Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Dezember 2004
Aktenzeichen: 32 W (pat) 388/02
(BPatG: Beschluss v. 01.12.2004, Az.: 32 W (pat) 388/02)
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 41 - vom 30. August 2002 aufgehoben, soweit die angemeldete Marke für die Dienstleistungen "Film-, Fernsehproduktion, Filmverleih, Filmvorführung; Herausgabe von Verlagserzeugnissen (Druckschriften sowie Bild- und Tonträger aller Art)" zurückgewiesen worden ist.
Gründe
I.
Die Anmeldung der Wortmarke Rainer Werner Fassbinderist vom Deutschen Patent- und Markenamt teilweise und zwar hinsichtlich der Waren und Dienstleistungenbespielte Tonträger, insbesondere Schallplatten, Compact Discs, Minidiscs, Tonbänder und Tonkassetten (Compact-Kassetten); bespielte Bildträger (soweit in Klasse 9 enthalten), insbesondere Videoplatten (Bildplatten), Compact-Discs (CD-Video, CD-ROM und CD-i), Videofolien, -kassetten und -bänder, Laserdiscs, Picturediscs; Magnetaufzeichnungsträger sowie zukünftige digitale Datenträger wie z.B. DVD; belichtete Filme; Foto-CD; Druckereierzeugnisse; Fotographien; Film-, Fernsehproduktion, Filmverleih, Filmvorführung; Herausgabe von Verlagserzeugnissen (Druckschriften sowie Bild- und Tonträger aller Art)
wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung zurückgewiesen worden. Zur Begründung wurde ausgeführt, im Kontext mit den zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen würden die angesprochenen Verkehrskreise die Marke nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft, sondern lediglich als Inhaltsangabe wahrnehmen. Die versagten Waren und Dienstleistungen seien ohne Ausnahme mit dem Inhalt einer Auseinandersetzung mit Leben und Werk des Rainer Werner Fassbinder vorstellbar.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie - die Anmelderin - sei aufgrund von Verträgen mit den Erben des verstorbenen Filmemachers zur Anmeldung berechtigt. Als gemeinnützige Gesellschaft habe sie den Auftrag, den Nachlass des Künstlers zu verwalten und dessen künstlerisches Erbe umfassend auszuwerten. Die markenmäßige Verwertung des Schaffens des Rainer Werner Fassbinder sei nur unter Nutzung einer geschützten Marke möglich. Für die versagten Dienstleistungen sei die Marke unterscheidungskräftig.
In der mündlichen Verhandlung wurde die Sach- und Rechtslage, auch bezüglich der genauen Firmenbezeichnung der Anmelderin, eingehend erörtert. Die Anmelderin hat erklärt, dass bei der Anmeldung versehentlich eine fehlerhafte Firmenbezeichnung gewählt worden sei, dass ihre Firma aber über die gesamte Zeit des Eintragungsverfahrens (einschließlich des gerichtlichen Verfahrens) unverändert geblieben ist.
Der Senat hat die Zustellung einer Entscheidung an Verkündungs Statt beschlossen. In einem nachgereichten Schriftsatz vom 5. Januar 2005 hat die Anmelderin gemäß gerichtlicher Auflage einen Handelsregisterauszug (Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, HRB 43193) vorgelegt sowie auf die bisher weiterhin beanspruchten, von der Markenstellen versagten Waren verzichtet.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Nach der auch noch nach Abschluss der mündlichen Verhandlung zulässigen Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses stehen einer Eintragung der angemeldeten Marke für die versagten Dienstleistungen weder das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), noch das einer Bezeichnung im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
1. Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist, unbeschadet der erforderlichen gründlichen Prüfung grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (st. Rspr.; vgl BGH BlPMZ 2002, 85 - Individuelle).
Für die zurückgewiesenen Dienstleistungen ist der Name Rainer Werner Fassbinder keine im Vordergrund stehende Sachangabe. Die Dienstleistungen richten sich an die allgemeinen deutschen Verkehrskreise. Es ist davon auszugehen, dass der beanspruchte Name - so wie andere Eigennamen auch - von Haus aus einen individualisierenden Charakter aufweist und deshalb zur Erfüllung der Herkunftsfunktion geeignet ist. Bei bekannten Personen ist die Möglichkeit einer herkunftshinweisenden Individualisierung nicht von vornherein ausgeschlossen, zumal der Verkehr daran gewöhnt ist, dass z.B. Spitzensportler oder Künstler ihre Namen als Werbeträger bestimmten Unternehmen zur Verfügung stellen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 8 Rdn 161). Bei einem markenmäßigen Gebrauch des Namens verstorbener, aber weiterhin allgemein bekannter Personen - wie hier dem des Filmregisseurs Rainer Werner Fassbinder - liegt die Annahme nicht fern, die Erben bzw. sonstige Berechtigte seien so verfahren oder stünden in anderer Weise hinter der Marke. Die Auffassung der Markenstelle, der Bezeichnung werde der Hinweis entnommen, es gehe umeine biographische Auseinandersetzung mit R.W. Fassbinder, liegt für die jetzt noch im Streit stehenden Dienstleistungen nicht wirklich nahe. Im Übrigen wäre eine Einschränkung des Verzeichnisses in Form eines sog. Disclaimers nach der Postkantoor-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (GRUR 2004, 674) wohl nicht mehr zulässig; der Senatsbeschluß 32 W (pat) 245/99 - Karl May, auf den die Markenstelle hingewiesen hat, ist in der Sache überholt.
