Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 8. April 2011
Aktenzeichen: 6 U 179/10

(OLG Köln: Urteil v. 08.04.2011, Az.: 6 U 179/10)

Tenor

1.) Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln (Az. 84 O 20/09) vom 22.09.2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Urteilstenor zu II. wie folgt neu gefasst wird:

Auf die Widerklage wird die Klägerin zu 2) verurteilt,

a) in die Löschung ihrer beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 30028136.6 eingetragenen Deutschen Marke „Culinaria“ für die Waren Druckerzeugnisse, Lehr- und Unterrichtsmaterialien (ausgenommen Apparate) und

b) in die Löschung ihrer beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 30104528.3 eingetragenen Deutschen Marke „Culinaria“ für die Waren tiefgekühlte Snacks, nämlich Baguettes und im Wesentlichen mit Wurst- und/oder Fleischwaren sowie Käse und/oder Obst und/oder Gemüse belegte essfertige Toasts oder Brötchen, alle vorgenannten Waren nicht in Großverbraucherpackungen, einzuwilligen.

Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.

2.) Die Kosten des Rechtsstreits verteilen sich wie folgt:

Von den Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 1) 4/8, die Klägerin zu 2) 3/8 und die Beklagten 1/8, insoweit als Gesamtschuldner.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerinnen jeweils 2/5 und die Beklagten 1/5 als Gesamtschuldner.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin zu 2) kann die Vollstreckung des Löschungsanspruches durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Im Übrigen kann jede Partei die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4.) Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Begründung

I.

Die Klägerin zu 1) ist Inhaberin der Wort-Bildmarke „Culinaria DELIKATESSEN SERVICE GMBH“ mit Priorität vom 28.11.1980. Das Warenverzeichnis, das die Klägerin zu 1) nach Erhebung der Widerklage beschränkt hat, umfasst noch: „Saucen, einschließlich Salatsaucen, sämtliche Waren als Feinkost“.

Die Klägerin zu 2) ist Inhaberin

- der Wortmarke Nr. 39808411.4 „Culinaria“ mit Priorität vom 12.02.1998. Das Warenverzeichnis umfasst - auch hier nach Beschränkung im Laufe des Rechtsstreits - aus der Klasse 29: Fleisch- und Wurstwaren und aus der Klasse 30: Backwaren, kombiniert mit Fleisch- und Wurstwaren;

- der Wortmarke Nr. 30028136.6 „Culinaria“ mit Priorität vom 11.04.2000. Das Warenverzeichnis umfasst - nach entsprechender Beschränkung - aus der Klasse 16: Druckerzeugnisse etc. und aus der Klasse 29: Fleisch, Fruchtsoßen, Speiseöle und -fette sowie aus der Klasse 30: Mehle und Getreidepräparate, Senf, Essig, Saucen (Würzmittel) und Gewürze und aus der Klasse 43: Verpflegung von Gästen sowie

- der Wortmarke Nr. 30104528 „Culinaria“ mit Priorität vom 24.01.2001. Das Warenverzeichnis umfasst - ebenfalls nach Beschränkung - aus den Klassen 29 und 30: Pizza und tiefgekühlte Snacks, nämlich Baguettes und im Wesentlichen mit Wurst- und/oder Fleischwaren sowie Käse oder Obst belegte essfertige Toasts und Brötchen. Mit Wirkung vom 04.05.2010 hat die Klägerin zu 2) das Warenverzeichnis erneut ändern lassen. Statt „Mehle und Getreidepräparate“ heißt es nun „Mehle und Getreidepräparate, nämlich Nudeln, gefüllt und ungefüllt, sowie Teigwaren, gefüllt und ungefüllt“.

Die Beklagte zu 1) ist eine Kommanditgesellschaft, deren Geschäftsgegenstand in der Erbringung von Dienstleistungen besteht, insbesondere der Verwaltung von Markenrechten. Der Beklagte zu 4) ist Geschäftsführer ihrer Komplementärin.

