Amtsgericht Charlottenburg:
Urteil vom 19. Dezember 2006
Aktenzeichen: 208 C 290/06
(AG Charlottenburg: Urteil v. 19.12.2006, Az.: 208 C 290/06)
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 971,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.08.2006 zu zahlen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Der Beklagte beauftragte am 23.03.2005 die Kläger mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen gegenüber der Schuldnerin ... hinsichtlich der Zahlungen aus einem Vertrag vom 22.03.2004.
Die Kläger unterließen es, den Beklagten bei Mandatserteilung gemäß § 49 b Abs. 5 BRAO darauf hinzuweisen, dass sich die von ihnen ihm gegenüber möglicherweise zu erhebenden Rechtsanwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert der Sache richten.
Die Kläger schrieben namens des Beklagten dessen Schuldnerin außergerichtlich an und forderten sie zur Zahlung auf. Darüber hinaus fanden außergerichtliche Einigungsversuche mit den damaligen Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin statt, die aber keinen Erfolg brachten. Am 22.04.2005 reichten die Kläger namens des Beklagten Klage gegen die vorbezeichnete Schuldnerin bei dem Amtsgericht Charlottenburg ein, wobei sich die derzeit eingeklagte Forderung auf 5.000,€ Euro belief. Das Amtsgericht Charlottenburg erließ am 11.08.2005 gegen die Schuldnerin antragsgemäß ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren (205 C 90/05), aus welchem die Kläger namens des Beklagten die Zwangsvollstreckung betrieben. Diese Bemühungen der Kläger hatten in der Sache keinen Erfolg, weil die Schuldnerin zwischenzeitlich einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatte. Die Kläger machten sodann die Anschrift des Geschäftsführers der Schuldnerin ausfindig und erteilten erneut einen Vollstreckungsauftrag, um die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zu erreichen. Um die Gebühren für den Beklagten gering zu halten, wurde dieser Vollstreckungsauftrag auf den zwischenzeitlich ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss beschränkt. Der dann anberaumte Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung wurde nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgehoben. Mit Beschluss vom 10.10.2005 setzte das AG Charlottenburg die Rechtsanwaltsgebühren zu Gunsten der Kläger gegen die derzeitige Schuldnerin des Beklagten auf 651,69 Euro fest.
Mit Kostennote vom 07.03.2006 rechneten die Kläger gegenüber dem Beklagten neben den festgesetzten Rechtsanwaltsgebühren von 651,69 Euro wie folgt ab:
a. Gebühren für die aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss betriebene Zwangsvollstreckung nach einem Streitwert von 1014,69 Euro in Höhe von 25,50 Euro (0,3 Geb.) zzgl. Auslagenpauschale 5,10 Euro und Mehrwertsteuer i.H.v. 4,90 Euro.
b. Gebühren für die Terminierung der eidesstattlichen Versicherung nach einem Streitwert von 1014,69 Euro in Höhe von 25,50 Euro (0,3 Geb.) zzgl. Auslagenpauschale 5,10 Euro und Mehrwertsteuer i.H.v. 4,90 Euro.
c. Gebühren für die hinsichtlich der Hauptforderung betriebene Zwangsvollstreckung (Streitwert 5000,€ Euro) von 90,30 Euro (0,3 Geb.) zzgl. Auslagenpauschale i.H.v. 18,06 Euro und Mehrwertsteuer i.H.v. 17,34 Euro.
d. Verauslagte Kosten und Gebühren in Höhe von 43,00 Euro nebst 6,88 Euro Mehrwertsteuer
Insgesamt ergab sich eine Summe von 898,27 Euro, welche die Kläger aus ihrer anwaltlichen Tätigkeit gegenüber dem Beklagten neben weiteren verauslagten Gerichtsvollzieherkosten von 18,00 Euro geltend machten.
Nachdem sie den Beklagten wiederholt gemahnt hatten, haben die Kläger das gerichtliche Mahnverfahren gegenüber dem Beklagten betrieben. Am 12.08.2006 ist der entsprechende Mahnbescheid dem Beklagten zugestellt worden.
Neben der Hauptforderung machen die Kläger Rechtsanwaltsgebühren aus vorgerichtlicher Tätigkeit i.H.v. 55,25 Euro gegenüber dem Beklagten geltend.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 971,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 12.08.2006 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat gegenüber der Klageforderung mit einem von ihm gegenüber den Klägern geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Höhe der Klageforderung aufgerechnet. Er vertritt hierzu die Auffassung, die Kläger hätten dadurch, dass sie es bei Auftragserteilung erlassen hätten, gemäß § 49 b Abs. 5 BRAO darauf hinzuweisen, dass die Vergütung ihrer Höhe nach vom Gegenstandswert abhänge, ihre anwaltlichen Pflichten ihm gegenüber verletzt. Insoweit bestehe ein Schadensersatzanspruch zu seinen Gunsten, der deckungsgleich sei mit der Klageforderung. Der Beklagte trägt hierzu € was zwischen den Parteien unstreitig geblieben ist € vor, dass er keinen Auftrag an die Kläger erteilt hätte, wenn er gewusst hätte, dass Gebühren in Höhe von mehr als 900,€ Euro entstehen würden. Er hätte sich bei Kenntnis von diesem Umstand entweder an die amtsgerichtliche Rechtsantragsstelle gewandt oder sich selbst vertreten.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage hat in der Sache vollumfänglich Erfolg.
