Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Mai 2001
Aktenzeichen: 25 W (pat) 142/00

(BPatG: Beschluss v. 17.05.2001, Az.: 25 W (pat) 142/00)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Mai 2000 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 1 109 079 auch hinsichtlich der Waren "Veterinärmedizinische Erzeugnisse, nämlich Spezialpräparate, ausgenommen verschreibungspflichtige und freiverkäufliche Präparate, die zum Ruhigstellen von Tieren bestimmt sind (Tranquillizer) zurückgewiesen worden ist. Insoweit wird die Löschung der angegriffenen Marke 396 44 634 im Markenregister angeordnet.

2. Im übrigen wird die Beschwerde der Widersprechenden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung MEDIVET ist am 8. Januar 1997 in das Markenregister eingetragen worden und nach einer Beschränkung des Warenverzeichnisses im Beschwerdeverfahren noch für

"Veterinärmedizinische Erzeugnisse, nämlich Spezialpräparate, ausgenommen verschreibungspflichtige und freiverkäufliche Präparate, die zum Ruhigstellen von Tieren bestimmt sind (Tranquillizer); diätetische Erzeugnisse für veterinärmedizinische Zwecke; Desinfektionsmittel für veterinärmedizinische Zwecke; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Reform- und Ergänzungslebensmittel für veterinärmedizinische Zwecke; Fungizide, Herbizide"

geschützt.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 23. Juli 1987 für

"Veterinärmedizinische Präparate, nämlich Tranquillizer"

eingetragenen Marke 1 109 079 SEDIVET, deren Benutzung nicht bestritten ist.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß vom 15. Mai 2000 durch eine Beamtin des höheren Dienstes die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Der erforderliche deutliche Abstand werde von der angegriffenen Marke - noch ausgehend von dem im Warenverzeichnis enthaltenen Oberbegriff "Veterinärmedizinische Erzeugnisse" - selbst bei teilweise identischen Waren und breiten Verkehrskreisen sowie einer zugrundezulegenden normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke noch eingehalten. Die Marken unterschieden sich zwar nur in einem Buchstaben, jedoch falle dieser Unterschied gerade der Anlaute der hier betonten und zudem ohnehin stärker beachteten ersten Wortteile besonders auf. Hinzu komme, daß die gemeinsame Endung "-vet" als Hinweis auf "veterinärmedizinische Erzeugnisse" eher kennzeichnungsschwach sei und deshalb der Unterschied am Wortanfang auf jeden Fall beachtet werde. Schließlich würden auch die Sinnanklänge in "Medi-" (Medizin, medizinisch) und "Sedi-" (Sedativa), soweit sie erkannt würden, dazu beitragen, die Marken besser auseinanderhalten zu können. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr sei wegen der unterschiedlichen Umrißcharakteristik der Anfangsbuchstaben "M" und "S" ebenfalls zu verneinen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den Beschluß der Markenstelle vom 15. Mai 2000 aufzuheben, die Verwechslungsgefahr zu bejahen und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Auch nach dem Ausschluß der von der Widerspruchsmarke erfaßten Waren sei von einer möglichen hochgradigen Warenähnlichkeit auszugehen, da die im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke enthaltenen Waren noch immer Arzneimittel umfassen könnten, die eine ähnliche Indikation oder einen gleichen Wirkstoff wie die Waren der Widerspruchsmarke aufweisen oder in einem funktionellen Anwendungszusammenhang stehen könnten. Eine Begegnung im Verkehr und eine Verwechslungsgefahr seien damit zwangsläufig gegeben. Die Marken unterschieden sich einzig durch den Anfangsbuchstaben, was nicht geeignet sei, einen ausreichenden Abstand der Gesamtklangbilder und auch der Schriftbilder herzustellen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt. Sie hat das Warenverzeichnis der Marke auf die oben genannte Fassung beschränkt, sich zur Verwechslungsgefahr jedoch nicht weiter geäußert.

Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts sowie auf den Inhalt der Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig.

1. Die Beschwerde hat teilweise auch in der Sache Erfolg, nämlich hinsichtlich der nach Beschränkung im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke enthaltenen Waren "Veterinärmedizinische Erzeugnisse, nämlich Spezialpräparate, ausgenommen verschreibungspflichtige und freiverkäufliche Präparate, die zum Ruhigstellen von Tieren bestimmt sind (Tranquillizer)".

Nach Auffassung des Senats besteht insoweit wegen der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken und der Ähnlichkeit der jeweiligen Waren die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß auf den nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobenen Widerspruch in dem genannten Umfang die Löschung der angegriffenen Marke gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG anzuordnen war.