Die Beklagte zu 1) ist Inhaberin der Wortmarke „Villa Culinaria“ mit Priorität vom 01.12.1998. Die Marke ist eingetragen für Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse, Fruchtmuse, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis und Kühleis.

Die Beklagten zu 2) und 3) sind aufgrund von Lizenzverträgen mit der Beklagten zu 1) zur Benutzung der Bezeichnung „Villa Culinaria“ berechtigt.

Die Klägerinnen wenden sich gegen die Benutzung der Marke „Villa Culinaria“ für Tiefkühlprodukte (Geflügel- und Fertiggerichte). Nach ihrer Ansicht begründet die Benutzung der Marken durch die Beklagten eine Verwechslungsgefahr nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG mit ihren Marken. Sie begehren mit der Klage im Wesentlichen Unterlassung, Auskunft und Feststellung einer Schadenersatzpflicht. Die Beklagten haben Widerklage erhoben auf Löschung der Marken der Klägerinnen wegen Nichtbenutzung, die nach Beschränkung der Warenverzeichnisse durch die Klägerinnen teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist. Im Übrigen wird wegen des Sachverhalts gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die von den Parteien eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mangels Verwechslungsgefahr abgewiesen und der verbleibenden Widerklage weitestgehend stattgegeben. Eine rechtserhaltende Benutzung wurde nach Beweisaufnahme angenommen für die Marke der Klägerin zu 1) und die Marke der Klägerin zu 2) mit der Nr. 39808411.4. Hinsichtlich der Marken der Klägerin zu 2) mit der Nr. 30028136.6 und der Nr. 30104528.3 hat das Landgericht eine rechtserhaltende Benutzung nur für einzelne Produkte bejaht.

Gegen das Urteil des Landgerichts haben die Klägerinnen Berufung eingelegt. Sie wenden sich sowohl gegen die Abweisung der Klage mangels Verwechslungsgefahr als auch gegen die Verurteilung der Klägerin zu 2) zur Einwilligung in die Löschung ihrer Marken.

II.

Die Berufung hat überwiegend Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Einwilligung in die Löschung bezieht. Im Übrigen - und dies gilt insbesondere hinsichtlich der Klage auf Unterlassung - muss ihr der Erfolg versagt bleiben. Den Klägerinnen steht gegen die Beklagten kein Unterlassungsanspruch nach §§ 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG zu, weil es an der hierfür erforderlichen Verwechslungsgefahr fehlt.

1. Die Klägerin zu 2) kann ihre Klage nur auf ihre Wortmarke Nr. 39808411.4 „Culinaria“ für die Waren Fleisch- und Wurstwaren und Backwaren, kombiniert mit Fleisch- und Wurstwaren stützen, denn nur diese ist prioritätsälter. Die Klägerin zu 1) klagt aus ihrer Marke „Culinaria DELIKATESSEN SERVICE GMBH“. Hinsichtlich beider Kennzeichen ist im Ergebnis eine Verwechslungsgefahr mit der Marke „Villa Culinaria“ zu verneinen.

a) Die Prüfung der Verwechslungsgefahr erfordert nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung eine umfassende Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, wobei eine Wechselbeziehung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren besteht, insbesondere der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und der Identität oder Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritäts­älteren Marke. Dabei kann ein geringerer Grad der Ähnlich­keit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden und umgekehrt (vgl. nur BGH GRUR 2009, 772 Tz. 51 - Augsburger Puppenkiste). Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (EuGH GRUR Int. 2007, 1009 Tz. 33 - Il Ponte Financiaria; BGH GRUR 2009, 772 Tz. 51 - Augsburger Puppenkiste; BGH GRUR 2008, 1002 Tz. 23- Schuhpark).

