Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Mai 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 82/99
(BPatG: Beschluss v. 25.05.2000, Az.: 25 W (pat) 82/99)
Tenor
Die Beschwerden der Widersprechenden werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die am 24. Januar 1994 angemeldete Bezeichnung SYNTHACER ist am 16. März 1994 ua für
"Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche, chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Zwecke; Keramikerzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche, chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Zwecke, insbesondere in Form von Sinterkörpern und Granulaten; pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate, einschließlich Applikatoren und Sterilisierbehälter; künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; orthopädische Artikel; chirurgisches Nahtmaterial; Ausbildung, insbesondere Durchführung von Kursen und Schulungen im Umgang mit chemischen, pharmazeutischen und veterinärmedizinischen Erzeugnissen sowie medizinischen Instrumenten und Apparaten"
in das Markenregister eingetragen worden.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 5. Oktober 1981 für
"Instrumente und Apparate für chirurgische und medizinische Zwecke, nämlich Instrumente und Implantate zur Osteosynthese einschließlich Knochenschrauben, Knochenplatten und chirurgische Instrumente zum Implantieren dieser Gegenstände"
eingetragenen Marke 1 023 605 SYNTHES DHS, der Marke IR 390 818 SYNTHES, der 1973 für
"Instruments et appareils chirurgicaux, medicaux, dentaires it veterinaires, specialement instruments et implants pour l'osteosynthèse, comme vis pour os et clous intramedullaires, plaques à compression, eclisses; aiguilles d'injection, plaques palatales"
Schutz für die Bundesrepublik Deutschland bewilligt worden ist undder Marke IR 444 618 SYNTHES, der 1979 für
"Os artificiels pour l'instruction medicale (materiel pour exercer)"
Schutz für die Bundesrepublik Deutschland bewilligt worden ist.
Die zunächst im Verfahren vor dem Deutschen Patentamt hilfsweise erhobene Nichtbenutzungseinrede hat der Inhaber der angegriffenen Marke in der mündlichen Verhandlung vom 25. Mai 2000 zurückgenommen.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß vom 2. Februar 1999 durch eine Beamtin des höheren Dienstes die Verwechslungsgefahr jeweils zwischen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsmarken verneint und die Widersprüche zurückgewiesen.
Wenn man zugunsten der Widersprechenden davon ausgehe, daß die Waren teilweise in Bezug auf die Waren der Klasse 10 identisch sein könnten, seien diesbezüglich eher strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen. Hinsichtlich der übrigen Waren der Klassen 1 und 5 bestehe Warenferne. Verwechslungsmindernd wirke sich aus, daß sich die Waren in erster Linie an medizinisches Fachpersonal in Kliniken wendeten. Selbst bei einer etwas über das normale Maß hinausgehenden Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken, wobei die geltend gemachte gesteigerte Kennzeichnungskraft aufgrund unbestritten gebliebener nicht unerheblicher Umsätze letztlich ohne weitere Tatsachen nicht festgestellt werden könne, und teilweiser Warenidentität reiche der Markenabstand zu allen Widerspruchsmarken aus. Da eine warenbeschreibende Bedeutung des Bestandteil "DHS" der Widerspruchsmarke "SYNTHES DHS" nicht erkennbar sei, bestehe kein Anlaß, diese nur mit "Synthes" wiederzugeben. Aber selbst dann unterschieden sich die Marken durch die abweichenden Endungen "-acer" bzw "-es" ausreichend deutlich. Zu berücksichtigen sei noch, daß der gemeinsame Wortanfang "Synth-" in seiner auf "Synthese" hinweisenden Bedeutung bekannt und markenrechtlich verbraucht sei, so daß es für den kennzeichnenden Charakter der Marken mehr auf die Endbestandteile ankomme. Auch im Schriftbild unterschieden sich die Marken ausreichend durch die verschiedene Wortlänge und Linienführung.
