Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. April 2003
Aktenzeichen: 23 W (pat) 18/01
(BPatG: Beschluss v. 10.04.2003, Az.: 23 W (pat) 18/01)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 12 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Februar 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur weiteren Prüfung auf der Grundlage folgender Unterlagen an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen:
Anspruch 1 und 2, Beschreibungsseiten 1 bis 3 und 6, diese Unterlagen überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2003, ursprüngliche Beschreibungsseiten 4 und 5, und Figur 1 der offengelegten Zeichnungen.
Der weitergehende Beschwerdeantrag wird zurückgewiesen.
Gründe
I Die vorliegende Patentanmeldung ist unter der Bezeichnung "Transparente Abdeckung für Sensoren" am 29. Juli 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden.
Mit Beschluss vom 14. Februar 2001 hat die Prüfungsstelle für Klasse G 12 B des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung zurückgewiesen. Sie hat ihre Entscheidung damit begründet, dass der Gegenstand nach dem damals geltenden, ursprünglich eingereichten Anspruch 1 im Hinblick auf den aus der - deutschen Offenlegungsschrift 44 10 895 [= D1]
bekannten Stand der Technik nicht neu sei. Nach Wegfall des tragenden Patentanspruchs 1 seien auch die auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 9, die zudem gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik nichts Patentfähiges aufwiesen, gleichfalls nicht gewährbar.
Im Prüfungsverfahren waren noch die Entgegenhaltungen - deutsche Offenlegungsschrift 40 06 420 [= D2]
- deutsche Patentschrift 933 481 [= D3] und - deutsche Auslegeschrift 1 030 042 [= D4]
in Betracht gezogen worden.
Angesichts des inhaltlich nebengeordneten Patentanspruchs 6, der auf einen anderen Gegenstand als der Patentanspruch 1 gerichtet ist, nämlich auf ein "Hilfsmittel zum Ablösen der transparenten Abdeckung nach einem der Ansprüche 1 bis 5", wurde im Prüfungsbescheid vom 8. Oktober 1999 zudem die Einheitlichkeit der vorliegenden Anmeldung in Frage gestellt.
Gegen den vorgenannten Zurückweisungsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Im Beschwerdeverfahren hat die Anmelderin die Patentfähigkeit der Gegenstände gemäß den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 6 damit begründet, dass die vorstehend genannte Druckschrift D1 keinen Hinweis enthalte, die Abdeckung für in einem Gehäuse angebrachte Sensoren lösbar zu verkleben; die D1 beschreibe auch kein Hilfsmittel, welches dazu geeignet sei, die Abdeckung zu entfernen. Die Gegenstände nach den ursprünglichen Patentansprüchen 1 und 6 seien von daher neu.
Sie beruhen nach Auffassung der Anmelderin auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da der D1 an keiner Stelle zu entnehmen sei, die Abdeckung an der äußeren Oberfläche der dort offenbarten Stoßstange so zu gestalten, dass sie von der Stoßstange gelöst werden kann. Insofern seien in der D1 auch keine Hinweise zu erkennen, welche den Fachmann dazu anregen könnten, ein Hilfsmittel zum Abheben der Abdeckung vorzusehen.
Die Anmelderin hat ferner neue Ansprüche 1 bis 6 eingereicht und hilfsweise die Erteilung eines Patents auf der Grundlage dieser neugefassten Patentansprüche beantragt.
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag betrifft eine transparente Abdeckung für in einem Gehäuse angebrachte Sensoren, wobei die lösbare Verklebung der Abdeckung mit dem Gehäuse durch ein beidseitig klebendes Klebeband oder eine beidseitig klebende Klebefolie erreicht wird, deren beide Klebeseiten unterschiedliche Haftkraft aufweisen.
Der Patentanspruch 3 gemäß Hilfsantrag ist auf ein Hilfsmittel zum Ablösen der transparenten Abdeckung nach Anspruch 1 gerichtet. Die Anmelderin hat geltend gemacht, die Verwendung einer beidseitig klebenden Folie oder eines beidseitig klebenden Klebebandes sei der Druckschrift D1 nicht zu entnehmen; die Gegenstände gemäß den Ansprüchen 1 und 3 nach Hilfsantrag seien demnach neu. Nachdem der D1 auch nicht zu entnehmen sei, wie eine Verklebung der Abdeckung mit einem die Sensoren enthaltenden Gehäuse gestaltet werden kann, beruhten die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 3 nach Hilfsantrag auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften D2, D3 und D4 stehen nach Meinung der Anmelderin weder den Gegenständen gemäß den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 6 noch denen der Ansprüche 1 und 3 nach Hilfsantrag patenthindernd entgegen.
