Bundesgerichtshof:
Urteil vom 9. Januar 2006
Aktenzeichen: II ZR 72/05
(BGH: Urteil v. 09.01.2006, Az.: II ZR 72/05)
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 27. Januar 2005 aufgehoben und das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 21. Januar 2004 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter des Vermögens einer GmbH (nachfolgend: Schuldnerin), welche von der Beklagten im Frühjahr 1997 als sog. "Vorratsgesellschaft" gegründet worden ist. Die von der Beklagten am 29. April 1997 auf das Konto der Schuldnerin überwiesene Stammeinlage von 50.000,00 DM wurde am nächsten Tag an die Beklagte - nach ihrer Behauptung zum Zweck treuhänderischer Anlage auf einem Anderkonto - zurücküberwiesen. Durch notariellen Vertrag vom 24. Juni 1997 übertrug die Beklagte ihre Geschäftsanteile an der Schuldnerin zum Preis von 50.000,00 DM zuzüglich einer Kostenpauschale von 6.325,00 DM auf zwei Erwerber. Gemäß dem Vertrag wurde der Notar angewiesen, einen von den Erwerbern ausgestellten Verrechnungsscheck über 50.000,00 DM auf ein Anderkonto einzuziehen und den Betrag danach auf das Gesellschaftskonto zu überweisen, das damit auf "DM 50.000,00 im Haben gestellt" werde. Der Betrag wurde dem Gesellschaftskonto am 14. Juli 1997 gutgeschrieben. Im März 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet.
Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten die Zahlung der Stammeinlage von 25.564,59 € nebst Zinsen gemäß § 20 GmbHG seit 4. April 1997 begehrt. Er meint, die Einlageschuld der Beklagten sei weder durch das Hin- und Herzahlen vom 29./30. April 1997 noch dadurch getilgt worden, dass die Beklagte der Schuldnerin den Kaufpreisanspruch gegen die Erwerber i.H.v. 50.000,00 DM zugewandt habe. Zudem habe der Erwerber K. die 50.000,00 DM schon im August 1997 wieder von dem Gesellschaftskonto abgezogen.
Das Landgericht hat der Klage - mit Ausnahme eines Teils der geltend gemachten Zinsen - entsprochen. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Dagegen richtet sich die - von dem Berufungsgericht zugelassene - Revision der Beklagten.
Gründe
Die Revision ist begründet und führt zur Abweisung der Klage.
I. Das Berufungsgericht (GmbHR 2005, 357 m. Anm. Emde) meint, das Hin- und Herzahlen der Stammeinlage der Beklagten vom 29. und 30. April 1997 laufe auf eine verdeckte Sacheinlage hinaus, weil der Schuldnerin damit im wirtschaftlichen Ergebnis nicht der ihr geschuldete Barbetrag, sondern nur eine Forderung auf den von der Beklagten bei deren Bank treuhänderisch angelegten Betrag verschafft worden sei. Die spätere, von der Beklagten gemäß dem notariellen Vertrag vom 24. Juni 1997 veranlasste Kaufpreiszahlung der Erwerber i.H.v. 50.000,00 DM auf das Bankkonto der Schuldnerin sei zwar einer unmittelbaren Einzahlung durch die Beklagte gleichzustellen, habe aber deren Einlageschuld wegen Fehlens einer hierauf bezogenen Tilgungsbestimmung ebenfalls nicht erfüllt. Vielmehr sei die Zahlung auf die (vermeintliche) Verpflichtung der Beklagten aus dem entsprechend § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG nicht wirksam vereinbarten Treuhandverhältnis mit der Schuldnerin zu beziehen. Gegenteiliges habe auch die Beweisaufnahme nicht ergeben. Soweit der Bundesgerichtshof in entsprechenden Fällen eine Tilgung der Einlageschuld annehme (BGHZ 153, 107 ff.), sei dem nicht zu folgen, zumal die Gesellschaft danach ihre Einlageforderung verliere, während der Inferent einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB wegen Verfehlung des Tilgungszwecks seines ursprünglichen "Hinzahlens" behalte.
II. Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Von seinem Ansatz aus inkonsequent lässt das Berufungsurteil schon Feststellungen dazu vermissen, dass die Einlageleistung der Beklagten zur Zeit der Anmeldung der Veräußerung bei der Schuldnerin (§ 16 Abs. 1 GmbHG) überhaupt in voller Höhe "rückständig" i.S. von § 16 Abs. 3 GmbHG, also fällig war, was Voraussetzung für die Passivlegitimation der Beklagten gemäß §§ 16 Abs. 3, 19 Abs. 1 GmbHG wäre. Etwaige Ansprüche des Klägers aus § 9 a Abs. 1 GmbHG sind gemäß § 9 b Abs. 2 GmbHG verjährt. Dass gemäß der ursprünglichen Satzung der Schuldnerin die Stammeinlage "vor Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister" eingezahlt werden sollte, genügt für sich allein zur Herbeiführung der Fälligkeit (hinsichtlich der Resteinlage) jedenfalls dann nicht, wenn diese nicht sofort eintreten sollte (vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG 5. Aufl. § 16 Rdn. 25 i.V.m. § 20 Rdn. 4 f.; Lutter/Bayer in Lutter/ Hommelhoff, GmbHG 16. Aufl. § 19 Rdn. 8). Vielmehr bedurfte es dann eines Gesellschafterbeschlusses gemäß § 46 Nr. 2 GmbHG. Ob die erwähnte Satzungsbestimmung im Sinne einer sofortigen Fälligstellung auszulegen, oder ob ggf. eine entsprechende konkludente Beschlussfassung (vgl. dazu Senat, BGHZ 152, 37, 39 f.) der Beklagten als Alleingesellschafterin der Schuldnerin in der Überweisung des - sogleich zurückgezahlten - Einlagebetrages vom 29. April 1997 zu sehen ist, kann allerdings offen bleiben, weil die Klage auch unabhängig davon abweisungsreif ist.
2. Im Ansatz noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass auch gewerbsmäßige Gründer von Vorratsgesellschaften die ordnungsgemäße Erfüllung einer fälligen Einlageverpflichtung schulden (§ 19 Abs. 1 GmbHG) und die ursprüngliche Einzahlung der Beklagten vom 29. April 1997 keine Erfüllungswirkung hatte, weil der Betrag am nächsten Tag wieder an die Beklagte zurückfloss (vgl. Sen.Urt. v. 17. September 2001 - II ZR 275/99, ZIP 2001, 1997; v. 22. März 2004 - II ZR 7/02, ZIP 2004, 1046; v. 21. November 2005 - II ZR 140/04, z.V.b. in BGHZ = ZIP 2005, 2203 = WM 2005, 2357).
An dem Tatbestand eines Hin- und Herzahlens ohne Erfüllungswirkung für die Einlageschuld ändert sich entgegen der Ansicht der Revision auch dadurch nichts, dass die Beklagte - nach ihrem Vortrag - den Einlagebetrag zwecks Entlastung der Schuldnerin von Kontogebühren auf einem Anderkonto verzinslich angelegt, der Geschäftsführerin der Schuldnerin (Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten) jederzeitige Verfügungsmöglichkeit zugesagt und der Schuldnerin zur Sicherung ihrer Ansprüche aus dem Treuhandverhältnis die Ansprüche gegen die Bank aus dem Kontoführungsvertrag abgetreten haben will. Zwar handelt es sich dabei - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht um eine verdeckte Sacheinlage, weil eine (vermeintliche) Schuld des Inferenten - hier aus dem Treuhandverhältnis (§§ 662 ff., 667 BGB) - auch in Verbindung mit einer Sicherungsabtretung nicht Gegenstand einer Sacheinlage sein kann (vgl. Sen.Urt. v. 21. November 2005 aaO II 1 b; Bayer, GmbHR 2004, 445, 451; Lutter/Bayer aaO § 5 Rdn. 14 m.w.Nachw.). Maßgeblich ist vielmehr, dass der Einlagebetrag bei einer Treuhandkonstruktion der vorliegenden Art - anders als bei endgültiger Einzahlung auf ein Konto der Gesellschaft - dem Zugriff des Inferenten im Verhältnis zu der sein Konto führenden Bank ausgesetzt bleibt und dies der Annahme einer Barleistung zu freier Verfügung der Gesellschaft entgegensteht (vgl. Sen.Urt. v. 22. März 2004 aaO; Roth/ Altmeppen, GmbHG 5. Aufl. § 7 Rdn. 30). Ließe sich mit der vorliegenden Treuhandkonstruktion eine Erfüllung der Bareinlageschuld bewirken, würde damit diese im Ergebnis durch eine Forderung der Gesellschaft aus dem Treuhandverhältnis ersetzt, was Sinn und Zweck des § 19 Abs. 2 Satz 1 GmbHG widerspräche und zur Unwirksamkeit der Treuhandabrede führen muss. Insoweit gilt hier nichts anderes als bei einem mit einer "Darlehensabrede" verbundenen Hin- und Herzahlen (vgl. dazu Sen.Urt. v. 21. November 2005 aaO).