Nach der hier maßgeblichen Registerlage kann auch nach der Ausnahme von "verschreibungspflichtigen und freiverkäuflichen Präparaten, die zum Ruhigstellen von Tieren bestimmt sind (Tranquillizer)" im Warenverzeichnis der jüngeren Marke hinsichtlich der Widerspruchswaren "Veterinärmedizinische Präparate, nämlich Tranquillizer" nach wie vor nahezu Warenidentität, jedenfalls aber eine hochgradige Warenähnlichkeit bestehen. So umfaßt der weiterhin im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke enthaltene Oberbegriff "Veterinärmedizinische Erzeugnisse" ua die Gruppe der Psychopharmaka, zu der außer den "Tranquillantien" zB auch "Neuroleptika" (Psychopharmaka mit ua sedierender und psychomotorisch dämpfender Wirkung), sowie - worauf die Widersprechende zutreffend hingewiesen hat - weitere Arzneimittel bzw Arzneimittelgruppen, die wie "Tranquillantien" auf das Nervensystem wirken bzw dieses beeinflussen und daher eine ähnliche Indikation oder einen gleichen Wirkstoff wie die Waren der Widerspruchsmarke aufweisen oder mit diesen in einem funktionellen Anwendungszusammenhang stehen können, wie zB Schlafmittel, Analgetika, Muskelrelaxantia, Narkosemittel oder Spasmolytika. Dabei ist der im Zusammenhang mit der Einschränkung des Warenverzeichnisses aufgenommene Begriff "Spezialpräparate" zu unbestimmt, als dies zu einer über die ausdrücklich ausgenommenen Waren "verschreibungspflichtige und freiverkäufliche Präparate, die zum Ruhigstellen von Tieren bestimmt sind (Tranquillizer)" hinaus beachtlichen Beschränkung des Oberbegriffs "Veterinärmedizinische Erzeugnisse" führen würde. Dabei wirkt sich noch verwechslungsfördernd aus, daß es sich auch um Präparate handeln kann, die rezeptfrei erworben werden können, so daß Endverbraucher als Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen sind.

Der Senat geht von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "SEDIVET" aus. Auch wenn insbesondere Fachleute mit entsprechenden Fach- und Sprachkenntnissen aufgrund der Sinnanklänge in "SEDI" an "Sedativa" (allgemein "Beruhigungsmittel" mit dämpfender Wirkung auf das zentrale Nervensystem) und in "-VET" an "veterinär(medizinisch)" einen Hinweis darauf erhalten, daß es sich bei dem derart gekennzeichneten Produkt um ein solches Beruhigungsmittel für Tiere handelt, ergibt sich hieraus keine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung. Denn im Hinblick auf die im Bereich pharmazeutischer Erzeugnisse bestehende Übung, Marken in der Weise zu bilden, daß einzelne Bestandteile Indikation, Art der Zusammensetzung, Wirkung und dergleichen zumindest für Fachleute eindeutig erkennen lassen (vgl BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin), erscheinen die entsprechenden Wortelemente in der Widerspruchsmarke noch hinreichend phantasievoll zusammengefügt.

Unter Berücksichtigung der genannten Umstände sind strenge Anforderungen an den zur Verneinung der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG erforderlichen Markenabstand zu stellen, der nach Auffassung des Senats jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht eingehalten ist, soweit die Waren im engeren Ähnlichkeitsbereich liegen.

Die Markenworte "MEDIVET" und "SEDIVET" unterscheiden sich im maßgeblichen klanglichen Gesamteindruck lediglich in ihren Anfangskonsonanten "M" und "S", während die Wortbildung im übrigen identisch ist. Dabei kommt der Abweichung der konsonantischen Anlaute für das Klangbild insbesondere deshalb nur untergeordnete Bedeutung zu, weil die Konsonanten schnell verklingen und das "S" der Widerspruchsmarke zudem stimmlos gesprochen wird. Die übereinstimmende Lautfolge "-edivet" beeinflußt das Klangbild der Marken derart, daß die Unterschiede der Anfangskonsonanten deutlich überlagert werden und Verwechslungen in erheblichem Ausmaß zu befürchten sind. Zwar könnte auf den gemeinsamen und wegen seiner beschreibenden Verwendung ohne Zweifel auf dem vorliegenden Warengebiet kennzeichnungsschwachen Endbestandteil "-VET" allein eine Verwechslungsgefahr nicht gestützt werden, weil diesem Wortelement als deutlicher Hinweis auf "Veterinär(medizin)", bzw "veterinär(medizinisch)" eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung aus Rechtsgründen nicht zukommen kann. Jedoch dürfen auch für sich kennzeichnungsschwache Elemente einer einheitlichen Marke bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach dem Gesamteindruck nicht unberücksichtigt bleiben (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 152, 160, 185 mwN), zumal wenn - wie hier - die Vergleichsbezeichnungen auch im übrigen hochgradige Ähnlichkeiten aufweisen. Denn auch die vorangehenden Bestandteile weichen allein in den unterschiedlichen Anfangskonsonanten voneinander ab. Daß Abweichungen am Wortanfang vom Verkehr erfahrungsgemäß stärker beachtet werden und deshalb für die Unterscheidungsfähigkeit größere Bedeutung besitzen können als sonstige Wortbestandteile, steht hier schon deshalb einer anderen Bewertung nicht entgegen, weil die Anfangskonsonanten klanglich nicht besonders markant sind und die Betonung nicht auf den Anfangskonsonanten, sondern auf dem jeweils nachfolgenden Vokal "e" liegt. Im übrigen vermag eine alleinige Abweichung am Wortanfang bei sonstiger Übereinstimmung der Wörter ohnehin die Verwechslungsgefahr nicht auszuschließen (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rn 97 mwN), zumal, wenn - wie hier - die Waren praktisch identisch sein können oder im engeren Ähnlichkeitsbereich liegen.