Hiergegen richten sich die Beschwerden der Widersprechenden mit dem Antrag, den Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 vom 2. Februar 1999 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Markenstelle sei richtigerweise von einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken ausgegangen, da diese seit langem in Benutzung seien und die Widersprechende, die Marktführer im Verkauf von Instrumenten, Implantaten und Maschinen zur operativen Versorgung traumatologischer und orthopädischer Operationen am Knochen sei, unter diesen Marken erhebliche Umsätze erzielt habe. Dies ergebe sich aus den im Verfahren vor dem Patentamt und im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen, wie insbesondere den eidesstattlichen Versicherungen vom 2. April 1997 und vom 11. Mai 2000 mit Umsatzzahlen für die Jahre 1990 bis 1994 bzw 1995 bis 1999, Rechnungskopien aus den Jahren 1995 bis 1999, Auszügen aus Katalogen, Listen von auch über das Internet angebotenen Kursen und weitere Veröffentlichungen jeweils aus den Jahren 1998 bis 2000 sowie einer Broschüre "SYNTHES BOCHUM INFORMATIONEN 3/91". Bei möglicher Warenidentität und im übrigen nach der "Canon"-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs anzunehmender Ähnlichkeit der Waren und auch Dienstleistungen seien die danach erforderlichen Anforderungen an den Markenabstand nicht eingehalten. "SYNTHACER" und "SYNTHES" seien klanglich und schriftbildlich nahezu identisch. Die Behauptung, der Wortanfang "SYNTH-" sei als Abkürzung von "Synthese" bekannt und markenrechtlich verbraucht, entbehre jeder Grundlage. Sowohl "SYNTHACER" als auch "SYNTHES" seien Phantasiewörter. Schließlich sei nach ständiger Rechtsprechung anerkannt, daß Endbuchstaben keine markenrechtliche Bedeutung hätten. Die Markenendung "-ES" sei klanglich in der Endung "-ACER" enthalten, da diese nach deutschem Sprachgebrauch als "-E(Ä)SER" ausgesprochen werde. Die beteiligten Verkehrskreise würden die angegriffene Marke als personifizierte Form der Widerspruchsmarken verstehen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerden der Widersprechenden zurückzuweisen.
Die geltend gemachte erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken sei aufgrund der vorgelegten Unterlagen jedenfalls zum Anmeldetag der angegriffenen Marke nicht nachgewiesen. Es fehle auch an der Ähnlichkeit der Waren und der Marken. Die Wörter unterschieden sich bereits in der Silbenzahl. Dabei sei "Synthes" wegen der Anlehnung an den warenbeschreibenden Begriff "Synthese" bzw "Osteosynthese" kennzeichnungsschwach.
Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die von der Widersprechenden zum Nachweis der Benutzung und Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken übersandten bzw in der mündlichen Verhandlung vom 25. Mai 2000 überreichten Unterlagen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerden der Widersprechenden sind zulässig, haben in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Die nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobenen Widersprüche sind von der Markenstelle zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats hinsichtlich keiner der drei Widerspruchsmarken eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Nachdem der Inhaber der angegriffenen Marke die im patentamtlichen Verfahren erhobene Nichtbenutzungseinrede hinsichtlich aller Widerspruchsmarken zurückgenommen hat, ist der Entscheidung deren rechtserhaltende Benutzung für die in den Warenverzeichnissen genannten Waren zugrundezulegen. Weiterhin kann zu Gunsten der Widersprechenden davon ausgegangen werden, daß die dort im wesentlichen enthaltenen "Instrumente und Apparate für chirurgische und medizinische Zwecke, nämlich Instrumente und Implantate zur Osteosynthese" mit den Waren der angegriffenen Marke, insbesondere soweit diese für "chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate" eingetragen ist, teilweise identisch sein können, was sich zunächst verwechslungsfördernd auswirkt.
Die Verwechslungsgefahr wird jedoch dadurch gemindert, daß sich gerade diese, im Identitätsbereich liegenden Waren ausschließlich an Fachleute richten, nämlich insbesondere an Ärzte in Fachkliniken und gegebenenfalls deren geschultes Hilfspersonal. Denn diese Verkehrskreise sind aufgrund ihrer beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit derartigen Instrumenten, Apparaten sowie medizinischen und ärztlichen Zwecken dienenden Materialien und Erzeugnissen regelmäßig sehr sorgfältig und unterliegen deshalb Markenverwechslungen weniger als Endverbraucher. Hinsichtlich der für die Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr maßgeblichen Benutzungshandlungen sowie Bestell- und Erwerbsvorgänge ist schließlich - entgegen der von der Widersprechenden-Vertreterin in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht - allein auf diese Fachkreise, nicht aber auf die für die rein organisatorische, rechnerische und verwaltungstechnische Abwicklung dieser Beschaffungsmaßnahmen zuständigen Personen in den Einkaufs-, Rechnungsstellen und Verwaltungsabteilungen der Krankenhäuser und Kliniken abzustellen.
