Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Juli 2005
Aktenzeichen: 24 W (pat) 76/04

(BPatG: Beschluss v. 26.07.2005, Az.: 24 W (pat) 76/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Januar 2004 insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der Waren "Bleichmittel, Weichspüler, Geschirrspülmittel" der Antrag auf Löschung der Marke 302 26 264 zurückgewiesen worden ist.

Die Löschung der Marke 302 26 264 wird auch hinsichtlich der genannten Waren angeordnet.

Gründe

I.

Die Wortmarke MARSIGLIA ist für die Waren

"Seifen; Wasch- und Bleichmittel; Putz- und Poliermittel; Fettentfernungs- und Schleifmittel; Weichspüler; Geschirrspülmittel; Wäschestärke; Lufterfrischer (Duftstoffe); Desinfektionsmittel"

am 17. Juni 2002 unter der Nummer 302 26 264 in das Markenregister eingetragen worden.

Gegen diese Markeneintragung ist Löschungsantrag gem. § 50 Abs 1 Nr 3 MarkenG gestellt worden. Diesem ihr am 2. Februar 2003 zugestellten Löschungsantrag hat die Antragsgegnerin mit am 6. Februar 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schriftsatz widersprochen.

Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 16. Januar 2004 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für die Waren "Seifen, Waschmittel und Putzmittel" gem. § 50 Abs 1 Nr 3 (a F) in Verbindung mit § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG angeordnet und den Löschungsantrag im übrigen zurückgewiesen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, "MARSIGLIA" sei das italienische Wort für die französische Stadt Marseille. Vom Namen dieser Stadt leite sich der Begriff "Marseiller Seife" ab, der eine nach traditionellem Rezept aus Baumölen ohne Zusatz von künstlichen Tensiden, Duftstoffen usw. hergestellte Seife bezeichne, die nicht nur zur Körperpflege, sondern auch als Reinigungsmittel für Fußböden und als Waschmittel eingesetzt werde. Zwar besitze die Marke für alle eingetragenen Waren die gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft, weil man nicht davon ausgehen könne, dass entscheidungserhebliche Teile der angesprochenen breiten Verkehrskreise die Bedeutung der italienischsprachigen Ortsangabe "MARSIGLIA" erkennen würden. Jedoch könne "Marseille" (bzw. "MAR-SIGLIA") in zweierlei Beziehung als beschreibende Angabe für die genannten Waren dienen, nämlich einmal als Bezeichnung des Herstellungsortes und zum anderen als Hinweis auf die Beschaffenheit (Rezeptur). Da "Marseiller Seife" nicht nur zur Körperpflege sondern außerdem als Reinigungsmittel für Fußböden und als Waschmittel eingesetzt werde, liege auch eine beschreibende Bedeutung für die Waren "Waschmittel" und "Putzmittel" vor. Das Markenwort werde darum von Mitbewerbern der Markeninhaberin beim Im- und Export bzw. beim inländischen Warenvertrieb benötigt, wenn etwa eine flüssige Seife unter der Bezeichnung "Detergente liquido Marsiglia" (flüssiges Reinigungs- und Waschmittel) importiert und auf dem deutschen Markt angeboten werde. Die übrigen Waren enthielten jedoch keine oder jedenfalls keine wesentlichen Seifenbestandteile, so dass insoweit kein konkretes Bedürfnis der Mitbewerber an der beschreibenden Verwendung des Begriffs "MARSIGLIA" ersichtlich sei.

Eine Eignung der angegriffenen Marke zur Täuschung im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 4 MarkenG sei nicht gegeben, weil die Marke nicht in jedem denkbaren Fall ihrer anmeldungsgemäßen Verwendung eine unrichtige Angabe enthalte. Die Waren des Warenverzeichnisses könnten aus Marseille stammen oder - soweit es die von der Löschungsanordnung erfassten betreffe - "Marseiller Seife" darstellen bzw. enthalten. Hinsichtlich der nicht von der Löschung betroffenen Waren des Warenverzeichnisses sei erstens zu berücksichtigen, dass allenfalls nur ein sehr geringer Teil des Verkehrs die Bedeutung des italienischen Wortes erkenne. Zweitens lägen entsprechende Vermutungen angesichts der Waren, die allenfalls ganz geringfügige Seifenanteile enthalten könnten, äußerst ferne.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die vorträgt, den Ausführungen der Markenabteilung könne für die Waren "Geschirrspülmittel, Bleichmittel und Weichspüler" nicht gefolgt werden. Zum Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke habe dieser auch hinsichtlich dieser Waren die gem § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft gefehlt, was auch heute noch der Fall sei. Da auf dem deutschen Markt "Marseiller Seife" angeboten worden sei und werde, kenne der deutsche Verbraucher diese Seifenart. Der Hinweis auf "Marseiller Seife" beschreibe auch die Beschaffenheit sonstiger Waschsubstanzen, weil diese große Anteile anionischer Tenside, also Seifenstoffe, enthielten und dieser Umstand damit eine wesentliche Eigenschaft der Ware darstelle. Auch in ihrer Bedeutung als geographische Herkunftsangabe sei "MARSIGLIA" zur Beschreibung der og Waren geeignet, weil angesichts der seit über 100 Jahren in Marseille ansässigen Seifenhersteller zu erwarten sei, dass die dortigen Unternehmen der chemischen Industrie auch andere Reinigungs- und Waschmittel oder mit diesen verwandte Waren herstellten. Zumindest brächten die Verbraucher die Waren mit Marseille in Verbindung und verbänden positive Vorstellungen mit diesem Ort, was nach der Rechtsprechung bereits zur Schutzunfähigkeit führen könne. Es sei unerheblich, dass es sich bei "MARSIGLIA" um ein Wort der italienischen Sprache handele, denn der deutsche Verkehr besitze aufgrund des regen Handels innerhalb der Europäischen Union und der Öffnung des Waren- und Dienstleistungsverkehrs sowie von Urlaubsreisen her ausreichende Italienischkenntnisse, zu denen auch Städtenamen gehörten. Auch lebten in Deutschland zahlreiche Personen, deren Muttersprache das Italienische sei.

