Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg:
Beschluss vom 26. Juli 2011
Aktenzeichen: OVG 1 K 8.09
(OVG Berlin-Brandenburg: Beschluss v. 26.07.2011, Az.: OVG 1 K 8.09)
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 24. November 2008 wird zurückgewiesen.
Die Erinnerungsführer tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung über die Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung, §§ 165, 151 VwGO) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts vom 9. Oktober 2008 ist unbegründet.
Mit dem genannten Kostenfestsetzungsbeschluss hat das Verwaltungsgericht die von dem Erinnerungsgegner an die Erinnerungsführer für das Verfahren 4 K 460/02 zu erstattenden Kosten auf 3.949,53 Euro festgesetzt und dabei auf die Verhandlungs-, Beweis- und Vergleichsgebühr (§ 61 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 31 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 sowie § 23 Abs. 1 BRAGO) jeweils einen Abschlag von 10 % vorgenommen. Die hiergegen erhobene Erinnerung hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Dagegen richtet sich € ohne Erfolg - die Beschwerde.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass auf die genannten Gebühren des Verfahrensbevollmächtigten der Erinnerungsführer Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 Buchst. a) des Einigungsvertrages (BGBl. 1990 II S. 889, 936) mit dem darin geregelten Gebührenabschlag anzuwenden ist. Diese Bestimmung, die die Erstreckung der seinerzeitigen BRAGO auf das Beitrittsgebiet mit abweichenden Maßgaben regelt bzw. geregelt hat, lautet in der hier interessierenden Fassung (Ermäßigungssatz-Anpassungsverordnung v. 15. April 1996, BGBl. I S. 604) in ihren ersten beiden Sätzen wie folgt:
€Die sich aus den in Kraft gesetzten Vorschriften ergebenden Gebühren ermäßigen sich bei der Tätigkeit von Rechtsanwälten, die ihre Kanzlei in dem in Art. 3 des Vertrages genannten Gebiet eingerichtet haben, um 10 vom Hundert [Satz 1]. Die Gebühren ermäßigen sich in gleicher Weise, wenn ein Rechtsanwalt vor Gerichten oder Behörden, die ihren Sitz in dem in Artikel 1 Abs. 1 des Vertrages genannten Gebiet haben, im Auftrag eines Beteiligten tätig wird, der seinen Wohnsitz oder Sitz in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet hat [Satz 2]€ (Hervorhebung durch den Senat).
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht dabei hervorgehoben, dass sich der Gebührenabschlag hier aus Satz 2 der vorzitierten Bestimmung ergibt: Das Verwaltungsgericht Cottbus, vor dem der Verfahrensbevollmächtigte der Erinnerungsführer aufgetreten ist, hat seinen Sitz im Land Brandenburg und damit in dem in Art. 1 Abs. 1 des Vertrages genannten Gebiet; die Erinnerungsführer, in deren Auftrag ihr Verfahrensbevollmächtigter aufgetreten ist, haben ihren Wohnsitz im - in Art. 3 des Vertrages genannten - Beitrittsgebiet.