Nach Auffassung des Senats kommt der Widerspruchsmarke eine ursprünglich eher unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Die Bezeichnung "SYN-THES", unter der die Widersprechende ausweislich der vorgelegten Unterlagen ihre auch in den Warenverzeichnissen der Widerspruchsmarken enthaltenen Produkte anbietet und vertreibt, ist objektiv eindeutig und im Hinblick auf die Waren "Instrumente und Implantate zur Osteosynthese" auch von einem beachtlichen Teil der allgemeinen Verkehrskreise in seiner Bedeutung "Zusammenfügung, Zusammenstellung, Verfahren zur künstlichen Herstellung von ... Verbindungen" (vgl DUDEN, Das Große Fremdwörterbuch) ohne weiteres erkennbar an den Begriff "Synthese" angelehnt. Für den insoweit angesprochenen Fachverkehr ergibt sich dieser Bedeutungsgehalt auch unmittelbar aus dem einschlägigen Fachbegriff "Osteosynthese" (= Zusammensetzung; operatives Verfahren zur schnellstmöglichen Wiederherstellung der vollen Funktionsfähigkeit einer frakturierten Extremität ...", vgl Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 258. Aufl), zumal dieser Fachbegriff sogar ausdrücklich in den Warenverzeichnissen der Widerspruchsmarken 1 023 605 "SYNTHES DHS" und IR 390 818 "SYNTHES" ("l'osteosynthèse") enthalten ist. Auch wenn es auf dem hier relevanten Warengebiet üblich ist, die Marken in einer Weise zu bilden, daß die Markenbestandteile Indikation, Verwendung oder ähnliches zumindest für Fachleute erkennen lassen, weicht die Bezeichnung "SYNTHES" im Vergleich zu zahlreichen anderen sogenannten sprechenden Marken hinsichtlich des Originalitätsgrades doch erkennbar nach unten ab. So ist zB in der angegriffenen Marke "SYNTHACER" der Hinweis auf den beschreibenden Begriff "Synthese" vergleichsweise merklich schwächer ausgeprägt.
Für die Entscheidung kann nach Auffassung des Senats zu Gunsten der Widersprechenden im Hinblick auf ihr Vorbringen zur intensiven Benutzung und Marktstellung der Widerspruchsmarken "SYNTHES" und den damit erzielten stetig gestiegenen Umsätzen von ca ... DM im Jahr 1990 bis ca ... DM im Jahr 1999 aber eine gute Benutzungslage und eine demzufolge im oberen Durchschnittsbereich liegende Kennzeichnungskraft unterstellt werden.
Soweit die Widersprechende geltend macht, die "SYNTHES"-Marken hätten jedenfalls durch die umfangreiche Benutzung eine erhöhte Kennzeichnungskraft erlangt, rechtfertigt dies hier keine andere Beurteilung. Der Annahme einer durch Benutzung erworbenen überdurchschnittlichen - ursprünglich verminderten - Kennzeichnungskraft steht hier bereits entgegen, daß die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen, insbesondere die in der eidesstattlichen Versicherung vom 10. Mai 2000 angegebenen Umsatzzahlen nebst entsprechenden Rechnungskopien, den Zeitraum von 1995 bis 2000 betreffen und damit keinen Rückschluß darauf zulassen, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung einer derartigen Erhöhung des Schutzumfangs bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung der Bezeichnung "SYNTHACER", also am 24. Januar 1994, bestanden haben, was jedoch erforderlich gewesen wäre (vgl hierzu BPatGE 38, 105 "Lindora/Linola", 111 f mwN zur Frage der Berücksichtigung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft). Zwar sind in der von der Widersprechenden bereits im patentamtlichen Verfahren einreichten eidesstattlichen Versicherung vom 2. April 1994 - durchaus nicht unbeträchtliche - Umsätze schon für die Jahre 1990 bis 1994 und somit auch für den Anmeldezeitpunkt der jüngeren Marke genannt, jedoch führt dies für sich vorliegend ebenfalls nicht zur Annahme einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken. Denn Umsatzzahlen allein lassen regelmäßig - und dies gilt vorliegend auch für die höheren Umsatzzahlen aus den Jahren 1995 bis 2000 - keine ausreichend klaren Rückschlüsse auf eine Erhöhung des Schutzumfangs einer Widerspruchsmarke zu. Selbst umsatzstarke Marken können nahezu unbekannt sein, wie andererseits Marken trotz relativ geringer Umsätze der damit gekennzeichneten Produkte sehr bekannt sein können. Vielmehr müßten sämtliche tatsächlichen Umstände, aus denen sich eine Steigerung der Kennzeichnungskraft ergibt, liquide sein. Das ist hier nicht der Fall. So geben insbesondere von amtlichen oder neutralen Institutionen erstellte Statistiken oder Verkehrsbefragungen durch demoskopische Unternehmen zum Bekanntheitsgrad und Marktanteil in konkreten Prozentzahlen - bezogen auf die angesprochenen Verkehrsbeteiligten bzw Indikationsgebiete - Aufschluß über die maßgebliche Verkehrsgeltung (vgl hierzu Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 116 sowie BPatGE "Lindora/Linola", aaO, jeweils mwN). Auch Angaben zu Werbeaufwendungen erlauben unter Umständen eher Rückschlüsse auf die Kennzeichnungskraft einer Marke als die bloßen Umsatzzahlen. Insoweit fehlt es jedoch an einem ausreichend konkreten Vorbringen der Widersprechenden.
