Landgericht Wuppertal:
vom 9. Oktober 2003
Aktenzeichen: 4 O 217/03
(LG Wuppertal: v. 09.10.2003, Az.: 4 O 217/03)
Tenor
1.
Die Klage wird mit der Maßgabe, dass die Kläger jeweils nur 4 % Zinsen und der Kläger zu 5.) diese erst ab dem 1. Januar 2000 verlangen können, dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.
Die weiteren Entscheidungen bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.
Tatbestand
Die Kläger sind Landwirte im Bereich N-A-W. Die Beklagte betreibt
Elektrizitäts-Hochspannungs-Freileitungen. Diese werden über Hochspannungsmasten geführt, die auf den landwirtschaftlich genutzten Grundstücken der Kläger stehen. Zum Betrieb dieser Hochspannungsfernleitungen räumten die Kläger der Beklagten beschränkte persönliche Dienstbarkeiten ein, die bereits seit Jahrzehnten eingetragen sind. Im Jahre 1994 führte die Beklagte über die - in ihrem Eigentum stehenden - vorhandenen Anlagen zusätzlich Lichtwellenleiter-Kabel (LWL-Kabel), deren Bestandteile Telekommunikationslinien sind.
Die Telekommunikationslinien der LWL-Kabel, welche über die Grundstücke der Kläger führen, nutzte die Beklagte zur betriebsinternen Kommunikation und tut dies teilweise auch weiterhin. Im Jahre 1996 bzw. im Jahre 1999 für das Grundstück des Klägers zu 5.) überließ sie jedoch einen Teil der Linien der Fa. B AG & Co. zur kommerziellen Nutzung. Die Fa. B bietet Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit an und entscheidet selbst über das "Stop and Go" der Signale, die mittels der Telekommunikationslinien transportiert werden. Auf den Signaltransport hat die Beklagte keinen Einfluss. Sie informierte die Kläger nicht über die Verlegung der zusätzlichen Kabel, deren Vermietung an die Fa. B und deren Nutzungszweck. Die Kläger erhielten durch die landwirtschaftliche Presse im Frühjahr 2003 davon Kenntnis, dass die Beklagte ihre Fernleitungen mit LWL-Kabeln nachrüstet. Daraufhin wandten sie sich an die Beklagte, welche jeweils schriftlich Auskunft über die Verlegung der LWL-Kabel, deren Vermietung sowie die überführte Grundstückslänge erteilte (Bl. 6 ff. GA).
Die Kläger bestreiten die Existenz und den Inhalt eines Mietvertages zwischen der Beklagten und der Fa. B mit Nichtwissen. Die Kläger meinen: Ihnen stehe ein Ausgleichsanspruch gemäß § 57 II 2 TKG zu bzw. ein allgemeiner entschädigungsrechtlicher Anspruch, da die LWL-Kabel vor Inkrafttreten des TKG am 1. August 1996 ohne Genehmigung der Kläger errichtet worden seien. Diesem Anspruch könne sich die Beklagte nicht durch die etwaige Vermietung an Dritte entziehen.
Für die geltend gemachte Anspruchshöhe verweisen die Kläger unter Angabe der unstreitigen Länge, auf der ihre Grundstücke von den LWL-Kabeln überspannt werden (Bl. 3, 21 GA), auf das Urteil des OLG Hamm vom 22. November 2001 - 5 U 80/01 (abgedruckt in NJW-RR 2002, 769).
Die Kläger beantragen,
die Beklagte zu verurteilen, für das Verlegen eines Lichtwellenleiterkabels auf den Grundstücken der Kläger
an den Kläger zu 1.) 887,00 EUR
an den Kläger zu 2.) 564,98 EUR
an den Kläger zu 3.) 1.700,05 EUR
an den Kläger zu 4.) 805,28 EUR
an den Kläger zu 5.) 403,92 EUR
an den Kläger zu 6.) 1.362,59 EUR
an den Kläger zu 7.) 403,92 EUR
nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint: Für die geltend gemachten Ansprüche sei sie nicht passivlegitimiert. Aufgrund der Nutzungsüberlassung der Leitungen an die Fa. B fehle es ihr an der für einen Ausgleichsanspruch nötigen Betreibereigenschaft im Sinne des § 3 Nr. 2 TKG. Ihr fehle die Funktionsherrschaft. Die geltend gemachte Anspruchshöhe sei nicht schlüssig dargelegt worden. Die ursprüngliche Errichtung des LWL-Kabels sei als Zubehör von den bestehenden Dienstbarkeiten gedeckt gewesen. Die Beklagte legt Entscheidungen des AG Dortmund vom 8. Juli 2003 (125 C 4576/03) und des AG Jülich vom 30. Juli 2003 (9 C 180/03) vor. Sie erhebt zudem die Einrede der Verjährung.