aa) Der Senat hält an seiner bereits in früheren Verfahren vertretenen Ansicht fest (vgl. Urteil v. 18.06.2009, Az. 6 U 49/06 und Urteil vom 22.01.2010, Az. 6 U 130/09), dass der Marke „Culinaria“ für Nahrungsmittel nur eine schwache originäre Kennzeichnungskraft zukommt, weil sich das Zeichen für die angesprochenen Verkehrskreise unschwer erkennbar an einen beschreibenden Begriff anlehnt (vgl. BGH GRUR 2010, 729 Tz. 27 - MIXI; BGH GRUR 2008, 100 Tz. 26 - Schuhpark). Auch wenn - wie die Klägerinnen hervorheben - das Wort „culinaria“ nicht in der deutschen Sprache vorkommt (sehr wohl aber in der lateinischen Sprache: culinarius/culinaria: zur Küche gehörend, auf die Kochkunst bezogen), so erkennt der maßgebliche Verkehr ohne weiteres und sofort den Zusammenhang mit dem in der deutschen Sprache bekannten Wort „kulinarisch“ als ein Adverb oder Adjektiv, das zum Ausdruck bringt, dass etwas auf die Kochkunst bezogen hohen Ansprüchen genügt.

Die für eine nachträgliche Stärkung der Kennzeichnungskraft notwendigen Tatsachen wurden von den Klägerinnen nicht substantiiert vorgetragen. Für eine solche Steigerung kommt es entscheidend auf den Zeitraum und den Umfang des Vertriebes von Produkten unter den in Rede stehenden Marken an, auf den Marktanteil und auf die getätigten Werbeaufwendungen. Der pauschale Vortrag der Klägerinnen, es sei insgesamt ein Umsatz von 6 - 9 Mio. Euro jährlich ab dem Jahr 1995 unter der Bezeichnung „Culinaria“ erzielt worden, kann eine Steigerung der Kennzeichnungskraft nicht rechtfertigen. Zum einen ist nicht erkennbar, welcher Anteil dieses Umsatzes auf welche Waren entfällt. Geht man davon aus, dass die Umsatzzahlen alle Produkte umfassen, für die die Marke rechtserhaltend benutzt wird, sind die Umsatzzahlen eher als gering anzusehen. Zum anderen fehlen dem Senat Vergleichsumsätze anderer Markenhersteller oder auch die Zahlen der Gesamtumsätze auf dem jeweiligen Markt. Ebenso wenig vermag der Vortrag, es seien 4 % des jährlichen Umsatzes für Werbung ausgegeben worden, ein anderes Ergebnis zu begründen. Selbst wenn man zugunsten der Klägerinnen unterstellt, die Werbeunterlagen aus den Jahren 2004 und 2006 seien nur exemplarisch vorgelegt worden und die Klägerinnen seien auch in den Folgejahren in vergleichbarem Umfang werblich tätig geworden, können solche einzelne Werbeaktionen in Prospekten die Kennzeichnungskraft nicht stärken. Die Ausgaben für Werbung allein genügen nicht, sofern sich deren Erfolg nicht in erhöhten Marktanteilen widerspiegelt.

Schließlich spricht der von den Zeugen F, von U und C bekundete und vom Landgericht in tatsächlicher Hinsicht zutreffend gewürdigte Umfang der Verwendung der Marke zwar für eine rechtserhaltende Benutzung, nicht aber für einen darüber hinausgehenden Umfang, der zu einer Steigerung der Kennzeichnungskraft führen könnte. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass für die Beurteilung der Frage, ob es zu einer Steigerung der Kennzeichnungskraft gekommen ist, auf die Beweisaufnahme zur rechtserhaltenden Benutzung zurückgegriffen werden kann. Die Frage, ob die Kennzeichnungskraft einer Marke infolge erhöhter Verkehrsbekanntheit gesteigert ist, hängt davon ab, inwieweit die Marke dem Verkehr bekannt ist. Das wiederum richtet sich maßgeblich nach Art und Umfang der Benutzung. Gerade dies sind aber auch die für eine rechtserhaltende Benutzung maßgeblichen Tatsachen. Selbst wenn der erforderliche Grad der Benutzung bei beiden Tatbestandsmerkmalen ein anderer ist, spricht aus Rechtsgründen nichts dagegen, das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Frage der rechtserhaltenden Benutzung auch im Rahmen der Steigerung der Kennzeichnungskraft fruchtbar zu machen. Angesichts der danach im Ergebnis schwachen Kennzeichnungskraft kommt es auf die Frage einer etwaigen weiteren Schwächung durch eine Drittbenutzung nicht mehr an.

