGO gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BRAGO
nur einmal fordern kann, zählen grundsätzlich die gesamten zu einer
bestimmten Vollstreckungsmaßnahme gehörenden, miteinander in einem
inneren Zusammenhang stehenden Vollstreckungshandlungen, beginnend
mit der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung bis zur Befriedigung
des Gläubigers oder sonstigen Beendigung der Maßnahme. Der Begriff
der Vollstreckungsangelegenheit schließt eine Vielzahl anwaltlicher
Tätigkeiten zu einer gebührenrechtlichen Einheit zusammen, wobei
auch hier der dem Anwalt erteilte Auftrag das in erster Linie
maßgebende Kriterium ist, wie dies im Rahmen des § 13 Abs. 2 Satz 1
BRAGO allgemein anerkannt ist (vgl. BGH JurBüro 1984, 1481 mit
weiteren Nachweisen). Mehrere gleichartige Vollstreckungshandlungen
bilden deshalb eine einzige Gebührenangelegenheit, wenn und soweit
sie darauf gerichtet waren, eine bereits in Gang gebrachte
Vollstreckungsmaßnahme - erfolgreich - abzuschließen und sich als
bloße Fortsetzung früherer Vollstreckungshandlungen darstellen
(vgl. Nur Gerold-Schmidtvon Eicken, BRAGO, 13. Auflage, § 58 Rn. 2
und 4 und Keller in Riedel/SußB.er, BRAGO, 7. Auflage, § 58 Rn. 6).
Gemessen an diesen Grundsätzen aber kann in dem Auftrag vom 20.
Juli 1993, die titulierte Forderung der Beteiligten zu 2) gegen die
S. B. GmbH in der Wohnung des Geschäftsführers D. der Schuldnerin
im Wege der Mobiliarzwangsvollstreckung einzuziehen, keine neue
Angelegenheit gesehen werden, weil dadurch letztlich nur der unter
dem 1. Juli 1993 erteilte Vollstreckungsauftrag erweitert worden
ist. Es ist allgemein anerkannt, daß mehrere gegen denselben
Schuldner wegen derselben Forderung durchgeführte
Vollstreckungsversuche jedenfalls dann keine neue Angelegenheit
begründen, wenn der dem ersten Vollstreckungsversuch
zugrundeliegende Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher
wegen eines Wohnungswechsels des Schuldners nicht erledigt werden
konnte und deshalb wiederholt werde mußte, dies auch dann nicht,
wenn aufgrund des erneuerten Auftrags ein anderer
Gerichtsvollzieher an einem anderen Ort tätig wird (vgl. hierzu
Gerold/Schmidtvon Eicken, a.a.O., Rn. 7 und die Nachweise aus der
Rechtsprechung bei Riedel/SußB.er-Keller, a.a.O., Rn. 6). Denn in
Fällen dieser Art stellen sich die mehreren Vollstreckungsversuche
sowohl inhaltlich als auch in ihrer Zielrichtung als eine Einheit
dar. Der gegebene Fall rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der
Beteiligte zu 1) trägt selbst vor, daß die Firma S. B. GmbH damals
"keinen eigenen Betriebssitz mehr unterhielt", und daß deshalb im
Rahmen der Mobiliarzwangsvollstreckung nur noch auf etwaige
Vermögenswerte der GmbH mit Besitz der Geschäftsführer habe
zugegriffen können. Bei dieser Sachlage hat der Beteiligte zu 1)
mit dem von ihm als Bevollmächtigten der Beteiligten zu 2)
veranlaßten Vollstreckungsversuch bei dem Geschäftsführer D.
lediglich eine bereits eingeleitete Vollstreckungsmaßnahme, nämlich
die unter der zuletzt bekannten Anschrift der Geschäftsführerin Sc.
als Folge ihres Wegzuges erfolglos verlaufene
Vollstreckungshandlung mit demselben Ziel fortgesetzt, zumal der
Beteiligte zu 1) fraglos von Anfang an entschlossen war, alle in
Betracht kommenden Zugriffsmöglichkeiten auszuschöpfen. Der
Umstand, daß der Beteilige zu 1) die Vollstreckung bei dem
Geschäftsführer D. der S. B. GmbH erst in die Wege geleitet hat,
nachdem sich herausgestellt hat, daß die Geschäftsführerin Sc.
inzwischen verzogen war, steht demnach der Annahme, daß sich
insoweit für den Beteiligten zu 1) in Wahrheit um eine einheitliche
Vollstreckungsmaßnahme gehandelt hat, nicht entgegen. Die
Gleichartigkeit und der innere Zusammenhang der beiden
Vollstreckungshandlungen rechtfertigen und erfordern es vielmehr,
sie als Einheit zu behandeln, so daß der Beteiligte zu 1 insoweit
in ein und derselben Angelegenheit tätig geworden und die Gebühr
des § 57 BRAGO nur einmal ausgelöst worden ist.
Im übrigen ist bisher nichts dafür dargetan, aus welchen Gründen
der Beteiligte zu 1) die Aufträge zur Mobiliarzwangsvollstreckung
bei der Geschäftsführerin Sc. der S. B. GmbH und in der Wohnung des
Geschäftsführers D. nicht gleichzeitig erteilt hat. Wären die
Aufträge dazu gleichzeitig vergeben worden, wäre die 3/10 Gebühr -
wie stets, wenn der Anwalt aufgrund eines ihm vom Gläubiger
erteilten einheitlichen Vollstreckungsauftrages mehrere
gleichartige Vollstreckungshandlungen in die Wege leitet - nur
einmal angefallen. Es liegt nämlich nur eine Angelegenheit vor,
wenn wegen der Möglichkeit, daß der Schuldner an verschiedenen
Orten über pfändbares Vermögen verfügt, gleichzeitig mehrere
Gerichtsvollzieher mit der Mobiliarzwangsvollstreckung beauftragt
werden (so auch Riedel/SußB.er-Keller, a.a.O. Rn. 6; a.A. LG
Frankenthal, JurBüro 1979, 1325 mit ablehnender Anmerkung von
Mümmler a.a.O.).
Aus alledem folgt, daß der Auftrag zur
Mobiliarzwangsvollstreckung bei dem Geschäftsführer D. der S. B.
GmbH für den Beteiligten zu 1) keine neue Gebühr hat zur Entstehung
gelangen lassen. Vielmehr kann der Beteiligte zu 1) von der
Beteiligten zu 2) als gesetzliche Vergütung für die im Zusammenhang
mit dem unter der Anschrift der Geschäftsführerin Sc. veranlaßten
Vollstreckungsversuch und der nachfolgenden Vollstreckungshandlung
bei dem Geschäftsführer D. nur die bereits festgesetzten 361,33 DM
verlangen, so daß es bei dem angefochtenen Beschluß verbleiben
muß.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Streitwert des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens: 511,32
DM.
OLG Köln:
Beschluss v. 27.08.1997
Az: 17 W 488/96
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