Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 26. November 2001
Aktenzeichen: 17 W 107/01
(OLG Köln: Beschluss v. 26.11.2001, Az.: 17 W 107/01)
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird - unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:Aufgrund des Vergleichs des Landgerichts Köln vom 10. August 2000 - 31 O 250/00 - sind von der Klägerin an Kosten 4.376,20 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18.11.2000 an die Beklagte zu erstatten. Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 16.11.2000 wird abgewiesen. Die nach einem Gegenstandswert von 190,68 DM entstandene Gerichtsgebühr des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte. Die übrigen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.
Gründe
I. Die in B. ansässige Beklagte ließ sich in dem im Februar 2000 vor dem Landgericht Köln anhängig gemachten markenrechtlichen Rechtsstreit durch ihren in O.-W. (LG-Bezirk Wiesbaden) residierenden Prozessbevollmächtigten vertreten. Der Rechtsstreit wurde in der mündlichen Verhandlung vom 10.8.2000, an welcher der Prozessbevollmächtigte der Beklagten teilnahm, durch gerichtlichen Vergleich beendet. In dem Vergleich hat die Klägerin sämtliche Kosten des Rechtsstreits übernommen.
Die zum Vorsteuerabzug berechtigte Beklagte hat die Festsetzung u.a. der ihrem - auswärtigen - Prozessbevollmächtigten entstandenen Terminsreisekosten (Kosten der Pkw-Anfahrt und Abwesenheitsgeld) von zusammen (netto) 251,88 DM beantragt. Die Festsetzung dieser Kosten hat der Rechtspfleger unter Hinweis darauf abgelehnt, dass es sich um Kosten eines Bevollmächtigten am "dritten Ort" handele und die Beklagte keine anderweit notwendigen Kosten erspart habe. Gegen die Ablehnung der beantragten Festsetzung der Reisekosten richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten. Die Beklagte macht geltend, ihr Prozessbevollmächtigte sei als ihr ständiger Vertreter in Firmenangelegenheiten Anwalt des Vertrauens.
II. Die gemäß § 11 Abs. 1 RpflG i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat lediglich im erkannten Umfange Erfolg.
1. Nachdem durch das das Berufsrecht der Rechtsanwälte ändernde Gesetz vom 17.12.1999 (BGBl. I 2448) mit Wirkung ab 1.1.2000 die Postulationsfähigkeit der Rechtsanwälte vor Amts- und Landgerichten (vgl. § 78 Abs. 1 ZPO n.F.) erheblich erweitert worden ist, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung streitig geworden, ob die Reisekosten (§ 28 BRAGO) des auswärtigen Prozessbevollmächtigten, die diesem infolge persönlicher Wahrnehmung des oder der mündlichen Verhandlungen einschließlich Beweisaufnahmen vor dem Prozessgericht entstehen, der obsiegenden Partei gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO stets voll zu erstatten sind. Ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung (so OLG Nürnberg, Beschl. v. 21.11.2000 - 3 W 3744/00, MDR 2001, 235 = OLGR 2001, 71; OLG Hamburg, Beschl. v. 08.12.2000 - 8 W 252/00, OLGR 2000, 96 = MDR 2001, 294 = NJW-RR 2001, 788; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.12.2000 - 4 W 68/00, OLGR 2001, 535 = RPfleger 2001, 200 = NJW-RR 2001, 1001; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.12.2000 - 11 W 136/00, OLGR 2001, 54 = MDR 2001, 293 = JurBüro 2001, 201; OLG Hamm, Beschl. v. 12.02.2001 - 23 W 8/01, OLGR 2001, 185 = AnwBl 2001, 441 = MDR 2001, 959; OLG München, Beschl. v. 06.04.2001 - 11 W 946/01, MDR 2001, 773 = OLGR 2001, 241; OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.04.2001 - 8 W 91/01, OLGR 2001, 393 = MDR 2001, 1135 = JurBüro 2001, 533) lehnt grundsätzlich die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten ab, während ein anderer Teil der Oberlandesgerichte (OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 31.07.2000 - 5 W 126/00, OLGR 2000, 301 = MDR 2000, 1215 = JurBüro 2000, 587 mit zustimmender Anm. v. Enders; Beschl. v. 23.10.2000 - 6 W 162/00, MDR 2001, 55; OLG Schleswig, Beschl. v. 31.10.2000 - 9 W 145/00, OLGR 2001, 1; Kammergericht, Beschl. v. 23.01.2001 - 1 W 8967/00, OLGR 2001, 102 = MDR 2001, 473; OLG Bremen, Beschl. v. 07.06.2001 - 2 W 54/01, OLGR 2001, 337; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.07.2001 - 10 W 67/01, OLGR 2001, 491) die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten des Anwaltes obsiegenden Partei als Kostengläubiger im Grundsatz bejaht. Der erkennende Senat hat diese Streitfrage bisher nicht entschieden. Er schließt sich der zuletzt genannten Auffassung auf.