Die Kläger treten der Erhebung der Verjährungseinrede entgegen. Sie meinen, es komme auf die Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen an, welche erst im Jahre 2003 vorlegen habe. Zudem handele die Beklagte auch treuwidrig, denn die Verlegung der LWL-Kabel sei für die Kläger nicht erkennbar gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
1.
Die Klagen sind zulässig. Die Kläger können nach §§ 59, 60 ZPO als Streitgenossen gegen die Beklagte vorgehen, denn eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung ist zweckmäßig. Das Landgericht ist sachlich zuständig, denn der Zuständigkeitsstreitwert beläuft sich auf 6.127,74 EUR. Er ist nach § 5 ZPO durch Addition der Hauptforderungen zu ermitteln.
Die Klagen sind auch dem Grunde nach im wesentlichen begründet, denn die Kläger haben jeweils einen Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte gemäß § 57 II 2 TKG.
a)
Wegen der Errichtung der Telekommunikationslinien im Jahre 1994, d.h. vor Inkrafttreten des TKG kommen allerdings keine entschädigungsrechtlichen Ansprüche der Kläger in Betracht. Zum damaligen Zeitpunkt bestanden allenfalls Unterlassungsansprüche der Kläger gegen die Beklagte, sofern - was dahinstehen kann - die zusätzlichen Kabel nicht mehr von den bestehenden Grunddienstbarkeiten gedeckt gewesen sein sollten. Entschädigungsrechtliche Ansprüche (hier: aus enteignungsgleichem Eingriff) entsprechend der damaligen §§ 74, 75 der Einleitung zum Allgemeinen Preußischen Landrecht können nur aus hoheitlichen Maßnahmen entstehen. Im übrigen wäre zweifelhaft, ob "ein Sonderopfer für die Allgemeinheit" vorläge.
b)
Die geltend gemachten Ansprüche der Kläger folgen jedoch aus § 57 II 2 TKG in Verbindung mit einem Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung. Nach dem TKG kann der Grundstückseigentümer, der gemäß § 57 I TKG die Errichtung von Telekommunikationslinien auf seinem Grundstück dulden muss, einen einmaligen Ausgleich in Geld für die erweiterte Nutzung zu Zwecken der Telekommunikation verlangen, sofern bisher keine Leitungswege vorhanden waren, die zu diesem Zweck genutzt werden konnten.
Dass das LWL-Kabel bereits 1994 von der Beklagten verlegt und zur betriebsinternen Kommunikation genutzt wurde, steht einem Ausgleichsanspruch nicht entgegen.
In einer Grundsatzentscheidung hat der BGH entschieden, dass auch der Übergang von einer betriebsinternen Datenübermittlung zur kommerziellen öffentlichen Telekommunikation einen Ausgleichsanspruch nach § 57 II 2 TKG auslösen kann (BGHZ 145, 16/29 ff; dem folgend OLG Hamm NJW-RR 2002, 769).
Es kommt zudem nicht darauf an, ob die Fa. B die Nutzung zu Zwecken der öffentlichen Telekommunikation im Jahre 1996 bereits vor Inkrafttreten des TKG am 1. August 1996 aufgenommen hat. In diesem Fall ist die Anwendung des § 57 II 2 TKG ebenfalls geboten. Es waren keine Leitungswege vorhanden, die zu Zwecken der Telekommunikation genutzt werden konnten, denn dies war rechtmäßig nicht möglich. Eine solche Nutzung durch die Beklagte (Vermietung) wäre von der eingeräumten Dienstbarkeit nicht mehr gedeckt gewesen (s. auch BGHZ 145, 16/20 ff). Die Kläger hätten daher Unterlassungsansprüche gemäß § 1004 BGB geltend machen können. Mit dem Inkrafttreten des TKG war dies jedoch wegen § 57 I TKG nicht mehr möglich.