b) Die Warenähnlichkeit ist hoch. Den Fleisch- und Wurstwaren sowie Backwaren der Klägerinnen, kombiniert mit Fleisch- und Wurstwaren, stehen Tiefkühlfertiggerichte (überwiegend aus Fleisch) und Geflügelprodukte der Beklagten gegenüber.

c) Zwischen den Marken „Culinaria“ und „Villa Culinaria“ besteht eine schwach durchschnittliche Zeichenähnlichkeit. Bei der rechtlichen Würdigung ist - schon wegen der reimähnlichen Endung - davon auszugehen, dass der Verkehr das Zeichen „Villa Culinaria“ als einheitliche Marke und nicht etwa als zwei einzelne Elemente und jeweils selbständige Zeichen wahrnimmt (BGH GRUR 2002, 171, 172 - Marlboro-Dach, zur Mehrfachkennzeichnung; vgl. auch Kochendörfer GRUR 2010, 195). Infolgedessen sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der beiden Zeichen die sich gegenüber stehenden Kennzeichen jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen. Diese Gesamtbetrachtung schließt es allerdings nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile des Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein können (BGH GRUR 2010, 729 Tz. 31 - MIXI; BGH GRUR 2009, 772 Tz. 57 - Augsburger Puppenkiste; BGH GRUR 2006, 60 Tz. 19 - coccodrillo). Der Senat folgt insoweit der Würdigung des Landgerichts, das davon ausgegangen ist, dass innerhalb der Bezeichnung „Villa Culinaria“ der Bezeichnung „Culinaria“ keine prägende Bedeutung zukommt. Anderes könnte man nur annehmen, wenn der Bestandteil „Villa“ völlig in den Hintergrund treten würde, etwa weil er vom Verkehr als rein beschreibend oder als bloßes Beiwerk verstanden würde (vgl. BGH GRUR 2007, 877 Rn. 49 - Windsor Estate für den Bestandteil „Estate“). Dahingehend argumentieren die Klägerinnen, die der Ansicht sind, der Bestandteil „Villa“ sei ein gängiges Wort der deutschen Sprache, dem keinerlei Kennzeichnungskraft zukomme. Der Verkehr erkenne darin nur einen Hinweis darauf, wo die in Rede stehenden Waren hergestellt bzw. verkauft werden.

Diesen Erwägungen schließt sich der Senat nicht an. Für den Lebensmittelbereich kommt dem Bestandteil „Villa“ kein rein beschreibender Sinngehalt zu. Die Annahme, der Verkehr werde davon ausgehen, die Produkte würden in einer Villa angefertigt, erscheint aus Sicht des Senats fernliegend. Tritt das Element „Villa“ daher nicht völlig in den Hintergrund, kommt dem Bestandteil „Culinaria“ auch keine prägende Stellung zu. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr scheidet somit aus.

d) Auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne besteht nicht. Eine solche kommt zwar in Betracht, wenn dem Bestandteil „Culinaria“ keine prägende, aber doch eine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt und dadurch aufgrund der Identität mit der klägerischen Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren aus wirtschaftlich oder vertraglich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042 Tz. 30 - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2010, 729 Tz. 31 - MIXI; BGH GRUR 2009, 772 Tz. 57 - Augsburger Puppenkiste).