Die Gegenmeinung (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.12.2000, aaO. OLGR 2001, 54, 55; OLG München, Beschl. v. 06.04.2001, aaO. OLGR 2001, 241) wird im Wesentlichen auf die Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO gestützt, nach der der obsiegenden Prozesspartei diejenigen Mehrkosten nicht zu erstatten sind, die dadurch entstanden sind, dass der beim Prozessgericht zugelassene Rechtsanwalt seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht an dem Ort des Prozessgerichts hat. Dieser Argumentation wird von einigen Oberlandesgerichten (so zuletzt OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.07.2001 - 10 W 67/01, OLGR 2001, 490, 492 m.w.N.) entgegengehalten, die Bestimmung des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO regele lediglich einen Ausschluss der Reisekostenerstattung für den am Prozessgericht im Sinne der §§ 18 ff. BRAO "zugelassenen" Rechtsanwalt, nicht aber für einen dort postulationsfähigen Anwalt. Dieser rein auf dem Wortlaut des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO basierenden Interpretation widerspricht eine Auslegung mit Hilfe eines Umkehrschlusses. Wenn schon kraft Gesetzes der obsiegenden Prozesspartei die Mehrkosten eines beim Prozessgericht zugelassenen, aber nicht am Ort des Prozessgerichts residierenden Prozessbevollmächtigten nicht zu erstatten sind, kann dies erst recht nicht für den weiter entfernt residierenden auswärtigen Prozessbevollmächtigten gelten.
Der erkennende Senat ist indes der Auffassung, dass § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO durch die Neuregelung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentanwälte aufgrund des Gesetzes vom 17.12.1999 obsolet geworden ist. Der Gesetzgeber hat übersehen, dass der Zielsetzung seiner Neuregelung die Bestimmung des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO entgegensteht. Wie das OLG Stuttgart (Beschl. v. 22.05.2001 - 8 W 583/00, OLGR 2001, 409, 410) zu Recht ausführt, hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 17.12.1999 ausweislich der Gesetzesmotive (vgl. BT-Drucksache 12/4993, S. 43, 53) u.a. das Ziel verfolgt, einen "unerwünschten Anwaltswechsel" zu vermeiden. Dazu heißt es in den Gesetzesmaterialien (Begründung der Bundesregierung in BT-Drucks. 12/4993, S. 43): "Die Interessen der Mandanten, die von dem Rechtsanwalt ihres Vertrauens nicht nur in allen anderen Gerichtsbarkeiten außerhalb der ordentlichen in Zivilsachen, sondern auch vor auswärtigen Zivilgerichten von diesem vertreten werden wollen, sprechen für die Änderung. ... Es ist auch nicht zu erwarten, dass der Rechtsanwalt im Übermaß seine Zeit für Reisen zu auswärtigen Terminen aufwenden muss und nicht genügend erreichbar ist. Auch insoweit wird der Rechtsanwalt abwägen, wie wichtig ihm und dem Mandanten die persönliche Wahrnehmung des Termins ist, wie dies seit jeher vor den Fachgerichtsbarkeiten, in Strafsachen und in Zivilsachen vor den Amtsgerichten der Fall ist." Ergänzend heißt es auf Seite 53 (BT-Drucks. 12/4993): "Das Lokalisationsprinzip des (bisherigen) § 78 berücksichtigt nicht hinreichend die Gegebenheiten beim rechtsuchenden Bürger. Es zwingt ihn, entweder von vornherein bei auftretenden Rechtsfragen einen am Ort des für die Durchführung eines Rechtsstreits in Betracht kommenden Gerichts zugelassenen Rechtsanwalt zu konsultieren oder zunächst seinen Vertrauensanwalt aufzusuchen, der ihn aber später vor dem zuständigen Gericht nicht vertreten kann. Schließlich führt die europäische Entwicklung zunehmend dazu, dass ausländische Rechtssuchende oder ausländische Anwälte Kontakte zu Anwälten ihres Vertrauens in Deutschland unterhalten und selbstverständlich auch möchten, dass diese sie bei allen Landgerichten in Deutschland vertreten können." Angesichts dieser Gesetzesmotive besteht nach Ansicht des Senats kein Zweifel, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Reisen des nicht am Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts als Prozessbevollmächtigter zu den Verhandlungsterminen vor dem auswärtigen Prozessgericht gerade ermöglicht werden sollten. Dass letzteres aber stets auf Kosten der eigenen Partei auch im Falle deren Obsiegens erfolgen sollte, ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen; eine entsprechende Annahme wäre lebensfremd. Diese Überlegungen führen zu der Konsequenz, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO schlicht übersehen hat.