Die Ähnlichkeit der angegriffenen Marke "SYNTHACER" mit den Widerspruchsmarken "SYNTHES DHS" bzw den gleichlautenden IR-Marken "SYNTHES" ist nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß unter Berücksichtigung der genannten Umstände die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre. Auch bei Anlegung eher strenger Maßstäbe hält die angegriffene Marke von den Widerspruchsmarken - auch soweit von Warenidentität auszugehen ist - einen in jeder Hinsicht ausreichenden Abstand ein.
Dabei kann für die Entscheidung dahingestellt bleiben, ob hinsichtlich der Widerspruchsmarke 1 023 605 "SYNTHES DHS" der Bestandteil "DHS" beim Markenvergleich zurücktritt, wobei allerdings eine beschreibenden Bedeutung dieser Buchstabenfolge und eine daraus folgende Kennzeichnungsschwäche weder von der Widersprechenden behauptet noch sonst ersichtlich ist. Denn auch wenn bei dieser Widerspruchsmarke der angegriffenen Bezeichnung "SYNTHACER" allein das Markenwort "SYNTHES" gegenübersteht, ist eine Verwechslungsgefahr hinreichend sicher auszuschließen.
Nach Auffassung des Senats fällt die Übereinstimmung in dem Bestandteil "SYN-" bzw "SYNTH-" bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks und der Markenähnlichkeit nicht so stark ins Gewicht, wie dies bei einem originelleren Bestandteil der Fall wäre. Dieses Wortelement kann ua auf den warenbeschreibenden Begriff "Synthese" bzw "Osteosynthese" hindeuten. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, daß es im Gegensatz zur Ansicht der Widersprechenden insoweit keine Rolle spielt, ob der genannte Begriffsanklang auch allgemein bekannt ist. Von Bedeutung im markenrechtlichen Sinne ist schon der objektiv beschreibende Gehalt der Bestandteile. Die Übereinstimmung von Marken in solchen Bestandteilen kann für sich genommen die Bejahung der Verwechslungsgefahr regelmäßig nicht rechtfertigen, zumal es auch den Mitbewerbern unbenommen bleiben muß, auf diesen warenbeschreibenden Begriff hinzuweisen bzw ihn anzudeuten. Hier kommt hinzu, daß der gemeinsame Bestandteil in seiner warenbeschreibenden Bedeutung in den Marken aufgrund der Silbengliederung und der Stellung am Wortanfang auch ohne weiteres erkennbar bleibt. Schließlich sind "Syn-" bzw "Synt-" oder auch "Synth-" als Anfangsbestandteil in ca 60 weiteren Drittmarken bzw Markenanmeldungen der Klassen 5 und 10 enthalten. Auch wenn von den entsprechend gebildeten Marken tatsächlich nicht alle benutzt werden, kann die Drittzeichenlage schon für sich genommen nicht gänzlich unbeachtet bleiben (vgl dazu BGH GRUR 1967, 246, 250 reSp aE "Vitapur" sowie MarkenR 1999, 57, 59 "Lions"). Entgegen den noch weiterreichenden Schlußfolgerungen des Bundesgerichtshofs in den genannten Entscheidungen führt dies nach Auffassung des Senats nicht unbedingt zu einer Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung (vgl auch Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 121 aE), hat aber die Auswirkung, daß der Übereinstimmung in diesem Anfangsbestandteil weniger Bedeutung für die Verwechslungsgefahr zukommt und die Abweichungen in den weiteren Markenteilen ein vergleichsweise stärkeres Gewicht erlangen.
