Oberlandesgericht Celle:
Beschluss vom 6. April 2010
Aktenzeichen: 2 W 79/10
(OLG Celle: Beschluss v. 06.04.2010, Az.: 2 W 79/10)
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des beigeordneten Rechtsanwalts der Klägerin vom 12. Februar 2010 wird der am 3. Februar 2010 zugestellte Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst.
Die auf Grund des vorläufig vollstreckbaren Urteils des Landgerichts Lüneburg vom 26. November 2009 von dem Beklagten an Rechtsanwalt H. aus L. gemäß § 126 ZPO zu erstattenden Kosten werden auf 1.475,72 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 27. November 2009 festgesetzt.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Beschwerdewert: 586,13 €
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 15. Oktober 2009 hat das Landgericht der Klägerin für den ersten Rechtszug unter Beiordnung des Beteiligten als Rechtsanwalt Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt, soweit die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 30.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. August 2009 Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Klägerin auf Rückzahlung des Darlehens gegen Herrn P. L., H., S. G., gemäß Darlehensvertrag vom 14. April 2008 in Höhe von 30.000 € begehrt. Durch das am 26. November 2009 verkündete Versäumnisurteil hat das Landgericht der Klage antragsgemäß im Umfang der Bewilligung von Prozesskostenhilfe stattgegeben und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Mit dem am 27. November 2009 eingegangenen Antrag vom 26. November 2009 (Bl. 98 d. A.) hat der Beteiligte als beigeordneter Rechtsanwalt die Festsetzung der Kosten abzüglich der von der Landeskasse erhaltenen Vergütung gegen den Beklagten beantragt und dabei insbesondere die Festsetzung einer vollen 1,3 Verfahrensgebühr aus dem Streitwert von 30.000 € begehrt.
Der Rechtspfleger hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. Januar 2010 die zu erstattenden Kosten auf 889,41 € nebst Zinsen festgesetzt. Dabei hat er im Anschluss an die bisherige ständige Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 19. Oktober 2009, OLGR Celle 2009, 930) angenommen, dass § 15 a RVG der von ihm vorgenommenen Anrechnung der für die vorgerichtliche Tätigkeit entstanden 1,3 Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die geltend gemachte Verfahrensgebühr nicht entgegenstehe, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den unbedingten Auftrag zur Vertretung im vorliegenden Rechtsstreit nicht erst nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung erhalten habe.
Die erstattungsfähigen Kosten der Klägerin beliefen sich somit auf 1.692,54 € (1,3 Verfahrensgebühr in Höhe von 985,40 € abzüglich der hälftigen Geschäftsgebühr in Höhe von 492,70 € = 492,70 € zuzüglich 1,2 Terminsgebühr in Höhe von 909,60 €, Auslagenpauschale von 20 € und 19 % MWSt), wovon der aus der Landeskasse erstattete Betrag von 803,13 € abzusetzen sei, so dass der festgesetzte Betrag von 889,41 € verbleibe.
Gegen diesen am 3. Februar 2010 zugestellten Beschluss richtet sich die am 12. Februar 2010 eingegangene sofortige Beschwerde des Beteiligten, der als beigeordneter Rechtsanwalt geltend macht, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr zu Unrecht erfolgt sei. Zwischenzeitlich habe nämlich auch der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs eine Anwendung des § 15 a RVG auf sogenannte Altfälle befürwortet.
II.
Die gemäß §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 126, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 568, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des beigeordneten Rechtsanwalts hat in der Sache Erfolg.
Zwar hat der Rechtspfleger im Einklang mit der von ihm zitierten ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Beschluss vom 2. Februar 2010 - 2 W 40/10 ) angenommen, dass die hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG auf die Verfahrensgebühr vorzunehmen sei, weil § 15 a RVG im Hinblick auf die Überleitungsvorschrift des § 60 RVG auf Fälle der vorliegenden Art keine Anwendung finde.