Die Kläger haben einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe der Klageforderung aus dem mit dem Beklagten geschlossenen Anwaltsvertrag (§§ 675, 611 BGB).
Wie zwischen den Parteien unstreitig geblieben ist, haben die Kläger den Beklagten in einem die geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren auslösenden Umfang außergerichtlich und gerichtlich sowie im Vollstreckungsverfahren gegenüber der damaligen Schuldnerin des Beklagten anwaltlich vertreten.
Die hierfür geltend gemachten Gebühren begegnen auch hinsichtlich ihres Wertansatzes keinen Bedenken.
Der insoweit in Höhe der Klageforderung gegenüber dem Beklagten entstandene Anspruch ist nicht durch die seitens des Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem etwaigen in gleicher Höhe bestehenden Schadensersatzanspruch gegenüber den Klägern erloschen (§§ 387, 389 BGB).
Denn ein solcher Schadensersatzanspruch aus schuldhafter Verletzung des Anwaltsvertrages ist zu keinem Zeitpunkt zu Gunsten des Beklagten gegenüber den Klägern zur Entstehung gelangt.
24Zwar haben es die Kläger bei Erteilung des anwaltlichen Mandats unstreitig unterlassen, den Beklagten gemäß § 49 b BRAO darauf hinzuweisen, dass sich die möglicherweise von ihm zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richten.
25In Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Tagung der Gebührenreferenten der Bundesrechtsanwaltskammer vom 19.03.2005 (BRAK-Mitt. 6/2005 S. 271 f.) geht das Gericht jedoch davon aus, dass die Verletzung dieser Pflicht lediglich berufsrechtliche Konsequenzen und keinen Schadensersatzanspruch bzw. einen auf Freistellung von der Gebührenforderung gerichteten Anspruch des Mandanten gegenüber dem Rechtsanwalt begründen kann.
26Nach der auch im Gesetzgebungsverfahren zutage getretenen Intention des Gesetzgebers sollte die Unterrichtungsverpflichtung des § 49 b Abs. 5 BRAO die allgemeine anwaltliche Berufspflicht gemäß § 43 BRAO konkretisieren (vgl.Hartung, MDR 2004, 1092 mwN) mit der Folge, dass eine Verletzung dieser besonders ausgestalteten Hinweispflicht zwar berufsrechtliche, nicht jedoch schadensersatzrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann (so auchVöltz, BRAK-Mitt. 3/2004, S. 103, 104;Hartung, a.a.O. S. 1094).
Zwar wird insoweit in der Literatur auch die Auffassung vertreten, ein Verstoß des Anwalts gegen § 49 b Abs. 5 BRAO könne jedenfalls dann eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Auftraggeber auslösen, wenn der Rechtsanwalt in vorwerfbarer Weise einen Hinweis nicht, unklar oder verspätet gegeben habe (Hartmann, NJW 2004, 2484).
Diese Ansicht vermag jedoch nicht zu überzeugen.
§ 49 b Abs. 5 BRAO verpflichtet den Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin bei Mandatserteilung lediglich, auf die Berechnungsart "Gegenstandswert" hinzuweisen (vgl. hierzu auchHartung, a.a.O. S. 1094). Diese Hinweispflicht beinhaltet zum einen nicht die Höhe der vermutlich bzw. möglicherweise anfallenden Rechtsanwaltsgebühren (Hartung, a.a.O.), die sich auch oftmals am Beginn des Mandats noch gar nicht absehen lässt. Zum anderen beinhaltet die Hinweispflicht auch nicht die Pflicht, auf das Entstehen von Gebühren überhaupt hinzuweisen. Denn ein "verständiger Rechtssuchender und durchschnittlicher Verbraucher" (Völtz, a.a.O. S. 104) geht üblicherweise nicht davon aus, dass die anwaltliche Leistung rein aus Gefälligkeit erbracht wird. Daraus folgt, dass selbst in dem Fall, in dem überhaupt kein Anwaltsvertrag zustande gekommen wäre, der Mandant den anwaltlichen Vergütungsanspruch wegen § 818 Abs. 2 BGB im Rahmen eines Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) schulden würde. Danach ist es nicht vorstellbar, dass eine Verletzung des § 49 b Abs. 5 BRAO einen Schadensersatzanspruch auslöst, welcher auf die Befreiung von der Pflicht zur Zahlung der Rechtsanwaltsgebühren gerichtet wäre.
Darüber hinaus könnte selbst dann, wenn man von dem Bestehen eines auf Ersatz des "Nichtbelehrungsschadens" (Hartung, a.a.O. S. 1094) gerichteten Schadensersatzanspruchs zu Gunsten des Mandanten ausginge, dieser nicht auf die Befreiung von der Verpflichtung zur Zahlung der Anwaltsgebühren gerichtet sein. Denn hierfür fehlt es regelmäßig an einer Kausalität zwischen der fehlenden Belehrung über dieBemessungsweiseder Gebühren und der Auftragserteilung.
Die neben der Hauptforderung geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sind in Höhe des nicht in den Verfahrenskosten aufgehenden Anteils von 0,65 Gebührenteilen aus dem Gesichtspunkt des Verzuges (§ 286 BGB) heraus gerechtfertigt.
Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286, 288 BGB gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtfertigung in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
AG Charlottenburg:
Urteil v. 19.12.2006
Az: 208 C 290/06
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