Hinzu komme ein Freihaltungsbedürfnis im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, weil ein Interesse der Mitbewerber bestanden habe und noch bestehe, die Bezeichnung "MARSIGLIA" auf den Originalverpackungen beim Im- und Export beschreibend zu verwenden.

Da maßgebliche Teile des deutschen Verkehrs die Marke mit "Marseiller Seife" assoziierten und Weichspüler zu nicht unwesentlichen Teilen (kationische) Tenside enthielten, die aber nicht mit Seife gleichzusetzen seien, bestehe außerdem auch eine ersichtliche Täuschungsgefahr.

Die Antragstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit der Löschungsantrag hinsichtlich der Waren "Geschirrspülmittel, Bleichmittel und Weichspüler" zurückgewiesen worden ist, und auch insoweit die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Antragsgegnerin hat im Verfahren vor dem Bundespatentgericht weder Anträge gestellt noch sich in der Sache geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere auf eine Recherche des Senats, die den Verfahrensbeteiligten übersandt worden ist, Bezug genommen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei der angegriffenen Marke auch für die Waren "Geschirrspülmittel, Bleichmittel und Weichspüler" um eine beschreibende Angabe, die nicht in das Register hätte eingetragen werden dürfen (§ 50 Abs 1 Nr 3 (aF) bzw § 50 Abs 1 (nF) iVm § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG).

Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen (und daher nach § 50 Abs 1 MarkenG gegebenenfalls zu löschen), die nur aus Angaben bestehen, die im Verkehr u.a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können (vgl BGH GRUR 2000, 882, 883 "Bücher für eine bessere Welt"; EuGH Mitt. 2004, 28, 29 - Nr 29 ff - "Doublemint"). Solche Zeichen oder Angaben müssen im Allgemeininteresse allen Unternehmen zur freien Verfügung belassen werden (vgl EuGH GRUR 2004, 674, 676 - Nr 54, 55 - "Postkantoor"; EuGH GRUR 2004, 680, 681 - Nr 34 ff - "BIOMILD"). Dies gilt grundsätzlich auch für geografische Angaben. (vgl EuGH GRUR 1999, 723, 726 - Nr 31 ff - "Chiemsee"; BGH GRUR 2003, 882, 883 "Lichtenstein").