Die Prozesspartei hat ein schützenswertes Interesse daran, dass der Anwalt ihres Vertrauens den auswärtigen Verhandlungstermin für sie wahrnimmt, sofern sie darauf besteht. Insbesondere mit Rücksicht darauf, dass nach der am 1.1.2002 in Kraft tretenden Zivilprozessrechtsnovelle die mündliche Verhandlung in erster Instanz gestärkt und regelmäßig gemäß § 278 Abs. 2 ZPO n.F. der mündlichen Verhandlung zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits im Beisein der Parteien eine Güteverhandlung vorausgeht, ist es einer auswärtigen Prozesspartei nicht mehr zumutbar, wegen der Entfernung zum Ort des Prozessgerichts dort einen ihr gänzlich unbekannten Rechtsanwalt mit ihrer Prozessvertretung zu beauftragen bzw. beauftragen zu lassen und mit diesem über ihren "Hausanwalt" oder ortsnahen Verkehrsanwalt die Korrespondenz führen zu müssen. Das auf dem § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO basierende Gebot jeder Prozesspartei, im wirtschaftlichen Interesse des Prozessgegners die Prozesskosten niedrig zu halten, kann nach Auffassung des Senates nach der Erweiterung der Postulationsfähigkeit der Rechtsanwälte vor den Amts- und Landgerichten durch das Gesetz vom 17.12.1999 und den damit verfolgten oben genannten Gesetzesmotiven nicht mehr so weit gehen, dass der auswärtigen Partei zugemutet werden soll, sich vor dem auswärtigen Prozessgericht in der mündlichen Verhandlung durch einen Anwalt vertreten zu lassen, den sie nicht kennt und den sie nicht jederzeit zwecks Konsultation aufsuchen kann.
Aus diesen Gründen sind die notwendigen Reisekosten ihres auswärtigen Prozessbevollmächtigten auch dann zu erstatten, wenn diese Kosten der Höhe nach die fiktiven Kosten überschreiten, die durch die Einschaltung eines am Wohn-/Geschäftssitz der Partei residierenden oder ortsnahen Verkehrsanwaltes entstanden wären, der mit dem beim Prozessgericht zugelassenen und zusätzlich von der Partei beauftragten Prozessbevollmächtigten die Korrespondenz geführt hätte. Ebenso ist für die Erstattungsfähigkeit ohne Belang, wie weit das Prozessgericht vom Wohnsitz/Geschäftssitz der Prozesspartei entfernt ist und wie hoch der jeweilige Gebührenstreitwert ist, nach dem sich die Verkehrsanwaltsgebühren richten.
2. Das Gebot sparsamer Prozessführung wird dagegen nach Ansicht des Senates nicht mehr gewahrt, wenn eine Prozesspartei, die vor einem auswärtigen Prozessgericht einen Rechtsstreit zu führen hat, nicht an ihrem Wohnsitz/Geschäftssitz oder in unmittelbarer Nähe einen Prozessbevollmächtigten beauftragt, sondern einem Rechtsanwalt das Prozessmandat erteilt, der - zum Ort des Prozessgerichts betrachtet - weiter weg residiert. In diesem Falle hat die Partei die Mehrkosten selbst zu tragen, die dadurch entstanden sind, dass der von ihr beauftragte Prozessbevollmächtigte nicht an ihrem Wohnsitz/Geschäftssitz oder in unmittelbarer Nähe residiert, sondern weiter weg seinen Kanzleiort hat. Ist die Entfernung zwischen dem Kanzleiort des auswärtigen Prozessbevollmächtigten und dem auswärtigen Gerichtsort gleich groß oder kürzer als die Entfernung vom Wohnsitz/Geschäftssitz der Partei und dem Ort des Prozessgerichts, sind die Reisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten dagegen voll erstattungsfähig.