Aber selbst wenn man wiederum zugunsten der Widersprechenden davon ausgeht, daß der übereinstimmende Anfangsbestandteil "SYN-" bzw "SYNTH-" keine wesentliche Reduzierung seines kennzeichnenden Gewichts innerhalb der Gesamtbezeichnung erfährt, heben sich die Bezeichnungen "SYNTHACER" und "SYNTHES" im maßgeblichen Gesamteindruck unverwechselbar voneinander ab. In klanglicher Hinsicht führt die unterschiedliche Zahl der Sprechsilben auch unter angemessener Berücksichtigung des gemeinsamen Bestandteils "SYNTH-" zu einem deutlich anderen Sprech- und Betonungsrhythmus der Marken, wobei die angegriffene Marke "SYNTHACER" regelmäßig auf der Mittelsilbe, die Bezeichnung "SYNTHES" dagegen üblicherweise auf der ersten Silbe betont wird. Weiterhin weichen die jeweils nachfolgenden Bestandteile "-ACER" bzw "-ES" offensichtlich so markant voneinander ab, daß insgesamt auch unter noch zu berücksichtigenden ungünstigen Übermittlungsbedingungen ein sicheres Auseinanderhalten der sich gegenüberstehenden Bezeichnungen gewährleistet ist. Dabei kommt der Stellung des übereinstimmenden Lautbestands "SYN-" bzw "SYNTH-" am Wortanfang - im Hinblick auf die das kennzeichnende Gewicht zumindest etwas schwächenden Faktoren - für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr hier ausnahmsweise keine besondere Bedeutung zu. Denn die Regel, daß Wortanfänge im allgemeinen stärker als die übrigen Markenteile beachtet werden, gilt nicht uneingeschränkt, zumal diese weiteren Bestandteile - wie hier - auffällig verschieden gebildet sind und zudem - wie in der vorliegenden Widerspruchsmarke - zum Teil betont gesprochen werden (vgl hierzu Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 83 mwN).
Was die Aussprache der angegriffenen Marke "SYNTHACER" angeht, so ist nach Auffassung des Senats in entscheidungserheblichem Umfang sowohl eine buchstabengetreue deutsche Sprechweise wie "Sünthatser", als auch - gerade im Hinblick auf die hier vornehmlich angesprochenen Fachverkehrskreise und die insoweit vorhandenen Sprachkenntnisse - eine englischsprachige Wiedergabe wie "Süntäißer", "Sünteißer" oder sogar mit korrektem englischen "th" (wie in "the") zu berücksichtigen. Insoweit ergeben sich auch deutlich verschiedene Vokalfolgen, was sich auf den klanglichen Gesamteindruck der Marken und damit auf den Markenabstand regelmäßig - so auch hier - deutlich im Sinne einer Verminderung einer Verwechslungsgefahr auswirkt (vgl hierzu Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 82 mwN). Dagegen sind Anhaltspunkte für eine von der Widersprechenden behauptete Artikulation des Bestandteils "-ACER" wie "-E(Ä)SER" weder nach deutschen noch nach englischen Sprachregeln oder -gewohnheiten ersichtlich. Infolgedessen kann auch nicht angenommen werden, die Markenendung "-ES" der Bezeichnung "SYNTHES" sei klanglich in der Endung "-ACER" der angegriffenen Marke enthalten oder die beteiligten Verkehrskreise würden die angegriffene Marke gar als personifizierte Form der Widerspruchsmarken verstehen.
Im schriftbildlichen Vergleich ist ein Auseinanderhalten der Marken unter den genannten Umständen in allen üblichen Wiedergabeformen aufgrund der Zweiteiligkeit der älteren Marke "SYNTHES DHS" bzw, soweit der angegriffenen Marke "SYNTHACER" allein die Bezeichnung "SYNTHES" gegenübersteht, der auffallend verschiedenen Wortlängen auch unter Berücksichtigung der Übereinstimmung am Wortanfang ebenfalls gewährleistet. Hierzu tragen wesentlich auch die figürlichen Abweichungen der Buchstaben in den jeweils nachfolgenden Markenteilen bei.
Andererseits könnte eine - von der Widersprechenden auch nicht geltend gemachte - begriffliche Verwechslungsgefahr nicht darauf gestützt werden, daß der gemeinsame Anfangsbestandteil "SYN-" bzw "SYNTH" jeweils auf den Fachbegriff "Synthese" hindeutet, da einer solchen begrifflichen Übereinstimmung keine kollisionsbegründende Bedeutung zukäme. Denn ein solcher Sinngehalt hätte - wie dargelegt - für Erzeugnisse auf dem hier relevanten Warengebiet, insbesondere für die im Bereich möglicher Warenidentität liegenden "Instrumente und Implantate zur Osteosynthese", einen warenbeschreibenden Charakter und wäre anders als die konkreten Markenwörter nicht Gegenstand des markenrechtlichen Schutzes (vgl hierzu Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 95 mwN).
Nach alledem waren die Beschwerden der Widersprechenden zurückzuweisen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
Knoll Engels Brandt Pü
BPatG:
Beschluss v. 25.05.2000
Az: 25 W (pat) 82/99
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