Die Markenabteilung ist zu Recht davon ausgegangen, dass "MARSIGLIA" die italienischsprachige Bezeichnung für die südfranzösische Stadt Marseille darstellt, in der ua chemische Industrie sowie Seifen- und Ölfabriken angesiedelt sind (vgl Westermann, Lexikon der Geographie, 2. Aufl.; wissen.de online Lexikon, jeweils Stichwort "Marseille"). Es trifft auch zu, dass Seifenprodukte unter der Bezeichnung "Marseiller Seife" in Deutschland sowohl gegenwärtig wie auch im Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke im Handel sind und waren. Bei "Marseiller Seife" handelt sich um ein Naturprodukt, das aus natürlichen Ölen gesotten wird und erstmalig im 17. Jahrhundert in Marseille hergestellt wurde, woraus sich die Bezeichnung für diese Seifenart herleitet, die nunmehr in aller Welt produziert wird (vgl etwa Anlagen zum Löschungsantrag Kreidezeit Naturfarben GmbH, Produktinformation Marseiller Seife; http://www.kremerpigmente.de789045.htm "Marseiller Seife" sowie http://www.frankreichsued.de/marseilleserver/Einkaufen.htm; http://66.102. 7.104/search€q=cache: qsv=vrD7Gh0J:www.aromashop24.de/naturseife.htm). "Marseiller Seife" wird in zahlreichen Wasch-, Putz-, Reinigungs- und Spülmitteln verwendet. So gehören zum Sortiment der Firma REALCHIMICA etwa Reinigungsmittel, Waschmittel, Entfettungsmittel und zahlreiche weitere Waren des Wasch- und Reinigungsmittelsektors, die aus "Marseiller Seife" bestehen und mit "Sapone di Marsiglia" oder schlagwortartig mit "MARSIGLIA" bezeichnet werden (vgl http://www. realchimica.com/chanteclair.htm sowie die dazugehörige Produktliste). In diesen Warenbereich fallen auch die verfahrensgegenständlichen "Geschirrspülmittel, Bleichmittel und Weichspüler". Nach Auffassung des Senats kann zwischen diesen Produkten und "Wasch- und Putzmitteln", für die die Markenabteilung die Löschung angeordnet hat, nicht in einer Weise differenziert werden, welche die von der Markenabteilung vorgenommene unterschiedliche rechtliche Bewertung rechtfertigen könnte. Die Übergänge zwischen den genannten Warengruppen sind gleitend, weil diese sich hinsichtlich Inhaltsstoffen und Eigenschaften oft stark überschneiden. Einerseits enthalten Wasch- und Putzmittel neben Tensiden, wie sie in Seifen vorkommen, auch Komponenten, die bleichende und wasserenthärtende Wirkung besitzen. Andererseits gibt es praktisch keine Bleichmittel und Weichspüler ohne jegliche reinigende Wirkung und Tensidkomponenten. Bei Geschirrspülmitteln steht ohnehin die reinigende, fettentfernende Wirkung, die durch Tenside erzeugt wird, im Vordergrund. So sind neben Wasch- und Reinigungsmitteln auch auf der Basis von "Marseiller Seife" hergestellte Weichspülmittel ("AMMORBIDENTE IGIENIZZANTE MARSIGLIA"), Fettentfernungsmittel ("SGRASSATORE MARSIGLIA") und Geschirrspülmittel ("Liquido Piatti Marsiglia") Bestandteil des Angebots der Firma REALCHIMICA. Entgegen der Meinung der Markenabteilung handelt es sich bei dem Markenwort somit auch um eine Beschaffenheitsangabe für die noch verfahrensgegenständlichen Waren (vgl auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rn 288).

Zwar steht der Eintragung von fremdsprachlichen Ortsangaben in anderen Sprachen als des Herkunfts- und Abnehmerlandes im allgemeinen nicht der Schutzversagungsgrund des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegen, weil die geografische Herkunft einer Ware meist nur in den Sprachen des Absenders und/oder Empfängers bezeichnet wird (vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 8 Rn 321). Dies kann jedoch nicht gelten, wenn - wie hier - die geografische Angabe zugleich den wesentlichen Bestandteil einer Beschaffenheitsangabe für die streitgegenständlichen Waren in einer Welthandelssprache darstellt. Angesichts der wirtschaftlichen Verflechtungen und des internationalen Handels vor allem in der Europäischen Union ist es üblich, Waren auf Prospekten, im Internet oder auf Verpackungen und Anleitungen in verschiedenen wichtigen europäischen Sprachen, zu denen auch das Italienische gehört, zu beschreiben. Insofern kommt daher auch die fremdsprachige Bezeichnung "MARSIGLIA" zur Beschreibung der verfahrensgegenständlichen Waren konkret in Betracht und es besteht ein berechtigtes Interesse aller auf dem betreffenden Gebiet tätigen Unternehmen an der freien Verwendung dieser Angabe (vgl dazu EuGH GRUR 2004, 674, 676 - Nr 54 ff - "Postkantoor").

Der Umstand, dass die angegriffene Marke sowohl die Stadt Marseille als auch wesentliche Bestandteile der verfahrensgegenständlichen Waren bezeichnet, kann ebenfalls die Schutzfähigkeit nicht begründen. Denn nach der Rechtsprechung kommt es nicht darauf an, ob die betreffende Angabe noch weitere Bedeutungen aufweist (EuGH GRUR 2004, 680, 681 - Nr 38 - "BIO-MILD"; EuGH GRUR 2004, 674, 678 - Nr 97 - "Postkantoor").

Somit handelte und handelt es sich bei der angegriffenen Marke für die Waren "Geschirrspülmittel, Bleichmittel und Weichspüler" um eine beschreibende Angabe, deren Löschung anzuordnen ist (§ 50 Abs 1 iVm § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG).

2. Da die Löschung im beantragten Umfang bereits gem § 50 Abs 1 iVm § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG anzuordnen war, kann dahingestellt bleiben, ob der angegriffenen Marke zum Zeitpunkt ihrer Eintragung auch die gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft fehlte oder ob sie gem § 8 Abs 2 Nr 4 MarkenG zur Täuschung des Publikums geeignet war und ob diese Eintragungshindernisse gegenwärtig noch fortbestehen.

3. Es besteht kein Anlass, einer der Verfahrensbeteiligten aus Billigkeitsgründen die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Dr. Ströbele Richter Prof. Dr. Hacker ist wegen Urlaubs an der Unterzeichnung verhindert Dr. Ströbele Guth Bb






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Beschluss v. 26.07.2005
Az: 24 W (pat) 76/04


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