Der Senat geht insoweit - anders als das angefochtene Urteil - von einer selbständig kennzeichnenden Stellung des Bestandteils „Culinaria“ aus. Dafür spricht zunächst, dass auch ein Bestandteil mit nur schwacher Kennzeichnungskraft eine selbständig kennzeichnende Stellung einnehmen kann (BGH GRUR 2008, 258 Tz. 32 - INNTERCONNECT/T-InterConnect). Insbesondere der Umstand, dass das jüngere Zeichen aus zwei einzelnen Worten besteht, von denen keines in den Hintergrund tritt, sondern stattdessen beide Bestandteile den Gesamteindruck der Marke gleichermaßen bestimmen, führt dazu, dass jedem eine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt.Im Ergebnis führt aber auch diese von dem angefochtenen Urteil abweichende Würdigung nur zu einer schwach durchschnittlichen Zeichenähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen. Durch den vorangestellten, ebenfalls selbständig kennzeichnenden Bestandteil „Villa“ im Zeichen der Beklagten ist ein deutlicher Abstand zwischen den beiden Marken gewahrt:

Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung führen die schwache Kennzeichnungskraft und die schwach durchschnittliche Zeichenähnlichkeit dazu, dass trotz der hohen Warenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne nicht gegeben ist. Bei der Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne erkennt der Verkehr zwar die Unterschiede zwischen den Marken, er stellt aber organisatorische oder wirtschaftliche Verbindungen zwischen den Markeninhabern her. Eine solche Verwechslungsgefahr kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden (BGH GRUR 2009, 772 Tz. 69 - Augsburger Puppenkiste). Dass ein Zeichen geeignet ist, bloße Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen hervorzurufen, reicht hierzu nicht aus. Besondere Umstände, die die Annahme einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne rechtfertigen, bestehen im Streitfall aber nicht. Wegen der geringen Kennzeichnungskraft der Klagemarke hat der Verkehr trotz der hohen Warenähnlichkeit keinen Anlass zu glauben, die Beklagten stünden mit der Klägerin zu 2) in einer wirtschaftlichen Verbindung. Insoweit liegen die Dinge hier anders als in der ebenfalls vom Senat entschiedenen Fallgestaltung, in der sich „Culinaria“ und „Eismann Culinaria“ gegenüber standen. Dort bestand die Gefahr, der Verkehr könne annehmen, die Firma Eismann biete nun auch eine „Culinaria“-Produktlinie an. Da „Villa“ aber erkennbar keine Unternehmensbezeichnung ist, liegt es aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise fern, dass die so bezeichneten Produkten von wirtschaftlich oder vertraglich miteinander verbundenen Unternehmen stammen, etwa weil unter einer etwaigen Dachmarke „Villa“ nun die Produktlinie „Culinaria“ angeboten würde.

Aber auch unter umgekehrtem Vorzeichen sieht der Senat keine mittelbare Verwechslungsgefahr dahin, dass der Verkehr annehmen könnte, unter dem Serienzeichen „Culinaria“ sei nun eine besondere Ausstattungslinie „Villa Culinaria“ kreiert worden. Ebenso wenig wie „Culinaria“ tritt der Bestandteil „Villa“ im angegriffenen Zeichen zurück; beiden Teile prägen - wie bereits ausgeführt - in etwa gleichwertiger Weise das zusammengesetzte Zeichen der Beklagten, so dass der Verkehr angesichts der nur schwachen Kennzeichnungskraft und der nur geringen Zeichenähnlichkeit keinen Anlass hat, auf wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen der Unternehmen zu schließen.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen scheidet auch eine Verwechslungsgefahr zwischen der Marke der Klägerin zu 1) und der Marke der Beklagten zu 1) aus.

2. Mangels Verwechslungsgefahr sind auch die Voraussetzungen für den geltend gemachten Löschungsanspruch und die Annexansprüche nicht gegeben. Für die nach § 15 Abs. 2 MarkenG zu beurteilende Verwechslungsgefahr zwischen der Beklagtenmarke und etwaigen Unternehmenskennzeichen der Klägerinnen gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend.