3. Hat die Prozesspartei ihren Sitz im Ausland und unterhält sie unmittelbar oder über ihren ausländischen Anwalt zu einem Anwalt ihres Vertrauens in Deutschland Kontakte, sind die Reisekosten des deutschen Vertrauensanwaltes zur Wahrnehmung eines Verhandlungs- oder Beweistermins vor deutschen Gerichten grundsätzlich voll erstattungsfähig, wenn der deutsche Vertrauensanwalt als Prozessbevollmächtigter in Deutschland auftritt. Denn wenn der Gesetzgeber die Erweiterung der Postulationsfähigkeit gerade auch auf solche Fälle ausdehnen wollte (vgl. BT-Drucks. 12/4993 S. 53), ist es nur folgerichtig, die notwendigen Reisekosten des deutschen Vertrauensanwaltes als voll erstattungsfähig zu betrachten.
4. Nimmt der auswärtige Prozessbevollmächtigte die Termine vor dem Prozessgericht nicht selbst wahr, sondern beauftragt dazu im Namen der Partei einen Unterbevollmächtigten, sind dessen Mehrkosten grundsätzlich nur erstattungsfähig, wenn sie die ersparten fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten nicht überschreiten. Übersteigen die Mehrkosten jedoch die ersparten fiktiven Reisekosten, sind die durch die Einschaltung des Unterbevollmächtigten entstandenen Mehrkosten ausnahmsweise erstattungsfähig, sofern und soweit sie angefallen und erstattungsfähig gewesen wären, wenn der Hauptbevollmächtigte als Verkehrsanwalt aufgetreten wäre. Zu den dann maßgeblichen Grundsätzen wird auf die Ausführungen des Senates in seiner Grundsatzentscheidung vom 3.11.1999 - 17 W 201/99, JurBüro 2000, 253 = OLGR 2000, 33 = MDR 2000, 234 (LS) = VersR 2001, 257, modifiziert durch die nachfolgenden Ausführungen zur ausnahmsweisen Anerkennung der Erstattungsfähigkeit von Verkehrsanwaltskosten verwiesen.
5. Das grundsätzliche Gebot kostensparender Prozessführung und die daran anknüpfende Erstattungsfähigkeit notwendiger Kosten im Rahmen des § 91 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO kann - nach der Erweiterung der Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit notwendiger Reisekosten auswärtiger Prozessbevollmächtigter - zu Problemen führen, wenn die obsiegende auswärtige Partei darauf verzichtet hat, einen an ihrem Wohn-/Geschäftssitz oder in unmittelbarer Nähe residierenden Prozessbevollmächtigten zu beauftragen, sondern sie statt dessen einen Verkehrsanwalt mandatierte, der in ihrem Namen einen beim Prozessgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten bestellte. Sind die Mehrkosten, die durch die Einschaltung des am Wohn-/Geschäftssitz der Prozesspartei oder in deren unmittelbarer Nähe residierenden Verkehrsanwaltes entstanden sind, niedriger als die ersparten fiktiven Reisekosten, die entstanden wären, wenn der Verkehrsanwalt als Prozessbevollmächtigter fungiert und zu den Terminen vor dem auswärtigen Prozessgericht gereist wäre, sind diese Mehrkosten ohne weiteres erstattungsfähig, wenn die auswärtige Partei später obsiegt und Kostengläubiger wird.
Schwierigkeiten kann indes die Fallkonstellation bereiten, dass sich nach Beendigung des Prozesses herausstellt, dass - bedingt durch die Höhe des Gebührenstreitwertes - die tatsächlich entstandenen Kosten des Verkehrsanwaltes die fiktiven Reisekosten übersteigen, die entstanden wären, wenn der Verkehrsanwalt selbst als Prozessbevollmächtigter aufgetreten und gereist wäre. Solche Fälle werden voraussichtlich seltener vorkommen, weil der von der auswärtigen Partei konsultierte Rechtsanwalt bei höheren Gebührenstreitwerten erfahrungsgemäß eher selbst reisen, also als Prozessbevollmächtigter fungieren wird. Er wird eher bei kleineren Gebührenstreitwerten nicht reisen wollen und hier als Verkehrsanwalt auftreten. In letzteren Fallgestaltungen übersteigen die ersparten fiktiven Reisekosten aber meist die Verkehrsanwaltskosten, so dass hier im Regelfall keine Probleme erstattungsrechtlicher Art entstehen werden.