Nachdem seitens des Senats in der mündlichen Verhandlung erneut die Einheitlichkeit der vorliegenden Anmeldung in Frage gestellt und zudem bezweifelt worden ist, ob der Gegenstand des ursprünglichen Anspruchs 6 bzw. der des neuen Anspruchs 3 gemäß Hilfsantrag patentfähig ist, hat die Anmelderin erklärt, sie verzichte auf das beanspruchte Hilfsmittel zur Ablösung der transparenten Abdeckung.
Auf die Feststellung des Senats hin, er betrachte nicht die D1, sondern die D2 als nächstliegenden Stand der Technik, hat die Anmelderin nach Erörterung der Sach- und Rechtslage zuletzt im Rahmen eines einzigen Antrags neue Ansprüche 1 und 2 vorgelegt und die Auffassung vertreten, dass das nunmehr beanspruchte Gehäuse mit einer transparenten Abdeckung durch den nachgewiesenen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen sei.
Die Anmelderin hat insbesondere die Auffassung vertreten, dass keiner der entgegengehaltenen Druckschriften ein Hinweis oder eine Anregung für die erfindungswesentliche Merkmalskombination zu entnehmen sei, wonach das zur Verbindung eines Gehäuses mit einer transparenten Abdeckung verwendete beidseitig klebende Klebeband oder die beidseitig klebende Klebefolie - auf beiden Seiten unterschiedliche Haftkraft aufweisen,
- wobei jeweils die Klebeseite mit der größeren Haftkraft auf die transparente Abdeckung aufgebracht wird, wodurch die Klebefolie oder das Klebeband beim Ablösen der transparenten Abdeckung an dieser verbleibt. Erfindungsgemäß werde somit, wie die Anmelderin in der mündliche Verhandlung geltend gemacht hat, eine rückstandsfreie Lösung der Verbindung zwischen Gehäuse und Abdeckung erreicht. Hierdurch könne verhindert werden, dass Reste des Klebebandes oder der Klebefolie beim Ablösen der transparenten Abdeckung in das Gehäuse fallen und dort die Sensoren verunreinigen oder beschädigen.
Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 12 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Februar 2001 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Anspruch 1 und 2, Beschreibungsseiten 1 bis 3 und 6, diese Unterlagen überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2003, ursprüngliche Beschreibungsseiten 4 und 5, und Figur 1 der offengelegten Zeichnungen.
Die geltenden Ansprüche 1 und 2 haben folgenden Wortlaut:
"1. Gehäuse mit einer transparenten Abdeckung (1) für Sensoren, wobei die transparente Abdeckung (1) mittels einer lösbaren Verklebung (2) mit dem Gehäuse (3) verbunden ist und die Verklebung (2) ein beidseitig klebendes Klebeband oder eine beidseitig klebende Klebefolie ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Klebeband oder die Klebefolie auf beiden Klebeseiten unterschiedliche Haftkraft aufweisen, wobei das beidseitig klebende Klebeband oder die beidseitig klebende Klebefolie mit der Klebeseite mit der größeren Haftkraft auf die transparente Abdeckung (1) aufgebracht ist, wodurch die Klebefolie oder das Klebeband beim Ablösen der transparenten Abdeckung (1) an dieser verbleiben.
2. Gehäuse nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die transparente Abdeckung (1) eine Floatglasscheibe ist."
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nur insoweit begründet, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache mit den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten, neugefassten Patentansprüchen 1 und 2 zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen ist, weil das wesentlich geänderte Patentbegehren noch nicht ausreichend geprüft ist (§ 79 Abs 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 PatG).
1.) Die vorliegenden Patentansprüche sind zulässig.
So wurde im geltenden Patentanspruch 1 in zulässiger Weise die Bezeichnung ("Gehäuse..." anstelle von "Transparente Abdeckung...") geändert; inhaltlich stützt sich der Anspruch 1 auf die ursprünglich eingereichten Patentansprüche 1 und 3 bis 5. Die Wirkungsangabe im letzten Teilmerkmal des Anspruchs 1, wonach die Klebefolie oder das Klebeband beim Ablösen der transparenten Abdeckung an dieser verbleiben, findet sich in der ursprünglichen Beschreibung (Seite 5, letzter Absatz bis Seite 6, erster Absatz).
Der geltende Unteranspruch 2 entspricht bis auf die geänderte Bezeichnung inhaltlich dem ursprünglichen Unteranspruch 2.
2.) Nachdem das Patentbegehren im Beschwerdeverfahren wesentlich geändert worden ist und nunmehr auf die Verwendung von beidseitig klebender Klebefolie bzw. beidseitig klebendem Klebeband mit Klebeseiten unterschiedlicher Haftkraft gestützt wird, ist der dem angefochtenen Beschluss zugrundeliegende Zurückweisungsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gegenüber der D1 entfallen, weil bei diesem Stand der Technik jeglicher Hinweis auf die Verwendung derartiger Klebemittel zur Befestigung einer transparenten Abdeckung an einem Gehäuse fehlt.