3. Die Berufung hat in weiten Teilen Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Klägerin zu 2) zur Einwilligung in die Löschung ihrer Marken richtet. Die Klägerin zu 2) hat ihre Marke Nr. 30028136.6 „Culinaria“ sowohl für Speisefette, Saucen (Würzmittel) und Gewürze als auch für Mehle und Getreidepräparate rechtserhaltend benutzt. Nur hinsichtlich der Marke Nr. 30104528.3 „Culinaria“ für tiefgekühlte Snacks, nämlich Baguettes und im Wesentlichen mit Wurst- und/oder Fleischwaren sowie Käse und/oder Obst und/oder Gemüse belegte essfertige Toasts oder Brötchen kann eine rechtserhaltende Benutzung i. S. d. § 26 MarkenG nicht festgestellt werden.

a) Ausgangspunkt der Beurteilung ist eine strenge Betrachtungsweise dahingehend, dass die Rechtswirkungen der rechtserhaltenden Benutzung nur für die Waren eintreten, für die die Marke tatsächlich benutzt wird. In Erweiterung dieser sog. Minimallösung ist davon auszugehen, dass eine gewisse Produkterstreckung möglich ist. Die rechtserhaltende Benutzung für einen Teil der unter einen Oberbegriff fallenden Waren oder Dienstleistungen führt danach dazu, dass die Markeneintragung im Löschungsverfahren wegen Verfalls nicht auf die tatsächlich benutzten konkreten Waren oder Dienstleistungen zu beschränken ist. Vielmehr sind im Warenverzeichnis auch die Waren oder Dienstleistungen zu belassen, die nach Auffassung des Verkehrs als zum gleichen Warenbereich gehörend angesehen werden (BGH GRUR 2009, 60 Rz. 32 - Lottocard). Damit soll dem Markeninhaber eine gewisse wirtschaftliche Flexibilität im Hinblick auf das Produktsortiment, das unter seiner Marke hergestellt und vertrieben wird, gewährleistet werden. „Gleich“ sind Waren, die in ihren Eigenschaften und in ihrer Zweckbestimmung übereinstimmen (BGH GRUR 1990, 39, 40 f - Taurus), so dass hier ein strengerer Maßstab anzulegen ist als im Bereich der Warenähnlichkeit im Rahmen der Verwechslungsgefahr.

b) Auch bei einem solchen restriktivem Verständnis gehören Speiseöle nach Ansicht des Senats zum gleichen Warenbereich wie Speisefette. Nicht selten handelt es sich hier um das gleiche Produkt, das eben nur in einem unterschiedlichen Aggregatzustand vertrieben wird; flüssiges Fett ist Öl.

b) Ebenfalls ist von einer rechtserhaltenden Benutzung sowohl für „Saucen als Würzmittel“ als auch für „Gewürze“ auszugehen. Die Klägerin zu 2) hat ihre Marke für „Senf-Dill-Soßen“, „Cumberland Saucen“ und weitere Saucen in rechtserhaltender Weise benutzt (vgl. Anlage K 33). Da diese Produkte zum Würzen von Speisen verwendet werden, fallen sie daher in den Warenbereich „Saucen als Würzmittel“.

Hinsichtlich des Warenbereichs „Gewürze“ hat das Landgericht eine rechtserhaltende Benutzung verneint, weil die Klägerin zu 2) eine solche nur für „Senf“ habe nachweisen können. Senf sei zwar das älteste Gewürz, rechtfertige aber keine rechtserhaltende Benutzung für Gewürze allgemein, weil Senf in der Warenklasse 30 ausdrücklich neben Gewürzen und Gewürzsaucen genannt werde. Mit der gesonderten Nennung in der Warenklasse 30 kommt aber nur zum Ausdruck, dass „Senf“ nicht identisch ist mit „Gewürzen“. Dennoch sind beide Produkte aus Sicht des Verkehrs zu den gleichen Warenbereichen zu zählen, weil sie weitgehend gleiche Eigenschaften und die gleiche Zweckbestimmung haben. Sie werden beide nur in kleinen Mengen verwendet und sie dienen beide zur geschmacklichen Verbesserung von Nahrungsmitteln.