Die Beklagte ist für den Ausgleichsanspruch gemäß § 57 II 2 TKG auch passivlegitimiert. Die Argumentation der Beklagten, nicht Betreiberin der Telekommunikationslinien zu sein, steht dem Erfolg der Klage nicht entgegen. Die ausdrückliche Anknüpfung an den "Betreiber der Telekommunikationslinie" in § 57 II 1 TKG ist in Satz 2 der Norm nicht mehr enthalten, auch wenn eine gewisse Verknüpfung durch die dortige Formulierung "... kann darüber hinaus ... verlangt werden" besteht. Als Betreiber ist nach § 3 Nr. 2 TKG derjenige anzusehen, der die rechtliche und tatsächliche Kontrolle (Funktionsherrschaft) über die zur Telekommunikation erforderlichen Funktionen hat. Ist die Leitung vermietet, ohne dass sich der Vermieter die relevanten Kontrollmöglichkeiten vorbehält, ist der Mieter als Betreiber anzusehen (Schütz, in: Beck'scher TKG-Kommentar, 2. Auflage 2000, § 6 Rn. 35). Nach dem Vortrag der Beklagten dürfte die Fa. B aufgrund der abgeschlossenen Mietverträge die Funktionsherrschaft haben, da sie selbständig über das "Stop and Go" der Signale entscheidet (ebenso und näher AG Dortmund, Urt. v. 8. Juli 2003, 125 C 4576/03, Umdruck S. 5 ff.). Richtigerweise ist aber der Inhaber des dinglich abgesicherten (und sodann erweiterten) Leitungsrechts nach § 57 I Nr. 1 TKG Anspruchsgegner für den einmaligen Ausgleichsanspruch aus § 57 II 2 TKG. Es liegt nach der Natur dieses Anspruchs als Einmalzahlung bereits näher, dass nicht der (erste oder der jeweilige) Mieter in Anspruch genommen werden kann, sondern der Inhaber des dinglich gesicherten Leistungsrechts.
Zwar wäre ein interner Ausgleich unter den Mietern bzw. mit dem Vermieter durch entsprechende vertragliche Abreden möglich (so auch AG Dortmund, a.a.O., S. 7). Die hier vertretene Sichtweise entspricht jedoch allein auch dem Sinn und Zweck der Bestimmung. Deren Zweck besteht darin, dass die betroffenen Grundeigentümer im Hinblick auf Art. 14 GG nicht hinnehmen sollen müssen, dass Dritte ihre Grundflächen zu Telekommunikationszwecken vermarkten, daraus Gewinn erzielen und sie dafür keinen Geldausgleich erhalten (BGHZ 145, 16/32). Die Vermarktung der fremden Grundfläche erfolgt indes durch die Beklagte, welche die Telekommunikationslinien, die über die fremden Grundstücke geführt wurden, vermietet. Der jeweilige Nutzer, also hier die Fa. B vermarktet und kommerzialisiert hingegen nur das ihr eingeräumte Nutzungsrecht. Demgegenüber geht es bei den Geldansprüchen in § 57 II 1 TKG um die faktische Nutzungsbeeinträchtigung des Grundstücks über das zumutbare Maß hinaus. Dies entspricht dem § 906 II 2 BGB. Für Nutzungsbeeinträchtigungen im Sinne des § 57 II 1 TKG ist der die Funktionsherrschaft innehabende "Betreiber" verantwortlich. Er wurde folgerichtig auch vom Gesetzgeber ausdrücklich als passivlegitimiert angesehen. Der Zweck des § 57 II 2 TKG ist demgegenüber nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH, welcher sich die Kammer anschließt, ein anderer. Daraus folgt hier die Inanspruchnahme der Beklagten. Dieser zweckorientierten Auslegung steht der Wortlaut der Bestimmung nicht entgegen.
c)
Die Beklagte kann im Ergebnis die Leistung auch nicht gemäß § 214 BGB verweigern, weil die Ansprüche der Kläger verjährt sind. Dies ist zwar gemäß § 58 TKG der Fall (ebenso AG Dortmund, a.a.O., S. 9 f.; AG Jülich, Urt. v. 30. Juli 2003, 9 C 180/03, Umdruck S. 7). Diese Sonderregelung zur Verjährung umfasst auch den Anspruch aus § 57 II 2 TKG (Schütz, aaO, § 58 Rn. 1). Die Verjährungsfrist beträgt danach zwei Jahre. Sie beginnt mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist. Auf die Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen kommt es nach der Vorschrift nicht an. Auch § 852 a.F. BGB soll nicht entsprechend anwendbar sein (so Schütz, aaO, Rn. 2). Nach diesen Maßgaben sind die Ansprüche der Kläger aus dem TKG zum Ende des Jahres 1998 bzw. für den Kläger zu 5) zum Ende des Jahres 2001 verjährt. Verjährungsunterbrechende oder -hemmende Tatsachen werden von den Klägern nicht vorgetragen.