Da der Gesetzgeber, wie oben ausgeführt, mit dem Gesetz vom 17.12.1999 durch die Erweiterung der Postulationsfähigkeit der Rechtsanwälte vor Amts- und Landgerichten den "unerwünschten Anwaltswechsel" beseitigen will, ist es unter dem Gesichtspunkt des Gebotes sparsamer Prozessführung nur konsequent, dass der auswärtige Anwalt, der von einer Prozesspartei konsultiert wird, nunmehr in der Regel das Prozessmandat annehmen, sich zum Prozessbevollmächtigten bestellen und die auswärtigen Termine selbst wahrnehmen muss, wenn nach seiner zum Zeitpunkt der Mandatserteilung anzustellenden Prognose die voraussichtlichen Reisekosten erheblich unter den Mehrkosten bleiben, die entstehen würden, wenn er lediglich als Verkehrsanwalt fungieren würde.
Der Senat ist mit dem OLG Hamm (Beschl. v. 12.02.2001 - 23 W 8/01, OLGR 2001, 185 = AnwBl 2001, 441 = MDR 2001, 959) der Ansicht, dass an die zum Zeitpunkt der Mandatserteilung anzustellende Prognose, ob die voraussichtlich entstehenden Reisekosten unter den Kosten eines Verkehrsanwalts bleiben, keine hohen Anforderungen zu stellen sind. Lediglich in den Fällen, in denen bei Mandatserteilung nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles erkennbar war, dass die im Rahmen der Prozessführung anfallenden Reisekosten wesentlich unter den Kosten eines Verkehrsanwaltes bleiben würden, sind letztere lediglich im Umfange der ersparten fiktiven Reisekosten erstattungsfähig, die angefallen wären, wenn ein am Wohn-/Geschäftssitz oder in unmittelbarer Nähe der Partei residierender Verkehrsanwalt von Anfang an als Prozessbevollmächtigter aufgetreten wäre.
Der Senat folgt der vorgenannten Entscheidung des OLG Hamm auch insoweit, als dem Kostenschuldner die Darlegungs- und Beweislast für seine Behauptung obliegt, die bei Übernahme des Mandats als Verkehrsanwalt anzustellende Prognose hätte ergeben müssen, dass die voraussichtlich anfallenden Verkehrsanwaltskosten die eingesparten fiktiven Reisekosten eines Prozessbevollmächtigten wesentlich überschreiten würden.
Soweit die vorgenannten Grundsätze zur ausnahmsweisen Anerkennung der Erstattungsfähigkeit von Verkehrsanwaltskosten mit der Grundsatzentscheidung des Senats vom 03.11.1999 - 17 W 201/99, JurBüro 2000, 253 = OLGR 2000, 33 = MDR 2000, 234 (LS) = VersR 2001, 257 nicht in Einklang stehen, wird die frühere Senatsrechtsprechung aufgegeben. Das gilt im Besonderen für die in der Entscheidung vom 03.11.1999 gemachte Differenzierung der Anerkennung der Verkehrsanwaltskosten nach dem Kriterium, ob die Entfernung zwischen dem Ort des Prozessgerichts und dem Wohn-/Geschäftssitz der Partei mehr als 40 km beträgt. Die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten des Prozessbevollmächtigten ist von der Entfernung des Gerichtsorts zum Wohn-/Geschäftssitz der Partei unabhängig. Verkehrsanwaltskosten sind lediglich noch erstattungsfähig, wenn sie betragsmäßig hinter den ersparten fiktiven Reisekosten eines Prozessbevollmächtigten zurückbleiben oder die bei Annahme des Mandates als Verkehrsanwalt anzustellende Prognose ergibt, dass die voraussichtlich anfallenden Verkehrsanwaltskosten die ersparten fiktiven Reisekosten nicht wesentlich überschreiten.