c) Schließlich stellt auch die Anbringung der Marke „Culinaria“ auf Nudeln/Teigwaren eine rechtserhaltende Benutzung für „Mehle und Getreidepräparate“ dar. „Nudeln“ gehören in die Warenklasse 30. Da sie in dieser Warenklasse nicht ausdrücklich genannt werden, sind Nudeln - da sie aus Mehl hergestellt werden - unter die ausdrücklich genannten „Mehle und Getreidepräparate“ zu fassen. Zwar könnte man einwenden, „Mehle und Getreidepräparate“ erfassten nur Mühlenprodukte wie Haferflocken und Grieß, nicht aber Nudeln. Dagegen spricht aber, dass es in der Anleitung zur Klassifikation unter 1. lautet: „Die in der Klasseneinteilung aufgeführten Waren- und Dienstleistungsbezeichnungen stellen Oberbegriffe dar, denen die Waren oder Dienstleistungen im Allgemeinen zugeordnet werden.“ In der Regel sollen also Waren oder Dienstleistungen den in der Klassifikation genannten Begriffen zugeordnet werden. Zwar ist den Beklagten darin zuzustimmen, dass es grundsätzlich möglich ist, eine Ware, die nicht ausdrücklich in der Klassifikation genannt ist, neu in das Verzeichnis aufzunehmen. Das ändert aber nichts daran, dass in der Regel eine Subsumtion unter bereits genannte Produkte erfolgen und eine Neuaufnahme die Ausnahme für etwaige neuartige Produkte sein soll. Es erscheint fernliegend, dass ein so gängiges Nahrungsmittel wie Nudeln bei Abfassung der Klassifikation nicht bedacht wurde, wenn demgegenüber andere Nahrungsmittel wie „Reis“ und „Backwaren“ ausdrücklich in dem Verzeichnis aufgeführt werden.

e) Für tiefgekühlte Snacks, nämlich Baguettes und mit Wurst, Käse, Gemüse oder Obst belegte Toasts und Brötchen konnte eine rechtserhaltende Benutzung nicht dargelegt werden. Zwar verwendet die Klägerin zu 2) ihre Marke für „Pizzas“, diese gehören aber nicht zum gleichen Warenbereich wie die genannten tiefgekühlten Snacks. Der Senat verkennt nicht, dass es auch „Pizzabaguettes“ gibt, doch ist aus Sicht der Verbraucher eine klassische Pizza ein deutlich anderes Nahrungsmittel als die hier genau definierten Snacks.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Klägerin unterliegt hinsichtlich ihrer Berufung gegen die Abweisung der Klage in vollem Umfang. Im Hinblick auf die Widerklage unterliegt sie zu 1/5.

Die Kostenentscheidung der ersten Instanz war abzuändern. Da die Klägerin hinsichtlich des nicht für erledigt erklärten Teils der Widerklage ganz überwiegend obsiegt hat und dieser Teil - wenn auch nicht quantitativ, so aber doch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen der Beklagten - die Warenbereiche betrifft, denen das wirtschaftliche Interesse zukommt, hat die Beklagte die Kosten der ersten Instanz zu 1/8 zu tragen.

5. Die Revision war zuzulassen nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil noch nicht geklärt ist, unter welchen Voraussetzungen bei einer selbständig kennzeichnenden Stellung eines übereinstimmenden Zeichenbestandteils eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne gegeben ist. Darüber hinaus ist offen, wie weit der sog. gleiche Warenbereich im Rahmen einer rechtserhaltenden Benutzung einer Ware reicht.

6. Streitwert:

I. Instanz:

a) bis zum 01.11.2009: 400.000,- €

(davon Klage: 200.000,- €;

(Widerklage: 200.000,- €)

b) danach: 280.000,- €

II. Instanz: 250.000,- €






OLG Köln:
Urteil v. 08.04.2011
Az: 6 U 179/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/90bcdb689237/OLG-Koeln_Urteil_vom_8-April-2011_Az_6-U-179-10




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share