Aufgrund eines Schadensersatzanspruchs der Kläger aus positiver Vertragsverletzung kann sich die Beklagte jedoch gemäß § 249 S. 1 BGB nicht auf den Eintritt der Verjährung berufen. Es ist unstreitig, dass die Beklagte die Kläger weder über die Errichtung der LWL-Kabel noch über die Vermietung der Telekommunikationslinien an die Fa. B unterrichtet hat. Zumindest zur Information über die Aufnahme der öffentlichen Telekommunikation war die Beklagte jedoch verpflichtet. Diese Nutzung war keinesfalls mehr von der eingeräumten Dienstbarkeit gedeckt (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2002, 769). Wenn die Beklagte aber eine Nutzung aufnimmt oder zulässt, welche die Grenzen der Dienstbarkeit überschreitet, muss sie die Grundeigentümer aufgrund einer schuldrechtlichen Treuepflicht entsprechend informieren. Dafür ist unerheblich, dass diese Nutzung zu dulden ist, denn das Grundeigentum ist jedenfalls im Sinne des § 904 BGB betroffen. Entsprechende Schuldverhältnisse existieren zwischen sämtlichen Klägern und jeweils der Beklagten.
Aus der Informationspflichtverletzung der Beklagten ergibt sich ein Schadensersatzanspruch der Kläger. Der Schaden besteht darin, dass der einmalige Ausgleichsanspruch nach § 57 II 2 TKG inzwischen verjährt und daher nicht mehr als solcher durchsetzbar ist. Die Pflichtverletzung der Beklagten ist kausal für diesen Schaden. Bei rechtzeitiger Mitteilung steht zu vermuten, dass auch der Ausgleichsanspruch nach § 57 II 2 TKG rechtzeitig geltend gemacht worden wäre. So werden die Kläger von den Landwirtschaftsverbänden bzw. deren Presseorganen sachdienlich über mögliche Ansprüche informiert. Nach Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen haben sie auch umgehend ihre Forderungen in diesem Prozess geltend gemacht. Gemäß § 249 S. 1 BGB ist die Beklagte derart zum Ersatz verpflichtet, dass sie die Ansprüche der Kläger als unverjährt gegen sich gelten lassen muss (vgl. auch BGHZ 94, 380; BGH NJW 93, 2751; BGH NJW 96, 50).
Die geschilderten Schadensersatzansprüche der Kläger sind ihrerseits nicht verjährt. Sie verjährten zunächst nach § 195 a.F. BGB in dreißig Jahren. Nach der Überleitungsvorschrift in Art. 229 § 6 IV 1 EGBGB ist diese lange Verjährungsfrist mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts ab dem 1. Januar 2002 durch die neue dreijährige Regelverjährungsfrist des § 195 BGB abgelöst worden. Frühestens am besagten Datum begann die neue Frist in voller Länge zu laufen. Bei Klageerhebung war demnach noch keine Verjährung eingetreten.
Eine analoge Anwendung des § 58 TKG auf die hier bejahten Schadensersatzansprüche kommt nicht in Betracht. Daran wäre allenfalls zu denken, wenn man eine Informationspflicht der Beklagten aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis ableiten wollte, welches im Rahmen von § 57 TKG zwischen dem Grundeigentümer und dem Inhaber des dinglich gesicherten Leitungsrechts entsteht (dazu Schütz, aaO, § 57 Rn. 2). Zwischen dem Schuldverhältnis, in dem die Einräumung einer Grunddienstbarkeit vereinbart wurde und auf welches die Kammer die Informationspflicht der Beklagten stützt, und dem TKG ist keine hinreichend enge Verbindung ersichtlich, die eine analoge Anwendung des § 58 TKG rechtfertigen oder gar gebieten würde.
Somit kann dahinstehen, ob die Erhebung der Verjährungseinrede durch die Beklagte auch treuwidrig ist. Immerhin war den Klägern nach der Überzeugung der Kammer nicht erkennbar, dass auf ihren Grundstücken zusätzlich ein LWL-Kabel verlegt worden ist. Dies gilt schon deshalb, weil auch der Austausch von Versorgungsleitungen erforderlich ist, der sich seinem äußeren Erscheinungsbild nach nicht wesentlich von der Errichtung der LWL-Kabel unterscheiden kann. Dass ein zusätzliches Kabel errichtet wurde, geht ebenfalls nicht zu Lasten der Kläger, denn darin hätte auch ein Ausbau der bestehenden Energieversorgungskapazitäten liegen können.