Soweit die Erinnerungsführer demgegenüber geltend machen, das Verwaltungsgericht verstoße gegen die in Gesetzeskraft erwachsene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Januar 2003 (- 1 BvR 487/01 - BVerfGE 107, 133; abrufbar auch in Juris), das €die Anwendung der Gebührenermäßigung des Satzes 1 € für alle nach dem 31.12.2003 neu entstehenden gesetzlichen Gebühren€ für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt habe, kann ein solcher Verstoß schon deswegen nicht vorliegen, weil sich diese Entscheidung - wie von den Erinnerungsführern ja wohl selbst gesehen € nur auf die Gebührenermäßigung nach Satz 1 bezieht (s. den Tenor der Entscheidung, ferner ausdrücklich insbesondere Rdn. 27 des Ausdrucks: €Von der Verfassungsbeschwerde nicht erfasst ist demzufolge die Vorschrift des Satzes 2 der Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 Buchstabe a EV (€), die auf den Gerichts- oder Behördensitz sowie auf den Wohnsitz oder Sitz des Mandanten abstellt€). Es kommt auch nicht in Betracht, die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts etwa auch auf die Gebührenermäßigung nach Satz 2 zu erstrecken. Das Bundesverfassungsgericht hat Satz 1 der Vorschrift für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar gehalten, weil nach Aufgabe des Lokalisationsprinzips und nach dem Wegfall der daran anknüpfenden Beschränkungen der Postulationsfähigkeit zum 1. Januar 2000 die mit dieser Bestimmung verbundene Ungleichbehandlung der dort genannten Rechtsanwälte sachlich nicht mehr gerechtfertigt war (im Einzelnen: BVerfG, a.a.O., Juris, Rdn. 34 bis 39 des Ausdrucks; wie hier: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 15. Juni 2004 € 2 Ta 29/04 -, Juris, Rdn. 7; Finanzgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8. Mai 2006 € 4 KO 269/06 -, Juris, Rdn. 26). Diese Überlegung trifft auf Satz 2 der Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 Buchst. a) des Einigungsvertrages nicht zu; diese Bestimmung stellt allein darauf ab, ob sich der Tätigkeitsort des Rechtsanwaltes und der Wohnort des Auftraggebers in einem der neuen Bundesländer bzw. im Beitrittsgebiet befinden, so dass die Differenzierung durch die seinerzeit weiterhin vorhanden gewesenen wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den alten Bundesländern und dem Beitrittsgebiet sachlich gerechtfertigt war (ebenso: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 15. Juni 2004, a.a.O.; Finanzgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8. Mai 2006, a.a.O., Rdn. 25 ff.). Für die Annahme der Beschwerde, dass das Bundesverfassungsgericht €wohl kaum Fälle des Satzes 2 schlechter als die des Satzes 1 stellen (wollte)€, ist danach eine Grundlage nicht erkennbar.
Soweit die Beschwerde wohl weiter geltend machen will, Satz 2 der Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 Buchst. a) des Einigungsvertrages sei vorliegend deswegen nicht anwendbar, weil diese Bestimmung lediglich €die € hier irrelevante € Tätigkeit westdeutscher Anwälte für ostdeutsche Mandanten in Ostdeutschland€ (Hervorhebung in der Beschwerde) regele, vermag das weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn dieser Bestimmung zu überzeugen. Die Regelung stellt (lediglich) auf den Gerichts- oder Behördensitz sowie auf den Wohnsitz oder Sitz des Mandanten ab (BVerfG, a.a.O., Rdn. 27, wie oben zitiert) und soll verhindern, dass bei der Vertretung von Beteiligten, die dort ihren Lebensmittelpunkt haben, unterschiedliche Gebühren anfallen, je nachdem, ob ein dortiger oder ein anderer Rechtsanwalt tätig wird (so die Erläuterungen zu den Anlagen zum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990, BT-Drucks. 11/7817, S. 31 zu Nummer 26 Maßgabe a)). Das bedeutet, dass für einen Rechtsanwalt mit Sitz in den neuen Bundesländern, der dort nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Januar 2003 für einen Mandanten mit dortigem Wohnsitz tätig geworden ist, der Abschlag nach Satz 2 der hier interessierenden Regelung ebenso gilt bzw. seinerzeit gegolten hat wie für einen Rechtsanwalt mit Sitz in den alten Bundesländern (ebenso Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O., Rdn. 6).
Schließlich vermag auch der von den Erinnerungsführern bemühte Beschluss des OLG Rostock vom 8. November 2005 (- 8 W 41/05 -, JurBüro 2006, 80, abrufbar auch in Juris) der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil diese Entscheidung sich nicht auf Satz 2, sondern auf Satz 1 der Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 Buchst. a) des Einigungsvertrages bezieht (OLG Rostock, ebd., Juris, Rdn. 3, 4 und 8 des Ausdrucks).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedurfte es nicht, weil für das Verfahren eine Festgebühr von 50 Euro vorgesehen ist (vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
OVG Berlin-Brandenburg:
Beschluss v. 26.07.2011
Az: OVG 1 K 8.09
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