In den jeweiligen Markenbestandteilen "MEDI-" (Medizin) und "SEDI-" (Sedativa) vorhandene Bedeutungsanklänge sind jedenfalls nicht derart ausgeprägt, daß sie angesichts der dargelegten Ähnlichkeit der Gesamtklangbilder ohne eine begriffliche Analyse rasch und unmittelbar erkannt würden und damit eine Unterscheidung der Marken in erheblichem Umfang erleichtern könnte (iSv BGH GRUR 1992, 130 ff "BALL/Bally" und BGH MarkenR 2000, 130, 132 "comptes/ComTel"). Im Hinblick auf die weitreichende Übereinstimmung im klanglichen Gesamteindruck besteht jedenfalls ganz überwiegend die Gefahr, daß auch den Verkehrskreisen, denen die Bedeutungsinhalte an sich bekannt sind, diese beim Verhören überhaupt nicht oder aber der falsche Begriff zum Bewußtsein kommt.

Bei diesem Ergebnis kann die Frage einer Gefahr von schriftbildlichen Verwechslungen dahingestellt bleiben.

Nach alledem war der angefochtene Beschluß der Markenstelle, soweit der Widerspruch aus der Marke 1 109 079 hinsichtlich der im Tenor zu 1. genannten Waren zurückgewiesen worden ist, auf die Beschwerde der Widersprechenden aufzuheben und insoweit die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

2. Dagegen hat die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Widerspruchs bezüglich der Waren "diätetische Erzeugnisse für veterinärmedizinische Zwecke; Desinfektionsmittel für veterinärmedizinische Zwecke; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Reform- und Ergänzungslebensmittel für veterinärmedizinische Zwecke; Fungizide, Herbizide" der angegriffenen Marke richtet. In diesem Umfang ist der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch von der Markenstelle zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats insoweit keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

In Bezug auf die Waren "Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide" ist zweifelhaft, ob überhaupt von einer Ähnlichkeit im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG mit den Widerspruchswaren "Veterinärmedizinische Präparate, nämlich Tranquillizer" ausgegangen werden kann. Diese Produkte weisen hinsichtlich ihrer stofflichen Beschaffenheit, ihrer Art sowie der jeweiligen Verwendungs- und Einsatzzwecke für die Annahme einer Warenähnlichkeit kaum relevante Berührungspunkte auf. Selbst wenn man zugunsten der Widersprechenden noch von einer - dann aber von einer allenfalls geringen - Warenähnlichkeit ausgeht, reicht dann die Abweichung der Marken in den Anfangsbuchstaben aus, um eine Verwechslungsgefahr zu verneinen.

Zwar können die jeweils "veterinärmedizinischen Zwecken" dienenden "diätetischen Erzeugnisse", "Reform- und Ergänzungslebensmittel" sowie "Desinfektionsmittel" der angegriffenen Marke mit Erzeugnissen, die unter den Warenoberbegriff "Veterinärmedizinische Präparate" fallen, von den Oberbegriffen her auch im engeren Ähnlichkeitsbereich liegen, wie dies zB auch hinsichtlich diätetischen Erzeugnissen oder Nahrungsergänzungsmitteln bzw Desinfektionsmitteln einerseits und pharmazeutischen Erzeugnissen andererseits, soweit von diesen etwa Mineralstoffpräparate (Rote Liste 2001 HG 62), Vitamine (Rote Liste 2001 HG 84), Diätetika/Ernährungstherapeutika (Rote Liste 2001 HG 34), Magen-Darm-Mittel, (Rote Liste 2001 HG 60) bzw Wundbehandlungsmittel (Rote Liste 2001 HG 85) und Wunddesinfektionsmittel umfaßt sind. Jedoch weisen die veterinärmedizinischen Zwecken dienenden Waren der angegriffenen Marke zu den speziellen veterinärmedizinischen Präparaten der Widerspruchsmarke, nämlich "Tranquillizern", hinsichtlich der stofflichen Zusammensetzung, Beschaffenheit und des Einsatz- und Verwendungszwecks so deutliche Unterschiede auf, daß auch insoweit die Abweichung der Marken in den Anfangsbuchstaben ausreicht, um die Gefahr von Verwechslungen bereits hinreichend sicher auszuschließen.

Danach war die Beschwerde Widersprechenden hinsichtlich der genannten weiteren Waren der angegriffenen Marke zurückzuweisen.

3. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Engels Brandt Pü






BPatG:
Beschluss v. 17.05.2001
Az: 25 W (pat) 142/00


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