Ebenfalls offenbleiben kann, ob nicht eine verfassungskonforme Anwendung der Verjährungsvorschriften des TKG gebietet, den § 852 a.F. BGB analog (und ab dem 1. Januar 2002 den § 199 I BGB) heranzuziehen. Wenn der Ausgleichsanspruch aus § 57 II 2 TKG verfassungsrechtlich motiviert und geboten ist (dazu BGHZ 145, 16/32), müssen die betroffenen Grundeigentümer auch eine realisierbare Möglichkeit haben, ihre Ansprüche durchzusetzen. Dies ist bei der Verfahrensweise der Beklagten ernsthaft in Frage gestellt, denn die Grundeigentümer hatten keinen Anlass, von sich aus über eine Nutzungserweiterung zu Zwecken der Telekommunikation bei der Beklagten nachzufragen. Sie hatten der Beklagten eine beschränkte Dienstbarkeit eingeräumt. Auf die Beachtung von deren Geltungsbereich durften sie vertrauen.
d)
Die Zinsansprüche der Kläger auf die dem Grunde nach gerechtfertigten Hauptforderungen bestehen dagegen nicht in vollem Umfang. So findet § 288 BGB in der Fassung vor dem 1. Mai 2000 Anwendung, die einen gesetzlichen Zinssatz von 4 % vorsah. Dies folgt aus Art. 229 § 1 I 2 EGBGB, wonach es auf den Zeitpunkt der Fälligkeit ankommt. Die Ausgleichsansprüche der Kläger aus dem TKG sind vor dem 1. Mai 2000 nicht nur entstanden, sondern auch fällig geworden. Für diese Frage sind die Schadensersatzansprüche der Kläger irrelevant, denn sie führen nur zur weiteren Durchsetzbarkeit der Ausgleichsansprüche. Einen verzugsbegründenden Tatbestand trägt zwar keiner der Kläger vor. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Kläger nach dem vorstehend Gesagten auch keine reale Möglichkeit hatten, die Beklagte in Verzug zu setzen. Nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB ist der von den Klägern angesetzte Verzinsungsbeginn am 1. Januar 1997 berechtigt. Nur für den Kläger zu 5), auf dessen Grundstück eine Nutzung zu Zwecken der öffentlichen Telekommunikation erst im Jahre 1999 aufgenommen wurde, kann die Verzinsung dementsprechend erst ab dem 1. Januar 2000 beginnen. Im Hinblick auf die weitergehenden Zinsansprüche war die Klage abzuweisen.
2.
An der Endentscheidung im übrigen ist die Kammer dadurch gehindert, dass die Kläger die Höhe ihrer jeweiligen Ansprüche bisher nicht hinreichend substantiiert dargelegt haben. Deshalb liegen die Voraussetzungen des § 304 ZPO für den Erlass eines Grundurteils vor. Die Kammer konnte die Anspruchshöhe aufgrund des bisherigen Vortrags der Kläger nicht gemäß § 287 ZPO schätzen.
Zwar hat das OLG Hamm (NJW-RR 02, 769/770 f) zugunsten des betroffenen Grundstückseigentümers einen Entschädigungsbetrag von 5 DM je laufendem Meter nach § 287 ZPO geschätzt. Auszugehen hat die Berechnung vom Marktwert für die Einräumung eines Telekommunikationsrechts, hilfsweise von der üblichen Vergütung für die Verlegung von Versorgungsleitungen (BGHZ 145, 16/34 f). Nach dem OLG Hamm hat sich ein Marktwert für die Einräumung von Telekommunikationsrechten noch nicht gebildet, wohingegen die Beklagte - ebenfalls ohne jede Substantiierung, die von ihr erwartet werden kann - behauptet, dass dieser nunmehr bei 0,50 DM je laufender Meter liege. Die sodann vorgenommene Berechnung des OLG Hamm stützt sich auf den Betrag, den der Kläger pro Längenmeter Schutzstreifen für die Einräumung der Grunddienstbarkeit erhalten hat (hochgerechnet auf die heutige Zeit). Dieser Betrag ist durch die Breite des Schutzstreifens zu teilen und ein weiterer Abschlag vorzunehmen. Der so ermittelte Wert ist dann mit der Länge der Telekommunikationsleitung zu multiplizieren (zum Ganzen OLG Hamm NJW-RR 2002, 769/770 f). All diese Informationen sind von den Klägern nicht vorgetragen. Daher hat die Kammer keine ausreichende Grundlage für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO. Es liegt aber die für ein Grundurteil nötige hohe Wahrscheinlichkeit vor, dass der Klageanspruch in irgendeiner Höhe besteht (BGH NJW 2001, 224/225).
Tackenberg Dr. Scheuß
LG Wuppertal:
v. 09.10.2003
Az: 4 O 217/03
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