Aus der D2 ist - unbestritten - ein gattungsgemäßes Gehäuse mit einer transparenten Abdeckung für Sensoren bekannt (vgl. die dortige Vorrichtung zum optischen Erfassen von Fremdkörpern, welche Vorrichtung ausweislich der Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung, Spalte 1, Zeile 59 bis Spalte 2, Zeile 42, ein Gehäuse (11) mit einer transparenten Abdeckung (Scheibe 16) aufweist und bei welcher im Gehäuse (11) Sensoren (Strahlungssensor 12, Strahlungsempfänger 13) untergebracht sind, wobei die transparente Abdeckung (16) mittels einer lösbaren Verklebung mit dem Gehäuse (11) verbunden ist und wobei die Verklebung durch eine beidseitig klebende Klebefolie (Folie 20) erfolgt ).
Zuständiger Durchschnittsfachmann ist hier ein mit der Entwicklung und Fertigung von Gehäusen mit transparenter Abdeckung zur Aufnahme von Sensoren befasster, berufserfahrener Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau, der sich im Rahmen seiner Tätigkeit auch mit den verschiedenen Verklebungstechniken beschäftigt.
Dieser Fachmann mag zwar erkennen, dass die beim gattungsbildenden Stand der Technik gemäß der D2 verwendete beidseitig klebende Folie (20) an der transparenten Abdeckung (16) und dem Gehäuse (11) aufgrund deren Oberflächenbeschaffenheit möglicherweise unterschiedlich stark anhaftet. Es findet sich für ihn jedoch kein Hinweis dafür, die Klebefolie (20) an der transparenten Abdeckung (16) stärker anhaften zu lassen als am Gehäuse (11), damit sie beim Ablösen der transparenten Abdeckung (16) an dieser verbleibt, wie dies insoweit der weitergehenden Lehre gemäß dem kennzeichnenden Teil des neugefassten Patentanspruchs 1 entspricht.
Die eine Verglasung von Fensteröffnungen betreffende Entgegenhaltung D3 sowie die eine Vorrichtung zur Halterung von Messgeräten betreffende Entgegenhaltung D4 liegen vom Gegenstand gemäß geltendem Patentanspruch 1 noch weiter entfernt. Diese beiden letztgenannten Druckschriften haben in der mündlichen Verhandlung im übrigen keine Rolle gespielt.
3.) Die vorliegende Sache ist jedoch noch nicht entscheidungsreif. Die Prüfungsstelle hat in ihrem Prüfungsbescheid vom 8. Oktober 1999 zu den nunmehr in den geltenden Anspruch 1 aufgenommenen Merkmalen der ursprünglichen Unteransprüche 3 bis 5 lediglich pauschal auf die D2 verwiesen. Dieser Druckschrift sind jedoch, wie vorstehend dargelegt wurde, zumindest die Merkmale der ursprünglichen Unteransprüche 4 und 5, wonach die beidseitig klebende Klebefolie oder das beidseitig klebende Klebeband auf den beiden Klebeseiten unterschiedliche Haftkraft aufweisen und mit der Klebeseite mit der größeren Haftkraft auf die transparente Abdeckung aufgebracht ist, nicht zu entnehmen.
Die Beurteilung im o.g. Prüfungsbescheid, die Anmeldungsunterlagen ließen nichts erkennen, worauf sich ein gewährbarer Hauptanspruch stützen könnte, kann insofern ohne nachprüfbaren Stand der Technik keine Basis für eine sachgerechte Entscheidung sein (vgl. hierzu BGH GRUR 1990, 111, Ls1, 113 liSp - "Transportsicherung"; BPatG 23 W (pat) 8/01 vom 21. Januar 2003 in juris - "Gedruckte Schaltung"; steht zur Veröffentlichung an).
Nachdem in der vorliegenden Sache nicht auszuschließen ist, dass ein einer Patenterteilung möglicherweise entgegenstehender Stand der Technik existiert - insbesondere ist in der Klebstoffe (in Form von Filmen und Folien) und Klebeverfahren betreffenden IPC-Klasse C 09 J ersichtlich noch nicht recherchiert worden - und eine sachgerechte Entscheidung nur aufgrund einer vollständigen Recherche des relevanten druckschriftlichen Standes der Technik ergehen kann, wofür in erster Linie die Prüfungsstellen des Patentamts mit ihrem Prüfstoff und den ihnen zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten in Datenbanken berufen sind, ist die Sache im Rahmen der geltenden Patentansprüche 1 und 2 an das Deutsche Patent- und Markenamt zur weiteren Prüfung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 79 Abs 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 PatG).
Dr. Meinel Dr. Gottschalk Knoll Dr. Häußler Pr
BPatG:
Beschluss v. 10.04.2003
Az: 23 W (pat) 18/01
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