3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte aber ihre offen gebliebene Einlageschuld durch die von ihr veranlasste Überweisung der 50.000,00 DM vom 8./14. Juli 1997 erfüllt. Das Berufungsgericht sieht selbst, dass die von der Beklagten veranlasste Überweisung des ihr von den Erwerbern der Geschäftsanteile geschuldeten Kaufpreises auf das Konto der Schuldnerin einer unmittelbaren Zahlung der Beklagten an die Schuldnerin gleichsteht (vgl. § 788 BGB). Damit hat die Beklagte der Schuldnerin die von ihr als Einlage zu beanspruchenden Barmittel endgültig zu freier Verfügung zugeführt. Unerheblich ist dabei, ob die Beklagte und die Schuldnerin irrig meinten, mit der Zahlung werde eine an die Stelle der (erfüllten) Einlageschuld getretene Verpflichtung der Beklagten aus dem Treuhandverhältnis (§ 667 BGB) erfüllt. Wegen Unwirksamkeit der Treuhandabrede (vgl. oben II 2) wäre auch in diesem Fall die Leistung der Beklagten der tatsächlich bestehenden Einlageschuld zuzuordnen (vgl. Sen.Urt. v. 3. Dezember 1990 - II ZR 215/89, ZIP 1991, 445; v. 17. September 2001 aaO). Es handelt sich hier nicht um eine Anspruchsmehrheit i.S. von § 366 Abs. 1 BGB (vgl. schon BGHZ 153, 107), sondern um eine rechtlich unzutreffende Qualifizierung der tatsächlich bestehenden Schuld. Wie der Senat in seinem Urteil vom 21. November 2005 (aaO im Anschluss an BGHZ 153, 107 ff.) klargestellt hat, wird in Fällen der vorliegenden Art mit der Zahlung auf die vermeintliche, wegen Verstoßes gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften nicht wirksam begründete Schuld die offene Einlageschuld getilgt. Auf das genannte Urteil wird Bezug genommen.
a) Fehl geht die Ansicht des Berufungsgerichts, dem Inferenten verbleibe bei dieser Lösung ein Bereicherungsanspruch gegen die Gesellschaft wegen fehlender Erfüllungswirkung seiner ursprünglichen "Hinzahlung" des Stammeinlagebetrages. Denn das im Rahmen der Kapitalaufbringung stattfindende "Hin- und Herzahlen" ist wirtschaftlich als ein einheitlicher, sich selbst neutralisierender Vorgang anzusehen, bei dem der Inferent zunächst nichts geleistet, sondern den Einlagebetrag in seinem Vermögen behalten hat (vgl. Sen.Urt. v. 21. November 2005 aaO). Weder die Gesellschaft noch der Inferent sind danach ungerechtfertigt bereichert. Im Gegenteil führt die Rechtsprechung des Berufungsgerichts, wonach der Inferent trotz realer Aufbringung des geschuldeten Barkapitals nochmals leisten muss, zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Gesellschaft und ihrer Gläubiger.
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es auch nicht unter Präventionsgesichtspunkten geboten, einer "Darlehensrückzahlung" o.ä. des Inferenten keine Erfüllungswirkung für die Einlageschuld beizumessen. Vielmehr läuft umgekehrt die Rechtsprechung des Berufungsgerichts darauf hinaus, dass der Inferent - zur Vermeidung einer Doppelzahlung - mit der Rückzahlung des vermeintlichen "Darlehens" o.ä. solange zuwarten müsste, bis er von der Gesellschaft oder ihrem Insolvenzverwalter zwangsweise in Anspruch genommen wird. Dies führte zu einer nicht wünschenswerten Belastung des alsbald seine Einlageschuld tilgenden und zu einer nicht gerechtfertigten Privilegierung des säumigen Gesellschafters, wie im Schrifttum zutreffend bemerkt worden ist (vgl. Emde, GmbHR 2005, 363).
4. Der Erfüllung der Einlageschuld der Beklagten durch Einziehung ihrer Kaufpreisforderung gegen die Anteilserwerber auf das Konto der Schuldnerin am 8./14. Juli 1997 steht schließlich auch nicht entgegen, dass der Einlagebetrag von dem neuen Gesellschafter K. schon im August 1997 wieder entnommen worden sein soll. Denn die Beklagte hat die von ihr als Gesellschaftsgründerin geschuldete Einlage zu freier Verfügung der beiden neuen (Gesellschafter-)Geschäftsführer geleistet. Für die Entnahme haftenden Kapitals durch einen der neuen Gesellschafter nach Anmeldung der Anteilsübertragung bei der Gesellschaft (§ 16 Abs. 1 GmbHG) haftet die Beklagte nicht (vgl. § 16 Abs. 3 GmbHG). Auch die für die wirtschaftliche Neugründung bzw. Aktivierung einer Vorratsgesellschaft geltenden Kautelen zur Sicherung der Kapitalausstattung (vgl. Senat BGHZ 153, 158; 155, 318) beziehen sich nicht auf die Gründer, sondern auf die neuen Gesellschafter und Geschäftsführer der Vorratsgesellschaft.
III. Nach allem kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, hatte der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden und die Klage unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile abzuweisen.
Goette Kraemer Münke Gehrlein Caliebe Vorinstanzen:
LG Flensburg, Entscheidung vom 21.01.2004 - 4 O 248/03 -
OLG Schleswig, Entscheidung vom 27.01.2005 - 5 U 22/04 -
BGH:
Urteil v. 09.01.2006
Az: II ZR 72/05
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