Der Senat hält jedoch an seiner in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (vgl. AGS 2009, 540, 542 f.) vertretenen Rechtsauffassung, dass § 15 a RVG auf €Altfälle€ nicht anzuwenden sei, nicht mehr fest, nachdem sich der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit dem erst kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 9. Dezember 2009 (XII ZB 175/07. AGS 2010, 54= ZIP 2010, 153) der Auffassung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (ZIP 2009, 1927) angeschlossen hat, wonach § 15 a RVG lediglich die bereits unter § 118 Abs. 2 BRAGO geltende und mit der Einführung des RVG nicht geänderte Rechtslage klargestellt habe, dass sich die Gebührenanrechnung im Verhältnis zu Dritten und damit insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht auswirke. An dieser Rechtsauffassung hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auch in einem weiteren, die Anfechtung einer Entscheidung des Senats betreffenden Beschluss vom 3. Februar 2010 (XII ZB 177/09) festgehalten. Die o. a. Entscheidung des X. Zivilsenats des Bundsgerichtshofs beruhte demgegenüber nicht auf den dortigen Erwägungen zur Problematik der Anwendbarkeit des § 15 a RVG auf Altfälle. Mit Beschluss vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08 - hat sich zuletzt auch der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs des Rechtsprechung des XII. Zivilsenats ausdrücklich angeschlossen.
Gemäß der nach alledem auch im vorliegenden Fall anzuwendenden Vorschrift des § 15 a Abs. 2 RVG kann sich ein Dritter, also hier der Beklagte, auf eine gesetzliche Anrechnungsvorschrift nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren (hier: Geschäftsgebühr und Verfahrensgebühr) erfüllt hat, wegen einer dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren geltend gemacht werden. Diese Voraussetzungen sind weder nach dem Akteninhalt erfüllt noch hat sie die Beklagte dargelegt. Insbesondere hat die Klägerin die Geschäftsgebühr und die Verfahrensgebühr nicht in demselben Verfahren geltend gemacht. Zwar hat die Klägerin mit ihrem als Antrag auf Prozesskostenhilfe und Klage überschriebenen Schriftsatz vom 10. Juli 2009 auch den Antrag angekündigt, den Beklagten zur Zahlung ihrer, die volle 1,3 Geschäftsgebühr umfassenden, vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 1.419,19 € zu verurteilen. Indessen hat sie in diesem Schriftsatz zugleich klargestellt, dass die Klage nur für den Fall und in der Höhe der Gewährung von Prozesskostenhilfe als erhoben gelten solle. Nachdem der Klägerin jedoch Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung der vorgerichtlichen Kosten versagt worden ist, ist durch die gleichzeitige Zustellung der Klageschrift und des Beschlusses des Landgerichts vom 15. Oktober 2009 über die teilweise Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch keine Rechtshängigkeit bezüglich der vorgerichtlichen Kosten begründet worden.
Vor diesem Hintergrund findet im vorliegenden Fall keine teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr statt, so dass die in dem Kostenfestsetzungsbeschluss erfolgte Kürzung der 1,3 Verfahrensgebühr aus 30.000 € in Höhe von netto 985,40 € um die hälftige Geschäftsgebühr, mithin in Höhe von netto 492,70 €, zu Unrecht erfolgt ist. Der Gesamtbetrag der im Kostenfestsetzungsbeschluss berücksichtigten Wahlanwaltsgebühren des nach § 126 ZPO antragsberechtigten beigeordneten Rechtsanwalts der Klägerin erhöht sich mithin von 1.692,54 € brutto um 586,31 € (492,70 € + 19 % MWSt) auf 2.278,85 €. Nach Abzug des aus der Landeskasse bereits erstatteten Betrages in Höhe von 803,13 € verbleiben noch1.475,72 € als festzusetzender Betrag.
Die Kostentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Der Beschwerdewert entspricht dem Bruttobetrag der in dem angefochtenen Beschluss vorgenommenen Kürzung.
OLG Celle:
Beschluss v. 06.04.2010
Az: 2 W 79/10
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