6. Die vorgenannten Grundsätze zur ausnahmsweisen Anerkennung der Erstattungsfähigkeit von Verkehrsanwaltskosten gelten nicht im Falle der Beauftragung eines Verkehrsanwaltes am sog. dritten Ort, also eines Verkehrsanwaltes, der nicht am Wohn-/Geschäftssitz der Partei bzw. in deren unmittelbarer Nähe residiert. Hier war es dem Kostengläubiger aus erstattungsrechtlicher Sicht von vornherein zumutbar, unmittelbar einen beim Prozessgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigen zu beauftragen. Denn wenn er ohnehin mit seinem auswärtigen Verkehrsanwalt korrespondieren und kommunizieren musste, wäre ihm das auch ohne weiteres mit dem beim Prozessgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten möglich und zumutbar gewesen.
Die Erstattungsfähigkeit der durch die Beauftragung des Verkehrsanwaltes entstandenen Mehrkosten ist beschränkt auf die etwaigen fiktiven Aufwendungen, die die Prozesspartei dadurch erspart hat, dass nicht sie, sondern ihr Verkehrsanwalt mit dem Prozessbevollmächtigten die Korrespondenz geführt hat.
7. Reisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten und Verkehrsanwaltskosten sind im übrigen ausnahmsweise nur im Umfange vorgenannter ersparter fiktiver Parteikosten erstattungsfähig, sofern die auswärtige Prozesspartei einen einfach gelagerten sog. Routineprozess führt (vgl. Kammergericht, Beschl. v. 23.01.2001 - 1 W 8967/00, OLGR 2001, 102 = MDR 2001, 473, sowie Senatsentscheidung vom 02.11.1999 - 17 W 201/99, JurBüro 2000, 253 = OLGR 2000, 33 = VersR 2001, 257) oder es sich bei der Prozesspartei um ein größeres Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung handelt oder ihr die Führung einer solchen zumutbar ist (vgl. Senat, aaO.). In solchen Fällen ist die Beauftragung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten aus erstattungsrechtlicher Sicht nicht notwendig gewesen.
8. Für den vorliegenden Fall ergibt sich folgendes:
Die in Bonn geschäftsansässige - obsiegende - Beklagte durfte sich in erstattungsrechtlicher Hinsicht zwar eines auswärtigen Anwaltes als Prozessbevollmächtigten bedienen. Dessen Reisekosten von O.-W./R. zum Gerichtsort K. nebst Abwesenheitsgeld in Gesamthöhe von 251,88 DM sind hier jedoch trotz des Wegfalls der anwaltlichen Lokalisation nicht in vollem Umfang erstattungsfähig, weil der Prozessbevollmächtigte am sog. "dritten Ort" residiert und dieser Ort erheblich weiter vom Gerichtsort K. entfernt liegt als der Sitz der von ihm vertretenen Beklagten. Die Reisekosten sind nur in dem Umfang zu erstatten, in dem sie entstanden wären, wenn die Beklagte einen an ihrem Sitz residierenden Anwalt mit der Prozessführung beauftragt hätte. Hätte die in B. ansässige Beklagte einen B. Anwalt als Prozessbevollmächtigten mandatiert, hätte dieser Fahrtkosten zur Wahrnehmung des Verhandlungstermins vor dem Prozessgericht in K. aufwenden müssen; außerdem hätte er für die Terminswahrnehmung Abwesenheitsgeld nach § 28 Abs. 3 BRAGO beanspruchen können. Dass der Prozeßbevollmächtigte die Beklagte ständig vertreten hat und vertritt, bleibt in erstattungsrechtlicher Hinsicht außer Betracht.
Insgesamt wären einem B. Prozessbevollmächtigten Reisekosten in Höhe von (netto) 61,20 DM entstanden, und zwar im einzelnen:
Fahrtkosten von B. nach K. und zurück
(2 x 30 km x 0,52 DM - § 28 Abs. 2 Nr. 1 BRAGO): 31,20 DM
Abwesenheitsgeld für die Terminswahrnehmung
(nicht mehr als 4 Stunden - § 28 Abs. 3 BRAGO): 30,00 DM
Gesamtbetrag: 61,20 DM
Diesen Betrag hat die Klägerin der Beklagten an Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten zu erstatten.
Das darüber hinausgehende Festsetzungsgesuch der Beklagten hat keinen Erfolg.
Die Verzinsungspflicht beruht auf § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 251,88 DM
OLG Köln:
Beschluss v. 26.11.2001
Az: 17 W 107/01
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