2. Die Marke ist auch nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, denn sie besteht nicht ausschließlich aus Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Dienstleistungen dienen können. Es konnten keine Feststellungen dahingehend getroffen werden, dass die Marke unmißverständlich ein Merkmal der noch beanspruchten Dienstleistungen beschreibt.
Bei den in irgendeiner Weise auf Filme bezogenen Dienstleistungen liegt die Annahme nicht nahe, diese hätten - ausschließlich oder vorwiegend - solche zum Gegenstand, in denen Rainer Werner Fassbinder Regie geführt oder als Darsteller mitgewirkt hat. Dass Lichtspieltheater (Kinos), d.h. die - auch in Zeiten des Fernsehens - wichtigsten Stätten für die Vorführung von Filmen, ihre Programme ausschließlich auf Filme eines Regisseurs (und/oder eines Schauspielers) ausrichten, kann mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Benennung einer Vorführungsstätte nach einem bekannten Regisseur ist nicht anders zu beurteilen, als wenn ein Theater den Namen eines verstorbenen Dichters (oder auch Schauspielers) führt. Niemand wird ernsthaft annehmen, dass z.B. ein Goethe-Theater, Schiller-Theater usw. nur Werke dieser Autoren aufführt, nicht aber die anderer - toter oder lebender - Verfasser von Dramen und Komödien. Vielmehr wird die Vorstellung nahe liegen, dass mit einer derartigen Bezeichnung der betreffende Dichter usw. geehrt und sein Ansehen auf das Theaterunternehmen gelenkt werden soll, allenfalls noch, dass die Theaterleitung zum Ausdruck bringen will, sie fühle sich der (klassischen, humanistischen) Tradition des betreffenden Autors und seiner Zeit verbunden.
Wenn also ein Lichtspieltheater nach Rainer Werner Fassbinder benannt ist, wird das Publikum im Allgemeinen davon ausgehen, dieses widme sich (als sog. Programmkino) in besonderer Weise dem künstlerisch ambitionierten Film, für den der Name dieses Regisseurs zu Lebzeiten stand und für Filmliebhaber auch heute noch steht, nicht aber, dass dort ausschließlich Fassbinder-Filme - so viele gibt es nun auch wieder nicht - zur Vorführung gelangen. Nichts anderes gilt für Dienstleistung "Filmverleih".
Bei den Dienstleistungen "Film- und Fernsehproduktion" denkt der Verkehr zunächst an Neuproduktionen, nicht aber daran, dass es um die Bearbeitung früherer Filme, etwa die Rekonstruktion von Urfassungen gehen könnte. Für Dienstleistungen sind Marken nur dann schutzfähig, wenn es sich um selbständige Dienstleistungen handelt, die Dritten gegenüber angeboten und erbracht werden. Dass die Anmelderin u.U., z.B. für ihr eigenes Archiv, Fassbinder-Filme bearbeitet oder rekonstruiert, hat somit im vorliegenden Zusammenhang unberücksichtigt zu bleiben (hierin läge auch keine rechtserhaltende Benutzung der Marke). Wenn also eine auf dem Markt tätig Produktionsfirma sich nach einem verstorbenen Regisseur wie Rainer Werner Fassbinder benennt, so ist eine solche Bezeichnung - unabhängig davon, ob dieser auch als Produzent tätig war - für die beanspruchten Dienstleistungen auf dem Film- und Fernsehsektor nicht unmittelbar beschreibend.
Entsprechendes gilt für die verlegerische Tätigkeit in Bezug auf Druckerzeugnisse sowie Bild- und Tonträger. Dass ein Verlagshaus sich nur dem Schaffen eines Autors widmet und sich dann auch noch nach diesem benennt, stellt eine sehr seltene Ausnahme dar (etwa im Fall der Werke Karl Mays). Der Name eines verstorbenen Künstlers ist daher grundsätzlich geeignet, als Verlagsbezeichnung zu dienen. Ob für typische Verlagsprodukte (Bücher, Zeitschriften, Ton- und Bildträger aller Art) eine andere Beurteilung angebracht wäre, kann - nachdem die Anmelderin diese Waren nicht mehr beansprucht - offen bleiben. Auch der Bundesgerichtshof hat (allerdings in etwas anders gelagerten Entscheidungen, die sich auf Marken, die zugleich Werktitel sind, beziehen) zwischen der Ware (Bücher usw.) und der Dienstleistung (Verlag) differenziert (vgl. GRUR 2001, 1043 -- Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Für Autorennamen kann aber im Ergebnis nichts anderes gelten.
Der Senat hat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der als Marke angemeldete Name für die jetzt noch streitbefangenen Dienstleistungen in absehbarer Zukunft als unmißverständliche Produktmerkmalsbezeichnung (wobei dieser Begriff auch für Dienstleistungen verwendet wird) dienen könnte.
Viereck Müllner Kruppa Hu/Cl
BPatG:
Beschluss v. 01.12.2004
Az: 32 W (pat) 388/02
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